Naja, das Vorgehen der Stadt ist schon ziemlich verdreht. Bevor man eine Straße sperrt, muss man doch zumindest mal eine Grundidee entwickeln, was man mit dem frei werdenden Platz machen will. Zumal hier mit den beiden Rampen zu den Brücken und mit den vorm Kai geparkten Schiffen ein ziemlich schwieriger Ort vorliegt. Um dort ansprechenden Stadtraum zu schaffen, braucht es schon eine kreative und aufwändige Umgestaltung. Wenn man hier so vorgeht wie an der Hauptwache, wo auch Jahre nach der Straßensperrung nicht mal ein Gestaltungsansatz für die freigewordenen Flächen vorliegt, wäre das jedenfalls ziemlich traurig.
Aber: Vor dem Fahrtor ist der Aufenthalt ohne Autos viel schöner geworden. Hier funktioniert die Straßensperrung. Und vor dem Saalhof braucht man keine große Phantasie, um sich einen schönen Platz vorzustellen. Insgesamt ist die Altstadt an den Main heran gewachsen. Allein dies ist für mich Grund genug, um die Sperrung zu unterstützen.
Generell bin ich aber nicht der Meinung, dass die Einrichtung neuer Fußgängerzonen ein guter Ansatz wäre. Eher im Gegenteil. Damit eine Fußgängerzone funktioniert, muss es erstens einen ausgewogenen Mix aus Läden und Gastronomie geben. Zweitens muss die Architektur und die Stadtraumgestaltung ansprechend genug sein, damit sich Leute gerne in der Nähe aufhalten. Drittens sollte eine Fußgängerzone zwischen wichtigen Punkten der Stadt liegen, so dass auf natürliche Art für einen gewissen Passantenstrom gesorgt ist. Und viertens sollten Fußgängerzonen angrenzende Nebenstraßen nicht zu unattraktiven Sackgassen degradieren. Ich kann in Frankfurts Innenstadt mit ein paar Ausnahmen (z.B. Töngesgasse oder südlicher Teil der Stiftstraße) kaum eine Straße finden, wo alle diese vier Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein Blick auf die derzeitigen Fußgängerzonen finde ich jedenfalls abschreckend genug. Auf der Zeil mag sich niemand länger aufhalten als unbedingt nötig. Die Fressgass wirkt verstaubt wie aus vergangenen Jahrzehnten. Die Schillerstraße dümpelt vor sich hin (während sich die parallel verlaufende Große Eschenheimer prächtig entwickelt). Die Sandgasse ist quasi tot. Und die Fußgängerzone auf der anderen Mainseite - Alt-Sax - ist ja wohl auch kein Paradebeispiel für Aufenthaltsqualität. Tendenziell scheinen sich Fußgängerzonen viel eher in extreme Richtungen zu entwickeln als Straßen. Wenn sie leer sind, werden sie zu Angsträumen. Wenn sie belebt sind, tendieren sie zu monofunktionalen Strukturen, die wie das Relikt vergangener Zeiten wirken.
Wo sich in den letzten Jahren viel mehr urbanes Leben entwickelt hat, sind Straßen mit schöner Architektur, großzügigen Bürgersteigen und einem Autoverkehr, der nicht zu dominant ist. Ich denke da an die Schweizer Straße, die Kaiserstraße, die Münchener Straße, den Oeder Weg, die Friedberger Landstraße und die Eckenheimer Landstraße. Auch in anderen Städten sind es genau solche Straßen, die in den letzten Jahren an Zulauf gewonnen haben.
Was die Stadt meiner Meinung nach also eher tun sollte, ist andere Straßen nach gleichem Vorbild umzugestalten. Besonders die großen, rein für den Autoverkehr vorgesehen Straßen könnten mit einer auf Fußgänger ausgerichteten Gestaltung sehr viel attraktiver werden. Bei einigen dieser Straßen sind die Bürgersteige lächerlich klein (Berliner Straße, Neue Mainzer). Bei anderen Straßen wird der Autoverkehr in so sanft geschwungenen Wegen durch die Stadt geführt, dass die Bürgersteige zwischen klein und riesig schwanken (Eschersheimer Landstraße). Bei weitern Straßen wird durch Diagonal- oder Querparkplätze jede Aufenthaltsqualität genommen (Friedberger und Textorstraße). An anderen wichtigen Stellen wiederum fehlt es an Läden und Gastronomie bzw. an einer eindeutigen Gebäudesprache, anhand derer öffentliche Nutzungen ablesbar sind (Mainzer Landstraße). All diese Beispiele haben eines gemeinsam: Bürgersteige werden als Restflächen wahrgenommen, die übrig bleiben, nachdem die Bedürfnisse der Autofahrer erfüllt sind. Aufenthaltsqualität sieht anders aus.
Schließlich könnte man auch einmal darüber nachdenken, mehrspurige Einbahnstraßen, die zum Schnellfahren verleiten, durch eine Öffnung in beide Fahrtrichtungen zu entschärfen. Das könnte nicht nur die Aufenthaltsqualität auf den Bürgersteigen verbessern, es würde vielleicht auch den ein oder anderen Weg für Autofahrer verkürzen. Beispiele? Die Achse Taubenstraße - Börsenstraße - Goetheplatz - Große Gallusstraße - Taunusstraße. Oder die beiden Hauptautostraßen im Bahnhofsviertel - Gutleutstraße und Wilhelm-Leuschner-Straße. Vor allem aber könnten sowohl der innere als auch der äußere Wallanlagen-Ring von einer Öffnung in beide Fahrtrichtungen profitieren. Je eine Auto- und eine Fahrradspur in beide Fahrtrichtungen, große Bürgersteige und öffentliche Nutzungen in den Gebäuden entlang der Straße - so könnte ein urbaner Ring um die Stadt aussehen.
Fazit: wir brauchen keine weiteren Fußgängerzonen. Wir brauchen auch keine vermeintliche Optimierung funktionierender Straßen (wie der Schweizer Straße). Was wir viel mehr brauchen, ist eine grundsätzliche Umgestaltung der reinen Autostraßen. Weniger nach dem Ideal der Nachkriegszeit mit einer möglichst weitgehenden Trennung von Autos und Fußgängern. Mehr nach Vorbild der klassischen, gründerzeitlichen Hauptstraßen mit klar strukturierten Bürgersteigen und liebevoller Gestaltung des öffentlichen Raums.