^^ Ich glaube nicht, dass es eine dem Menschen innewohnende Ästhetik gibt. Und selbst dann kann man nicht davon ausgehen dass es einen Konsens zu Schönheit an sich gibt (Erziehung, Erfahrung, Nostalgie...) oder dass die äußeren Umstände die Erfüllung dieser erlauben (Geld, Geld und nochmals Geld...).
Deine Meinung zu dem 'Ensemble' teile ich. Es ist vielleicht unter sehr abstrakten ästhetischen Maßstaben interessant - etwa wie eine eitrige Geschwulst für einen Arzt - die Trostlosigkeit lässt sich jedoch nicht wegdiskutieren (jaja... das Wetter trägt etwas dazu bei...).
Über subjektivität zu Diskutieren ist höchst sinnlos, das ist mir klar, und noch sinnloser ist es zweifelsohne, der "breiten Masse" detailliert EINEN geschmack überstülpen zu wollen. Ich kann Deinem Post zu 100% zustimmen, ist zweifellos alles richtig was Du schreibst. Dies direkt vorweg. Trotzdem, weil mir diese Argumentation immer wieder mal sauer aufstößt:
In allen Kulturen, auf allen Kontinenten, in allen "Wohnzimmern", sowohl städtischen als auch internen in den eigenen vier Wänden, haben sich die Menschen mit Überwältigender (!!!!!) Mehrheit langfristig IMMER für eine Gestaltung entschieden, die von mir, rein subjektiv empfunden, am besten mit den Worten Gemütlichkeit, Liebe zum Detail, Menschlichkeit, sowie auf der anderen Seite dem Streben nach Größerem, im Sinne von ästhetischer Perfektion oder dem in Stein/Holz/Glas geformten Idealen einer oder mehrerer Generationen, beschreiben lässt.
Säulen, große Plätze, Rundbögen, Detaillierte Dächer und Fassaden, Harmonierende Straßenzüge die das Auge "führen" und im Detail zum verweilen einladen, eingefasste Plätze, sowie die aus eigentlich engen, "menschennahen" und "niedlichen" Strassen herausbrechenden großen Plätze, Boulevards und Monumente in Verbindung mit mal mehr, mal weniger passend gestalteter Natur machen den absoluten Löwenanteil des weltweit vorherrschenden Konsens zum Ästethischen Leben und Wohnen aus.
Dies sind bauliche, in Stein gefasste, bewiesene Gemeinsamkeiten, die es über Jahrtausende in allen Himmelsrichtungen immer wieder gab, und deren Paradebeispiele bis heute die Städte und Gegenden darstellen, in welchen die Menschen am liebsten (und am besten) Leben möchten und können. Westeuropa, Osteuropa, Mittlerer Osten, Asien (Indien, China, Japan, Korea), Amerika (Macchu Picchu) - hier gibt es auch VOR dem einigenden Einfluss der dominierenden westlichen Kultur viele der genannten Gemeinsamkeiten, auch wenn die Umsetzung im Detail natürlich vollkommen unterschiedlich ausfällt.
Dennoch: Undefinierbar, aber de facto zweifelsohne gibt es eine Reihe von Attributen die dem Menschlichen Geist Kulturübergreifend gefällt, was auch vollkommen logisch ist, spiegeln sie doch die menschliche Natur und deren Ausprägungen (Organisationsdrang, Spieltrieb, Sehnsucht nach Geborgenheit, das Empfinden von Homogenität als beruhigend, das passende Einstreuen von Heterogenität als Anregend, Neugierde befriedigend, nicht zuletzt und vor allem auch das Streben nach Wachstum und einer gewissen Form von Perfektion der menschlichen Schaffenskunst).
Der oben bereits erwähnte goldene Schnitt ist ebenso Realität wie die Tatsache dass weltweit der Großteil der Menschen eine Stadt wie Paris, New York, Venedig, Salzburg oder Heidelberg schön findet, eine Stadt wie Pjöngjang oder die endlosen Trabanten(platten)städte Moskaus jedoch mit deutlicher Mehrheit nicht.
Für mich eher kalte, stalinistische, "unmenschliche" Architektur "gefällt" einigen (die in so gut wie allen Fällen der diesen bauten zugrunde liegenden Ideologie/"Kultur" ebenfalls keinesfalls abgeneigt sind) - genauso wie manche Menschen Weihnachten oder größere familienfeste Hassen, bewusst immer andere Mode tragen müssen als der "Großteil" der Menschen, und Beethoven oder Bach allen ernstes als "schlecht" bezeichnen, dann aber im nächsten Satz Dubstep als "objektiv gute Musik" preisen. Oder gar Menschen die sagen "ich mag keine Musik".
Hey, ich selbst finde zum Beispiel dieses Plattenhochhaus (?) bei den hackeschen Höfen zwar nicht schön, aber doch an der Stelle nicht fehl am Platz, weil es für mich Tiefe, dreidimensionalität und urbanes Flair schafft - weil es gut in die Kleinteilige Umgebung integriert ist.
Jedem seinen Geschmack, meiner ist nicht richtiger als irgendein anderer, auch wenn ich rein subjektiv andere Geschmäcker als schlecht bezeichnen mag. Aber wer behauptet Plattenbauviertel seien grundsätzlich für "die breite Masse" nicht hässlicher als ein schönes Gründerzeitquartier oder meinetwegen Canary Wharf in London (das keineswegs ein Paradebeispiel für modernen Städtebau darstellt aber doch sicher ein wenig besser wirkt), der sollte sich mehr mit der "breiten Masse" auseinandersetzen.