Stahlbauer: Mehr als 800 Personen darunter eine Reihe von sächsischen Kurfürsten waren in der Unikirche begraben. Die in der Kirche vorhandenen Epitaphien zeugten von der Geschichte dieser Uni in Sachsen. Auch ein noch so originalgetreuer Wiederaufbau hätte das nicht wieder herstellen können.
Was genau meinst du, was hätte nicht wieder hergestellt werden können.
Ich gebe noch mal zu bedenken, verglichen mit allen anderen Rekonstruktionen der letzten beiden Jahrzehnte war die Ausgangslage für eine Wiederherstellung der Unikirche geradezu einzigartig gut: der Bau ist lückenlos dokumentiert; die originalen Ziegelsteine sind alle noch vorhanden; der Großteil der Kunstwerke wurde gerettet; die Bau- und Betriebskosten der rekonstruierten Unikirche wären im Vergleich zum jetzigen Neubau wesentlich geringer, die finanzielle Unterstützung und die Nutzung gesichert gewesen. Es ist jetzt schon absehbar, dass die ohnehin schon chronisch unterfinanzierte Universität durch die teure Unterhaltung des Neubaus in ihrem finanziellen Handlungsspielraum weiter eingeschränkt wird. Was zu Lasten der Ausbildung gehen wird.
Stahlbauer: Die Planungen des Freistaates sahen ursprünglich nur einen Umbau der Bestandsgebäude vor. Es ist überwiegend der Renitenz des Paulinervereins zu verdanken, dass heute ein doch ganz ansehnliches Gebäude errichtet wird.
Stahlbauer: Letztlich hat die Universität Leipzig doch ein akzeptables Ergebnis erreicht.
Ersteres sehe ich genauso. Letzteres steht dazu allerdings im Widerspruch. Fakt ist, nur der Aufdringlichkeit des Paulinervereins und der späten Einsicht des Freistaates ist es zu verdanken, dass bis 2009 am Augustusplatz ein Gebäude entsteht, das im Großen und Ganzen den Ansprüchen dieses Ortes gerecht wird. Die Universität selbst hat daran nicht den geringsten Anteil. Das muss man so deutlich sagen.
Stahlbauer: Das Problem, welches heute über der Diskussion über Glaswand ja oder nein bzw. über den Namen des Gebäudes, vergessen wird, war damals, dass der Freistaat Sachsen einen kleinen Verein ernster nahm als die Universität Leipzig.
Anknüpfend an das eben geschriebene kann man da nur sagen: Gott sei Dank!
Für alle die den von der Uni favorisierten Entwurf von behet, bondzio, lin nicht kennen hier der Link: Klick.
dj tinitus: dass das "portal" am augustusplatz zugemauert wird und die leute dann "durch eine art mauseloch" ins gebäude gelangen müssten. was die frau nicht begriffen/recherchiert hat: genau das entspricht der historischen situation. egal! hauptsache anprangern!
Bis auf diesen Lapsus ist die der Artikel gut recherchiert. Zugegeben geht die Autorin hart mit der Uni ins Gericht. Das passt natürlich nicht jedem.
dj tinitus: zur sprengung: natürlich war die barbarei. natürlich hätte sich die uni-leitung dagegen aussprechen müssen. was die uni-kritiker jedoch verschweigen: geändert hätte dies freilich nichts.
Falsch. Die Uni-Leitung gehörte zu den Ideengebern der Sprengung. Sie war nicht Opfer, sondern Mittäter.
dj tinitus: überall wurde damals in den innenstädten tabula rasa gemacht, um "sozialistische zentren" aufzubauen. gemessen daran ist leipzig noch relativ glimpflich davon gekommen
Falsch. Die von dir genannten Städte sind während des Krieges nahezu völlig ausradiert worden. Die DDR hat dort nur noch Ruinen entsorgen können. In Leipzig dagegen gab es viele wiederaufbaufähige Gebäude, von denen nur die wenigsten die kommunistische Willkür überstanden haben. Bsp.: Altes Bildermuseum, Neues Theater, Gewandhaus, Augusteum, Paulinum, Albertinum, Johanneum, Johanniskirche, Turm der Trinitatiskirche, Bürgerhäuser der Renaissance und des Barocks usw. Leipzig ist nicht glimpflich davon gekommen, sondern hat über die gesamte Zeit der DDR einen beispiellosen Aderlass an geschichtsträchtigen und stadtbildprägenden Gebäuden hinnehmen müssen.
dj tinitus: die kirche stand aus sicht dieser planungen vor allem am "falschen platz". es gab ja sogar überlegungen, sie zu verschieben. dafür gab es aber kein okay aus berlin.
Richtig, diese Idee gab es. Das war der letzte Versuch einiger Bauingenieure und Architekten den Hardlinern doch noch einen Kompromiss abzuringen. Der Vorschlag wurde von Uni-Leitung, Stadtverwaltung und Politbüro allerdings nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen. Warum auch, es war ja gerade ihre Absicht diese Kirche zu beseitigen. Was deine These von der „Kirche am falschen Platz“ widerlegt. Sie wurde ganz gezielt und ausschließlich aus ideologischen Gründen aus dem Stadtbild entfernt.
dj tinitus: da wird so getan, als käme der geplante andachtsraum für 275 personen einer unterdrückung gleich (zur pro-unikirchen-demo kamen 150 leute, ein drittel davon journalisten)
dj tinitus: eine studentin der "karl-marx-universität" leiptig ist heute cdu-bundeskanzlerin. und wird gerade mit der ehrendoktorwürde ausgezeichnet. hat sie ganz ohne uni-kirche geschafft.
Je weniger die Leute von der Uni (und ihrer Geschichte) Ahnung haben, desto schriller werden die Argumente.
Caspar Borner: Ein Wiederaufbau des ursprünglichen Gotteshauses – welches ja auch schon zu Martin Luthers Zeiten als Aula genutzt wurde – am heutigen Augustusplatz ist ähnlich der Erschaffung von Disneyland: Kitsch und Retroschick.
Eine wieder aufgebaute Universitätskirche hätte man aus den von mir eingangs erwähnten Gründen eben gerade nicht mit Kitsch in Verbindung bringen können.
Caspar Borner: Ein Wiederaufbau der Universitätskirche hätte auch einen Abriss des Gewandhauses, der Oper, der Hauptpost oder des Weisheitszahns etc. zur Folge um die architektur-historische Bedeutung des Gesamtensemble zu visualisieren, deren Bestandteil ja auch die Universitätskirche war.
Stimmt, genauso sollten endlich alle Bauten der Renaissance und des Barocks aus Leipzigs Altstadt entfernt werden, da deren architektur-historische Bedeutung in einem gründerzeitlich und zeitgenössisch überformten Umfeld nicht mehr zum Tragen kommen kann.
Zum Schluss mein Kompromissvorschlag:
Einführend ein Zitat aus dem Zeit-Artikel: „[…] das Gebäude, an das hier eigentlich erinnert werden sollte, war jahrhundertelang Kirche und Aula in einem. 1231 als Klosterkirche gegründet, 1545 von Martin Luther als Universitätskirche geweiht, diente es immer religiösen wie weltlichen Zwecken, wurde nach 1945 für Gottesdienste beider christlicher Konfessionen genutzt, versinnbildlichte also ein Toleranzideal, letztlich die Utopie des friedlichen Miteinanders. […]“
Lohnt es sich wirklich nicht, daran anzuschließen?
Egeraat selbst hat darauf wie ich finde, doch die deutlichste Antwort gegeben, in dem er der von der Uni geforderten Aula im Äußeren und zunächst auch Inneren das Antlitz einer Kirche gab. Die Absicht dieses Gebäude nun Paulinum nennen zu wollen ist deshalb m.E. absurd. Schon allein deshalb, weil es sich nun mal nicht um einen reinen Aula- und Fakultätsbau handelt.
Mein Vorschlag: ein Doppelname, bspw. Universitätskirche – Universitätsaula. Die Glaswand sollte entfallen und im Kirchenschiff ein weiteres Säulenpaar bis zum Borden reichen, um die Anbringung der Kanzel zu ermöglichen. Damit wäre auch die Trennung in Aula und Andachtsraum überflüssig. Alle Nutzer sollten immer den gesamten Raum für ihre Zwecke in Anspruch nehmen können. Eine Weihung des neuen Gebäudes ist nicht notwendig, da die Unikirche nie entweiht wurde.