Beiträge von Heinzer

    Spannend wird es mE dennoch, wenn der Druck in Richtung ÖPNV-Ausbau und Elektrifizierung des ÖPNV das Tempo des U- und S-Bahn-Ausbaus überholt bzw. hohe Investitionen in eine e-Bus-Flotte erfordern. Dann relativiert sich mindestens die Kostenfrage. Denn es käme weit teurer, wirklich alles, also auch weniger dicht besiedelte Gebiete, durch Ausbau der bestehenden Bahnnetze anzufahren, die dann regelmäßig fast leer erscheinen. Die Buslinien haben hier schon wegen der Akkus und Ladezeiten nicht die Effizienz einer Tram (wobei es natürlich theoretisch auch O-Busse gibt). Es kann also durchaus sein, dass weitsichtige Politiker es wieder auf die Agenda bringen. Sie müssten sich nur besser dabei anstellen.

    Wobei ich auch im E-Busbereich mit einer Kostenimplosion rechne in den nächsten Jahren. Reichweiten werden besser, Preise sinken. Allein die für E-Mobilität wichtigen Batteriepacks verbilligen sich zur Zeit entgegen den Prognosen jedes Jahr um 20-30%. Ich glaube nicht, dass in 10 Jahren irgendeine Verkehrsrechnung zugunsten von Straßenbahnen kippt, nur weil auch der Busverkehr elektrifiziert wird.


    Die Hochskalierung der Fertigung der kostentreibenden Komponenten für Elektrobusse wird wie im PKW- und auch LKW-Bereich zu massiv fallenden Preisen führen, fast noch eher könnte ich mir flächiger oberleitungsfreie, batteriebetriebene Straßenbahnen vorstellen, womit dann umgekehrt ein Kostenfaktor beim Bau der Strecken entfallen würde mit vielleicht sogar ähnlichen Konsequenzen wie von Dir in Aussicht gestellt.


    Ich glaube nicht, dass in Deutschland schon angekommen ist bei "Normalos", was global gerade passiert im Energie- und Verkehrssektor. Anders als vielfach und wie üblich schön larmoyant behauptet, rettet Deutschland gerade nicht allein die Welt, sondern wird im Gegenteil sogar von Entwicklungsländern überholt, was Ausbau von EE und Elektrifizierung von Verkehr angeht.

    Es wäre jetzt wirklich wahnsinnig bitter, wenn man Wilhelmsburg aus Geldmangel und realpolitischem Zwang eine hochwirtschaftliche U-Bahn-Anbindung zugunsten einer unvorteilhafteren Straßenbahn vorenthält, während man im Hamburger Westen Einfamilienhäuser per neuem S-Bahn-Tunnnel erschließt. Immerhin werden jetzt einmal ernsthaft Alternativen geprüft, so hat man wenigstens eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage.

    Das halte ich für einen sauberen Strohmann. Niemand plant doch eine Straßenbahn in Wilhelmsburg außer ein paar hier träumenden Foristen. Ich glaube nicht, dass zu meinen Lebzeiten eine Stadt/Straßenbahn in Hamburg irgendwo gebaut wird, da alle genannten Beispiele aus Deutschland ihre Straßenbahnnetze eben nicht aufgegeben haben (Berlin, München, Nürnberg). Der letzte Versuch unter Hajduk war so nah, wie so ein Projekt in Hamburg/Deutschland in Richtung Umsetzung rücken kann. Es ist damals gescheitert, und deshalb wird kein Politiker, der dieses Scheitern bewusst erlebt hat, sowas wieder anfassen. Das ist auch nur folgerichtig.


    Es ist auch gar nicht schlimm, wenn es keine Straßenbahn in Hamburg mehr geben wird, ich habe da null persönliche Aktien drin. Der Kardinalfehler war die Aufgabe des Netzes in den 60er/70er Jahren und nicht, dass es in Deutschland anders als in anderen Ländern noch nie und nirgends gelungen ist, ein solches Netz von Null wieder aufzubauen. Dafür reicht das Geld nicht und dafür sind die ideologischen Gräben zu tief. Selbst in Städten wie Berlin ist das Thema so unvorstellbar ideologisiert, obwohl die ja in ihrer eigenen Stadt top Anschauungsunterricht haben, wie gut sich beide Systeme ergänzen können. Deshalb geht es auch nur in lächerlich kleinen Schritten voran, obwohl eine sich irgendwie selbst respektierende Verkehrsverwaltung in nun 35 Jahren seit der Wiedervereinigung längst mehr als zwei oder drei Stummelstrecken in den Westen hätte schaffen müssen.

    Der Fehler war bei den begrabenen Stadtplänen vor ca. 10 (?) Jahren, dass zwar die sinnvollste Strecke als Start für die Maßnahme gewählt wurde, aber nicht bedacht wurde, dass diese ein absoluter NIMBY-Albtraum ist. Man hätte also wahrscheinlich wirklich erst irgendwas Periphereres machen sollen in sozioökonomisch schlechter aufgestellten Gegenden ohne Massen von unterbeschäftigten oder pensionierten Lehrern und Juristen, um das Grundprinzip zu demonstrieren und die Straßenbahn wieder im Stadtbild zu verankern.


    In Bremen wären viele der Erweiterungen der ersten Ausbauphase nach 1998 in Schwachhausen heute auch kaum noch möglich, ohne dass sich sofort eine BI mit schwachsinnigen Titeln wie dem Stadtteil plus "21" (a la Stuttgart 21) bilden würde, die alles daran setzen würde, das ganze zu verhindern und aufgrund von grundsätzlicher Befähigung (Arbeit in Gremien bekannt, viel Zeit, vielleicht auch politisch ein bisschen lokaler Einfluss, juristisch versiert) gute Chancen hätte, das auch zu schaffen.


    In Bremen wird es Netzerweiterungen praktisch nur noch in sozial schwachen Stadtteilen geben (was an sich auch vollkommen ok ist), während in den reicheren Stadtteilen jede kleine Querverbindung zum Politikum wird, an das sich in vorauseilendem Gehorsam auch niemand mehr rantraut, egal wie sinnvoll es wäre.

    Ein paar Bilder von der Überseeinsel (ehemaliges Kelloggs-Gelände), Bilder sind aus dem September, als erstes die wieder neuaufgebaute Reishalle, hier Blickrichtung Südost/Richtung Innenstadt:



    Blick Richtung Westen mit dem zum Hotel umgebauten Silo:



    Die Fassade ist tlw. abgerüstet:



    Das Innenleben des Silos wird erhalten, hier kommen Lobby und Restaurants hin:



    Nochmal das Silogebäude:



    Das benachbarte Fabrikgebäude wird auch bereits umgebaut, aber von außen sieht man nicht viel:



    Der Gag am neuen Hotel im Silo ist der Erhalt der Silorundungen, hier nur zu erahnen:



    Aber jetzt abgerüstet ganz gut zu erkennen (Link zu Instagram der Überseeinsel):


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    Das Oro sieht ja schlimm aus. Ich glaube, viel schlimmer hätte man die an sich gute Idee mit den Rundbögen bei einem so relevanten Gebäude nicht umsetzen können. Die Fassade komplett platt, ohne jegliche weitere Gliederungen, dazu dieser 70er-Jahre hellgelbe Klinker. Ich empfehle dringend Anschauungsunterricht in Köln oder Hamburg, wenn's um gelungene und moderne Innenstadtprojekte geht.


    Man hätte aus diesem Quartier so unendlich viel machen können. Wirklich schade.

    OK, ich sehe Eure Punkte. Ich wusste weder, dass das ein Nachkriegsabriss (?)/-brutalumbau war, noch kannte ich das Aussehen des ursprünglichen Gebäudes. Das von Archi-Tech verlinkte Video ist sehr interessant und zeigt die erkennbaren Bemühungen des Siegerbüros, den Charakter von Schumachers urbaner Straße wiederherzustellen. Gut Arbeit, und ja, ich bin auch froh, dass der Neubau kommt.

    Dem möchte ich mich anschließen. Das C&A-Gebäude ist von erstaunlicher Qualität und wirkt seinerseits sehr modern. Es ist sicherlich nicht mein Wunschstil für eine Lage wie die Mönckebergstraße, aber ich bin genauso der Meinung, dass Rotklinker in die Gegend nicht optimal passt. Hätte man nicht eine klassisch proponierte Natursteinfassade machen können oder wenigstens helle Klinker?


    Das ist nicht das Kontorhausviertel und deshalb finde ich den Entwurf auch nicht besonders gut, dazu umweht ihn so ein Hauch 1980er Postmoderne. Etwas fies gesagt und mit 3 Stockwerken weniger könnte so auch ein Sparkassenneubau in Vechta 1989 ausgesehen haben.


    Umgekehrt habe ich bei dem Gebäude die Hoffnung, das es in natura besser als auf den Visualisierungen aussehen könnte.

    Bin hier ja eher stiller Mitleser und nicht alles gefällt mir, aber was Hamburg in seinen vollkommen zerbombten Gebieten (Hammerbrook, Rothenburgsort, Hamm, Horn etc) macht, ist schon etwas Besonderes. Reurbanisierung der besten Sorte.


    Wäre witzig, wenn diese Gebiete, die über weite Strecken noch den Charme eines provisorischen Gewerbegebiets versprühen mit ihren einstöckigen Gewerbebauten und seltsamen Schotter- und Leerflächen, zu neuem Leben aufblühten. Vollendete Blockränder, wieder mehr straßenseitigen Bebauung, kann was werden.

    Für die Kelloggs-Höfe haben ROBERTNEUN den Wettbewerb gewonnen. Es handelt sich um folgendes Areal an der alten Kelloggsfabrik:


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    Den Wettbewerb für die Umgestaltung der ehemaligen Flakes-Fabrik und für die Weserfront hatte SMAQ (Hannover) gewonnen:


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    Die Weserfront des Komplexes, sehr postindustriell:


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    Das Gebäude auf dem Bild oben links von hinten mit einem ziemlich coolen Außentreppenhaus im Bestand, das erhalten und renoviert werden soll:


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    Soweit, so gut, dieser Teil ist auch bereits im Umbau.


    Neu sind die Entwürfe für die sich wie ein gegenläufiges L an den Bestand schmiegenden Gebäude von ROBERTNEUN (siehe Luftbild oben), die dann die namensgebenden Höfe erst bilden und westlich umrahmen. Hier gibt es zwei Visualisierungen, eine schräg von der Weserseite her


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    und eine vom weserseitigen Dach mit Blick nach Norden, im Hintergrund die Europahafenkopfbebauung von Zech (COBE):


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    Bilder: Überseeinsel GmbH


    Ich bin mir nicht sicher, ob mir dieser Stil gefällt, während ich bei dem Trend zu Anleihen an die 50er Jahre noch mitgehen kann (dafür gibt es oben auch einige Beispiele), finde ich diesen Entwurf wirklich schwierig, mit diesen umlaufenden Fensterbändern und den vorgehängten Sonnenschutzkonstruktionen bewegt man sich extrem nahe an Universitätsgebäuden der 1970er Jahre.


    Klaus Meier, der Investor von der Firma wpd wird nachgesagt, dass er mit rotem Klinker nichts anfangen könne, weshalb recht konsequent Entwürfe ohne Klinker/Backstein die Wettbewerbe auf der Überseeinsel gewinnen. Grundsätzlich finde ich das auch durchaus erfrischend, obwohl ich Klinkerfan bin, die Masse an Klinkerentwürfen in der Überseestadt ist schon etwas erdrückend. Insofern Anerkennung dafür, dass auf diesem Gebiet andere Wege gegangen werden. Aber bei vielen der Entwürfen bin ich zumindest sehr gespannt, wie sie dann gebaut wirken.


    Alle Bilder von der Homepage der Überseeinsel

    Im Folgenden möchte ich ein weiteres, sehr zentral gelegenes Projekt vorstellen. Es gehört im weiteren Sinne ebenfalls zu dem Komplex an Umnutzungen auf der Neustadtseite der Weser wie etwa das Spurwerk oder das Tabakquartier. Es handelt sich um die ehemaligen Produktionsstätten des Bremer Schokoladenherstellers "Hachez", der hier zumindest in der Region in etwa die Funktion von "Lindt" innehat, also die Sorte (etwas) höherpreisige Schokolade/Pralinen, die man z.B. als Mitbringsel kauft.


    Die Firma, die wohl schon seit längerem mit stagnierendem Umsatz zu tun hatte, weil wohl kaum jemand unter 50 noch diese Art Schokolade konsumiert, hat vor einigen Jahren die Aufgabe/den Umzug der Produktionsstätten nach Polen verkündet, nachdem sie vor einigen Jahren von einer schwedischen Firma übernommen worden war. Die Verwaltung bleibt aber in Bremen und ist ins Tabakquartier gezogen.


    Die folgenden Abbildungen stammen alle von der Homepage des "Hachez-Quartiers". Das Areal liegt extrem zentral in der "Alten Neustadt":



    Und somit fußläufig zur Kleinen Weser, zum Teerhof, zu den Neustadtswallanlagen, der Hochschule Bremen und auch der Altstadt auf der anderen Weserseite.


    Ein paar Fotos vom Bestand (eigene), und zwar denjenigen Gebäuden, die erhalten bleiben sollen:




    Und die Front zur Westerstraße:



    Den Wettbewerb haben COBE Architekten aus Kopenhagen gewonnen.


    butenunbinnen-Beitrag aus dem letzten Jahr mit einem Interview mit einer der Architektinnen von COBE.


    Ein paar Visualisierungen/Modellfotos, zunächst etwa aus derselben Perspektive wie vom Foto oben/Westerstraße:



    Hier ein Modellfoto des Bestands:



    Und ein leider nicht so gut aufgelöstes Fotos der geplanten Neubebauung im Modell:



    Insgesamt sollen 5 der 12 Bestandsgebäude sicher erhalten werden und 2 weitere optional. Der Rest ist ohnehin denkmaltechnisch uninteressant und besteht aus rein funktionalen Gebäuden der Nachkriegszeit. Die Blockränder sollen überall erhalten und vervollständigt werden, das ganze macht erneut einen durchdachten und urbanen Eindruck, der der Lage gerecht wird. Man beachte jedoch, dass die Abbildungen keine endgültigen Fassadenentwürfe enthalten, sondern eher als Baumassenstudien zu verstehen sind.


    Baubeginn ist aktuell für 2023 geplant.

    Hier ein aktuelles, noch recht zahmes Baustellenfoto ;):


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    Die Macher sind etwas unglücklich, weil sie Opfer der KfW-Verwirrung geworden waren. Dadurch haben sich der Baustart verzögert und die Kosten deutlich gesteigert.


    Noch ein kleines Umnutzungsprojekt aus dem weiter südwestlich gelegenen Stadtteil Huchting, hier soll das Gelände eines zu ThyssenKrupp gehörenden Stahlverarbeiters, der vor einiger Zeit geschlossen hat, umgenutzt werden. Wie für Bremen mittlerweile typisch soll der älteste Teil des Werkes aus den 1930er Jahren erhalten werden. Das Gebäude macht im jetzigen Zustand nicht wahnsinnig viel her:


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    Trotzdem gut, dass es erhalten und in die Umnutzung integriert wird. Den Wettbewerb hat gerade "De Zwarte Hond" gewonnen, die drei veröffentlichten Visualisierungen:


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    (hier ist mittig die umgestaltete Fabrikhalle zu sehen, die als Quartiersmittelpunkt mit Gastronomie dienen soll)


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    Kein wahnsinnig großes Gelände, kein wahnsinnig interessantes Projekt - aber immer wieder erstaunlich, wie sich die Herangehensweise an solche Grundstücke hier in Bremen in den letzten 10, 15 Jahren geändert hat. Bin mir ziemlich sich, dass so etwas bei einer Entwicklung vor 10 Jahren ein Totalabriss mit Reihenhaus- oder "Stadtvillen"-Bebauung geworden wäre.


    Selbst die lange Bestandshalle aus der Nachkriegszeit, die sich nördlich an das erhaltene Backsteingebäude anschließt, soll mit ihrem Stahlskelett erhalten bleiben und künftig kleine Gewerbeeinheiten für Handwerker etc. bieten. Auch dieses integrierte, mal wirklich gemischte an den Planungen gefällt mir sehr. Mal sehen, ob das dann so vermarktbar ist.

    Aber was diskutieren wir hier eigentlich? Gegen diesen Entwurf sind doch 90% der anderen Neubauten z.B. in der Europa City lachhaft. Die Zeit wird diesem Entwurf recht geben, die Nachfrage sogar noch mehr. Hoffen wir das es so umgesetzt wird wie dargestellt.

    Das frage ich mich ehrlich gesagt auch gerade. Das ist einer der schönsten Entwürfe für einen Berliner Block, den ich in den letzten Jahren hier gesehen habe, passt perfekt in die Lage bzw. erweitert den Kiez unter Abriss eines vollkommen verzichtbaren low density Gewerbeareals. Entwürfe von einer solchen Qualität habe ich sonst zuletzt nur aus Köln oder Hamburg gesehen. Man stelle sich sowas mal statt der öden "Europacity" vor, da kriegt man genauso viele Leute/Flächeneinheit unter, nur dass man auch noch echte Stadt dazugewinnt, mit kleinen Läden und schönen Innenhöfen sowie reizvollen Fassadenabwicklungen.

    Hamburg, Bremen und Hannover sind einfach drei völlig verschiedene Städte, was es auch wieder reizvoll macht. Hamburg ist natürlich einfach viel metropolitaner und reicher als die beiden anderen und auch im gesamtdeutschen Kontext eine der architektonisch interessantesten und besterhaltenen deutschen Großstädte.


    Aber Bremen hat durch die gründerzeitliche Reihenhausbebauung ein einzigartiges Flair, das es nirgends anders in Deutschland gibt. Davon habt Ihr bestimmt schon Beispiele gesehen.


    Hannover ist aus meiner Sicht auch eine unterschätzte Großstadt. Ich finde die gründerzeitlichen Wohnstadtteile auch sehr schön, kenne von der Nordstadt über die List bis nach Linden und Südstadt eigentlich alle ganz gut, weil seit ca. 25 Jahren immer Freunde oder Verwandte irgendwo in Hannover gewohnt haben. Auch die Innenstadt hat sich deutlich verbessert in den letzten 10, 15 Jahren. Insgesamt wirkt Hannover praktisch überall wesentlich großstädtischer als Bremen durch die höhere Bebauung und die breiteren Straßen.

    Ein weiteres sehr interessantes und gut erhaltenes Industriegebiet ist der Holz- und Fabrikenhafen in der Überseestadt. In diesem selten behandelten Teil der Überseestadt gibt es noch ein lebendiges Hafengeschehen und relativ wenig Umnutzungen. Die Nordseite des Holz- und Fabrikenhafens wird an ihrem südöstlichen Ende von zwei großen Mühlenbetrieben (Roland und Müller) und dem Komplex der ehemaligen Kaffee-HAG-Fabrik inklusive KABA-Werk (hier "links oben" im Bild) dominiert:


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    Ein Blick von Kopf des Holzhafens Richtung Roland-Mühle mit dem markanten Turm im 20er Wolkenkratzerstil:


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    Auch Müller investiert ein wenig auf dem Gelände, hier wird anscheinend ein Verwaltungsgebäude aufgestockt:


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    Industrie- und architekturhistorisch am Interessantesten ist sicherlich das Kaffee-HAG-Gelände. Beim Hauptgebäude handelt es sich um einen der ersten Stahlbetonbauten in Europa, sogar Walter Gropius soll sich hier ca. 1905 Pläne und Bauarbeiten angeschaut haben:


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    Im Inneren hat sich mit dem "Marmorsaal" ein monumentales Zeugnis aus der Erbauungszeit erhalten, welches jetzt für besondere Anlässe gemietet werden kann und im Rahmen von Besichtigungen auch gesehen werden kann (ich war noch nie drin, hier nur ein Link):


    Marmorsaal Bremen


    Besitzer der Kaffee-HAG-Fabrik war Ludwig Roselius, dem Bremen auch die Böttcherstraße zu verdanken hat. Sein Geld hat er mit der Erfindung des entkoffeinierten Kaffees gemacht und war danach als Mäzen in Bremen tätig. Doch weiter im Text:


    Die Fabrik ist - sagen wir freundlich - noch nicht überrenoviert, sondern in einem recht ehrlichen Zustand, aber durchaus reizvoll:


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    Nachdem sich eine niederländische Immobilienfirma names "Sirius" anscheinend etwas verhoben hatte und de facto 10 Jahre auf dem Gelände praktisch nichts erreicht hat, ist das Gelände vor 2 oder 3 Jahren von einer Bremer Firma aufgekauft worden, diese gehen zwar immer noch gemächlich vor, aber es passiert erkennbar etwas auf dem Gelände, so hat sich die lokale Kaffeerösterei "Lloyd-Kaffee" hier angesiedelt und mit einer gewissen Überraschung musste ich feststellen, dass hier Reisebusse und auch der "Stadtmusikantenexpress", der Bremer Touri-Bummelbus Station machen. Es gibt ein kleines Café mit Blick über den Hafen:


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    Die Hafenatmosphäre hier ist ehrlich, die Container im Hintergrund "echt":


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    In der Umgebung werden weitere kleine Gebäude saniert:


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    Zweites Herzstück des Gebiets ist das fast noch größere KABA-Werk, ebenfalls gut erhalten, nur etwas älter und "klassischer" gehalten:


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    Auch hier siedeln sich nach und nach Startups und andere Unternehmen an, allerdings ist der umbaute Raum wirklich irre, mal sehen, wie die das vollvermietet bekommen, zumal Wohnen in diesem Bereich tatsächlich nicht erlaubt ist, Rückseite:


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    Front zum Kaffee-HAG-Gebäude:


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    Und ein weiteres etwas runtergekommenes, aber charmantes Gebäude, das typisch für diese Gegend ist:


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    Dit war't ersma jewesen.

    Nur noch kurz hierzu: Bremerhaven hat von seinem Maximum Mitte der 1970er Jahre bis zum Tiefpunkt zum Zeitpunkt dieses Posts 2010 etwa 30.000 Einwohner verloren. Der Stadt sind innerhalb dieser knapp 40 Jahre im Prinzip das gesamte Rückgrat seiner Wirtschaft KOMPLETT weggebrochen: Fischerei, Schiffbau, Amerikanischer Militärstützpunkt. Wenige Städte in Westdeutschland waren ähnlich hart getroffen, vielleicht Pirmasens und ein paar Ruhrstädte. Und während Hamburg, das als Hafenstandort natürlich ähnliche Herausforderungen erlebt hat (und nicht zufällig ebenfalls von den frühen 70ern bis Ende der 80er Einwohner verloren hat), als Millionenstadt natürlich weich fallen konnte und neue Wirtschaftszweige erschließen und Dienstleistungszweige ausbauen konnte, hatte Bremerhaven mit seiner dezentralen Lage und inmitten einer dünn besiedelten Randregion kaum etwas entgegenzusetzen.


    Der Stadtteil Lehe, von dem oben die Rede ist, ist vom Krieg weitgehend verschont geblieben, hier hat ein (für nordwestdeutsche Verhältnisse) durchaus beeindruckend geschlossenes Gründerzeitgebiet überlebt, das Goethequartier genannte Herz dieses Gebiets hat auf 0,5 qkm 8.000 Einwohner, also eine typische Dichte für dichte urbane Gründerzeitgebiete in Deutschland. Es gilt gleichzeitig als "ärmster Stadtteil Deutschlands" und soll die höchste Kinderarmutsquote in ganz Deutschland haben.


    Erfreulicherweise ist der Trend zu (notgedrungenen) Abrissen vollkommen verwahrloster Häuser, wie oben beschrieben, ab etwa Mitte der 2010er Jahre gedreht und es wurde, zunächst auf niedrigem Niveau wieder mehr notgesichert und schlecht/westdeutsch renoviert. Die Städtische Wohnbaugesellschaft STÄWOG und ein privater Investor haben aber in den letzten 3-4 Jahren eine wirklich hochwertige Sanierungswelle angestoßen, die sich vor Städten wie Leipzig nicht zu verstecken braucht. Ich will jetzt nicht zuviel mit galerieartigen Beiträgen nerven, sondern nur ein paar der bereits abgeschlossenen Sanierungen präsentieren, in einer Art Vorher/Nachher-Reihe nach Art des "Bauerbe"-Strangs in Leipzig.


    Zunächst ein GoogleMaps Luftbild des Areals, die Goethestraße, in deren Umfeld die meisten Sanierungen stattfinden, zieht zentral in Nord-Südrichtung durch das Bild/Quartier:


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    Das erste von dem Investor Rolf Thörner sanierte Objekt in der Goethestraße 50A:


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    Nachher:


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    Schräg gegenüber hat die STÄWOG eine Schrottimmobilie gekauft und in ein Künstlerhaus umgebaut, Niveau aber nicht auf dem gleichen Level wie die Sanierungen Thörners, Adresse Goethestraße 45:


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    Direkt nebenan die erste Sanierung eines Hauses, das jetzt als Mehrgenerationenprojekt genutzt wird, bereits aus den frühen 2010er Jahren, Goethestraße 43:


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    Nun zu den aktuelleren Projekten, erstmal wieder gegenüber vom ersten Projekt Zustand vorher, Uhlandstraße 18 (liegt aber mit der Hauptseite an der Goethestraße):


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    Wiederum gegenüber, in der Uhlandstraße 25 folgendes Haus im Vorzustand (leider nur rausgeschnitten aus einem Foto):


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    Dies sind die bereits abgeschlossenen Projekte, es folgen in einem weiteren Beitrag noch weitere im Umbau befindliche Häuser. Dass in diesem Stadtteil, der sozioökonomisch wirklich auf dem Niveau der schlimmsten Gründerzeitstadtteile Deutschlands liegt, vielleicht wie Duisburg-Marxloh eine solche Wende weg von der Flächensanierung und hin nicht nur zum Erhalt, sondern auch noch zu Sanierungen auf höchstem Niveau (Wiederherstellung Stuckelemente, Holzfenster, auch innen Erhalt und Wiederherstellung bauzeitlicher Details) gelungen ist, dürfte in Westdeutschland ziemlich einmalig sein.

    Nun tut sich aber weiter südlich doch einiges. Auf dem immerhin 140 ha großen Areal der Seebeck-Werft soll ein neuer Stadtteil entstehen, genannt "Werftquartier". In einem Wettbewerb hat sich COBE aus Kopenhagen mit seinem städtebaulichen Entwurf durchgesetzt, vor einigen Tagen ist die Detailplanung veröffentlicht worden, zunächst eine Karte, die die Lage und Größe des Gebiets ganz gut illustriert. Im Prinzip ist das Gebiet so groß wie die Innenstadt Bremerhavens:



    Dies ist ein Screenshot aus dem Butenunbinnen-Beitrag zum Wettbewerb:



    Die rötlich gefärbten Gebäude/Strukturen stellen erhaltene Industriearchitektur dar. Ein anderer Ansatz als der "Tabula Rasa"-Ansatz am Neuen Hafen, also.


    Hier ein Link zum Beitrag, durchaus sehenswert, insgesamt soll Wohnraum für bis zu 6.000 Menschen entstehen, plus zahlreiche Gewerbe- und Bürobauten, insgesamt ein sehr gemischtes Gebiet:


    Butenunbinnen Werftquartier


    Eine weitere Karte zum Umnutzungsgebiet:



    Ein paar der veröffentlichten Renderings, alle von COBE:






    Naja, erstmal ziemlich viel im Ungefähren. Trotzdem eine Riesenchance für eine Stadt wie Bremerhaven. Das Gebiet ist immerhin gut halb so groß wie die Hafencity.

    Hole diesen Thread mal hoch, da sich auch in Bremerhaven eine ganze Menge getan hat. Man darf nicht vergessen, dass die Stadt bis vor 10 Jahren im Prinzip eine der perspektivlosesten, am stärksten schrumpfenden Städte Deutschlands war. Es tun sich gleich zwei Dinge. Zum Einen wird in den tlw. sehr gut erhaltenen Gründerzeitstadtteilen für westdeutsche Verhältnisse hochwertig saniert, zum Anderen tut sich viel auf den entstandenen Hafenbrachen.


    Während die erste Welle dieser Stadtentwicklung am Neuen Hafen noch sehr von der Architektur der 2000er und 2010er Jahre geprägt war und insgesamt aus meiner Sicht enttäuschend, wird nun ein neues Areal im Süden der Stadt entwickelt.


    Ein paar Fotos vom Neuen Hafen als Einstieg:







    Das Liberty Hotel:



    So weit, so mäßig....

    Schöne Projekte aus Hannover mal wieder! Halte die Stadt ohnehin für chronisch unterschätzt, auch in ihren erhaltenen Gründerzeitgebieten. Und in Sachen moderne Klinkerarchitektur gibt's außer Köln und Hamburg nichts, was an die Qualität der Projekte in Hannover heranreichen würde. Bremen deutlich biederer zur Zeit.