Ich melde mich hier mal zu Wort, als jemand, der tatsächlich einige Jahre in der Memi gewohnt hat, genauer gesagt in der Wohnung mit dem berühmten "Mielke-Fenster". Eine wunderbare 4 Zimmer-Maisonette-Wohnung, großes Tageslichtbad und Gästeklo in der 9. und 10. Etage. Knapp 80qm für 440€ kalt.
Ich habe selbst öfters Kontakt mit der WBM bezüglich der Zukunft des Hauses gehabt, da der Zustand des Gebäudes auch von innen teilweise durchaus Besorgnis erregend war. Große Risse in den Wänden, Wassereintritt nach starkem Regen überall im Haus. Unsere Wohnung wurde 2016 komplett saniert, bekam neue Bäder und Bodenbeläge und sah wirklich Top aus. Es herrscht eine recht hohe Fluktuation im Haus bei den kleineren Wohnungen, aus den großen Maisonettewohnungen zieht eher selten jemand aus. Nach meinem Auszug 2019 wurde die Wohnung sofort neu vermietet, auch die übrigen Wohnungen in unserer direkten Flurnachbarschaft wurden umfassend saniert, nachdem langjährige Mieter ausgezogen sind. Von langsam leer ziehen lassen kann also keine Rede sein. Tatsächlich wurden bis ca. 2015 in der Regel nur befristete Mietverträge mit Neumietern abgeschlossen, wir waren so ziemlich die ersten die wieder einen unbefristeten Vertrag bekommen haben. Angeblich, weil die WBM nicht genau wusste, wie es mit der Memi weitergehen wird. Alles deutet aber darauf hin, dass das Haus allzu bald nicht verschwinden wird. Die Wohnungen werden nach und nach durchsaniert und was das Äußere angeht wird vermutlich in den kommenden Jahren auch was passieren. Ich befürchte aber, dass es auch eher auf Styropor dran klatschen hinauslaufen wird.
Ich kenne selbst nicht alle Wohnungsschnitte im Haus, würde aber aufgrund der Flure und Etagen, die mir bekannt sind, schätzen, dass ca. 50% der Wohneinheiten 1 Zimmerwohnungen sind und der Rest 3-6 Zimmer-Wohnungen. 2 Zimmerwohnungen habe ich bisher keine zu Gesicht bekommen.
Das größte Problem aus Mietersicht ist meiner Meinung nach vor allem der bauliche Zustand der Gemeinschaftsbereiche. Die Flure, Treppenhäuser und Aufzüge sind wirklich gruselig und es halten sich nachwievor häufig Obdachlose im Haus auf, die gerne mal in die Ecke pissen und scheißen, bzw. teilweise auch problematische Einzelmieter. Grundsätzlich gibt es aber ein funktionierendes Sozialgefüge im Haus, auf meiner Etage haben hauptsächlich junge Familien mit Kindern gewohnt, eher deutsche Akademiker als Großfamilien mit Migrationshintergrund. Es gibt aber eine Gewisse Segregation zwischen den Stockwerken...die größeren Wohnungen liegen eher in den oberen Stockwerken und haben eine funktionale Mieterstruktur, die kleinen Wohnungen in den tieferen Stockwerken eher weniger. Die WBM hat extra eine Sozialarbeiterin eingestellt, es gibt einen großen Gemeinschaftsraum mit Küche, der gerne angenommen wird, es gibt eine Art Indoorspielplatz für Kinder, der viel benutzt wird und einen Fitnessraum. Grundsätzlich besteht eine recht große Identifikation der Bewohner mit ihrem Haus und die meisten Menschen sind froh, dort zu leben und das für eine Miete, die im Vergleich zum Rest von Mitte wirklich lächerlich niedrig ist.
Der außenstehende Betrachter sieht natürlich erstmal nur einen hässlichen braun-grauen Klotz, der sofort abgerissen werden muss. Ich habe darin eine wahnsinnig schöne Maisonette-Wohnung mit Sichtbetonwänden, toller Aussicht und ein wunderbares Zuhause für einige Jahre gefunden, so wie ein paar Hundert weitere Menschen auch. Das ganze Gefüge einfach abzureißen kann man natürlich machen, aber damit würde der Alexanderplatz auch ein (für mich) wertvolles Stück Geschichte und einen sozialen Organismus verlieren, den kein blankpolierter Glaskasten ersetzen kann. Ich persönlich würde mir schon wünschen, dass mit der Memi bald was passiert, aber eher in Richtung einer behutsamen Erneuerung. Ich bin selbst Stadtplaner und habe lange an der Uni gearbeitet und dort auch einige Entwürfe von Architekturstudierenden gesehen, die sich mit dem Haus befassen, die sehr interessant waren.