Beiträge von Minifutzi

    Hallo Leute,


    ich bin großer Fan des Historismus und plane derzeit ein kleines Haus umzubauen.

    Ein bekannter Bauzeichner hat mir nun einen Entwurf gezeichnet der auch gar nicht mal schlecht ist, allerdings ist er meiner Bitte, das Haus so aussehen zu lassen, als stamme es von der vorletzten Jahrhundertwende, nur sehr begrenzt nachgekommen.

    Ich bezweifle dabei auch etwas, dass er sich im Bereich Historismus überhaupt einigermaßen auskennt, genauso wie einige andere Fachleute, mit denen ich mich seitdem unterhalten habe.

    Da ich selbst ebenfalls kein Fachmann bin, kann ich auch gar nicht so direkt ausmachen, an welchen gestalterischen Aspekten es nun genau liegt. Ich merke nur, dass etwas fehlt.

    Wer kennt sich mit Historismus aus und hätte Spaß daran, mir den einen oder anderen Tipp zu geben, was man noch ändern könnte, um vom Erscheinungsbild dem von mir favourisierten Stil näher zu kommen?

    Selbstverständlich reiche ich bei Interesse ein paar Skizzen nach.


    Finden denn hier einige die Gehry-Nordfassade der DZ-Bank auch doof?


    "Doof" beschreibt nicht mal ansatzweise wie ich die finde.


    Wenn ich meine zehnjährige Nichte vor ein Blatt Papier gesetzt hätte, mit der Aufforderung mal ein Haus zu malen, dann wär da wesentlich mehr bei rumgekommen.


    Gegen die DZ-Bank ist das Haus vom Nikolaus schon von gehobenem Schwierigkeitsgrad.


    Sie ist allerdings, wie die zukünftige Stadtschloss-Ostfassade, ein mahnenden Beispiel dafür, wie man (nicht nur als Architekt) jeglichen Bezug zur Grundlage seines Faches verlieren kann, wenn man sich nur lange genug unter seinesgleichen aufhält.

    Ich bin da weniger optimistisch.


    Ein Kompromiss zwischen Traditionalisten und Vertretern der Moderne endet meist in solchen Ergüssen wie der Frankfurter Saalgasse:


    http://www.tripport.tv/MEDIA/621_LCPIC1.jpg


    Da möchte man auch nur schnell dran vorbeigehen.


    --------------------
    Hinweis der Moderation: Die Einbindung der Bilddatei wurde in einen Link geändert.Bitte künftig auf die Richtlinien für das Einbinden von Bildern achten! Vielen Dank.
    Bato

    Auch wenn ich Berchens Sicht der Dinge nicht nachvollziehen kann, so ist man doch laufend mit derartiger Argumentation konfrontiert.


    Zu meiner Beruhigung scheint der Wunsch, sein verklemmtes Verhältnis zur Geschichte gerne architektonisch manifestiert zu sehen, der Generation 50+ anzuhaften.
    Viele jüngere Bürger (zu denen ich mich zähle), neigen dagegen nicht zu einer derart überhöhten Aufladung von aufeinandergeschichtetem Baumaterial, sondern wägen lediglich danach ab, welcher Art von Bebauung ihnen am besten gefällt.
    Dass das bei einer direkten Gegenüberstellung i.d.R. die historische ist, hat nicht etwa mit einer Sehnsucht nach Vergangenem zu tun oder impliziert eine politische Einstellung, sondern ist lediglich eine Frage der Ästehtik.


    Zu denken geben sollte dies daher nicht Politikwissenschaftlern, sondern eher Architekten.

    ^bei sowas glaube ich nicht an Zufälle. Vom Stadtschloss spricht man auch erst seit dem 19. Jahrhundert, davor war es die (von den Berlinern nach Überlieferungen ungeliebte) Fürstenresidenz unter diversen Bezeichnungen. Auch das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal kam ja erst im späten 19. Jahrhundert dazu. Es ging ganz offensichtlich darum diesen ganzen Bereich städtebaulich "aufzumotzen". Bezeichnend ist auch der Wandel im Selbstverständnis der "Schlossherren". Laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Stadtschloss, muss ich so zitieren, da ich es selbst an dieser Stelle nicht weiss) lies der Soldatenkönig aus Sparsamkeit große gehegte Pläne für die Gestaltung des Schlosses zusammenstreichen und entschied sich für eine "Sparlösung". 150 Jahre später kam hingegen die Kuppel dazu und man brachte folgenden Schriftzug an „Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind." (nicht an einer Kirche sondern an der Kuppel des Stadtschlosses, die vermutlich auch nicht zufällig an sakrale Kuppelbauten erinnert). Im 19. Jahrhundert, inmitten der industriellen Revolution, nach der Aufklärung, zur Zeit bahnbrechender wissenschaftlicher Entdeckungen... solch ein tiefreligiöses Bekenntnis? Da haben wir sie wieder, "Autorität alter Zeit", eben des Christentums, auf welches sich die Monarchen des Mittelalters maßgeblich stützten (auf den Gürtelschnallen der Wehrmacht stand später ja auch "Gott mit uns", selbe Psychologie wie schon zu Zeiten des Schlachtens der Kreuzzügler). Architektonische Reichskleinodien, wenn man so will.


    Oh Mann, hier wird ja wieder alles in einen Topf geworfen was nur geht.
    Glaube, Kirche, Monarchie, Preußen das war alles nichts Gutes. Hat ja schließlich alles irgendwie mit Auschwitz zu tun.


    Nicht nur die Preußischen Herrscher waren in Zeiten bahnbrechender wissenschaftlicher Entdeckungen nach wie vor religiös - der überwiegende Teil der Bevölkerung war es ebenfalls. Genau wie im restlichen Europa. Und während sich die Hohenzollern an ihre Schlosskapelle den von Ihnen zitierten Schriftzug anbringen ließen, tat der einfach Bauer ein ähnliches über der Eingangstür seines Fachwerkhäuschens.


    Und am Schluss landen wir dann - warum nur habe ich das vorhergesehen - bei einem polemischen Wehrmachtsvergleich.
    Dass Armeen Gott an ihrer Seite beanspruchen ist nun wirklich so alt wie die Religion selbst. Gäbe es keine Religion, so würde man zumindest das Recht auf seiner Seite wähnen.
    Im Übrigen war der Spruch "Gott mit uns" bereits seit 1701 die Devise des preußischen Königtums und gehörte schon ab 1817 zum preußischen Staatswappen.


    Habe gerade mal seine Biographie nachgelesen. Er wurde als Georg Groß geboren und hat sich angeblich umbenannt weil er den preußischen Militarismus hasste und über die Auswanderung nach Amerika nachdachte. [...] Da er nach seiner desillusionierten Rückkehr aus Amerika 1958 am Savignyplatz im Suff eine Treppe heruntergefallen und gestorben ist kann man ihn leider nicht mehr fragen aber es ist zumindest zweifelhaft ob er sich für preußischen Historismus hätte begeistern können.


    Hier wird schon wieder Architektur mit Politik und Ideologie aufgeladen.


    Wie Sie schon selbst sagen, wollte der Künstler nicht etwa nach Amerika auswandern, weil er die preußische Architektur nicht mehr ertragen konnte. :nono: