Bahnhofsviertel auf Metaebene

  • Da gibt es ja wohl noch sehr viel Gesprächsbedarf zu, allein schon weil viele Leute da gern von linken Umverteilungsapologeten propagierten Halbwahrheiten auf den Leim gehen.


    Stimmt, z.B. Umverteilungsapologeten wie Warren Buffett, Bill Gates oder Mark Zuckerberg, also schlimmste Linksmilitante.


    Aber sich über den LFA, Rating-Agenturen und falsche Prioritäten bei Sozial- und Personalausgaben aufzuregen, ist so ergiebig wie sich über das Wetter zu beschweren. Ändern wird sich daran letztendlich doch nichts, egal wie oft man den Sinn hinterfragt. Weder wird der LFA in unserer Lebenszeit abgeschafft, noch wird das Rating-Agentur Austeritäts-Oligopol aufgebrochen.


    Allerdings haben wir die Möglichkeit an anderen Stellschrauben zu drehen. Ich merke bspw., dass es keinesfalls zwecklos ist kritische Anfragen an das VGF zu stellen, wo man durchaus ein offenes Ohr hat. Ebenso scheint die negative Mundpropaganda, die die B-Ebene auslöst, in der Frankfurter Presse angekommen zu sein und so kann das negative Echo letztendlich auch im Römer ankommen.

  • Viele hier scheinen gar nicht genau zu wissen, was der „Frankfurter Weg“ eigentlich ist. Er besteht aus den 4 Säulen Prävention – Beratung/ Therapie – Überlebenshilfen – Repression. Das wird dann oft auf die Fixerstuben reduziert, welche Teil der Überlebenshilfen sind. Bei der Bahnhofsviertelnacht hatte ich die Gelegenheit, mich mit Mitarbeitern der Hilfseinrichtungen zu unterhalten. Auch diese sind der Meinung, dass es zu wenig Polizei gibt. Das ist die vierte Säule, Repression (von Dealern).


    Die Fixerstuben auch nachts aufzulassen, würde nicht viel bringen, da diese eh nur nachmittags von 15-19 Uhr voll ausgelastet sind. Als ich in der Elbestr. 38 war, saßen gegen 22 Uhr nur 3 Abhängige im Druckraum bei 10 Plätzen. Um diese Zeit wird dann aber auch die Einrichtung geschlossen, in der Niddastr. ist bis 23 Uhr offen. Neu ist der Spritzentausch die ganze Nacht über in der Elbestr. Da es dort auch Übernachtungsplätze gibt, kann man beobachten, dass auch der Körper der Fixer irgendwann Ruhe braucht und die Leute nachts schlafen und höchstens mal eine Zigarette rauchen, wenn sie aufwachen.


    Problemgruppe im Viertel sind 300-350 obdachlose Abhängige, für die etwa 123 Schlafplätze zur Verfügung stehen. Alle Anfragen diesbezüglich können von den Hilfszentren immer erfüllt werden. Zur Not kommen sie woanders unter, wenn's in der Elbestr. voll ist. Einige lehnen aber das Angebot aber ab, reinzukommen und zu duschen oder etwas zu schlafen (auch tagsüber gibt’s Plätze). Grund: zu schwach und kaputt, sie kommen teilweise kaum noch hoch und campieren vorm Haus.


    Es ist möglich, dass in einigen Jahren keine Fixerstuben mehr gebraucht werden, da den Jungen das mit dem Spritzen zu lange dauert und sie sofort einen Rausch haben wollen. Also rauchen sie Crack, auch wenn das die gegenteilige Wirkung des Heroins hervorruft. Fixer sind mehr und mehr die Leute über 40.


    Im Augenblick entsteht Druck durch junge Bankangestellte, die in den neuen Apartmenthäusern wohnen und sich über die Verhältnisse massiv beschweren - bei den Hilfszentren und bei der Stadt. Wahrscheinlich wird der Druck durch weitere Wohnungsprojekte noch stärker. Auch gehen Plätze wie am leerstehenden IBM-Haus verloren, wo die Fegerflotte (Reinigungskräfte, die im Methadonprogramm sind) oft viele Spritzen findet.


    Wenn ich höre, dass manche (angeblich auch die Polizei) das Viertel schon aufgegeben haben, kann ich nur lachen. Hier werden zig Millionen investiert von Leuten, die wissen was sie machen. Diese Investoren kennen bestimmt die Beispiele aus Manhattan, wo Künstler, Musiker und ähnliche in ein Slum zogen und dadurch die Wegbereiter der Gentrifizierung waren, wodurch die Kreativen wieder in ein anderes Viertel verdrängt wurden. In stark abgeschwächter Form läuft so was jetzt im Bahnhofsviertel ab. Ein Slum im amerikanischen Sinn war es sicherlich nie, aber was in einem Teil seit ca. 1990 abgeht, kann man sicherlich als Drogenhölle bezeichnen.


    Ziehen die Fixerräume Abhängige von auswärts an? Eher nicht. Der Preis für ein Gramm Heroin liegt in FFM zwischen 25 und 30 Euro, anderswo in D meist zwischen 40 und 85 Euro. Das zieht die Leute natürlich hierher, es geht immer nur um die Kohle. Abhängige haben mir erzählt, dass sie besonders oft Fixer aus BW treffen, die mit dem Verkauf bei sich zuhause ihre Sucht finanzieren. Das war übrigens auch schon früher so. Als es 1971 die ersten größeren Mengen Heroin in FFM gab, kamen auch Leute aus der halben Republik hierher. Verkauft wurde das am Anfang im damaligen King's Club im Keller des Fürstenhofs. Aber das ist wieder eine Geschichte für sich.


    Auch von mir der Link zum ZDF-Info-Bericht (erfreulich sachlich!):


    https://www.zdf.de/dokumentati…f-dem-pruefstand-100.html

    Einmal editiert, zuletzt von mainstadt () aus folgendem Grund: Gedankenstrich eingefügt

  • Vielen Dank für die vielen plausiblen und kenntnisreichen Anmerkungen.


    Nur dazu etwas:


    Wenn ich höre, dass manche (angeblich auch die Polizei) das Viertel schon aufgegeben haben, kann ich nur lachen. Hier werden zig Millionen investiert von Leuten, die wissen was sie machen.


    Von Investorenseite habe ich auch schon Bedenken gehört, ob die Aufwertung des Viertels wirklich klappt oder ob alles zusammenbricht. Zumindest aber haben die den Eindruck, dass die "Aufwertung" des Viertels (wie auch immer man zu dem Begriff stehen mag) deutlich langsamer vor sich geht als erhofft und (letzlich auch finanziell) kalkuliert.

  • Das Bahnhofsviertel gehört nach meinem Informationsstand nicht den Drogenabhängigen. Ich finde es falsch, dass sich das ganze Viertel nach den Abhängigen richten soll. Zudem die Drogenszene in den Gallus, das Westend und die Innenstadt negativ ausstrahlt.


    Wenn jemand Geld investiert und sich dort eine Wohnung kauft oder mietet, hat er das gleiche Recht auf Sicherheit und Sauberkeit wie jemand, der in Bornheim wohnt.


    Frankfurt ist die einzige Stadt, die diesen Weg geht. Aktuell funktioniert er jedenfalls nicht. Die Sogwirkung wird nicht nur durch billige Drogen sondern auch durch die extrem liberale Drogenpolitik in Frankfurt erzeugt.

  • Es geht auch nicht nur um die Abhängingen, sondern auch um die hochaggressiven Dealer, die durch die vielen Drogenabhängingen in Scharen angezogen werden. Wenn sich das ganze noch weiter verschlimmert und tatsächlich überschwappt in die Taunusanlage (Bild hat gestern berichtet), dann würde ich mich nicht wundern, wenn sich jetzt nach dem Brexit einige Int. Grossbanken doch noch für andere Standorte entscheiden sollten.

  • Die Zunahme der registrierten Straftaten scheint mir ein dämliches Argument, denn wenn die Polizei 2015 oder 2016 präsent ist und Verdächtige kontrolliert, registriert sie natürlich auch mehr Straftaten als wenn sie wie vielleicht 2010 oder 2011 nicht anwesend war.


    Nein, es ist kein dämliches Argument. Am Düsseldorfer Hbf sind die Straftaten im gleichen Zeitraum gefallen und dort war die Polizei in den Jahren 2015 und 2016 aus gegebenem Anlass auch präsenter als zuvor.


    Ein weiteres Beispiel für die zunehmenden Straftaten am Hauptbahnhof sind die Diebstähle in der neuen Fahrradgarage, welches neben dem Busbahnhof im Mai 2016 eröffnet wude. Wie die Rundschau letzte Woche berichtete, ist die Resonanz schlecht. Wenn die wenigen zahlenden Kunden dann auch noch ihre wertvollen Räder gestohlen bekommen trotz zugesagter Absicherung, läuft irgendwas mächtig schief. Die Parkhausbetriebsgesellschaft, die die Sicherheit eigentlich herstellen sollte, scheint ihren Job nicht richtig ernst zu nehmen.


    Da die Dezernate der Stadt langsam zu kapieren scheinen, dass man den bedenklichen Entwicklungen im Bahnhofsviertel entgegenwirken sollte, sind demnächst "Lampions" an der Taunusstraße geplant, das sogenannte "TAB-Projekt" mit einer großen Vernissage am 9. September. Eine löbliche Kreativlösung unter Beteiligung von Shantel und den Gebrüdern Zeleke, die hoffentlich Nachahmung findet.


    Kreativität wäre meines Erachtens auch gefragt um Dauerleerstände wie den Sky-Club am Platz der Republik oder die wohl heftigste "Problem-Immobilie" des Viertels, also die Taunusstrasse 52-60 (hier beschrieben) neu zu beleben. Dort wo die Leerstände am längsten andauern, sind schon seit Jahren die schlimmsten Hotspots des Viertels anzutreffen --> Broken Windows in Reinkultur.

    7 Mal editiert, zuletzt von Golden Age ()

  • Neuauf

    Laut einem Bericht in der FAZ will die Polizei im Bahnhofsviertel auch weiterhin den Druck auf die Drogenszene aufrechterhalten.


    Wesentliche Elemente der Polizeineuaufstellung sind:

    • Eine neue Einheit mit 124 Polizisten (REE - Regionale Einsatz- und Ermittlungseinheit) wird ab Oktober die Besondere Aufbauorganisation (BAO) ablösen, die ca. 100 Polizeibeamte umfasste.
    • Zusätzlich wird die Bereitschaftspolizei drei- bis viermal pro Woche mit ca. 30 Kollegen die neugegründete Einheit unterstützen.
    • Das 4. Revier bekommt zusätzlich 5 Stellen dazu, um eine weitere Polizeistreife pro Tag zu ermöglichen.
    • Die zusätzlichen Polizisten entstehen durch die Umschichtungen in der Polizeidirektion Frankfurt und aus der Bereitschaftspolizei.


    Die Landesregierung Hessen, die die og. Umschichtung veranlasst hat, nimmt nun aber auch die Stadt, die Bahn und die Bundespolizei in die Pflicht:

    • Die Stadt müsse „sofort auf massive Verunreinigung reagieren“.
    • Unverständnis herrscht auf Landesseite über das weiterhin ungeklärte Vorgehen bei der Video-Überwachung.
    • Die Bundespolizei müsse Ihr Engagement im Bahnhof ebenso verstärken. Dort seien allerdings ab 2018 bereits eine hohe zweistellige Anzahl an zusätzlichen Stellen geplant.
    • Von der Bahn fordert die Landesregierung die schnelle Umgestaltung der B-Ebene, die Verbesserung der Beleuchtung, moderne Funktechnik und die Schließung einiger kritischer Zu- und Abgänge. Ebenso sei es ein Unding, dass die Videotechnik im Bahnhof so veraltet sei, dass bei Strafermittlungen größtenteils auf die Anlagen aus dortigen Läden zurückgegriffen werden müsse.


    Positiv ist zu vermelden, dass die BAO bereits einiges bewirkt hat:

    • Die BAO hat bislang ca. 3600 Strafverfahren wegen Drogendelikten eingeleitet.
    • Das Verhältnis von Verfahren wegen Erwerbs/Besitzes von Rauschgift zu Verfahren wegen Dealens liegt mittlerweile bei 2:1, früher lag es zwischen 10:1 und 20:1
    • Mittlerweile gehen knapp 70% der Verdächtigen in Untersuchungshaft, deutlich mehr als früher.
    • Es gab bereits einen Rückgang von bis zu 40% bei Taschen- und Trickdiebstählen
    • Keinen (starken) Rückgang gibt es aber bei der Beschaffungskriminalität
  • Zurückentwicklung des Bhf-Viertels stark spürbar

    Da der letzte Post in diesem Forum ist schon wieder mehr als ein Jahr her ist und auch in der Presse (FAZ) die Berichterstattung merklich abgenommen hat, bietet sich mal wieder ein Update an.


    Das Vietel fällt derzeit zweifellos in alte Krankfurt-Zeiten zurück. Auch wenn bei der letzten Bürgermeisterwahl „Law & Order“ ganz klar gegen den „Anything goes“ Status Quo verloren hat, sollte sich der Frankfurter Magistrat unbedingt neue Gedanken machen wie man das Bahnhofsviertel aus dem aktuellen Rückfall retten kann, denn die "Broken Windows" Anzeichen sind allgegenwärtig.


    Ganz besonders verheerend bei dem aktuellen „Sommer des Jahrzehnts“: Seit Monaten stinkt das gesamte Viertel abartig nach menschlichen Hinterlassenschaften. Das Problem läuft gerade bei dieser Hitze komplett aus dem Ruder und wird besonders für Pflanzen ein Problem. Es ist für Passanten teilweise unerträglich durch die Strassen zu gehen ohne sich ein nasses Taschentuch vor die Nase zu halten (besonders bei Niddastrasse, Elbestrasse und Moselstrasse der Fall). Am Jürgen-Ponto-Platz sind die Brunnenanlagen schon monatelang großräumig mit Zäunen abgesperrt, scheinbar auch aus Angst vor der Selbstbedienung als Toilettenanlage. Man sollte dasselbe am besten auch für die leidenden Bäume machen.


    Ein weiteres Manko: Langeingesessene Geschäfte flüchten vor dem Drogenproblem (d.h. Kunden wollen dort nicht mehr parken, Verkäufer und Käufer werden angepöbelt). Die angekündigte Schließung des „Cream Music“ an der völlig verkorksten Taunusstrasse, die im Jahr 2016 an dieser Stelle im DAF noch heftig diskutiert wurde, ist nun sang- und klanglos Wirklichkeit geworden (Quelle Frankfurt Tipp). Mit anderen Worten: Nach 114 Jahren (!!!) an der Taunusstrasse haben sich die äußeren Bedingungen so stark verschlechtert, dass es dort nicht mehr weitergehen konnte und die Stadt vor dem Problem regelrecht kapituliert. Das waren FR, FNP, JF und FAZ noch nicht mal mehr einen Artikel wert, vielleicht weil man sich mit dem Abstieg des Viertels schon längst abgefunden hat? Das Geschäft ist nun seit dem 03.07. in Sachsenhausen an der Seehofstr. 6 zu finden. Das ist äußerst schade für ein echtes Frankfurter Original, in dem schon Elvis eine Gitarre kaufte und sich als „Home of Rock’n’Roll“ bezeichnet.


    Ganz schrecklich ist der ungelöste Leerstand des Komplexes Taunusstrasse 52-60, der über dem ganzen Viertel hängt, wie eine dunkle Wolke. Die Stadt wird das Viertel ohne die Lösung dieses Leerstands auch nicht mehr in den Griff bekommen. Es ist erstaunlich, dass sich diese sehr gut gelegene Immobilie nicht mal bei der aktuellen Goldgräberstimmung am Immobilienmarkt lösen lässt. Ähnlich ist es auch bei der Düsseldorfer Strasse 1-7 (ehemaliger SKYClub), dessen Leerstand eine regelrechte Ekel-Meile entstehen ließ, genau dort, wo Passanten eigentlich von Bahnhof in Richtung Messe gehen sollen. Was läuft da derzeit so schief?


    Es sei fairerweise erwähnt, dass es auch gute Nachrichten gab. Um den nächtlichen Kreislauf aus Drogenbeschaffung und -konsum, insbesondere von Crack, zu durchbrechen, soll es laut Gesundheitsdezernat nun bald einen nächtlichen Aufenthalt für Suchtkranke geben. (FAZ, 16.01.18). Auch ein großer Fahndungserfolg an der Niddastrasse 51 gegen einen albanischen Drogenring, bei der die Polizei im April 25 kg Heroin auffand, sei erwähnt (FAZ, 09.04.18).


    Generell gilt: Bevor sich die "Kopf in den Sand" Hipster-Szene im Bahnhofsviertel bald wieder selbst bei der „Bahnhofsviertelnacht“ am 16.08. abfeiert, wäre eigentlich ein Innehalten und Nachdenken angebracht. Vielleicht sollte man doch mehr auf den "Gewerbeverein Bahnhofsviertel" hören, anstatt ihre berechtigte Kritik auf taube Ohren stoßen zu lassen??? Zudem ist die Frage berechtigt, warum sich Frankfurt in Zeiten der Immobilien-Knappheit gleich zwei Rotlichtviertel (1x Allerheiligenviertel, 1 x Bhfviertel) leistet? Was machen Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, München, Köln und Berlin bei ihren Bahnhofsvierteln richtig was Frankfurt seit mehreren Jahrzehnten falsch macht? Wie kann man mehr Schließungen, wie die des "Cream Music" nach 114 Jahren Viertelzugehörigkeit künftig verhindern? Das sind die Fragen, die zu beantworten wären.

    6 Mal editiert, zuletzt von Golden Age () aus folgendem Grund: Grammatique

  • Ich will mich darüber eigentlich gar nicht mehr aufregen. :(


    Man hat einfach das Gefühl, dass es an einer übergreifenden Strategie fehlt und die Räder nicht sauber ineinandergreifen.


    Durch die BAO und danach jetzt die neue Polizeiaufstellung hat man das Thema sicherlich von der Polizeiseite her deutlich besser im Griff. Ich weiß nicht, ob man auch auf der Justizseite das Thema etwas besser anpackt, aber ich habe von der Seite zuletzt zumindest keine Klagen mehr gehört. Das scheint also zu passen.


    Nur ist die polizeilich-juristische Seite nur eine Seite von mehreren, die es hier parallel zu bespielen gilt. Die Stadtregierung ignoriert das Thema entweder völlig wie unser OB (der kann das halt keine schönen Grinsekaterfotos machen, sondern müsste tatsächlich mal arbeiten) oder die SPD/Grünen (die immer noch glauben, dass man die Situation der Junkies nur verbessern muss, damit alles gut wird). Oder man legt da nicht mehr so den Fokus drauf wie die CDU, die wohl das Gefühl hat, dass man mit Law-and-Order in Frankfurt keine Wähler hinter sich bringen kann. Das ist natürlich Blödsinn, denn bei der Frankfurter CDU hat man mittlerweile den Eindruck, dass die auf überhaupt nichts mehr auch nur irgendeinen Fokus legt. So legt die 3er-Koalition defacto der AfD den roten Teppich aus und das kann ja nun wirklich niemand wollen.

  • Zu der geforderten übergreifenden Strategie gehört m.E., über die SperrgebietsVO nachzudenken, genau genommen über ihre Aufhebung. Was die Situation im Bahnhofsviertel so schwierig macht, ist die Kumulation von Rotlichtbezirk und Drogenhilfe-Infrastruktur. Der Rotlichtbezirk ist, trotz aller Liberalisierung in Sachen Prostitution der Kern krimineller Strukturen (Drogenhandel, Menschenhandel, Zuhälterei, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und was noch alles). Weil nach allgemeiner Lebenserfahrung „Tauben hinfliegen, wo Tauben sind“, muss man sich über die Massierung eines kriminellen Milieus ebenso wenig wundern wie über die Konzentration von Drogenkonsumenten. Beides zusammen übersteigt die Integrationskräfte eines so kleinen Stadtteils. Da man die Drogenhilfe-Infrastruktur nicht so leicht verlagern kann, muss man über den Rotlichtbezirk nachdenken.


    Schon der Name zeigt, wes Geistes Kind dahinter steht: „Verordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main“, vulgo: SperrgebietsVO. Ursprünglich ging es mal darum, der Frau Nitribit und ihren Nachfolgerinnen, ihre Auftritte in der Öffentlichkeit zu verbieten, die allerorten zu beobachtende Straßenprostitution einzudämmen. Gleichzeitig war man so hellsichtig, bestimmte Toleranzzonen zu definieren, wozu Teile des Bahnhofsviertels gehören.


    Im Zuge der Legalisierung der Prostitution hat es ohnehin schon eine Lockerung hinsichtlich der sog. Kleinprostitution gegeben, worunter z.B. die Massage-Salons fallen, folglich kann es kaum um den öffentlichen Anstand gehen. Warum also nicht die Konsequenz ziehen und die Sperrgebietsverordnung aufheben oder massiv lockern, um den Rotlichtbezirk auszudünnen. Wenn es möglich ist, Vermietern die Anbietung von Wohnungen über Plattformen wie air bnb mit den Instrumenten des Bauordnungsrechts auszutreiben, sollte dasselbe Instrument allemal reichen, ein paar Laufhäuser wegen fehlender Rettungswege zu schließen. Wenn die Stadt dem nur halb so viel Energie widmete, wie der Schließung von Spielsalons und Wettbüros, wäre schon viel gewonnen. Aber ohne vorherige Diskussion, wie man mit den Bordellen umgehen will, wird es nicht gehen, und bis dahin gibt es keine Rettung für das Bahnhofsviertel.

  • Was machen Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, München, Köln und Berlin bei ihren Bahnhofsvierteln richtig was Frankfurt seit mehreren Jahrzehnten falsch macht?


    Hamburg Hbf ist auch eine mittlere Katastrophe mittlerweile, erlebe ich fast jeden Tag. Es wird auch nicht besser werden, erst wenn die Probleme direkt beim Namen genannt werden, vorher nicht, eher schlechter.

  • ...Beides zusammen übersteigt die Integrationskräfte eines so kleinen Stadtteils. Da man die Drogenhilfe-Infrastruktur nicht so leicht verlagern kann, muss man über den Rotlichtbezirk nachdenken.


    Ich wäre eher dafür es genau andersherum zu machen. Die Bordelle an sich stören noch nicht mal so extrem, gehören ja auch zum Nachtleben dazu. Wirklich störend ist eher ihr extrem versiffter Eindruck. Wenn man einfach von der Rotlicht-Monokultur wegkäme und stattdessen andere nachts genutzte Orte daraus entstehen, und überhaupt mal radikal auf den Straßen, an und in den Gebäuden desinfiziert und gereinigt würde, und die Hausbesitzer zu einem denkmalgerechten Umgang mit ihren Gebäuden verpflichtet würden, ließe sich da durchaus was draus machen.
    Das große Problem ist die Drogenszene, ganz schlimm dabei neben den Dealern die Junkies in der westlichen Taunusstraße und den angrenzenden Querstraßen, sowie ganz extrem an der Ecke Taunus- und Elbestraße.
    Wenn man es den Junkies vorher mitteilt, kann man ihre Einrichtungen sicherlich ohne große Probleme verlagern. Neben Parks und Wohnvierteln sollten gerade die von "Visitenkarten" der Stadt - also Innenstadt und Bahnhofsviertel - absolut tabu sein für diese Szene, und dort dann auch eine konsequente Null-Toleranz-Strategie angewendet werden. In irgendwelchen Industriegebieten (gibts in Bahnhofsnähe ja auch - zB im Gutleutviertel) dagegen wo sich eh fast keiner aufhält, kann man von mir aus auch diese Drückerstuben einrichten wenn man unbedingt an derartigen Einrichtungen festhalten will.
    Gegen Dealerei, öffentlichen Konsum, Wildpinkeln, Vermüllung, und dieses massierte Auftreten von verwahrlosten Gestalten muss jedenfalls stadtweit hart durchgegriffen werden.

  • ^ In der Prostitutionsszene hat sich durch die Segnungen der digitalen Medien einiges verändert, denke ich. An den Bordellen manifestiert sich ein Schichtenproblem, die Häuser bilden den – sagen wir mal – unteren Rand der Szene ab, auf der Anbieter- wie auf der Nachfragerseite. Die nachhaltige Verbesserung der Situation im BhfV ist nicht allein über die Zurückgewinnung des öffentlichen Raums zu erreichen, auch der Nutzungsmix der Bausubstanz ist mitentscheidend, um die soziale Balance zu verändern. Mal ganz platt gesagt, dem Quartier hilft nur ein bißchen mehr Gentrifizierung. Die funktioniert aber nur durch Nutzungsänderung und das heißt nichts anderes als Verdrängung der Bordelle, jedenfalls zum Teil.

  • ^


    ja ganz clever, Drogenkriminalität in Außenbezirke verlagern, das Gutleut ist ne super Idee. Wir benennen das Ganze dann noch um in Skit Row und gucken mal, was passiert. Ganz innovativ und bestimmt super erfolgreich. Gott sei Dank sitzen bei der Stadt Leute, die etwas mehr von der Materie verstehen, als einige "Experten" hier im Forum.


    Nach wie vor gilt, dass die Drogenkriminalität bekämpft gehört und nicht einfach dahin umzieht, wo der allgemeine Wutbürger sie nicht mehr sieht. Das Bahnhofsviertel ist nicht der falsche Ort, es gibt schlicht nicht genug Ressourcen, um der Situation dort Herr zu werden. Sinnvoll wäre die Einrichtung eines zusätzlichen, spezialisierten Polizeireviers an der Ecke Taunus/Elbe und eine dauerhafte Einrichtung der polizeilichen Sondereinheit Drogen/Prostitution, mit ausreichend Personal. Außerdem braucht es strengere Gesetze und mehr Freiheiten für die Polizisten sowie eine effektive Justiz und leichtere Abschiebungen von Straftätern und zudem mehr soziale Programme für die Süchtigen.


    Auch wenn viele das intellektuell zu überfordern scheint: das Problem ist schon da und man kann es nicht hin- und herschieben, sondern es müssen langfristige Lösungen erarbeitet werden. Die kosten viel Geld und sind deutlich komplexer als der Broken-windows-pseudo-wissenschaftliche Schwachsinn, den hier einige verbreiten.

  • ^ Du hast etwas missverstanden, denke ich: mir geht es nicht darum, die Drogenszene in die Außenbezirke zu verdrängen. Die Diskussion in diesem Strang dreht sich darum, wie die Situation im BhfV verbessert werden kann. Mein Ansatzpunkt in Bezug auf dieses Ziel war, es gibt zu viel von beidem auf zu kleiner Fläche, Drogenhilfe-Einrichtungen und Rotlichtmilieu. Das kann nur durch einen starken Repressionsapparat beherrscht werden, an der Oberfläche, aber das Grundproblem "zu viel von beidem in einem kleinen Quartier" gehst du damit nicht an.


    Du veränderst die Lage im BhfV nicht mit der Erkenntnis, das Problem sei schon da und man könne es nicht hin und herschieben. Ja, es gibt ein Problem, aber es ist kein Naturgesetz, dass sich das rein örtlich im BhfV konzentriert. Die Konzentration in BhfV und Breite Gasse war politisch gewollt. Aber es ist wohl die Frage erlaubt, ob das politische Konzept, dass zu dieser Maßnahme geführt hat, heute noch richtig ist; die Zweifel mehren sich.


    Deinen Einwurf, die einfachsten Gedanken seien nicht immer die klügsten oder gar die richtigen, möchte ich postwendend zurückgeben: strengere Gesetze und mehr Freiheiten für die Polizisten sowie eine effektive Justiz zu fordern und leichtere Abschiebungen von Straftätern, ist so wohlfeil wie sinnlos, weil sie eben nicht strukturell auf das Problem der räumlichen Konzentration einwirken.

  • Doch, eigentlich schon. Weniger Stradtäter = geringere Dichte von Straftätern, weniger Straftaten = geringere Dichte von Straftaten, dass ist wohlfeil sehr sinnvoll, gar logisch.


    Nicht logisch ist hingegen, das Problem einfach auf einen anderen, weniger öffentlichen Raumausschnitt zu verschieben oder gar breiter zu verteilen (dazu hatte ich das Skit Row Beispiel angeführt). Räumliche Ballung ist für Kontrolle doch gerade förderlich. Ein Negativbeispiel aus der Lokalpresse sind die Dealer, die jetzt ins Gallus abgewandert sind und die dort ihren Geschäften ungestört nachgehen können.

  • ^ Es sind doch gerade die massiven Kontrollen im Bahnhofsviertel, die zu Ausweichbewegungen der Dealerszene führen, sie werden in ihren Geschäften gestört und gehen dorthin, wo sie ungestört sind. Insofern bin ich skeptisch, ob räumliche Ballung der Kontrolle im Ergebnis förderlich ist. Wie soll denn massiver Polizeieinsatz im Bahnhofsviertel die Lage dort verbessern, wenn nicht durch Verdrängung? Wo der permanente Ausnahmezustand herrscht, will keiner wohnen, nicht flanieren, sich möglichst gar nicht aufhalten. Um die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu verbessern, muss man ihn - banal ausgedrückt - zurückerobern, und zwar von denen, von denen man nicht will, dass sie ihn innehalten. Der Ausbau der Repression, die Du forderst, führt zu nichts anderem als Verdrängung.


    Genauso mit dem Rotlichtmilieu: wenn ich will, dass die Laufhäuser in schöne große Wohnungen zurückgebaut werden, ist das eine neue Nutzung, die eine bisherige Nutzung ersetzt, man kann auch sagen, ihre Verdrängung voraussetzt. Schlimm?

  • Merger Proposal: Breite Gasse back to Bahnhofsviertel

    Hamburg Hbf ist auch eine mittlere Katastrophe mittlerweile, erlebe ich fast jeden Tag. Es wird auch nicht besser werden, erst wenn die Probleme direkt beim Namen genannt werden, vorher nicht, eher schlechter.


    Ich wünschte wir hätten die vergleichsweise „putzigen“ Probleme des Hamburger Hauptbahnhofs. Dieser ist durch direkte Laufdistanz zur Mönckebergtrasse und der traumhaften Innenalster direkt an die Innenstadt angebunden (in Frankfurt durch die furchtbare Situation in B-Ebene und Kaisersack eher problematisch), für mich eine der besseren Lagen Hamburgs. Zudem ist der Hamburger Bahnhof eingebettet in Kultur, mit einem Katzensprung zur renommierten Kunsthalle, dem (sehr guten) Ohnsorg Theater, dem deutschen Schauspielhaus oder dem Museum für Kunst und Gewerbe. Genau diese kulturellen Institutionen (Stichwort Schuman Theater) gibt es rund um den Frankfurter Bahnhof ja überhaupt nicht, daher gibt es für viele Frankfurter auch gar keinen Grund mal ins Bahnhofsviertel zu kommen.


    Ich finde die Vorschläge zur Nutzungsänderung von tunnelklick sehr gut.


    Im ersten Schritt und als Testlauf für das Bahnhofsviertel, wäre es gut die Sperrgebietsverordnung an der Breiten Gasse aufzuheben, um das dortige Rotlicht-Milieu in Richtung Bahnhofsviertel zu bewegen. Es gibt keinen Grund gleich zwei (!!) Rotlichtviertel in einer so kleinen Stadt wie Frankfurt zu haben. Es ist ein Relikt aus alter Zeit als man versuchte das im Bahnhofsviertel geballte Milieu-Problem in den Frankfurter Osten teilweise auszulagern. Das Ergebnis war leider katastrophal und endete in der Abwertung des gesamten Allerheiligenviertels (Dreieck Konsti / Zoo / Museum Judengasse sowie Justizviertel) und eine Ausbreitung des Drogenproblems an die Konsti, wo heute immer noch eifrig gedealt wird. Das mit vielen Altbauten gesegnete Allerheiligen-Breite Gasse-Viertel wird heute definitiv unter Wert verwendet und könnte Wohnraum und Verdichtung bieten, welcher in Frankfurt so dringend von Nöten wäre. Wenn erfolgreich, sollte die Aufhebung der Sperrgebietsverordnung dann auch im Bahnhofsviertel angewandt werden.

  • Auch wenn viele das intellektuell zu überfordern scheint: das Problem ist schon da und man kann es nicht hin- und herschieben, sondern es müssen langfristige Lösungen erarbeitet werden. Die kosten viel Geld und sind deutlich komplexer als der Broken-windows-pseudo-wissenschaftliche Schwachsinn, den hier einige verbreiten.


    Bitte mal grundsätzlich ein paar Gänge rhetorisch zurück schalten. Das schaffen die anderen Foristen auch. Es sollte relativ egal sein, ob es "Broken Windows" oder einfach nur "Teufelskreis" oder "Spirale nach unten" heisst. Das Bahnhofsviertel ist für Frankfurt eine katastrophale Visitenkarte und kommt derzeit einer einzigen Kloake gleich. Betriebe, die es hier 114 Jahre ausgehalten haben, flüchten vor dem Drogenproblem. Mit ausschließlich langfristigen Lösungen hierauf zu reagieren, die maximal in 10 bis 15 Jahren fruchten, wird der jetzigen Brisanz zu wenig gerecht.


    Ich finde es ein wenig ironisch zu behaupten man solle das Problem nicht "verfrachten". Das Problem breitet sich dich schon jetzt ganz von alleine in andere Richtungen aus. Der Francois-Mitterand-Platz, wo kürzllich erst das Holiday Inn öffnete, ist zum öffentlichen Schlafplatz und Toilettenanlage für Drogenkonsumenten verkommen und die Aufenthaltsqualität ist dort extrem gesunken. Die Gegend nördlich des Bahnhofsviertels Richtung Mainzer Landstrasse gleicht sich immer mehr den Verhältnissen der Taunusstrasse an (bitte mal draussen essen gehen beim "7 Bello"). Richtung Taunusanlage (besonders bei der Euro-Statue) braucht man sich nur mal länger als 10 Minuten aufzuhalten, um zu sehen wie sich die Dinge zum Negativen entwickeln. Die Ausbreitung der Probleme des Bahnhofviertels auf seine unmittelbaren Nachbarviertel zeigt auf, dass sich das Problem eben nicht durch Symbolpolitik lösen lassen wird. Mehr Polizei klingt gut, aber beseitigt nicht das Kloakenproblem und die allgemeine Verwahrlosung des Viertels. Die Aufhebung der Sperrgebietsverordnung würde letztendlich auch die Polizei entlasten.

  • Man kann alles Regeln, wenn man nur will. Viele Europäische Städte schaffen es doch auch, sogar Berlin (die Probleme sind dort halt an anderen Orten), aber auch Marseille und Rom. In den USA zB auch Los Angeles Union Station, obwohl die grösste Konzentration von Obdachlosen und Junkies quasi um die Ecke ist (Skid Row). Es wird einfach hart durchgegriffen, man kann auch Probleme in ganz andere Gebiete verlagern, es muss nicht immer alles nur 1-2 Strassen weiter weg sein. Frankfurt hat natürlich eine speziellere Problematik durch das Rotlichtviertel, aber wenn man nicht aufpasst, dann wird sich das Problem noch verhundertfachen und somit intensivieren und es werden dann richtige "turf wars" um Gebiete und Ressourcen ausbrechen zwischen den einzelnen Gruppen.