Dieser Walter-Ulbricht-Apologismus widerspricht dem Stand der historischen Forschung und den Berichten der Zeitzeugen.
Hier ein Auszug aus einem Interview mit Mafred Stolpe in den Potsdamer Neuesten Nachrichten vom 19. Juli 2014 (Quellenangabe s.u.):
Herr Stolpe, was treibt Sie an, sich für den Aufbau einzusetzen?
Ich bin persönlich betroffen. Ich habe Potsdam damals erlebt, das erste Mal 1959 im Oktober. Es war schon ein eindrucksvoller Weg über die Lange Brücke in die Stadt. Man sah das Stadtschloss, die ausgebrannte Fassade. Man sah, nicht weit weg, den wuchtigen Kirchturm. Der war beschädigt, aber keine Ruine.
Was war es denn?
Ein Ort für Gottesdienste. Es war damals sogar möglich, sich mit der Stadt zu einigen, wie dort weitergemacht wird. Wir Kirchenleute durften den Turm sichern, Einbauten machen, Zwischendecken einziehen, Treppen einbauen. Es gab sogar schon Gespräche, dort eine Aussichtsplattform einzurichten. Die Leute sagten mir damals übrigens: Das ist der Turm der Heiligkreuzkirche. Von Garnisonkirche sprach niemand.
Wie kam das, klären Sie uns auf!
Die Gemeinde hatte sich 1949 umbenannt, hatte im Turm eine Kapelle ausgebaut, einen vollwertigen Gottesdienstraum. Und sie hatte sich ein Programm gegeben: Wir sind keine Militärkirche, wir sind für Frieden, für Versöhnung, für Toleranz, eine Aufgabe, die ja schon 1685 in Potsdam mit dem Toleranzedikt festgeschrieben worden war.
Genützt hat das nichts.
Es ist tragisch, dass diese Kirche gegen alle Proteste weggesprengt worden ist. Das war im Wesentlichen eine Entscheidung von Walter Ulbricht selbst. Im Jahr 1968 war das Politbüro nervös wegen des Prager Frühlings. Es gab die große Furcht, dass der Bazillus auf die DDR-Bevölkerung übergreift, was ja nicht unbegründet war. In Potsdam gab es eine eindrucksvolle Protestbewegung für den Erhalt der Kirche, quer durch die Bevölkerung, durch die Parteien, SED-Mitglieder waren dabei, Kirchenleute sowieso, Künstler. Bekannt ist auch, dass die damalige Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke gegen den Abriss war.
Ist das Rechtfertigung genug für den Wiederaufbau?
Ich denke schon. Es wird ja auch sonst zu Recht viel über Wiedergutmachung von DDR-Unrecht geredet. Das fällt für mich darunter. Die Sprengung der Garnisonkirche war ein Rechtsbruch, eine Kulturbarbarei, bei der vor allem eine aktive Gottesdienststätte beseitigt worden ist, gegen das Recht der freien Religionsausübung. Der Wiederaufbau wäre Wiedergutmachung. Und es wäre ein Anlaufpunkt, um sich zu erinnern, nachzudenken, welche Verantwortung wir heute tragen, um Versöhnung zu praktizieren, auch innerhalb der Stadt.
Quelle: http://www.pnn.de/potsdam/875133/