Beiträge von Restitutor

    ...naja, wer das alles studiert hat, der weiß ja auch wirklich mehr darüber als andere.


    Das ist schon richtig. Natürlich hat der Fachmann eine wichtige Funktion: Die des Beratens, des Erklärens und des Verdeutlichens. Das heißt aber nicht, dass er seine Fachkenntnisse dazu verwenden soll, Laien von der Diskussion auszuschließen, im Gegenteil, er sollte versuchen, sie einzubeziehen.


    Auch ich habe ja bestimmte Fächer studiert und käme trotzdem niemals auf die Idee, einem Laien zu sagen: "Du darfst hier gar nicht mitreden, du hast das ja nicht studiert." Wer Diskussionen dadurch abwürgen will, dass er auf seinen akademischen Hintergrund verweist, tut dies vermutlich deshalb, weil er keine echten Argumente hat. Wer nämlich gute inhaltliche Argumente hat, braucht nicht zu sagen "Ich bin nämlich Fachmann, ich kenne mich aus", sondern er kann einfach die fachlichen Argumente selbst für sich sprechen lassen.

    Ich will mich jetzt nicht allzu lange an Leuschner aufhängen; ich habe aber, auf seinen Artikel Bezug nehmend, einen Leserbrief an die Rundschau geschrieben. Man kann natürlich nie wissen, ob der abgedruckt wird, aber ich möchte ihn euch nicht vorenthalten, daher könnt ihr ihn hier im Forum lesen:


    Es ist eine allgemein bekannte Tatsache in der Wissenschaft, dass die Erwartungshaltung desjenigen, der eine Untersuchung durchführt, das Ergebnis entsprechend beeinflussen kann. Im Falle von Herrn Leuschner stellt sich mir nun die Frage, ob die Vorstellung, Rekonstruktionsbefürworter müssten geistig Verwirrte und Irregeleitete sein, schon von Anfang an vorhanden gewesen ist und daher der Befund zwangsläufig in diesem Sinne ausfallen musste. Karl Raimund Popper kritisierte einmal an der Psychoanalyse, dass das wissenschaftliche Prinzip der Falsifizierbarkeit dort nicht gegeben sei. Und in der Tat: Wenn ich mich nun als Befürworter einer Rekonstruktion gegen Herrn Leuschners Deutung wehre, dann könnte er vermutlich gerade meinen Widerstand als Indiz dafür auslegen, dass er Recht hätte; er käme also letztlich nie in die Verlegenheit zugeben zu müssen, dass er sich im Irrtum befindet. Das Tendenziöse an Leuschners Vorgehensweise wird deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass er von der „Vehemenz, mit der auf ihrer [der Altstadt] Wiedererrichtung beharrt wird“, spricht. Wieso ist bei Leuschner nicht jene Vehemenz, mit der man sich auf der Gegenseite auf unsachliche Art und Weise gegen einen Wiederaufbau wehrt, Gegenstand einer Untersuchung? Kann es denn wirklich sein, dass schon von vorneherein feststeht, wer die Normalen sind und wer die Verwirrten? Wie kommt Leuschner zu derartigen Aussagen über Menschen, die er größtenteils nicht einmal persönlich kennt? Am Ende muss bei Leuschner sogar „die eigene Schuld“ als Grund für den „blinden Aktionismus“ der Rekonstruktionsbefürworter herhalten – eine wenig überzeugende Behauptung, denn das Lebensalter vieler Befürworter lässt keinen Zweifel daran, dass in ihrem jeweiligen Falle eine eigene Schuld am Untergang des alten Frankfurt nicht gegeben ist. Dort, wo man von einem Psychoanalytiker differenzierte Aussagen erwarten würde, müssen wir uns also mit klischeeüberladenen Pauschalurteilen zufrieden geben. Schade.

    Aber es gibt ja nicht nur Jourdan, sondern auch noch unseren guten, fast in Vergessenheit geratenen Psycho-Onkel Leuscher, dem die Aufgabe zufällt, uns Reko-Befürworter für verrückt zu erklären:


    http://www.fr-aktuell.de/resso…t_und_hessen/?cnt=752700&


    Hier ein paar Tiefpunkte:


    Freut mich, dass so viele hier an den Berichten Anteil nehmen.


    Meiner Meinung nach müssen wir jetzt einfach standhaft und zugleich sachlich bleiben. Bisher hat man sich eindeutig mehr auf der Gegenseite lächerlich oder unmöglich gemacht. Der gestrige Abend hat immerhin gezeigt, dass der Jourdans NS-Vorwurf als Totschlagargument nicht funktioniert, niemand ist darauf eingegangen (abgesehen davon, dass Kardinal es als unzutreffend zurückgewiesen hat).


    Ach, das habe ich ja noch vergessen: Jourdan ging ja sogar noch so weit zu behaupten, dass sich an dieser Debatte eigentlich sowieso nur jene beteiligen dürften, die Architektur studiert haben, denn einen Engländer könne nur verstehen, wer Englisch gelernt habe, und Architektur sei nur für jene verständlich, die Architektur studiert haben.


    Also, Leute, lasst uns doch einfach Städte bauen, bei deren Anblick eine kleine Fachleute-Riege ins Entzücken gerät, während 99% der ungebildeten Bevölkerung vor Hässlichkeit der Atem stockt. Das wäre dann doch Jourdans Welt...:nono:


    Und der Vorschlag der Grünen ist wirklich absurd, die Gründe dafür hat Schmittchen bereits treffend genannt.

    Rundschau-Veranstaltung Teil 2


    Engel wurde von einem der Moderatoren gefragt, ob er sich Fachwerkfassaden in seinem Modell vorstellen könne. Er sei eindeutig dagegen, war die Antwort. Die meisten Menschen hätten den Zweck eines Ideenwettbewerbs zudem nicht verstanden. Wenn die Fachwerkhäuser beschlossen würden, wer bezahle dann das alles? Die Nutzungsflächen könnten so nicht erreicht werden. Eine Altstadt sei für heutige Menschen nicht lebenswert (hat er wirklich so gesagt), am Ende, so Engel sarkasstisch, werde das TR noch eine Fachwerkfassade bekommen. Außerdem halte er nichts von Bürgerbegehren, und die Goldene Waage werde am ursprünglichen Ort nicht gehen.


    Mäckler befand, der Rückkauf des TR durch die Stadt sei eine gute Sache. Er nannte, wie schon auf der FAZ-Versanstaltung, den Neumarkt in Dresden als positives Beispiel. Der Krönungsweg bleibe, trotz Tiefgarage darunter, ein wichtiger Ort. Dann kam er wieder darauf zu sprechen, dass für ihn das Salzhaus ein gutes Beispiel sei, wie das Areal bebaut werden könnte: das alte Sandstein-Erdgeschoss, darüber ein Beton-"Fachwerk" mit Mosaiken und spitzem Giebel. In 50 Jahren, so prophezeite er, werde kein Mensch mehr das neue Salzhaus abreißen wollen. Dann machte er die meiner Ansicht nach sehr missverständliche Behauptung, es habe in der Altstadt kaum Fachwerk gegeben (er meinte: kaum freiliegendes Fachwerk; er wollte darauf hinaus, dass das Fachwerk in der Regel unter Putz und Schiefer verborgen war). Einen Bürgerentscheid brauche er auch nicht unbedingt.


    Dann folgte auch die allgemeine Debatte mit dem Publikum. Hier ein paar Höhe- und Tiefpunkte, die mir in Erinnerung geblieben sind:
    - Als sich jemand aus dem Publikum für den Arch. Garten sehr engagiert äußerte, erwiderte Engel, der Garten sei der absolut un-urbanste Bereich in der Innenstadt; eine Stelle, die nicht funktioniere.
    - Es gab einen regelrechten Ausraster von Volker Stein (FDP), der im Preisgericht gesessen hatte und zu der Entscheidung des Gerichts immer noch stehe. Was jetzt hier geschehe, sei laut Stein ein "Kultursturm", die "Büchse der Pandora" werde geöffnet, am Ende könne man alles abreißen um Fachwerkhäuser zu bauen, usw. Auf Steins lautstarken Beitrag reagierte Mäckler ruhig und gelassen, indem er erwiderte, die Politik müsse selbstverständlich auf die gegenwärtige Situation angemessen reagieren.
    - Rusch vom Denkmalschutz (wir kennen ihn bereits von einer anderen Veranstaltung), selbst SPD-Mitglied, distanzierte sich deutlich von der SPD, Frey und dem Fachwerk-Bekenntnis.
    - Dann noch eine Frau, die irritiert darüber war, dass man mit Architektur Gemütlichkeit erzeugen wolle: Frankfurt sei keine gemütliche Stadt, das passe daher nicht hierher.
    - Jemand anderes war über Engels Verlegung des Krönungsweges irritiert, der nun dort auf dem Dom zuläuft, wo keine Tür ist ("Warum lassen sie die Leute vor eine Mauer laufen?").
    - Jourdan durfte auch kräftig schimpfen. Er kam mehrfach zu Wort (und konnte es meiner Ansicht nach nicht verwinden, dass er heute abend nicht auf dem Podium war). Die Ostzeile, so Jourdan, sei kein Beitrag zur Baukultur, kein Baudenkmal. Sie sei eine Kulisse, die Emotionalität bediene. Leitbauten dürften keine historischen Gebäude sein, Leitbauten müssten stets das beste ihrer eigenen Zeit sein (Zwischenbemerkung von Mäckler: "Dann müssen wir aber besser werden, Jourdan.") Dass die Politik die Debatte mit dem Heimatbegriff verbindet, hielt Jourdan für verwerflich: Der Heimatbegriff sei durch die NS-Zeit belastet.
    - Dominik Mangelmann wurde von der Moderatorin eigens vorgestellt. Er wird es nicht mitgekriegt haben, weil er in der ersten Reihe saß, aber bei seiner Vorstellung gab es überhebliches und höhnisches Gelächter von den Schickimickis und selbsternannten Stadtplanungsexperten aus den hinteren Reihen. Das Publikum war eigentlich sowieso latent "feindlich", aber dafür lief die Debatte eigentlich noch relativ gut. Im sachlichen, nüchternen Ton widerlegte Mangelmann technische Falschaussagen und kam meiner Meinung nach sehr gut rüber, auch oder vielleicht sogar gerade als Jourdan begann, ihn überheblich von oben herab zu behandeln.
    - Hübner wurde ziemlich eindeutig von den FR-Leuten geschnitten. Er saß in der ersten Reihe, direkt vor deren Nase, und hatte sich von Anfang an gemeldet. Ihm wurde aber zu keinem Zeitpunkt das Wort erteilt. An dieser Stelle von meiner Seite ein "Pfui" für die Rundschau.


    Abschließend durften sich die Podiumsteilnehmer noch ganz kurz zum Historischen Museum äußern.
    Frey favorisierte den Entwurf von Jourdan, falls er überarbeitet würde.
    Becker war für einen Abriss des Betonteils des Museums.
    Mäckler wies darauf hin, dass er ja auch bei diesem Wettbewerb gleich am Anfang rausgeflogen sei. Es müsse eine Fassade geben, die sich in die Altstadt einfüge. Er denke auch an einen zweiten Giebel neben dem Barockgiebel neben dem Rententurm.
    Engel sagte, er finde das Historische Museum schrecklich (auch die Ausstellungsräume im Inneren), mit einer Fassade sei es nicht getan. Einen neuen Standort für das Museum - am Dom - halte er für eine interessante Idee. Er selbst habe sehr weitreichende Vorstellungen, wie das alles machbar sei und würde sowas sehr gerne bauen (Zwischenbemerkung von Mäckler: "Ich dachte, du willst Kindergärten bauen." - Allgemeines Gelächter)


    So, das war's. Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung blieben wir noch eine Weile und wurden Zeuge von ganz interessanten Gesprächen (Mäckler geht mittlerweile davon, dass 2-3 Fachwerkhäuser auf jeden Fall kommen werden).


    Kardinal, danke nochmal für's Mitnehmen!

    Bericht: Veranstaltung der Rundschau


    Schon witzig... da wird den Reko-Befürwortern in der Debatte immer Emotionalität vorgeworfen; die einzigen, die sich gestern abend danebenbenommen haben, waren Herr Stein (FDP) und Herr Jourdan.


    Aber mal von vorne: Die Moderation lag bei Frau Willführ, zu der sich bald noch ein bärtiger FR-Mann gesellte, dessen Namensschild ich von meinem Platz aus nicht lesen konnte. Auf dem Podium: Franz Frey (Vorsitzender SPD), Uwe Becker (Fraktionsvorsitzender CDU), Jürgen Engel (Architekt und Sieger im städtebaulichen Wettbewerb), Christoph Mäckler (Architekt). Im Publikum: Hübner (BFF), Mangelmann, Jourdan und unzählige Leute, die früher mal irgendwann irgendwo in irgendwelchen Ausschüssen saßen (so haben sich zumindest mehrere Leute bei ihrem Redebeitrag vorgestellt).


    Es gab einige kleine Pannen: Es konnten keine Pläne an die Wand gestrahlt werden, weil das Gerät defekt war. Alles fing ein bisschen später an, weil Mäckler, der gerade aus München kam, noch vom Flughafen aus zu uns unterwegs war (er hat offenbar einen vollen Terminkalender - gestern war er ja noch in Frankfurt auf der FAZ-Veranstaltung).


    Frau Willführ stellte einleitend den Hintergrund für die Debatte dar; das gebe ich jetzt hier nicht wieder, die Vorgänge, die zu jetzigen Diskussion geführt haben, dürften ja allgemein bekannt sein.


    Engel durfte anfangen, er machte gleich klar, dass er gegen "aufgesetzte Kulissen" sei, sein Siegerentwurf habe zudem die durch Schirn, Haus am Dom, usw. veränderte Wegesituation berücksichtigt. Die historische Straßenführung sei von ihm aufgenommen, aber korrigiert worden, Urbanität werde durch gute Organisation der Nutzungsvielfalt gewonnen, Typologien würden geschaffen, außerdem Schneisen und Öffnungen, damit Licht in die Gassen falle. Auch Freiburg und Nürnberg hätten ja nach dem Krieg ein gutes Gesicht durch eine gute Strukturierung bekommen. Die Debatte sei im Moment zu emotional, Engel würde Geld lieber in Schulen, Kindergärten und Soziales gesteckt sehen als in Fachwerkhäuser.


    Mäckler war der Meinung, die Architektur der Moderne sei "an ein gewisses Ende gekommen". Das müsse aber nicht im Bau von Fachwerkhäusern resultieren. Die Nachkriegsgeneration habe einen Schnitt gewollt, eine Verabschiedung von der Geschichte, er erinnerte an die emotionale Debatte bei Wiederaufbau des Goethehauses. An seinen Kollegen störe Mäckler die Emotionalität und der Sarkassmus in dieser Debatte (als Beispiele nannte er wieder Frau Flagges Persiflage und diesmal auch Speers Schwachsinn-Zitat). Er sagte dann ein noch ein paar Dinge, die er so ähnlich auch schon am Vortag bei der FAZ-Veranstaltung geäußert hatte (selbstverliebte Architektur an historischen Orten, Parzellierung, etc.). Der Ruf nach Fachwerk sei eigentlich ein Ruf nach mehr Leben. In jedem Fall sei er dafür, dass Wohnungen in die Gebäude kämen (und unten Läden).


    Als nächster kam Frey: Die Gefahr, dass Ffm mit Rothenburg konkurriere, bestehe nicht. Die Bürgerbeteiligung in der Sache sei gut, und sein Eindruck sei, die momentane Schärfe in der Debatte resultiere daraus, dass die Fachleute irritiert seien über die "Anmaßung" der Laien, mitreden zu wollen. Dies müssten die Architekten letztlich aber akzeptieren. Seiner Meinung nach sollten die Frankfurter am Ende zwischen mehreren Entwürfen selbst entscheiden können. Dies sei besser, als das Thema zum Wahlkampfthema zu machen. Die Politik habe lange Zeit nicht verstanden, wie wichtig den Bürgern die Sache sei; es sei zudem eine Tatsache, dass die Ostzeile am Römerberg vielen Frankfurtern gefalle.


    Becker sagte, es werde keine 1:1-Reko geben, aber man wolle so nah wie möglich an den historischen Begebenheiten sein (Wegestruktur, Kleinteiligkeit, einzelne Rekos, und hier nannte Becker die Goldene Waage, das Rote Haus und das Haus Am Rebstock). Die 1:1-Reko verbiete sich wegen der Enge und der schlechten Lichtverhältnisse. Die Ostzeile sei aber ein gutes Beispiel für modernes Wohnen in rekonstruierten historischen Gebäuden.
    (Dennoch fühlte der bärtige Moderator sich dazu berufen zu fragen, wer in so kleinen Räumen wie in der Ostzeile leben wolle, Becker ging nicht wirklich auf die Frage ein.)
    Becker habe selbst nicht wirklich Kleinteiligkeit in Engels Siegerentwurf erkennen können. Er sei für einen eigenen Fachausschuss für die Angelegenheit.


    So, Teil 2 folgt später.

    @ Schmittchen:


    Ich glaube, der Artikel ist noch online, man kann ihn aber nicht direkt verlinken. Also auf die FAZ-Seite gehen, dort in die Rubrik "Rhein-Main", da stand der Artikel vor 30 Minuten noch an zweiter Stelle.


    Teil 3


    Der Moderator brachte Münster und polnische Städte als Beispiele ein: Warum sei in Frankfurt nicht möglich, was dort gelungen sei?


    Ein bisschen hat Schwarz meiner Ansicht nach an dieser Stelle rumgeeiert, sagte irgendwas vom Unterschied eines Aufbaus direkt nach 45 und im Jahre 2005. Dann brachte er das Historische Museum noch mit ins Spiel; damals hätten die Architekten den Politikern gesagt, wie sie bauen sollen. Schwarz habe im TR-Preisgericht um so viel Historisches wie möglich gekämpft, aber die die Architekten hätten gesagt "Nur so, oder wir geben unsere Unterschrift nicht." Dann sagte Schwarz noch, er sei immer ein Gegner von Bürgerentscheiden gewesen.


    Speer wurde die Frage gestellt, ob er mit "historischen Zitaten" leben könne. Speer meinte, Zitate seien hauptsächlich etwas für Literatur und Musik. Wenn schon Zitate in der Architektur, dann müssten sie aber als solche erkennbar sein. Dann forderte Speer noch, man müsse über eine Gestaltung des gesamten Bereichs der (ehemaligen) Altstadt reden, also über das TR-Areal hinaus.


    Mäckler erwiderte, das TR-Areal sei ja nun nicht irgendein Stück Altstadt, sondern beinhalte den Krönungsweg, der im übrigen breit und nicht eng gewesen sei. Neben den einzelnen Fachwerk-Rekos, die er vertreten könne, würde er für Gebäude im Stil des "neuen" Salzhauses plädieren (das Haus am Römer ganz rechts). Nur mit Kleinteiligkeit sei Leben in das Gebiet zu bringen.


    Schwarz sagte daraufhin, es solle ja kleinteilig werden, dies sei von Anfang an beabsichtigt gewesen. Auf das Hotel, für das er eigentlich sei, könne man notfalls auch verzichten. Er wies darauf hin, dass es zum Altstadt-Thema auch eine Veranstaltung am 18. November gebe, und eine Woche später sei eine Bürgerversammlung geplant.


    Dann durfte nochmal Frau Brockhoff, die sagte, dass der Krönungsweg nichts sei ohne den Archäologischen Garten, weil ja gerade diese Mauerreste erklären würden, warum in Frankfurt gekrönt wurde. Dann sprach sie sich dafür aus, dass die Stadt ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg jährlich gedenken solle (Glockengeläut etc.)


    Anschließend begann dann endlich die Diskussion mit dem Publikum. Kardinal korrigierte die Fehlinformation über die Geschosshöhen und wies darauf hin, dass nichts Technisches gegen die Fachwerk-Rekos spreche. Ich kann jetzt nicht sämtliche Äußerungen aus dem Publikum wiedergeben; mir fällt aber noch ein, dass ein Mann sagte, man solle die Entscheidungen auf die Zeit nach der Kommunalwahl verschieben, damit der Wahlkampf nicht falsche Ergebnisse produziere. Dem widersprach später ein Mann von den Frankfurter Grünen, der sagte, dass es ja gerade das Wesen der Demokratie sei, dass Parteien erklären würden, was sie vorhätten, und sich dann mit diesen Vorschlägen einer Wahl stellen würden. Der Grüne zeigte sich auch irritiert über die Änderung des Verlaufs des Krönungsweges im Siegerentwurf. Es gab auch noch einen Beitrag von Possmann, dem Vorsitzenden der "Freunde Frankfurts", aber an den Inhalt erinnere ich mich gerade nicht mehr.


    Als etwas seltsam blieb mir noch die Behauptung in Erinnerung, dass ja auch niemand in den alten Häusern leben wolle, weil die engen Gassen ja zu schlechten Lichtverhältnissen führen würden. Eigentlich sind die Gassen in diesem Bereich nie so eng gewesen (bis auf eine Ausnahme, glaube ich), und wenn eine moderne Bebauung sich am alten Gassenverlauf orientieren will, dann wären die Lichtverhältnisse da doch auch nicht viel anders...

    Es gibt auch online einen Bericht in der FAZ, vielleicht kann jemand den Link beisteuern, ich finde ihn gerade nicht mehr.


    Teil 2
    Schwarz wurde dann etwas provozierend vom Gesprächsleiter gefragt, ob die Stadtverwaltung eigentlich keine eigene Meinung zu dem Thema hätte. Schwarz: Dies sei eine legitime Frage; er nutzte erstmal die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Abriss des TR hauptsächlich von ihm ausgegangen sei (und viele, die damals dagegen waren, seien jetzt die eifrigsten Fachwerk-Bauer). Noch einmal betonte er, der Wettbewerb sei ja nur ein Ideenwettbewerb gewesen, ökonomische Faktoren müssten berücksichtigt werden, seien aber nicht primär. Seine persönliche Meinung zur Gestaltung des Areals sei: historischer Grundriss, kleinteilig, moderne Architektursprache (jedoch auf keinen Fall Stahl und Glas), einzelne Fachwerk-Rekonstruktionen am Krönungsweg; grundsätzlich vertrat aber Schwarz die Ansicht, man könne nicht in Fachwerkhäusern wohnen, und man wolle keinen Hessenpark oder Disneyland.


    Moderator Mick griff das letztgenannte Wort auf und verwies darauf, dass der Disneyland-Vorwurf ja schon bei Goethehaus und Römerberg-Ostzeile zur Anwendung gekommen sei. Aber wie stehe es damit heute? Heute seien diese Gebäude doch akzeptiert.


    Schwarz' Antwort war, man müsse stets im Einzelfall entscheiden. Dresden, das auch genannt worden war, halte er im übrigen für nicht vergleichbar. Überdies könnten Architekten ja durchaus die reine Lehre vertreten, aber in der Politik müsse man Kompromisse schließen.


    Frau Brockhoff sagte dann einiges zur Geschichte der Altstadt. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen wiedergeben, da es allgemeinm bekannt sein dürfte. Allerdings behauptete sie, dass es Geschosshöhen von nur 2 Meter gegeben habe (was laut Kardinal für den betroffenen Bereich nicht stimmt) und dass dort kein Mensch leben wolle.


    Der Moderator richtete anschließend die Frage an Speer, ob man nicht berücksichtigen müsse, dass einerseits das Interesse an Geschichte gewachsen sei und andererseits auch das Unbehagen an der Unwirtlichkeit der Städte.


    Speers Antwort: Ja, muss man. Aber die Einstellung der Architekten habe sich in den letzten Jahren auch geändert, man sei weggekommen vom rein Funktionalen. Es bliebe aber die Frage nach dem Wie. Der Wiederaufbau der Altstadt sei nicht möglich, daher müsse man sich fragen: Was ist möglich?


    Mäckler antwortete auf Speers Beitrag mit den Worten: "Architekten sind nicht alle gleich" (Etwas Gelächter im Publikum) Der Einstellung der Architekten habe sich lediglich ein bisschen geändert. Im Wettbewerb für das TR-Areal hätten immer noch zahlreiche Entwürfe Flachdächer gehabt. Vier der Professoren im Preisgericht seien eingefleischte Modernisten, die selbst nur Glas gebaut hätten, da dürfe man sich über die Entscheidung am Ende nicht wundern. Auffällig sei, dass alle Entwürfe mit "richtigen" Dächern (darunter sein eigener) bereits im ersten Durchgang rausgeflogen seien. Die Bevölkerung habe keine Lust auf selbstverliebte Architektur ohne Bezug zum Ort; ihr deshalb Populismus vorzuwerfen, halte er für unverschämt. Dresden sei für ihn vorbildlich. Der Archäologische Garten sei zweitrangig; sarkastisch meinte er, wenn man noch weitergegraben hätte, hätte man vielleicht noch Eisblöcke aus der Eiszeit ausgegraben, die manche Leute dann auch unbedingt freigelegt lassen würden. Er nannte als Beispiel irgendeine andere europäische Stadt, deren Namen mir entfallen ist (ich glaube, es war eine italienische) wo man auch im Stadtzentrum bei Arbeiten auf bedeutende Gebäudereste aus früheren Zeiten gestoßen sei, aber die habe man selbstverständlich später wieder zugeschüttet, weil Menschen in einer Stadt eben leben wollten. Der Wiederaufbau der Goldenen Waage sei ihm daher wichtiger als der Archäologische Garten (wie bereits erwähnt konnte Kardinal nach der Debatte richtig stellen, dass Waage und Garten gar nicht zu einander im Widerspruch stehen; aus dem FAZ-Artikel gewinnt man leider einen anderen Eindruck). Dann wies Mäckler noch darauf hin, dass der größte Teil des Fachwerks ja verkleidet gewesen sei (Putz, Schindeln).


    Frau Brockhoff hielt Dresden hingegen für ein schlechtes Beispiel, da dort beliebige Epochen rekonstruiert würden, d. h. immer die Zeit, die man gerade wollte. Es gab ein kleines Streitgespräch mit Mäckler (Frau B. kämpfte für den Archäologischen Garten), als deren wichtigster Punkt mir noch im Gedächtnis geblieben ist, dass Mäckler etwas richtig stellte: Brockhoff hatte vorher irgendwann erwähnt, dass einige Häuser auf einer Fläche von gerade mal 30 m2 gestanden hätten, und Mäckler sagte, das treffe für diese Areal nirgendwo zu.


    So, beim nächsten Mal gibt's den dritten und letzten Teil.

    Bericht: FAZ-Veranstaltung Teil 1


    Gesprächsleitung: Günter Mick
    Diskussionsteilnehmer: Evelyn Brockhoff (Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte), Christoph Mäckler (Architekt), Albert Speer (Architekt) und Edwin Schwarz (Planungsdezernent)


    Speer wurde gleich zu Beginn vom Moderator mit seinem Schwachsinn-Zitat konfrontiert: Was habe er eigentlich gegen eine bauliche Anknüpfung an die Geschichte? Speer antwortete, dagegen habe er nichts, aber er sei dagegen, im 21. Jahrhundert ein mittelalterliches Haus aufzubauen (wolle man beispielsweise den Zustand von 1935 oder den des 16. Jahrhunderts rekonstruieren?) Er stehe zu seinem Zitat und brachte dann noch einige andere Argumente: Die Strukturen des heutigen Frankfurts seien von einem demokratisch gewählten Nachrkriegsbürgermeister geprägt, alte Fachwerkhäuser aufbauen sei nicht möglich, da wolle auch niemand wohnen, die Menschen seien im Mittelalter kleiner gewesen, heute wären die Häuser zu klein.


    Dann ging es mit Frau Brockhoff weiter. Ihrer Meinung nach solle die Geschichte der Stadt baulich wieder aufleben, die Frage sei aber: Wie? Es werde zu wenig über Nutzung gesprochen, es sei hauptsächlich eine emotional geführte Debatte, die Diskussion müsse versachlicht werden. Eine Reko der Goldenen Waage sei nicht möglich, da man dafür den Archäologischen Garten zuschütten müsse, anders verhalte es sich hingegen mit dem Roten Haus.
    (Witzige Geschichte am Rande: Kardinal, der ja auch im Publikum war, war reichlich irritiert über Frau Brockhoffs Behauptung, dass die Goldene Waage auf dem Arch. Garten stehen würde; auf sein Geheiß habe ich mich dann später in der Diskussion gemeldet und danach gefragt, denn Kardinal selbst hatte bereits einen Redebeitrag geleistet und es war unwahrscheinlich, dass er noch einmal drankommen würde. Ich unternahm bei meiner Wortmeldung den leider etwas plumpen Versuch, das Wort wieder Kardinal zuzuspielen, was aber unterbunden wurde. Frau Brockhoff sagte aber, nach der Diskussion könne man zu ihr nach vorne kommen und die Pläne einsehen, dann würde man sehen, dass die Waage wirklich auf dem Archäologischen Garten stand. Kardinal ist dann nach der Diskussion wirklich nach vorne gegangen und hat mit Brockhoff darüber diskutiert. Er kam dann grinsend zurück und sagte mir, er habe Recht behalten und Frau Brockhoff habe sich geirrt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat Frau Brockhoff den Plan falsch gehalten und zwei Mauern verwechselt :D )
    So, aber zurück zu Frau B.'s Rede: Sie sagte noch, sie habe kürzlich wieder festgestellt, dass sich zwar alles am Römerberg tummelt, aber nirgends sonst drum herum. Sie sei für den alten Straßengrundriss und habe nichts gegen Teil-Rekonstruktionen.


    Dann stellte der Moderator an Mäckler die Frage, was an der "Nostalgie-Welle" eigentlich verwerflich sei. Mäckler sagte, zunächst einmal müsse man ernst nehmen, was die Gesellschaft sich wünscht. Er machte deutlich, dass er Ingeborg Flagges Persiflage in der FAZ für unangebracht hält und kritisierte auch Schefflers Populismus-Vorwurf. Auch in anderen Städten seien Gebäude aufgebaut worden, weil "unsere Städte ausradiert wurden". Er erwähnte, dass sein eigener Vater als Dombaumeister vorgehabt habe, den Dom mit einem Flachdach wieder aufzubauen; dies zeige, dass diese Generation das dritte Reich um jeden Preis hinter sich lassen wollte. Weiterhin sagte Mäckler, dass unsere Geschichte für viele in den 50ern beginne, man müsse auch wieder den Sprung vor die Nazi-Zeit schaffen, den Begriff der Heimat wiederfinden. Einzelne Fachwerk-Rekonstruktionen befürworte er: Die Bevölkerung wolle zu Recht Kleinteiligkeit und Leben in den Innenstädten haben, aber dafür sei keine Komplett-Reko notwendig.


    So, das war Teil 1. Den Rest gibt es morgen.

    Zitat von yyyves

    Vielen Dank für den ausführlichen Bericht...



    ...und das ist meine Rede seit 1840. Die Spezialisten sollten wieder anfangen geeignete Projekte im Sinne der Allgemeinheit zu planen, und Ihr Kunstverständnis an dafür vorgesehen Bauten auszulassen...


    Da ich gerade das Buch über den Wiederaufbau der Löwenapotheke zu Aschaffenburg lese, kann ich nicht anders als festzustellen, dass sich in der Tat die damalige Diskussion jetzt in Frankfurt wiederholt und die "Experten" ihre Rolle in gleicher Weise missverstehen. So berichtet dieses Buch über den Streit in Aschaffenburg in den 90ern:


    "Der 'Fachwelt' schien die Aufgabe zuzufallen, die Rationalität gegen das angeblich nur gefühlsmäßige Engagement der Laien zu verteidigen."


    Der Satz könnte genauso gut auf die Diskussion im Frankfurter Architekturmuseum vom letzten Dienstag bezogen sein. Genau in diese Rolle haben die Herrschaften auf dem Podium sich angemaßt.

    Übrigens, der Artikel in der Rundschau zu der Veranstaltung im Architekturmuseum mag sachlich-zurückhaltend gewesen sein, der zugehörige Kommentar von Frau Michels wird aber in einigen Punkten deutlicher. Hier ein kleiner Auszug:


    "In der Architektur nach Geborgenheit zu suchen, hat aber nichts mit einer reaktionären Haltung zu tun. Wohnen nicht die Architekten vieler wuchtiger Büro-Maschinen, wie sie etwa die Mainzer Landstraße prägen, am liebsten in den Wohnquartieren, die die Vorväter geschaffen haben? Wer solche Emotionen überheblich überspielt, braucht sich über den Wunsch nach Fachwerk-Kulissen nicht zu wundern."

    Ein klasse Artikel im Wiesbadener Kurier:


    http://www.wiesbadener-kurier.…t.php3?artikel_id=2088413


    Hitzige Diskussion um Altstadtbebauung
    Ein Moderator hat normalerweise die Aufgabe, eine Diskussion zu leiten, zwischen unterschiedlichen Meinungen zu vermitteln und alle Seiten zur Sprache kommen lassen. Bei der Besetzung eines Podiums sollte er darauf achten, dass es ausgewogen ist. Dietrich Wilhelm Dreysse entsprach diesen Anforderungen nicht. Bei einer öffentlichen Debatte im Architekturmuseum über die Bebauung des historischen Stadtkerns machte er gleich klar, was er als Vorsitzender des Städtebaubeirates von der Idee, die alte Altstadt wieder aufleben zu lassen, hält: "Die Nazis wollten die Altstadt ja auch schon mal als Vorzeigemodell, als Handwerkerstadt. Das Fachwerk sollte als Modell für Neubauten dienen."
    Ernst Ulrich Scheffler, Mitglied des Preisgerichts, das eine massive moderne Bebauung mit monotonen Blockbauten zum Siegesentwurf eines städtebaulichen Wettbewerbs auserkor, sekundierte: "Die Altstadt wurde damals zerstört, weil zu viele Leute die falsche Partei gewählt haben. Die Nachkriegsbebauung war eine Entscheidung demokratischer Gremien." Die Forderung einer historischen Rekonstruktion hält der Professor für "Populismus". Sogar einen Psychotherapeuten hatten die Stadtplaner aufs Podium gebeten. Wolfgang Leuschner nannte die Forderung nach einer historisierenden Bebauung "Kindheitsphantasien". Dieser Wunsch sei ein Rückgriff auf eine Zeit, die vergangen sei. "Da ist eine andere Lösung angebracht."
    [...]
    Ob solcher Dreistigkeit und Arroganz hatten es die Altstadt-Fans unter den über 200 Zuhörern schwer.Der 28-jährige Fachwerkfan Dominik Mangelmann etwa, der sein Modell einer Altstadtbebauung erläutern wollte, kam praktisch gar nicht zu Wort. Mangelmann, der in Mainz Bauingenieurwesen studiert und der für seine Diplomarbeit ausgiebig in den städtischen Archiven wühlte, hält die Vorschläge der preisgekrönten Architekturbüros für zu renditeorientiert.

    @ GJM:


    Ich schließe es zum einen aus meinem eigenen Bekanntenkreis (übrigens über die Grenzen politischer Parteien hinweg), dem eindeutigen Tenor des Gästebuchs im Historischen Museum und auch der Leserbriefe in den diversen Tageszeitungen.


    Außerdem solltest du eines bedenken: Die Veranstaltung im Historischen Museum war von den Befürwortern veranstaltet - und es waren nahezu ausschließlich Befürworter da.
    Bei der Veranstaltung in Deutschen Architekturmuseum haben sich die Gegner präsentiert - dementsprechend hätte man erwarten sollten, dass nahezu nur Gegner da waren. Aber das war nicht der Fall. Wenn also bereits bei einem "Heimspiel" der Reko-Gegner die Stimmung halb-halb ist, dann bin ich mir relativ sicher, dass sie in der Bevölkerung keine Mehrheit haben.


    EDIT:
    Außerdem zeichnet sich auch hier im Forum unter den aktiven Diskussionsteilnehmern eine Mehrheit für die Rekonstruktion ab. Und das DAF ist nun kein ausgesprochenes Traditionalisten-Forum.

    So, hier kommt nun mein Bericht über die gestrige Podiumsdiskussion im Deutschen Architekturmuseum. Ich habe bereits in einem anderen Forum in mehreren Beiträgen darüber berichtet und füge nun diese Beiträge zu einem zusammehängenden Berich zusammen.


    Lupenreiner Populismus


    Auf dem Podium saßen: DW Dreysse (Vorsitzender des Städtebaubeirats), Adelgard Weyell (stellvertretende Vorsitzende) und Ernst Ulrich Scheffler (Mitglied des Preisgerichts), der Leiter des Stadtplanungsamtes Dieter von Lüpke, der Kunsthistoriker Dieter Bartetzko, Architekturkritiker der F.A.Z., außerdem ein Psychoanalytiker namens Leuschner.


    Im Publikum waren u. a. diverse Leute von den "Freunden Frankfurts" (sogar der erste Vorsitzende), Dominik Mangelmann, Jung-Unionisten, Wolfgang Hübner (BFF), der Architekt der rekonstruierten Löwenapotheke in Aschaffenburg, der Denkmalschützer Rusch, Schlossgespenst (Nick eines Mitglieds aus einem anderen Forum) und ich. Die Verantstaltung war gut besucht (Verbesserung: Der Raum war proppenvoll, die Leute saßen auf der Treppe), die Stimmung war zweigeteilt, etwa zur Hälfte Rekonstruktionsgegner und zur Hälfte Befürworter, was natürlich in keiner Weise die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse in der Frankfurter Bevölkerung widerspiegelt. Wie sagte eine alte Dame von den Freunden Frankfurts, die bei mir in der Reihe saß: "Die haben ihre Claqeure mitgebracht." Ich saß übrigens neben dem Mann vom Wiesbadener Kurier.


    Ein mir namentlich unbekannter Mann hat die Herrschaften auf dem Podium erstmal vorgestellt und gleich hinzugefügt, dass es sich natürlich um eine tendenziös besetzte Runde handele (Zwischenruf aus dem Publikum: "Allerdings!"), aber die Podiumsdiskussion könne ja den nötigen Ausgleich schaffen.


    Dreysse begann mit einen Vortrag über die Geschichte der Altstadt an sich. Dabei versuchte er Akzente zu setzen in Richtung "Nur Nazis kümmerten sich um den Erhalt der Altstadt" (hat er so in diesen Worten nicht gesagt, war aber sinngemäß die Kernsaussage), was dann später in der Diskussion natürlich aufgegriffen wurde.


    Ich kann mich nicht genau erinnern, was Lüpke gesagt hat, außer dass er die jetzt entstehende Diskussion grundsätzlich positiv findet, da ein solches Bürgerengangement zu begrüßen sei (wenn auch seiner Meinung nach mit falscher Zielsetzung).


    Scheffler wies darauf hin, dass es in dem Wettbewerb ja hauptsächlich nur um Baustruktur und Maße gegangen sei, und dass die es vielleicht unglücklich gewesen sei, auch Fassadenvorschläge zuzulassen, man müsse davon abstrahieren. Danach sagte er, dass das, was jetzt von Seiten der Altstadt-Befürworter laufe, sei lupenreiner Populismus - der erste Tiefschlag des Abends, und es sollte nicht der einzige bleiben. Scheffler sprach irgendwas davon, es ja Gründe für die Bombardierung Frankfurts gegeben habe, worauf Hübner reinrief: "Dann betrachten Sie das wohl als Strafe?" Die Stimmung war spätestens jetzt ziemlich aufgeheizt.


    Bartetzko erwies sich, für mich überraschend, als der gemäßigste von dem ganzen Haufen. Er sagte, es sei für ihn weitaus eher Populismus, wenn man den Verlauf einer historischen Gasse derart ändere und dann immer noch von "Krönungsweg" spreche. In Bezug auf seine Bautradition brauche Frankfurt nicht den Mut zum Abschied, sondern den Mut zur Treue. Allerdings, so Bartetzko, sei es falsch, die Umsetzung dieses Mutes zur Treue in der Errichtung von Rekonstruktionen zu suchen. Statt dessen verwies er darauf, dass es nach dem Krieg einmal einen Plan gegeben habe, die noch stehengebliebenen Sandstein-Erdgeschosse der Fachwerkhäuser modern zu bebauen. Dies sei für ihn der bislang beste Plan zur Gestaltung der Altstadt: Glas- und Stahlkonstruktionen auf den historischen Erdgeschossen aus Sandstein.
    (Das wurde später nochmal aufgriffen in der Diskussion, und hier wurde auch der Zusammenhang deutlich: Es gab eine Wortmeldung von dem Denkmalpfleger Rusch, der neben einer Wiederholung des dümmlichen Kostüm-Argumentes noch vorbrachte, man habe immer in der Geschichte, wenn eine Stadt zerstört wurde, modern wieder aufgebaut - modern in dem Sinne als das, was dann eben zu dem Zeitpunkt damals als modern galt. Dem hat Bartetzko widersprochen. Er sagt, man habe dabei aber auch immer - mit leichten Änderungen - den Stadtgrundriss gewahrt und Baumaterial der zerstörten Stadt weiter verwendet, auch vollständig erhaltene alte Bauelemente in die neuen Gebäude eingefügt. Aus dieser Argumentation heraus kommt Bartetzko auf "Modern bauen auf historischem Erdgeschoss". Bartetzko hat ja weitestgehend recht, bloß: Man hat aber auch immer versucht, bei einem solchen Vorgehen ein harmonisches Gebäude entstehen zu lassen. Aber seine Stahl/Glas-Vorstellungen auf Sandstein zielen nicht auf Harmonie, sondern auf Kontrast.)


    Dann durte mit Leuschner der Pyscho-Onkel erzählen, welche niederen Instinkte sich hinter dem Wunsch nach einer Rückkehr der Altstadt verbergen (meine Interpretation). Eigentlich, so Leuschner, ginge es nicht um Archiktektur, sondern um den Wert oder Unwert von Frankfurt. Die Sehnsucht nach einer Rekonstruktion sei eine direkte Antwort auf die Unwirtlichkeit vieler moderner Gebäude. Seiner Meinung nach aber seien Rekonstruktionen nicht die richtige Antwort, ein solches Projekt werde misslingen. Er nannte ein Beispiel für die verfälschende Wirkung von Rekonstruktionen: So sei beispielsweise der Stadtkern von Breslau so rekonstruiert worden, dass er polnische Geschichte repräsentiere, d. h. um vorzugaukeln, Breslau sei von jeher eine polnische Stadt gewesen.


    Dann kam die gute Frau Weyell an die Reihe, die meiner Meinung nach wirklich den Vogel abschoss. Sie bezog sich darauf, dass einer der Vorredner gesagt hatte, das Technische Rathaus sei keine schlechte Architektur, es sei nur am falschen Ort. Weyell dazu: "Ich bin nicht sicher, ob das Technische Rathaus am falschen Ort steht." Weiterhin erklärte Weyell, dass das Technische Rathaus damals bei seiner Errichtung als gut befunden worden sei (Zwischenruf aus dem Publikum: Wer befand es als gut? - Keine Antwort von Weyell). Gerade Touristen hätten sich für dieses Gebäude sehr interessiert (spöttisches Gelächter aus dem Publikum). Für Weyell stelle sich nun die Frage, ob der Abbruch gerechtfertigt sei, um eine scheinbar heile Welt wiederherzustellen.
    Für mich entspricht Frau Weyell dem Klischee einer weltfremden Gelehrten...


    Dann kam es also zur Diskussion. Als erster aus dem Publikum ergriff Hübner das Wort. Er wandte sich an Dreysse und sagte sinngemäß, dass er es bezeichnend finde, dass Dreysse den Bund tätiger Altstadtfreunde in seinem Vortrag nicht erwähnt habe, der ja schon in den 20igern, also vor den Nazis, um den Erhalt der Altstadt bemüht gewesen war. Hübner warf Dreysse vor, dies bewusst verschwiegen zu haben, um es so darzustellen, als hätten sich nur Nazis für die Altstadt interessiert und um so die Rekonstruktionsbefürworter zu diskreditieren. Dreysse erwiderte, dies sei nicht seine Absicht gewesen, er habe die Altstadtfreunde nicht erwähnt, weil er einen möglichst kurzen Abriss der Geschichte der Altstadt habe vortragen wollen.
    Meine Meinung: Für mich ist es wenig glaubwürdig, dass mit dem Verschweigen der Tätigkeit der Altstadtfreunde keine Absicht verbunden gewesen sein soll.


    Ich kann jetzt natürlich nicht alle Redebeiträge wiedergeben, es lief aber sehr emotional ab und es gab Stimmen sowohl für als auch gegen den Wiederaufbau. Vielleicht mal ein paar Dinge, die mir in Erinnerung geblieben sind:
    - Dominik Mangelmann meldete sich zu Wort, um einige Halbwahrheiten zu widerlegen und sich gegen den Populismusvorwurf zu wehren.
    - Schlossgespenst hat in seinem Vortrag die Formulierung verwendet "Die rekonstruierten Fachwerkhäuser an der Ostzeile sind ja mittlerweile nach 20 Jahren allgemein akzeptiert", worauf der Mob aus den hinteren Reihen krakeelte "Stimmt nicht! Wir mögen die nicht!" und irgendein *Mensch* (habe gerade meine ursrpüngliche Wortwahl korrigiert) behauptete, das seien ja gar keine Rekonstruktionen.
    - Ein junger Mann hat meiner Meinung nach ein sehr gutes Argument in Richtung des Psychoanalytikers vorgebracht (vielleicht ist er ja hier im Forum?), nämlich, dass ja psychologisch nicht nur interessant sei, welche Motivationen hinter der Sehnsucht nach der Altstadt stünden, sondern es sei ebenso interessant zu fragen, welche Motive sich hinter der schroffen und übertriebenen Abwehrhaltung der Rekonstruktionsgegner verbergen. Meiner Meinung nach eine sehr interessante Frage.
    - Dann war da noch ein Mann, der sagte, wenn man sich ins Erinnerung rufe, dass die Altstadt 44 zerstört wurde, dann dürfe man nicht ausblenden, was 33 passiert sei. Ich sehe, ehrlich gesagt, nicht ganz den Zusammenhang zu den Rekonstruktionsplänen, aber was soll's...
    - Dann gab's noch meinen eigenen bescheidenen Redebeitrag. Ich habe erstmal auf etwas geantwortert, was Bartezko direkt vor mir gesagt hatte. Bartetzko hat sich nämlich über Dresden ereifert und darüber geschimpft, wohin ein solcher Reko-Enthusiasmus führen kann, nämlich dass in Dresden das einzig Authentische, die historischen Keller, der modernen Nutzung weichen mussten. Ich wies darauf hin, dass er es ja nun nicht so darstellen könne, als seien die Rekobefürworter in Dresden daran schuld, dass die historischen Keller vernichtet wurden, denn die wollten das ja gerade nicht! Das war ja gerade eine Niederlage der Rekobefürworter. Bartetzko erwiderte, er habe mit dem Beispiel zeigen wollen, wie der Enthusiasmus von Menschen auch missbraucht werden könne. Naja, dann kam ich zu dem, was ich eigentlich sagen wollte: Nämlich, dass es ja nun eine Tatsache ist, dass es Rekonstruktionen historischer Gebäude in Deutschland gibt (Dresden, Hildesheim, Braunschweig, etc.), und das es ja in Anknüpfung daran ja auch zu einer Theoriebildung gekommen ist, z. B. darüber welchen Zweck solche Rekos erfüllen können, worin ihr Vorteil liegt usw (man findet in dem Buch über den Wiederaufbau des Hildesheimer Marktplatzes viel Interessantes dazu). Mein Vorwurf an die Runde war nun, dass damit ja überhaupt keine Auseinandersetzung stattfindet, stattdessen kommen Argumente wie Disneyland, Populismus, heile Welt, historische Kostüme... Daher findet die Diskussion meiner Meinung nach auf einem niedrigen Niveau statt und hat von der Seite der Herrschaften auf dem Podium auch was Dogmatisches. Ich schloss dann damit, dass ich ja kürzlich in Dresden war und dort nur begeisterte Menschen gesehen habe - daher ist die Diskrepanz in der Wahrnehmung der Laien und der Experten doch irgendwie erklärungsbedürftig. Vielleicht sollten sich die Experten angesichts dieser Tatsachen mal kritisch hinterfragen. Dreysses Antwort war, dass das die Laien vielleicht auch tun sollten. Ach ja, und ich hatte noch ne Frage an Scheffler, der vorher mehrfach davon gesprochen hatte, dass es ja ein Unterschied sei, ob man ein Gebäude direkt nach der Zerstörung oder einige Jahre danach wiederaufbaue oder aber erst nach 60 Jahren. Meine Frage war, ob er diesen Unterschied auch qualitativ, also inhaltlich irgendwie definieren könne. Meine Frage blieb unbeantwortet.


    Dreysse hatte übrigens am Ende der Diskussion gemahnt, beide Seiten sollten offen sein für die Argumente der jeweiligen Gegenseite. Finde ich irgendwie lustig, denn sein Verhalten vorher ging eine ganz andere Richtung.


    So, jetzt habt ihr einen ungefähren Eindruck...

    Bei Herrn Schmumacher denke ich, dass eine seiner Formulierungen irgendwo daneben gegangen ist. Lest diese Passage mal ganz langsam und gründlich:



    Man beachte: Das Wort "Letzteres", mit dem der zweite Satz beginnt, bezieht sich ja auf die "Fassaden mit aufgeklebtem Fachwerk und einem 'rekonstruierten' Haus dahinter" aus dem ersten Satz. Und dieses "Letzteres" (also die aufgeklebten Fachwerkfassaden) wirken wie eine billige Replik, das könne man am Pariser Platz in Berlin ja gut sehen.


    Mit anderen Worten: Schumacher behauptet, die Häuser am Pariser Platz in Berlin hätten alle billige Fachwerk-Fassaden!:confused:


    Aber mal abgesehen davon: Wer hat spricht denn im Moment davon, dass in Frankfurt nur Fassaden rekonstruiert werden sollen? Kardinal hat doch die ganze Zeit über von echten Fachwerkhäusern gesprochen...