Beiträge von Schöne Aussicht

    Hessen ist eben nicht Bayern. Hätte es nicht die Fußball-WM 2006 gegeben, würden wir wohl heute noch mit dem antiquarischen Straßenbahnwagenpark von 1959 ff herumgurken, denn dann hätte die Landesregierung niemals Geld für neue Fahrzeuge locker gemacht. An einem funktionierenden und komfortablen Nahverkehr hatte und hat man in Hessen wenig Interesse.
    Auch der S-Bahn-Fahrgast wurde in Rhein-Main nie verwöhnt. Bis vor wenigen Tagen waren auf der S-Bahn, ironischerweise gerade auf der touristenträchtigen Flughafen-Linie, noch die letzten runtergewirtschafteten 420er Triebwagen im Einsatz. Auch das nichts Neues. Frankfurt war jahrzehntelang das Auslauf-BW für die Züge, die bei den S-Bahnen in Stuttgart, in München oder dem Ruhrgebiet durch neuere ersetzt wurden. Und mit der nordmainischen Linie fehlt dem S-Bahnnetz bis heute ein wesentlicher Ast, der schon vor 40 Jahren im Grundkonzept enthalten war.
    Wie das ganze Kartenhaus einstürzt, sobald die S-Bahn fehlt, konnte man während der vergangenen Streiktage erleben. Da konnten sich all jene beglückwünschen, die in Homburg oder Oberursel im Frankfurter Norden wohnen und die U-Bahn nehmen konnten.

    Kurz und deutlich: nie. Die Straßenbahn wir bleiben - das ist meiner bescheidenen Meinung nach auch gut so - und mit dem Neubau des Südastes der Linie 17 gerade 'systemrelevant' (-> Umleitungsstrecke) ergänzt.
    Da das Land Hessen bei der regionalen Erschließung ausschließlich auf die S-Bahn setzt, den öffentlichen Schienennahverkehr sowieso nur in seltenen Ausnahmefällen bezuschußt, und die Stadt allein die Finanzierung von Tunnelstrecken nicht stemmen kann, wird nach dem Tunnelstutzen Richtung Europaviertel unterirdisch wohl nicht mehr viel passieren. Die schon seit Jahren immer wieder hinausgeschobene oberirdische Verlängerung der U 5 ist ja schon bezeichnend genug für die Situation. Hessen kassiert zwar Frankfurt ab, wo es nur geht, aber auf die Idee, daß man mit diesem Verhalten am eigenen Ast sägt, weil der Großraum ohne zügigen Ausbau der Infrastruktur auch im Zentrum seine Attraktivität irgendwann einbüßt, kommt man in Wiesbaden nicht.

    Hochbau?

    Neues von Frankfurts gefühlt langsamster Baustelle: über das Gelände verteilt sind in den letzten Wochen immer mehr Schutzhütten über den künftigen Kellerabgängen errichtet worden. Wie vor einiger Zeit berichtet, soll die Anlieferung von Baumaterial ja zum Teil über die Tiefgaragenebene erfolgen. Am Ende beginnen die Hochbauarbeiten doch noch dieses Jahr.
    Das Loch über dem stillgelegten U-Bahn-Ausgang ist zwar immer noch nicht geschlossen, aber man hat jetzt eine Wand mit runder Ecke betoniert, ganz im Stil des neuen Untergeschosses. Ich nehme daher mal an, der alte Schacht wird wieder genutzt, um die Rolltreppe zwischen U-Bahn-Verteilerebene und 1. Tiefgaragengeschoß einzubauen. Wie es von da aus weiter nach oben geht ist der Lücke direkt neben der Treppe ja schon anzusehen.
    Die Dachdeckerei am Stadthaus bleibt ein Trauerspiel. In der gesamten letzte Woche wurde gerade mal an einem Tag von zwei Dachdeckern an der Verschieferung weitergearbeitet. Bezogen auf das gesamte Projekt wird wohl die Schieferdeckung allein eine Jahrhundertaufgabe, wenn die so weitermachen.

    Zitat von Xalinai:Bislang ist in diesem Bereich das Angebot für Seh- und Kaufleute noch etwas beschränkt.


    Man kann daher gar nicht oft genug betonen, wie wichtig eine entsprechende Ausgestaltung der Erdgeschoßzonen in den auf dem Telekom- und dem Rundschau-Areal geplanten Bauten ist. Hier müßte wieder ein zugkräftiges Angebot aus kleinen, individuellen Läden entstehen, wie es im alten Rundschau-Haus mal war, damit sich zumindest im Westen wieder urbanes Leben in dem Straßenzug entwickelt. Denn die nicht zu beseitigende Lücke in der Mitte, die Petersfriedhof und Liebfrauenschule darstellen, ist schon problematisch genug und läßt hier den seit Herausnahme der Straßenbahn sowieso überdimensionierten Straßenraum völlig ausfransen. Es ist schon bemerkenswert, daß dieser im 19. Jh. über ehemaliges Friedhofsgelände geführte Straßendurchbruch zwischen Stiftstraße und Schäfergasse bis heute städtebaulich nicht vernünftig integriert werden konnte. Einen Bonus gegenüber der Töngesgasse vermag ich schon wegen des trennenden Mittelstreifens im "breiteren Straßenraum" nicht zu erkennen. Die Belebung wird sich in dieser Ecke wohl auf die Südseite der Stephanstraße beschränken. Aus der Gegend insgesamt läßt sich aber in jedem Fall etwas machen, vorausgesetzt die Stadt übt bei den Investoren genügend Einfluß auf Planung und Ladenmieten aus und beschränkt sich nicht allein auf die Durchsetzung einer ihr angemessen erscheinenden Architektur.

    Eine schöne Entwicklung, wenn die Pläne diesmal wirklich Realität werden. Die bisherigen Projekte scheiterten ja immer daran, daß die Nachfrage nach Büroflächen in diesem Bereich nicht groß genug ist, um die noch verfügbaren Flächen profitabel zu überbauen. Das wüste, einst von BMW zwischengenutzte Grundstück und die sich seit Jahr(zehnt)en hinschleppende Bebauung der Lindleystraße zeigen das am deutlichsten. Aber im Gegensatz zur Ferdinand-Happ-Str., wo der projektierte 2. Bauabschnitt des 'Eastgate' nonchalant dem Wohnungsbau weichen konnte, ist wegen der Gefahrguthalle ein Ausweichen auf Wohnnutzung hier unmöglich. Ich bin gespannt, welche Ankermieter sich finden lassen, denn rein spekulativ wird wohl hier nicht gebaut. Dabei wäre es mehr als wünschenswert, wenn diese Riesenlücke im Blockrand der Hanauer endlich verschwände. Und ein Kino ist vor dem Hintergrund der in den nächsten Jahren deutlich wachsenden Bevölkerungszahl in der Umgebung keine gar so schlechte Idee - jedenfalls einfallsreicher als "noch'n Hotel".

    Renovierung ist etwas bescheiden ausgedrückt. 1914 hat man die originale Alte Brücke abgerissen und begonnen, durch einen wesentlich breiteren Neubau - die Fahrbahnbreite der mittelalterlichen Brücke betrug unter 5 Meter - mit viel weniger, dafür weiteren Bögen zu ersetzen. Fertig wurde das Projekt kriegs- und inflationsbedingt erst 1926. Was wir heute sehen, ist dieses Bauwerk, von der mittelalterlichen Brücke ist bis auf den Gickel praktisch nichts mehr vorhanden. Den Karl an einer ähnlich wie der ursprüngliche Aufstellungsort aussehenden Stelle aufzustellen, halte ich aber für eine gute Idee - auch wenn er dann auf der anderen Seite steht. Im Hintergrund des Aquarells ist die Schöne Aussicht mit der Stadtbibliothek zu erkennen, er stand also damals auf der Ostseite.

    zu # 216:


    Bitte mal einen Gang zurückschalten, herr-mika. Die Modernisierungswelle seit dem Barock fand hauptsächlich in den fürstlichen Residenzstädten statt, wo repräsentative Gebäude und Platzanlagen gefragt waren und Geld eine mindere Rolle spielte. An allen alten Reichsstädten wie Frankfurt, Ulm oder Straßburg ging das weitestgehend vorbei.
    In Kaufmannsstädten wie Frankfurt mußten sich Neubauten für die bürgerlichen Bauherren immer rechnen und fielen demgemäß meist nüchterner und zweckmäßiger aus. 'Angeben' in gewissem Maß mußten in dieser Stadtgesellschaft nur die Zugezogenen mit Bauten wie dem Steinernen Haus, der Goldenen Waage oder später dem Thurn&Taxis-Palais, deren Ebenbürtigkeit und Bonität gern mal in Zweifel gezogen wurde. Das mag man bedauern, resultiert aber ebenso aus dem nüchternen kaufmännischen Denken wie die relativ bescheidene Dimension und Ausstattung der Frankfurter Kirchen. Sein Geld investierte man stets lieber ins Geschäft.
    Frankfurt ist auch keineswegs die einzige deutsche Stadt mit einem über Jahrhunderte ungelösten Altstadtproblem. Auch Hamburg hatte das in ähnlicher Dimension - bis zum großen Stadtbrand 1842. Und der deutlich bescheidenere Frankfurter Christenbrand von 1719 hat durchaus zu Modernisierungen geführt, wie z.B. dem barocken Eckhaus Zum Grimmvogel, das heute zu den wenigen zumindest fassadenmäßig erhaltenen Bauten in der nördlichen Altstadt zählt. Ein Forum mit Prachtbauten wie die Münchner Ludwigstraße oder Berlins Unter den Linden sind mangels Repräsentationsbedarf natürlich auch da wieder nicht entstanden. Den einzigen Repräsentationsbau der Stadtgeschichte, in dem es wirklich an nichts fehlte, leistete sich die Frankfurter Bürgerschaft erst viel später als Trotzreaktion auf die preußische Annektion: die Alte Oper.
    Man kann auch nicht die sozialen Probleme des 19. Jahrhunderts der Frankfurter Stadtregierung anlasten. Auch viele andere Städte waren seinerzeit mit dem rasanten Bevölkerungswachstum überfordert - und gerade heute sehen wir ja auch wieder, wie Politik und Planung mehr hinter dem Problem des Zuzugs herlaufen, als ihn gestalten zu können.