Beiträge von Persius

    Wie kann man nur so klobige Sattelgeschosse bauen und sie dann auch noch vom übrigen Baukörper durch graue Farbe absetzen, so dass die Bauten wirken, als wären ihnen ungeschlachte graue Gefechtsbunker aufgepackt worden. Die Konzeption widerspricht völlig dem Sinn von Staffelgeschossen, die sich zurückzunehmen haben und eine nach oben hin abrundende Wirkung für das Gesamtgebäude schaffen sollen. Warum überhaupt müssen auf einem dreigeschossigen Baukörper zwei Staffelgeschosse lasten? Anscheinend wollte man das Gebäude niedriger wirken lassen, als es ist, und dieses Bestreben ist gründlich in die Binsen gegangen.

    Die Tatsache, dass die Schultes-Idee Federn lassen musste, rechtfertigt m.E. nicht, sie nun leichtfertig zu verwursten. Sie bietet noch immer eine überzeugende Großform, auch wenn diese im Bereich der Luisenstraße angeknabbert werden musste (was vermutlich Schultes selbst durchaus bewusst war) und das Bürgerforum nach wie vor fehlt. Das Fehlen des Bürgerforums könnte sich sogar als glücklicher Umstand erweisen, sollte der städtebauliche Entwurf von Bernd Albers eines Tages realisiert werden, mit einem wiedergewonnenen Alsen-Viertel und einem zentralen Platz in der Mitte des "Bandes des Bundes". Jedenfalls zeigt der Vorstoß von Albers, dass der Schultes-Entwurf so stimmig ist, dass er sich sogar weiterentwickeln lässt.

    Ich bin entschieden dagegen, den Altbau in diese das Band des Bundes abschließende Großform zu integrieren. Nicht überall in Berlin muss man Kleinteiligkeit und Parzellenstruktur beibehalten, jedenfalls nicht da, wo ein genialer Wurf moderner Stadtbaukonzeption zu Ende gebracht werden soll. Wenigstens an dieser Stelle sollte die Moderne in Gestalt von Schultes' Ost-West-Riegel einmal Vorfahrt beanspruchen dürfen. Der Vergleich mit dem Jakob-Kaiser-Haus ist nicht stichhaltig, denn da handelt es sich um die Wiederherstellung einer Innenstadt-Struktur, welche die einheitliche Nutzung eines ganzen Quartiers durch Fassadenvielfalt kaschiert. Beim Schultes-Riegel aber besteht im Prinzip keine historisch abzuleitende Parzellenstruktur. So wenig wie beim Paul-Löbe-Haus oder beim Kanzleramt eine integrierte alte Fassade, so vorhanden, akzeptabel gewesen wäre, so wenig sollte man bei dem Kundus-Entwurf auf einer Einfügung überkommenen Bestands (und dazu einer schäbig entstuckten Altbaufassade)
    bestehen. Das gebietet der Respekt vor diesem Grand Projet Berlins und der Idee der Architekten, auch wenn die Kundus-Konzeption noch keine architektonischen Detailformen vorgibt.

    Das mag, Theseus, eine sehr treffende Beobachtung sein, und zugleich hat sie etwas Verstörendes. Warum muss sich heutzutage die "Demokratie als Bauherr" in Deutschland so sehr zurücknehmen? In welcher anderen westlichen Demokratie würde der Neubau eines Innenministeriums so sehr in die Unsichtbarkeit abgedrängt, als Füllbau für eine zufällig vorhandene Restfläche! Warum beargwöhnt man hierzulande repräsentative Architektur für Staatszwecke, die auf Identifizierung des Bürgers mit seiner Hauptstadt und ihrem Regierungszentrum abzielen (ich denke da beispielsweise an das neue Finanzministerium in Paris oder die imposanten Hochbauten im Zentrum von Den Haag)? Welche ernstzunehmende Erkenntnis könnte sich hinter dieser emotionalen Abwehr gegen selbstbewusste staatliche Repräsentanz verbergen? Ich wüsste keine. So gesehen ist das Berliner Kanzleramt ein Glücksfall der deutschen Demokratie, der nicht wenig dazu leistet, dass dieser Berliner Republik weltweit Achtung entgegengebracht wird.

    Dann bin ich wohl der erste, der dir begegnet, der Schultes' Kanzleramt sehr viel abgewinnen kann, der es für einen wundervollen Bau hält, von außen wie von innen, ein Staatsgebäude von großzügigem, repräsentativem Gestus und doch offen und lichtdurchflutet und auch von sorgfältigster Durchbildung in allen Details. Ebenso schätze ich sein Berliner Krematorium als ein herausragendes Zeugnis des von ihm vertretenen "romantischen Rationalismus", und die gleiche konsequente Durchgestaltung und elegante Ausstrahlung erwarte ich von seinen Bauten am Schinkelplatz. Geschmacksurteile können eben sehr gegensätzlich ausfallen, aber es hat sicher seinen nachvollziehbaren Grund, dass Schultes einst sowohl mit seinem "Band des Bundes" als auch mit seinem Kanzleramt aus den spektakulären Wettbewerben der neunziger Jahre als eindeutiger Sieger hervorging.

    Auch ich kann dem "Hochhäuschen" am Nordostende der Neubebauung nicht viel abgewinnen, würde eher dafür plädieren, die Randbebauung an dieser Ecke in der üblichen (oder leicht gesteigerten) Höhe abzuschrägen, um eien Übergang zu schaffen zwischen dem zurückgesetzten Rossplatz-Riegel und der westlichen Fortsetzung. Die Planung sollte das Ziel verfolgen, eine integrierende Verbindung zwischen dem Bestand und den neuen Blocks zu schaffen.

    Ich meine die aus den 50er Jahren, von der der gerundete Baukörper am Rossmanrkt zeugt. Meines Wissens gab es damals ein Konzept, in dieser neobarocken Architektursprache den ganzen Ring neu zu bebauen. Ich nehme an, dass der Rossmarktbau nach jenem Konzept in westlicher Richtung eine Fortsetzung finden sollte, die dem Khorami-Vorschlag ähnlich war.

    Ich möchte ein Wort für den Khorami-Vorschlag einlegen. Als einziger nimmt er den städtebaulichen Ansatz des DDR-Komplexes am Rossmarkt wieder auf und schafft konsequenterweise einen weiten Grünraum, der die Figur des Leipziger Rings hier zu einem kleinen Park steigert. Konsequent wäre es darüberhinaus, die raumbegrenzenden Bauten in der Höhe dem Riegel aus der DDR-Planung (die ursprünglich den gesamten Ring neu fassen sollte) anzugleichen.

    Wieviele Kilometer U-Bahn hat man in ärmlichen Vorkriegszeiten in einem Jahrzehnt geschafft? Dabei sind die wichtigen Kreuzungsbahnhöfe im Zuge der zu verlängernden U 5 ja schon auf Vorrat gebaut. Man muss vor allem bedenken, was für ein phänomenal günstiger Anschluss an den Hauptbahnhof durch eine solche neue U-Bahnstrecke hergestellt wäre.

    Zu schaffen wäre sie schon, angesichts schon vorhandener Bau-Vorleistungen in den U-Bahnhöfen Turmstraße und Jungfernheide und wenn man bedenkt, was für enorme U-Bahn-Bauaktivitäten in den armen 20er Jahren erbracht worden sind. Natürlich müsste dann die Größenordnung des Stadtbauprojekts auf einstigem Flughafengelände die U-Bahn-Anbindung rechtfertigen. Wann fängt man in dieser Stadt, die doch so gerne Weltmetropole werden würde, endlich an, groß zu denken? Wenn man sich von vorn herein damit bescheidet, kleine Brötchen zu backen, kann man die Olympia-Bewerbung auch gleich sein lassen.

    Auch ich halte den aus dem Hochschulprojekt hervorgegangenen Entwurf mit Grünachse ("Marsfeld") zwischen Schloss und Fernsehturm für eine tief überzeugende Lösung, denn sie verknüpft Vergangenheit und Gegenwart, und ich bin überzeugt, dass auch Stadtplaner des frühen 20. Jahrhunderts die Idee einer solchen Achse entwickelt hätten, hätten sie über eine solche tabula rasa verfügen können. Im Grunde variiert der Entwurf die schon von Stephan Braunfels früher propagierte Idee, nur jetzt mit einem geschlossenen Schlüterhof des Schlosses. Aber was damals an Braunfels' Entwurf gerühmt wurde, das gilt auch hier. Endlich bekommt das Schloss auch ein Gesicht nach Osten, wenn auch ein modernes, das bürgerliche Berlin des Ostens tritt erstmals in Beziehung zum Schloss als dem Fokus der ganzen Berliner Stadtentwicklung. Sowohl das Schloss als auch der Fernsehturm werden auf neue Weise in den städtischen Gesamtorganismus integriert.

    Aber der Streit geht hier doch nicht um das Thema Rekonstruktion, sondern um die Frage, ob das, was hier ständig als "Berliner Altstadt" tituliert wird, rekonstruktionswürdig ist. Ich behaupte: nein. Hier ist keine mittelalterliche Altstadt vorhanden, auch keine barocke, vielmehr wurde das Gebiet des spätmittelalterlichen Berlin fortwährend baulch verändert und das ganze 19. jahrhundert hindurch permanent überformt, so dass es wirklich absurd wäre, hier flächendeckend zu rekonstruieren. Das wird kein Mensch tun, und darum ist es auch müßig, dass solches hier fortwährend als Option gehandelt wird. Was man rekonstruieren könnte, ist allein die Stadtstruktur, und auch die halte ich, wie oben schon gesagt, nicht wiederherstellungswürdig. Es bleibt die Alternative: Erhaltung und Aufwertung des Bestehenden oder Neuaufbau eines Viertels nach neuen städtebaulichen Qualitätsanforderungen.

    Nachdem ich mich lange Zeit aus diesem Endlos-Disput herausgehalten habe, drängt es mich doch an dieser Stelle, einmal Camondo beizupflichten. Ich kann diese vielstimmige Forderung nach Wiederherstellung der Vorkriegsstrukturen zwischen Alexanderplatz und Spree auch nur schwer nachvollziehen. Ja, wäre hier durch Kriegs- und Nachkriegswirken eine Altstadt vom Schlage Nürnbergs oder Frankfurts ausgelöscht worden, ich würde auch für eine weitreichende Rekonstruktion des Verlorenen votieren. Im Falle des Berliner Marienvierels aber sehe ich nicht, welche Kostbarkeiten hier wiederherzustellen wären. Ich will die Argumente von Camondo und einiger anderer nicht wiederholen, aber weder einzelne Architekturen noch der Stadtgrundriss sind es wirklich wert, nachgebildet zu werden. Und wenn man tatsächlich die besten der einst hier vorhandenen Fassaden nebeneinander wieder hinstellte, käme nicht mehr als ein Freilichtmiseum zustande, wie sich eins in der Hamburger Neustadt befindet, dort immerhin mit wertvollen Barockfassaden.


    Sooo schlecht finde ich die Entscheidung der DDR-Regierung keineswegs, anstelle der Überreste eines architektonisch belanglosen Innenstadtquartiers einen repräsentativen Freiraum zu schaffen und ihn durch eine markante Randbebauung zu konturieren. Die Qualität dieser Randbebauung, die hier weithin in Frage gestellt wird, halte ich durchaus für respektabel. Immerhin gäbe es die schon früher hier skizzierte Möglichkeit, diesen Freiraum zu erhalten und durch eine hochwertige Gestltung nach dem Beispiel der Pariser Tuileriengärten aufzuwerten.


    Wenn aber eines Tages der Trend nach einer Revision der DDR-Planung übermächtig werden sollte, dann bitte keine Wiederherstellung des Vorkriegs-Straßengrundrisses, sondern eine Neukonzeption, die das Viertel aufwertet. Dann sollte man sich ernstlich mit dem m.E. genialen Bebauungsplan des Forumsmitglieds "Libero" (Position 2279 in diesem Strang) auseinandersetzen. Dann bitte eine echte Qualitätssteigerung gegenüber dem DDR-Konzept! Ein bloßes Rekonstruieren dessen, was an dieser Stelle durch Jahrhunderte ohne stadtbaukünstlerische Durchformung wild gewachsen war, das widerspräche dem Geist dieser Stadt.

    Die Stalinallee als "Großwohnsiedlung" zu bezeichnen, geht an der Sache haarscharf vorbei. Ich denke , der hier geforderte Vergleich bezieht sich eher auf die Themen Märkisches Viertel versus Marzahn oder Gropiusstadt versus Hellersdorf. Dazu lässt sich gewiss eine Menge ausführen, aber dazu wären die Berliner unter uns eher im Stande. Jedenfalls sind sowohl im Architektonischen als auch im Städtebaulichen signifikante Unterschiede auszumachen.

    Ich sehe gerade in dem Zusammenspiel von geringer Fensterbreite und tiefem Raster das herausragende Plus dieser Fassade. Gerade die Tatsache, dass in der Schrägansicht die Fensterflächen verschwinden, gibt der Fassade diese stark plastische Struktur, die eben mehr sein will als die übliche Abfolge von Glasflächen und Rahmen bzw. Wandstücken. Es wurde eine plastische Durchbildung der Fassade erreicht, ein skulpturales wenn nicht sogar ornamentales Element, von dem ich meine, dass es - entgegen dem ersten Anschein - sogar als innovative Lösung respektiert werden kann. Sonst dominiert in der heutigen Architektur ja eher das flächenhafte graphische Spiel.

    Ich verstehe die Frage nicht. Ich behaupte, dass die Proportionierung und plastische Ausbildung des einzelnen Fensterelements, auch seine materiale und farbliche Ausstrahlung so ausgereift ist, dass die endlose Wiederholung über sämtliche Außenfronten des Bauwerks nicht ermüdet. So sehe ich es jedenfalls.