Die Postutale auf Abriss oder Umgestaltung einiger Objekte haben massive Probleme heraufbeschworen, die aber auch durch längeren Leerstand oder Herabwirtschaftung diverser Immobilien verursacht worden sind.
So geht es aktuell nicht mehr nur um Änderungen oder Verbesserungen von Fassaden oder des Stadtbildes, sondern auch um konkrete Folgen für die Nutzungsziele und irreversiblen Umgestaltungen etablierter sozialer Räume. Die Nutzungskonzepte, die im Raum stehen, erweisen sich als noch folgenschwerer als die Umgestaltung von Fassaden (die im Falle des Bikini-Hauses nicht einmal der gravierenste Eingriff wären, obwohl der Direktor des Landesdenkmalamtes, Herr von Buttlar, allergrößte Bedenken äußerte, wonach die "Balance" des Stadtbildes vom Schimmelpfennighaus über den Riegel am Hardenbergplatz, den Zoo-Palast, das Bikinihaus bis hin zum als massiven Störfaktor empfundenen Kugelkino "kippen" würde.)
Das kam auf der kontroversen Veranstaltung "Architekturgespräch 77" in der Vorwoche heraus. Hierbei war dem opportunistischen Baustadtrat Dr. Gröhler (die Berliner Zeitung bezeichnet ihn als "Populisten") der Denkmalschutz weniger wichtig als das Nutzungskonzept, und auch (irgendein) Kinokomplex am Zoobogen müsse s.E. eine Komponente dieses Konzeptes sein.
Gerade in diesem Zwiespalt entstehen verheerende Fehlentscheidungen und Fehlgeburten für die Zukunft: es kommt definitiv sowohl zu einer Aufgabe der architektonischen Balance am Zoobogen zugunsten (wirtschaftlich) erneuerter Nutzungskonzepte, die dann sogar einen "modernisierten" Kinobetrieb tragen könnten, so wie zu einer Zerrissenheit der Nutzungsarten, folgt man Gröhler.
Das Resultat ist ein doppelter Verlust: der des ausbalancierten Stadtbildes um den Breitscheidplatz und das Europa-Center (mit seinem kommenden Kaufhaus á la "Potsdamer Platz"-Shopping-Ästhetik) und auch der von vormals kulturell gestalteten, urbanen Nutzungskonzepten, die letzlich Business-Bauten, Firmenbüros oder 5-Sternehotels weichen. Ebenso ist der "Staubsauger"-Effekt des neuen Shopping-Mall, welche vom Hochausriegel ausgehend die Menchenstörme bereits vom Bahnhof Zoo abgreift, um sie bis zum Ende des Bikini-Hauses zu schleusen, ein urban abträgliche Lösung in dieser Region.
Diesbezüglich warnte selbst Gröhler vor einer Verelendung des (derzeit von Drogenhändlern bevölkerten) Breitscheidplatzes, die in diesem "Staubsauger"-Konzept der Bayerischen Immobilien AG keinesfalls gestoppt würde. Gleichzeitig schlägt Gröhler (ohne über irgendwelche Branchenkenntnisse und über Umsatzzahlen zu verfügen) den Bau eines Multiplexkinos vor, in der naiven Erwartung, dies entspräche dem Trend der Zeit.
(Hier empfehle ich einmal die Umsätze und die Architektur der UCI-Kinowelt in Friedrichshain als Zukunftsperspektive zu bewerten, die dann den Zoo-Palast überkommen wird).
All dies zeigt m.E. die Ohnmacht und völlige Hilflosigkeit einiger Politiker, die durch beliebige Investmenterfolge Wahlen gewinnen wollen, ohne die Folgen durchdacht zu haben.
Vollkommen unverständlich erscheinen mir aber die in diesen Thread enthusiastisch formulierten generellen Abrisspostulate, die noch die kühnsten Umgestaltungspläne diverser Immbobilienfirmen, die bekanntlich alles bauen, wofür sie geraden einen meistbietenden Mieter finden, in den Schatten stellen. Ich frage mich, ob dienjenigen, die solche Postulate erheben, ernsthaft über die Nutzungskonzepte nachgedacht haben resp. eine Vorstellung entwickelten, wie die jetzt im Raum stehenden Konzepte zukünfitg auf Touristen oder Freizeitler mit Entertainment und Kulturbedürfnissen wirken würden?
Ebenfalls bleibt mir unverständlich, wie in dieser Diskussion die eine oder andere neue Fassade (die doch nur gut aussieht, solange sie neu ist) hier wie dort die Gewichtung der Nutzungskonzepte ausblendet oder marginalisiert.
Nach diesen nachhaltig mich entsetzenden Bewertungen, die ich hier zur Kenntnis nehme, möche ich anmerken, daß selbst der Ist-Zustand des leicht schmuddeligen Bikini-Hauses (mit seinen "Tante-Emma-Trödelläden) absolut der sterilen Kälte eine Shopping-Mall, die Europas bekanntestes Filmtheater durchschneiden wird, noch vorzuziehen ist.
Sollten die derzeitigen Pläne realisiert werden, wo man nur noch zu massiver Bürgergegenwehr aufrufen kann, könnte es sein, dass in wenigen Jahren die Einsicht einkehrt, dass hiermit die City-West als zwar widersprüchlicher, dennoch aber entwickelter urbaner Lebensraum irreparabel zerstört wurde.