Beiträge von Baldius

    ^
    Was das Bauhaus angeht sind wir ja auch wieder einer Meinung. Ich würde auch dort eine Rekonstruktion entschieden ablehnen. Vielleicht kamen meine Beiträge so rüber, dass ich eine Aversion direkt gegen die Bauakademie oder gegen alles das hege, was älter als 100 Jahre ist. Das stimmt nicht, ich lehne lediglich Rekonstruktionen ab. Dass ich mich so gegen die Bauakademie stemme liegt daran, dass ich in dieser Stadt lebe und ich mich vom Studium aus gerade intensiv damit beschäftige.


    Wenn du meinst, es gäbe keine neuen Ideen in der Architektur, dann nehme ich an, du beschäftigst dich wenig mit moderner Architektur. Es gab wohl noch nie ein Jahrhundert, in dem so viele neue (und auch sehr tiefgründige) Ideen auftauchten, wie im 20.! Jetzt einfach den Kopf in den Sand zu stecken, weil es sie natürlich auch gibt - u.a. die große Masse plumper moderner Architektur - halte ich für grundfalsch.


    Um ein anderes Beispiel zu nennen: an der unmittelbar benachbarten, ebenfalls von Schinkel errichteten Friedrichwerderschen Kirche werden offensichtliche architektonische Beeinträchtigungen schon im Vorfeld billigend in Kauf genommen (Hierzu eine Diskussionsrunde von 2011: https://www.youtube.com/watch?…4&list=PL0324A682DB618BA0). Trotzdem wird munter drauf los gebaut.


    Inzwischen hat die Kirche sogar gravierend Bauschäden genommen (http://www.tagesspiegel.de/ber…-in-bildern/11538120.html). Hier sollte man ansetzen! Die tatsächlichen Denkmäler stärker vor solchen dreisten Eingriffen schützen und nicht dann nach paar Jahrzehnten wieder nach der Rekonstruktion schreien. Paul Kahlfeld hat sich in dem Gespräch meines Erachtens außer mit etwas Schaumschlägerei nicht besonders zum Schutz der Schinkelkirche eingesetzt - jedoch ist er ein glühender Verfechter der Rekonstruktion der Bauakademie (ist Schatzmeister und im Vorstand der Internationale Bauakademie Berlin e.V.).
    Eine Rekonstruktion wäre auch hinter diesem Hintergrund ein falsches Zeichen: es suggeriert, dass alles Verlorene ohne Probleme wieder hervorgeholt werden kann, ein besonderer Schutz dementsprechend nicht gegeben ist. Aber es geht etwas verloren! Abgesehen von dem nüchternen Beweis der Geschichte (z.B. Nürnberger Nazibauten), gibt es auch etwas Poetisches an der Architektur. Das Gefühl nach Originalität ist schwer zu beschreiben, vielleicht als eine Art Schimmer oder Glimmen, das den Bauwerken anhaftet. Marcel Prost hat es wunderbar umrissen:


    „Die Kirche! Wie ich sie liebte, wie ich sie noch deutlich vor mir sehe, unsere Kirche! Wenn wir zu unserem Platz gingen, bewegte ich mich in der Kirche wie in einem von Feen besuchten Tal, wo der Bauer mit Entzücken in einem Felsen, einem Baum, einem Teich die greifbare Spur ihres übernatürlichen Aufenthalts erblickte. All dies machte sie für mich zu etwas, das vollkommen verschieden war vom Rest der Stadt: ein Bauwerk, das, wenn man so sagen kann, einen vierdimensionalen Raum einnahm – die vierte Dimension war die der Zeit – und das mit seinem durch die Jahrhunderte gleitenden Schiff von einer Empore, einer Kapelle zur anderen nicht nur einige Meter zu durchmessen und zu überwinden schien, sondern aufeinanderfolgende Epochen, aus denen es siegreich hervorgegangen war.“


    Bevor mir jetzt damit wieder jemand Sentimentalität vorwirft, es ist wie gesagt nur ein Aspekt unter vielen; ich dachte, es wäre mal wieder Zeit für etwas Pathos ;) .


    tl;dr
    Mich nervt das bigotte Verhalten auf der einen Seite eine Zeit oder Architekten zunächst in schwindelnde Höhen zu lobpreisen um eine kaschierende Rekonstruktion durchzudrücken und auf der anderen Seite sich nicht einmal auf den möglichst schadlosen Erhalt bereits existierender Originale verständigen zu können.


    Bitte nur zitieren wenn es Sinn macht. Danke
    Bato

    Zitat von Bau-Lcfr^ Denkmalschutz ist eine Sache, allerdings etwa die als Beispiel angeführten Plattenbau-Fugen wurden vor der Denkmalschutzstellung überpinselt - in solchen Fällen ist die nachträgliche Wiederherstellung des Originalzustands de Facto eine Rekonstruktion. Die Bauhaus-Meisterhäuser in Dessau werden zum großen Teil rekonstruiert. Wie erwähnt - in solchen Fällen verstummen plötzlich alle diese Stimmen mit "vergangen ist vergangen", "Zeitschichten", "Disneyland", "Kontext fehlt" - die so gerne aufkommen, wenn das Bauwerk älter ist und eine verzierte Fassade hatte (wie im Fall der Bauakademie hier).


    Das stimmt so nicht. Auch wenn das hier eine andere Debatte ist, die mit Rekonstruktion nicht viel gemein hat, sondern mit Denkmalschutz, ist die Wiederherstellung des Originalzustands bei Denkmälern Ermessenssache: normalerweise wird die Konservierung angestrebt (Charta von Venedig, Art. 3); allerdings lässt sie auch Ausnahmen zu (Art. 11).
    Der Rest um die Meisterhäuser wurde schon von DerBe oder D.T.68 widerlegt. Angenommen, die Meisterhäuser sollten rekonstruiert werden, wäre ich aus den selben Gründen dagegen, wie gegen die Rekonstruktion der Bauakademie.


    Zitat von D.T.68
    JEDES denkmalgeschütze Gebäude - egal ob Bauhaus oder Historismus - wird heutzutage so restauriert bzw. rekonstruiert, wie es im Originalzustand ausgeführt wurde!


    Hier werden mal wieder viele Dinge vermischt. Um nochmal etwas Klarheit hineinzubringen: ein denkmalgeschütztes Gebäude kann per definitionem nicht rekonstruiert werden. Denn wenn ein Gebäude unter Denkmalschutz steht, dann impliziert das die Existenz des Gebäudes. Wir reden hier über eine Rekonstruktion und die ist nun einmal ein neues Gebäude und hat erst einmal rein gar nichts mit Denkmalschutz zu tun. Die Frage, die sich hier also stellt ist, ob das neue Gebäude den gleichen Anschein (Fassade und/oder Raumkonzept und/oder gleiche Materialien...) abgeben soll, wie das historische Vorbild.


    Zitat von Bau-Lcfr
    Sollte ich etwas hassen, dann die ständigen Versuche, diese wenigen Projekte auch noch zu zerreden, zu hinterfragen, zu torpedieren - statt sich schlicht und einfach an den anders gestalteten Bauten zu erfreuen, die an anderen Standorten en Masse entstehen.


    Das ist wohl für manche schwer zu verkraften an einem freien Land: man muss sich gefallen lassen, dass Projekte hinterfragt werden. Mich nervt eher, dass an so prominenten Standorten nach Gutsherrenart der übliche Wettbewerb umgangen wird.

    @ Architektenkind: Entschuldigung, die Zitate sind jetzt richtig gestellt.



    Ich halte es für zu simpel, wenn man bei Architektur ausschließlich das Gebäude an sich betrachtet, ohne die Auswirkungen, die es bei Menschen auslösen kann.


    Architektur hat doch immer etwas ganz fundamentales im Denken der Menschen bewirkt.


    Nehmen wir mal als Beispiel das alte Ägypten: Heute würde niemand ernsthaft an die Göttlichkeit eines Pharaos glauben. Aber sag das mal als Zeitgenosse von damals, wenn du jeden Tag im Schatten einer Pyramide aufwachst. Nicht allein, aber sehr stark beeinflusst Architektur!


    Alles eine riesige Inszenierung, auch wenn das wahrscheinlich manchmal auch den Auftraggebern nicht in dieser Art bewusst wird. Unsere Aufgabe als Architekten sollte sein, unsere heutige Zeit mit dem Wissen der Geschichte zu deuten (so gut es eben geht) und angemessen darauf reagieren.


    In diesem Zusammenhang halte ich die Rekonstruktion der Bauakademie für fragwürdig. Sie entstand in einem engen zeitlichen Kontext, der so heute nicht mehr gegeben ist.


    Mir ist auch klar, dass solche Debatten an den meisten Menschen vorübergehen - jeder hat nun mal seine eigenen Sorgen und Fachgebiete, zu denen ich nichts sagen kann. Aber wenn man sich schon mit Architektur beschäftigt, sollte man bei einer Diskussion wie dieser die Vielschichtigkeit von Architektur nicht außer Acht lassen.


    Den Satz der Identität des Ortes finde ich da beachtenswerter und gerade aus diesem Grund den jetzigen Zustand katastrophal. Aber könnte ein Neubau nicht eine neue Identität schaffen? Das ist doch einer der Hauptstreitpunkte - ich bin der Meinung, man solle wenigstens den ernsthaften Versuch unternehmen.


    Wer weiß übrigens - wie würde sich Schinkel heute entscheiden, wenn es um sein eigenes Bauwerk geht? Wer weiß das schon? Du verfrachtest Schinkels Geist kontextlos in die Gegenwart. Ich meine, was soll das? In der Zwischenzeit ist 'ne Menge passiert.


    Schinkel würde dies sicherlich in seine Überlegungen einbeziehen. Aber ich will hier Schinkel nicht für meine Vorstellungen instrumentalisieren, wie du es tust. Vielleicht würde Schinkel auch an dieser Stelle gerne eine Kaufland-Filiale hinbasteln, weil er das für das Nonplusultra der Modernität hielte? :)


    Wir wissen es nicht.


    Da würde ich entgegenhalten, dass du Schinkels Gebäude kontextlos (zeitlich) in die Gegenwart verfrachtest und dabei versuchst, davor alles, was an dem Gebäude neben der reinen Materialität anhaftet (also Schinkels Entwurfsgedanken), abstreifst. Ich bezweifle erstens, dass das möglich ist und zweitens, sollte es ohne weiteres gehen, ist das Ergebnis eben ein "Gebäudezombie".


    Dabei würde ich strikt Rekonstruktion von Denkmalpflege trennen (die Charta von Venedig sagt auch nicht explizit etwas über komplette Rekonstruktion aus). Rekonstruktion in der Architektur ist meines Erachtens immer bewertend, Denkmalpflege beschreibend.


    Übrigens hat Schinkel Kaufläden in der ersten Etage eingeplant, damit die Bauakademie finanziert werden konnte. Und nein, ich bin nicht für eine Kaufland-Filiale an diesem Standort.


    Camondo kenne ich nicht, klingt aber spannend ;)

    Zu Bau-Lcfr

    Das klingt nach einem für Deutschland ganz besonderen Gebäude, welches unbedingt wiederhergestellt werden sollte - damit die künftigen Generationen es nicht nur auf alten Fotos sehen können.


    Ganz richtig, es war ein besonderes Gebäude. Eine Rekonstruktion ist aber ein Neubau und als Neubau in der heutigen Zeit ist es, meiner Ansicht nach, unpassend. Damit die zukünftige Generation unseren eigenen Versuch sehen kann, wie wir mit der Problemstellung umgehen und dass es wenig förderlich ist, in Altem zu verhaften. Nochmal: das ist kein Plädoyer für eine Geschichtsvergessenheit, eher das Gegenteil: sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen bedeutet auch, sich als ein Teil dieser zu verstehen und in diesem Sinne verantwortungsbewusst zu handeln.


    BTW: Formulierungen wie "Schinkelfetisch", "der verkümmerte dritte Humboldtbruder", "in die Schinkelreligion konvertieren" klingen nicht besonders überzeugend. Was für eine "Religion"?


    Kurz darauf schreibe ich explizit, dass ich die Perspektive bewusst ins Extreme verschiebe, mit der Hoffnung, sich in der Mitte zu treffen. In etlichen Büchern, oder auch Publikationen des Fördervereins Bauakademie wird von Schinkel gesprochen, als sei er der nächste Heiland. Das war mein Kritikpunkt und ich denke, er war auch als solcher erkennbar.


    Wie so oft geschrieben - außerhalb der Altstadt und zum Teil auch in dieser, auf den restlichen 99,9...% des Stadtgebiets, kann man sich mit der Suche beliebig austoben. Dass es nicht geschieht, liegt bestimmt nicht an den Plänen für dieses eine Grundstück.


    Das ist nicht die Fragestellung. Es geht um die Bauakademie und darüber kann man streiten. Solche Sätze sind nicht hilfreich, sonst sind wir nur damit beschäftigt und gegenseitig zuzurufen, dass die jeweils andere Meinung sich doch in 99,9…% des Stadtgebiets austoben darf.


    Gerade habe ich im Düsseldorfer Unterforum den Streit um eine öde beschmierte Tankstellenmauer […]


    Was hat diese Mauer mit der Bauakademie zu tun? Du kennst meine Meinung zu dieser Mauer doch gar nicht (habe auch keine).


    Meine Beobachtung: Leute, die so gerne über "vergangen ist vergangen" oder "Zeitschichten" (falls ein Bau aus der Zeit vor den 1920er Jahren nicht ganz vergangen ist) reden, bei späteren Bauten würden plötzlich jede hässliche Fuge oder Sichtbeton-Mauer wiederherstellen. Da spielt die Echtheit keinerlei Rolle, einzig die privaten Vorlieben. Na gut, dann erübrigt sich die Echtheit-Problemstellung für frühere Bauten wie die Bauakademie wohl ebenso.


    Deine Beobachtungen treffen auf mich nicht zu.


    Zu Whywolf_Larry

    Eine 1:1 Rekonstruktion ist doch sowieso nicht möglich, alleine Brandschutz, Elektrische Leitungen, je nach Nutzungsprofil Barriefreiheit und Fahrstuhl lassen das auch nicht zu. Zum anderen wird eine wie auch immer geartete Nutzung das Gebäude zusätzlich verformen, ich weiß nicht worin das Problem liegt, auch das man ein Funktionsfähigeres "Flachdach" verbaut um die Unterhaltskosten zu senken ist doch wohl klar.
    Ich verstehte ehrlich gesagt nicht wie man auf eine 1:1 Rekonstuktion kommen kann?


    Ich kann Dich beruhigen, das ist wohl jedem klar. Mit 1:1 Rekonstruktion meine ich natürlich den gestalterischen Aufbau der Fassade nach möglichst exaktem Vorbild und gehe nicht davon aus, dass hier sonst jeder von einem archäologischen Nachbau spricht.


    Ich bin 26, ich glaube wie gehören durchaus zur selben Generation.
    Und genau da spielt die Bauakademie eine wohwohlende Rolle. Ein Rationalistischer Industriebau mit relativ Nutzungsneutralen Grundriss, Tektonischer Ausformulierung und zurückhaltenden Dekor.
    Ich sehe es als Diachronischen Idealbau, welches alte Architektonische Wertigkeiten in Ihrer Endkonsequenz mit Modernen Problemen vermengt, darstellt. Der Grundgedanke vom (Architektonischen) Rationalismus, nicht unbedingt in einer Telelogie aber in einer Analogie von Bestimmten Prinzipien die nicht umsonst von der Urhütte bis zum Wolkenkratzer immer und immer wieder angewandt wurden und ihre Grundberechtigung haben, spielt hier für mich ein große Rolle.


    Das sind doch alles Dinge, die man auch bei einem hochwertigen Neubau beachten kann. Und ich gehe soweit, dass es mit heutigem Wissen auch besser geht! Es gibt offenbar eine Entwicklung von der Urhütte bis zur Bauakademie und die gilt es fortzusetzen, nicht in ihr zu verharren. Auch hier ist die Bauakademie ein gutes Beispiel: zur Zeit Schinkels und die Jahrzehnte danach wurde die Bauakademie sehr kritisch begutachtet, wenn nicht sogar als hässlicher roter Klotz verschrien. Aber nur durch diesen Schritt war eine weitere Entwicklung möglich.


    Ebend diese Probleme der Zukunft, sind es die einen dazu antreiben nach Lösungsansätzen zu suchen. Es ist nun einmal so das die Energieverschwendung an offenen Bebbauungsstrukturen, Kapitalistische Pseudoökohäuser und Gehrys Disney-Konstruktionen nichts lösen und Probleme eher verstärken(zumindestens grob weitestgehend).
    Deswegen denke ich das bestimmte Bebauungsformen der Geschichte, Materialwahlen als auch Konstruktionsgedanken das Grundlegende Lösungsformat (natürlich ergänzt durch "Modernes" Wissen) sein können. Ebend die angesprochene Diachronie und zu diese zähle ich die Bauakademie als Aspekt.


    Zunächst einmal ist eine Rekonstruktion sicher nicht per se die Vorhut des Antikapitalismus (siehe Schloss Arkaden Braunschweig). Das wäre genauso falsch, wie Pauschalurteile über moderne Architektur – egal ob positiv oder negativ – zu fällen.


    Zu Gehrys Dekonstruktivismus besteht doch immerhin zwischen uns kein Dissens – Disney-Konstruktion trifft aber eher auf die Rekonstruktion zu. Sie spielen eine Heile-Welt-Nostalgie vor. Bilbao und Co. würde ich eher unter effekthascherisch einordnen (aber da könnte man auch noch drüber diskutieren, vielleicht sollten wir weiter bei der Bauakademie bleiben).


    Kapitalistische Pseudoökohäuser ist doch auch nicht das, wofür ich plädiere. Das Wort Nachhaltigkeit wird oft missbraucht - das heißt doch aber nicht, dass Nachhaltigkeit schlecht ist, sondern der Missbrauch.
    Nachhaltigkeit fasst ja nicht umsonst ökonomische, ökologische und soziale Fragestellung in ihrer Fülle zusammen. Zur Ökonomie gehört somit der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes, oder zur Ökonomie, dass langlebige und qualitativ hochwertige Materialien genutzt werden (man also auch hier wieder in langen Zeiträumen denkt). Redliche Nachhaltigkeit würde es allerdings einer Rekonstruktion doch etwas schwieriger machen. Jedenfalls schränkt eine Rekonstruktion ungemein ein, will man in anderer Hinsicht (wie Nachhaltigkeit) optimieren (man denke z.B. an die Graue Energie des Backsteins).


    Denken sie nur an die Rekonstruktion der Meisterhäuser in Dessau, ich denke das ist ein sinnvoller Ansatz für den Rekonstruktiven Umgang mit der Bauakademie.


    Du bist also für einen an das Original angelehnten Neubau, wie bei den zerstörten Meisterhäusern? Das kommt doch meiner Auffassung viel näher, als der Wunsch nach einer Rekonstruktion! Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass einige Aspekte der Bauakademie auf der Suche nach der besten Lösung übernommen werden müssten. So zeigt der Lageplan sehr schön, wie sich der Solitär der Bauakademie mit einer Seite an die Spree und mit der anderen an die Straße ausrichtet und gleichzeitig mit der wieder anderen Seite den Werderschen Markt (Platz) begrenzt. So geschickt in die Umgebung eingefasst und trotzdem unverkennbar als Solitär gedacht – mir fällt auch keine bessere Form ein! Aber das heißt zunächst einmal nur, dass ein Neubau die Form übernehmen kann, es sei denn, irgendwem fällt eine noch viel bessere Möglichkeit ein, die natürlich ordentlich begründet werden müsste. Aber diese Form des Neubaus würde ich nicht unter Rekonstruktion fassen.


    P.s.: ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich hier duzte.

    Dass es offenbar einen Wunsch von vielen Menschen nach Rekonstruktion gibt, bezweifle ich ja nicht. Ich kritisiere ihn ja ;)


    Wo Schinkel tatsächlich ein gesamtes Gebäude exakt so wieder aufgebaut hatte, wüsste ich nicht, aber vielleicht liegt das Missverständnis im Wort Kopie: wenn mit Kopieren das Beobachten von bereits Vorhandenem und das in neuer Konstellation Zusammensetzen gemeint ist - teils abgeändert, Dinge hinzugefügt und andere abgezogen, oder in einer wie auch immer gearteten Weise bearbeitet, dann halte ich das auch für kreativ und ja, das haben sicher alle Architekten des Historismus (und anderer Epochen) gemacht.
    Unelegant ist jedoch die exakte 1:1 Kopie:


    1. Eine solche Kopie ist unkritisch. Ich bin generell gegen eine dogmatische Übernahme, sondern Befürworter des Versuchs, lieber möglichst das Gute zu erhalten, aber gegebenenfalls zu verbessern (gilt für Neubau, Denkmalpflege ist wieder ein anderes Kapitel). Dafür muss man im Fall der Bauakademie diese zunächst entmystifizieren und genau mit nüchternem Verstand recherchieren. Dementsprechend sind wir einer Meinung, was das unbedingt nötige Geschichtsbewusstsein und die intensive Auseinandersetzung mit dem Bestand angeht.


    2. Ein guter Architekt (und das war Schinkel ohne Zweifel) beachtet bei einem Entwurf nicht nur Ort und Lage mit städtebaulichem Kontext, geeignete Materialwahl, übergeordnetes Konzept u.ä. sondern auch die Zeit, in der der Entwurf entsteht. Oder anders gesagt: er kann gar nicht anders!
    Was in den 1830ern von Bedeutung war, muss aber heute schon lange nicht mehr von Bedeutung sein bzw. es wäre arger Zufall, wäre dem so.
    Um das an anderen Werken von Schinkel zu verdeutlichen: die zeitweilige Euphorie für den gotischen Baustil ist doch nur allzu gut verständlich, in einer Zeit, in der ein Gefühl nach einem einheitlichen Deutschland aus diesem Flickenteppich generiert werden sollte. Französische Revolution, Napoleon, Machtkämpfe zwischen Österreich und Preußen... Die Gotik schien da ganz passend, um etwas Einheit in die Kleinstaaterei zu bringen! Es ist doch nicht zu leugnen, dass in dieser Zeit eine Motivation herrschte, die auch durch Architektur zu legitimieren versucht wurde (eindrucksvolles Beispiel wäre die Walhalla bei Regensburg).
    Auch Siegerdenkmäler, um mal wieder dem Erbfeind Frankreich eins auszuwischen sind aus der damaligen Sicht doch verständlich. Aber wollen wir das heute?


    Zugegeben, die Bauakademie ist nicht so offensichtlich symbolbelastet; ich habe das eher ausgeführt, um zu verdeutlichen, dass die Denke in dieser Zeit nun mal grundverschieden war zur heutigen. Zu erkennen geben sollten aber z.B. die vielen Terrakotten. Ovids Metamorphosen, Homers Illias und Odyssee und auch die Mythen, die sich um die verschiedenen Säulenordnungen ranken, sind Dinge, die man wissen darf - aber nicht muss. Schinkels Intention, als er die Terrakotten entwarf, war, die auszubildenden Architekten bereits mit seinem Gebäude zu belehren. Heute können die wenigsten die Symbole verstehen (zu 100% womöglich niemand) und wenn, bezweifle ich, dass sie zum unbedingten Repertoire eines guten Architekten der Gegenwart gehören. Meine Generation wird konfrontiert werden mit Klimawandel, Veränderungen durch Digitalisierung und wenns blöd kommt, Krieg. Kann man da nicht andere Symbole finden, die passender wären? Ein Gebäude, das vielleicht besonders nachhaltig ist (ich mag auch Elektroautos)? Eines, das vielleicht auch einen nicht ganz so verschlossenen Eindruck macht – natürlich mit sorgfältiger Betrachtung des Umfeldes und nein, mir schwebt kein fantasieloser Glas-Stahlkasten, öder International Style oder Dekonstruktivismus ala Gehry oder Hadid vor. Und auch hier sind wir in einem Punkt einig: die ewige kapitalistische Verwertungslogik wäre meiner Ansicht auch ein Aspekt, gegen den es sich zu kämpfen lohnt.


    Ein Neubau an dieser Stelle ist sicher eine Herausforderung, aber ich finde, man sollte sie angehen. Wie genau, ist eine andere Frage.


    Diese Vorentscheidung zur Rekonstruktion nervt mich am meisten, denn dann können Argumente erst gar nicht angebracht werden.

    Wie es aussieht, scheine ich mit meiner Meinung hier in der absoluten Minderheit zu sein, aber ich bin strikt gegen eine Rekonstruktion der Bauakademie!


    Einig sind sich hier wahrscheinlich alle, dass der derzeitige Zustand dieser potemkinschen Kiste an Stelle der Bauakademie seit etlichen Jahren untragbar ist. Aber eine Rekonstruktion wäre aus vielerlei Hinsicht eine verpasst Chance.


    Doch zunächst mal ein Plädoyer gegen den Schinkelfetisch, den hier offenbar einige hegen. Bei allem großartigen Bauen darf man ruhig auch Kritik üben. Mir kommt es vor (das gilt nicht nur für den Bereich der Architektur), dass manche Menschen tot offenbar fähiger zu sein scheinen, als sie es zu Lebzeiten je hätten sein können.


    Um mal die Perspektive ins gegenteilige Extrem zu drehen, mit der Hoffnung eines Zusammentreffens in der Mitte: Karl Friedrich Schinkel war ein pegasusverliebter Baudiktator. Als Maler eine schlechtere Version von Casper David Friedrich, als Naturbeobachter der verkümmerte dritte Humboldtbruder und als Architekt nur einer unter vielen, die er durch seine Monopolstellung nicht zum Zuge hat kommen lassen.


    Allerdings ist der Stil der Bauakademie durchaus spannend - war sie vielleicht damals schon nichts Innovatives in England, war es für Preußen doch ein redlicher Schritt hin zu einer Weiterentwicklung was die Wahl der Materialien oder die Konstruktion angeht.


    Schinkel war dabei auf der Suche nach bedachtem, aber doch kontinuierlichem Fortschritt der Architektur und wollte keinesfalls auf ewig im Alten verhaften bleiben. Es ist Ironie, dass jetzt ausgerechnet die Schinkeljünger eines seiner 180 Jahre alten Gebäudezombies wieder auferstehen lassen wollen, das sich doch gerade dadurch auszeichnet, sich loszulösen vom Alten, um in neue Gefilde aufzubrechen und gleichzeitig jemand, den Schinkels Architektur zwar fasziniert, aber nicht in die Schinkelreligion konvertieren möchte, ihn und seine oft fortschrittlichen Ansichten verteidigen muss.


    Eine Rekonstruktion käme auf eindrucksvolle Weise einer weiteren Zerstörung der Bauakademie gleich: die Zerstörung ihres Geistes, der in ausdauerndem Ehrgeiz nach einer Vervollkommnung der Kunst strebte. Schinkel selber beschreibt es in seinem Lehrbuch und in seinen Briefen selbst so: „Jede Hauptzeit hat ihren Styl hinterlassen in der Baukunst, warum wollen wir nicht versuchen, ob sich nicht auch für die unsrige ein Styl auffinden läßt?“. (Brief an Susanne Schinkel, 19.06.1826)


    Die Energie sollte aufgewendet werden, um einen Stil für diese Zeit zu finden und ich bin mir sicher, wir kommen ohne nackte Jünglinge und Mädchen auf der Fassade aus, deren Bedeutung heute sowieso aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Dabei sollte das Kredo lauten, von Schinkel zu lernen und nicht, ihn dümmlich zu kopieren.