In Bremen gibt es auch außerhalb der Überseestadt eine Reihe sehr interessanter Neunutzungsprojekte. Neben einigen Projekten in der Kernstadt möchte ich in diesem Thread auch auf die interessante Entwicklung in Bremen-Nord aufmerksam machen. Das Zentrum dieses Stadtteils mit immerhin 100.000 Einwohnern ist Vegesack; es hat eine eigene kleine Innenstadt mit Fußgängerzone etc. Grundsätzlich hat Bremen-Nord seit Jahrzehnten mit der Deindustrialisierung zu kämpfen, es sind mehrere große industrielle Arbeitgeber weggebrochen (Werften, Textilindustrie, etc.), und der Stadtteil hat aufgrund seiner peripheren Lage auch mehr Probleme dabei, adäquaten Ersatz zu finden. Aufgrund der länglichen Ausrichtung Bremens, das sich über 40 km die Weser entlangzieht, liegt dieser Stadtteil ca. 25 km von der Innenstadt entfernt, was selbst in Berlin eine periphere Lage, an vielen Stellen schon in Brandenburg liegend, wäre.
Das erste Gebiet, um das es gehen soll, liegt sehr reizvoll an der Mündung der Lesum in die Weser. Interessant ist hier, dass keine Industriebrache neuentwickelt wird, sondern ein seinerseits bereits Anfang der 2000er Jahre aus einer Brache der Lürssenwerft hervorgegangenes Einkaufszentrum teilabgerissen und neuentwickelt wird. Es handelt sich also bereits um die zweite Neuentwicklung innerhalb von 20 Jahren. Das Einkaufszentrum "Haven-Höövt" ist vom Start 2003 weg nur mäßig gelaufen und musste recht früh mit Leerstand kämpfen bzw. hatte relativ viele unattraktive Geschäfte im Discounterbereich. Der hintere Teil des Einkaufszentrums an der Lesum bleibt erhalten und ist bereits 2019/2020 nach Renovierung als "Kontor am Alten Speicher" neueröffnet worden. Zunächst ein GoogleEarth-Luftbild der Lesummündung, das noch den alten Zustand bis 2020 zeigt:
(Im Hintergrund weiß die relativ berüchtigte "Grohner Düne", ein klassisches Großwohnprojekt aus den 70ern, das seit Jahrzehnten einen schlechten Ruf hat und mit Verwahrlosung, Leerstand und Kriminalität zu kämpfen hat.)
Nachdem das Einkaufszentrum bereits 2012 zum ersten Mal in Konkurs gegangen ist, weiteten sich Leerstand immer weiter aus, schließlich wurde das Grundstück verkauft und für eine Neunutzung freigegeben. Aus dem Wettbewerb gingen Wirth Architekten (Bremen) hervor, ein Brüderpaar, das hier seit ein paar Jahren für Furore sorgt. Alle folgenden Bilder sind von ihrer Homepage Wirth Architekten, zunächst ein Lageplan des "Quartiers am Alten Speicher":
Der hintere Teil des großen Komplexes (rechts oben hinter dem an dem kleinen Hafen liegenden Teil) ist erhalten worden und bereits wiedereröffnet. Es geht im folgenden um den vorne am Wasser liegenden Riegel (oben mit der Anzeige des Namens "Müller").
Der Clou ist hier, dass praktisch ein ganzes kleines Stadtviertel neu entstehen soll mit kleinen Gassen und abwechslungsreich gestalteten Gebäuden:
Um den Hochpunkt im Hintergrund auf dem letzten Bild gab es ziemliche Diskussionen, er wurde entsprechend etwas gestutzt und von der Ausrichtung leicht verändert. Die letzten beiden Visualisierungen zeigen den aktuellen Planungsstand, der Baubeginn steht unmittelbar bevor, das Gelände ist bereits geräumt, die Bauvorbereitungen laufen:
Und das Luftbild mit dem aktuellen Planungsstand:
Es folgen in der nächsten Zeit in loser Reihenfolge weitere vergleichbare Projekte dieser Art aus Bremen.
Interessant finde ich eine Art "neuen" Stil, in dem diese Gebiete seit wenigen Jahren in Bremen geplant werden, wieder Schrägdächer, viel Klinker, oft Sheddächer, insgesamt relativ abwechslungsreich und kleinteilig und im Charakter völlig anders als solche Projekte noch vor 10, fast 5 Jahren realisiert worden wären.