Bahnhofsviertel auf Metaebene

  • Ich denke auch, dass die von Golden Age vorgeschlagenen Maßnahmen absolut sinnvoll sind, da sie kriminelle Akte bekämpfen und nicht ganze Gruppen von Menschen per se kriminalisieren. Demensprechend ist die Strategie von Eagle1 meiner Meinung nach pauschal abzulehnen, vor allem aber auch an jeder Ecke unrealistisch.
    Und ich weiß nicht in welchem LA du so unterwegs bist, ich hab die letzten Jahre jedes Mal am Greyhound direkt in Skit Row an der Alameda Street, im Mc Donalds gegenüber und auch auf dem Betriebsgelände von American Aparell nebenan schlimmste Szenen von Delinquenz beobachtet. Von Drogenkonsum über Prügelleien, sexuelle Nötigung, Polizeigewalt bis zu Tierquälerei. Wohlgemerkt alles nur, während ich auf den Bus oder jemanden der mich abholt gewartet habe. Aber ist ja gut für dich und LA, wenn es bei dir so einen "positiven" Eindruckk hinterlassen hat.
    Ich denke nichts desto trotz, dass LA schwerlich mit Frankfurt vergleichbar ist und es mehr Sinn macht, sich hier über lokal geeignete Konzepte zu unterhalten, statt einfach zu sagen: Wir machens jetzt so wie irgendeine andere Stadt. Die Voraussetzungen sind meist (und im Fall von LA sowieso) ganz andere. Zero Tolerance ist zudem natürlich ein populärer Kampfbegriff, meist stehen dahinter aber keine nachhaltigen oder wirklich hilfreichen Konzepte.

  • Das größte Problem ist meines Erachtens, dass die Personen, gegen die sich die vorgeschlagenen Maßnahmen primär richten, im wahrsten Sinne des Wortes völlig schmerzfrei gegen jede Form von Repression sind. Die sind so fertig, dass sie von vorgeschlagenen Maßnahmen nicht angesprochen werden, denen ist alles im wahrsten Sinne des Wortes scheißegal, d.h. Polizeipräsenz, Platzverweise, Ausweisung und was noch alles, den ganzen Kanon ordnungsrechtlicher Maßnahmen kann man vergessen, das wirkt nur (zeitlich und örtlich) punktuell, den Druck dauerhaft und großräumig hoch zu halten, ist damit nicht hinzukriegen. Natürlich kann man algerische Kleindealer ausweisen, dann wird das Geschäft eben von anderen gemacht. Im Anti-Drogen-Kampf gilt eher die Maxime, die Kräfte gegen die Großkriminalität zu bündeln.


    Ihre physische Präsenz im Bahnhofsviertel zu beenden hieße, sie physisch am Betreten zu hindern – geht rechtlich nicht, der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen steht allen zu. Also geht es nur indirekt. Ich denke, solange die Anziehungspunkte der Drogenszene, die Hilfeeinrichtungen, Druckräume, das Café Fix usw. im Bahnhofsviertel gibt, gilt: wo Junkies sind, gehen Junkies hin. Dasselbe gilt sinngemäß für die kasernierte Prostitution als Anziehungspunkt jeder Form von Kleinkriminalität. Nur wenn es gelingt, solche Anziehungspunkte aus dem Bahnhofsviertel zu verlagern, wird es vielleicht eine Abschwächung und graduelle Besserung geben; nur: wohin mit dem Elend?


    Fein über die Stadt verteilen vielleicht? Das wäre eine Abkehr vom Wallmann'schen Toleranzzonen-Konzept der 80er Jahre, das auf Konzentration in der Hoffnung auf bessere Kontrollierbarkeit setzte. Kann man diskutieren, aber an die Umsetzung glaube ich nicht.

  • sehr viele Mexikanische Billigläden und Ramschläden, kleinere Lebensmittelgeschäfte, usw - also alles Läden die überhaupt nichts in einer Innenstadt zu suchen haben


    Die daraus resultierende Definition von Innenstadt macht mir schon einige Bauchschmerzen.
    Meiner Meinung nach ist eine belebte Innenstadt überwiegend dadurch belebt und auch lebenswert, dass darin Menschen wirklich leben und auch ihren täglichen Bedarf vor Ort erfüllen können.
    Abends oder am Samstag zu wissen, mir fehlt jetzt eine Zitrone/hier gibt es frischen Knoblauch/das Mehl ist alle (kleines Lebensmittelgeschäft) oder eine Schraube/Schmirgelpapier (Billigladen), ohne mit dem Auto dazu auf die grüne Wiese fahren zu müssen würde Innenstädte viel nachhaltiger beleben als die Ansiedlung einer weiteren Dépendance noch einer Restaurantkette.
    Auch ein Supermarkt im Altstadtbereich macht das Stadtbild nicht zwangsläufig kaputt, wie ich gerade in Strasbourg direkt hinter der Kathedrale sehen konnte:



    Bild von mir.


    Mein - sicherlich subjektiver Eindruck! - war: mitten im touristischen Schwerpunkt einer Stadt einen auch für die Einwohner lebenswerten Stadtteil, in dem Touristengruppen nicht das allbeherschende Element waren und ein entspannter Umgang miteinander selbstverständlich war.
    Warum sollte das in Frankfurt, auch im Bahnhofsviertel nicht möglich sein?

  • ^


    Naja, die Länden sollten aber schon eher offiziell aussehen und nicht halb illegal daherkommen oder nicht? Läden sind ja schön und gut, da ist Frankfurt weiter als Teile von Downtown L.A., verstehe jetzt nicht worauf du hinaus willst...

  • Worauf ich hinauswill ist:
    Ich tue mich schwer mit einer kategorischen Bestimmung dessen, was "in einer Innenstadt etwas zu suchen hat".
    Einen Vergleich mit L.A. kann und will ich nicht ziehen, ich war noch nie da.
    In meinem Post beziehe ich mich nur auf Frankfurt, speziell aufs Bahnhofsviertel, in dem ich - mit einigen Unterbrechungen - seit den 80ern lebe und dessen unterschiedliche Entwicklungen ich über die Jahre hinaus aus nächster Nähe erleben konnte.
    Auch konnte ich deinem Beitrag nicht entnehmen, dass du dich auf illegale Geschäfte bezogst.
    Zugestandenermaßen, an dieser Stelle vermute ich nur:
    keiner der hier entstandenen vielen Kioske, Wettbüros, 1€- und Ramschläden wurde gegen den Willen der Besitzer/Eigentümer (sorry wegen der Ungenauigkeit, ich bin kein Jurist) der jeweiligen Liegenschaften eröffnet; zumindest als Zwischennutzung kamen sie jedem einzelnen sicherlich eher gelegen.

    ABER obwohl Skid Row (das Obdachlosen-Mekka Amerikas) nur wenige Blocks weiter weg ist


    Die Folgen einer Ghettoisierung kann man ja z.B. in Frankreich schon seit vielen Jahren beobachten. Müssen wir uns nach diesen Erfahrungen nun auch sehend daran machen, No-Go-Areas zu schaffen?


    Wohlgemerkt, ich sage nicht, dass im Bahnhofsviertel alles zum Besten steht; im Gegenteil, es besteht dringend Handlungsbedarf.
    Ich wünsche mir nur eine sachlichere und weniger "exemplarische" Diskussion darüber, was die Qualitäten dieses Viertels ausmachen könnte. Nicht nur das neue "Alt-Sachsenhausen", aber cooler; nicht nur die Abfütterung von Touristen und Durchreisenden, sondern einen von den unterschiedlichsten Menschen (ob zeitweise oder dauerhaft) belebten Teil der Innenstadt.

  • Die Diskussion um den Bahnhof hat mal wieder die Presse erreicht, so z.B. heute in einem Kommentar in der FAZ mit dem Titel "Tor zur Stadt, Tor zur Hölle". Es ist zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen bei Polizei, Deutscher Bahn und Drogenreferat hier endlich mehr unternehmen.


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    Hinweis Mod: Zum Kommentar gibt es auch einen Artikel.

  • Dazu passt auch dieser FAZ-Artikel vom 15. Sept. „Niddastraße, Hauptbahnhof, Weißfrauenkirche: Die Drogenszene hat einige Orte in Frankfurt fest im Griff.“


    Es ist zu erfahren, dass sich die Polizei mehr Unterstützung von Seiten der Justiz wünschen würde, da man oft keine richterliche Genehmigung erhält, wenn die Polizei einen Dealer über einen längeren Zeitraum observieren will. Ebenso erlassen Amtsrichter nach einer Festnahme keine Untersuchungshaft, auch bei polizeibekannten Drogendealern. So erklärt sich, warum viele der jungen Dealer schon einen Tag nach der Festnahme wieder an der Niddastraße oder anderswo stehen und Drogen verkaufen.


    Der Präsident des Frankfurter Oberlandesgerichts, Roman Poseck, weist natürlich alle Schuld von sich und ist erstmal beleidigt, dass man nicht miteinander, sondern übereinander spreche. Nein, mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht, Herr Müller-Lüdenscheidt.


    In der Zwischenzeit beklagen sich Geschäftsleute an der Niddastraße und an der Düsseldorfer Straße und fühlen sich sowohl von der Stadt als auch von der Justiz alleingelassen. Läuft bei uns. :nono:


    PS: Übrigens ist bei der Bahnhofsviertelnacht wieder genau das passiert wie jedes Mal auch. Die Lokalpolitiker haben sich von den Hipstern abfeiern lassen wie toll doch alles ist. So entsteht der Verdacht, dass man im Magistrat die rosarote Brille aufsetzt und die offensichtlichen Probleme des Bahnhofsviertels bewusst beschönigt, ausgesessenen oder ganz ausblendet werden. Ja, das Ganze erinnert an schlimmste Zeiten unter Andreas von Schoeler (OB von '91 bis '95).

    Einmal editiert, zuletzt von Golden Age () aus folgendem Grund: Grammatikalische Anpassungen

  • Es ist doch so: Frankfurt absorbiert gleich von mehreren Kommunen und Städten die Drogenprobleme im großen Stil. Der "Frankfurter Weg" hat sich eben herum gesprochen. Das zieht aber leider einen Drogentourismus an, den man so sicher nicht herbei schaffen wollte.


    Die positiven Errungenschaften im Bahnhofsviertel seit der Ära Petra Roths der letzten 2 Jahrzehnte scheinen sich gerade innerhalb eines Jahres wieder sehr stark zurück zu entwickeln. Es gibt Teile des Bahnhofviertels, die ich mittlerweile als No-Go Area beschreiben würde.


    Es ist wichtig und überfällig, dass die Presse jetzt den nötigen öffentlichen Druck aufbaut damit besonders der Magistrat, das Drogenreferat und die traumwandlerische Justiz sich endlich wieder besinnt. Gerade Phantom-OB Feldmann erweist sich mehr und mehr als vollkommene Fehlbesetzung für dieses wichtige Amt. Unter dem Ex-Innenminister Hessens Boris Rhein hätte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlich früher reagiert. Äußerst schlecht für die Stadt, dass der jetzige OB noch eine lange Amtsperiode bis Juli 2018 vor sich hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Golden Age ()

  • Öffentlicher Druck auf Herrn Feldmann bewirkt für sich genommen rein gar nichts und ersetzt nicht eine nicht vorhandene Drogenpolitik.


    Unsere Gesellschaft hat ein Drogenproblem, dessen einer, sichtbarer Aspekt die Dealerszene im Bahnhofsviertel ist. Wenn man die Begleiterscheinungen wie Beschaffungskriminalität und illegalen Drogenhandel, Geldwäsche und Steuerhinterziehung beseitigen will, Ressourcen von Polizei und Justiz schonen will, könnte man ja mal über das Beispiel Colorado nachdenken. Dass die Legalisierung von leichten Drogen kein Allheilmittel ist, zeigt der Vergleich zum Alkohol. Daher wissen wir aber auch, dass Prohibition, wie wir sie hier bei Cannabis z.B. haben, und Repression, wie sie hier in der Öffentlichkeit gefordert wird, nichts, rein gar nichts bewirkt. Und trotzdem wird mantra-mäßig gefordert, mehr Polizei, härtere Strafen und was weiß ich. Jeder weiß, dass das nichts nützt.
    Die Freigabe des Cannabis-Konsums würde, wie das Beispiel Colorado zeigt, den polizeilich-justiziellen Komplex erheblich entlasten und Kapazitäten freisetzen zur Verfolgung des weiterhin strafbaren Handels mit harten Drogen; und die Kriminalstatistik verbessern. Das setzt aber so etwas wie eine konsistente Drogenpolitik voraus, die hier so weit entfernt ist wie der Mond, sprich keine Priorität hat.


    Und: jeder Polizist, der nach Attentätern Ausschau hält, verhaftet keine Dealer; aus bekannten Gründen liegt die Priorität bei der Vollzugspolizei zur Zeit eben nicht auf Dealer-Jagd.

  • Und trotzdem wird mantra-mäßig gefordert, mehr Polizei, härtere Strafen und was weiß ich. Jeder weiß, dass das nichts nützt.


    Die These "Jeder weiß, dass mehr Polizei nichts nützt" würde ich zumindest anzweifeln wollen, denn die Sparmaßnahmen bei der Polizei unter der Ära Roland Kochs (der schlanke Staat als Selbstzweck) sind noch lange nicht verarbeitet. Die Polizei in Hessen und besonders in den Ballungsgebieten ist seitdem gnadenlos unterbesetzt. Spätestens die zusätzlichen Anforderungen durch das Flüchtlingsdrama aus dem letzten Jahr sowie die EU-Osterweiterung haben zu einer hohen Mehrbelastung der Polizei geführt. Die sprunghafte Zunahme an Wohnungseinbrüchen oder Diebstahl-Delikten (Taschendiebstahl, Fahrraddiebstahl) spricht doch Bände. Um den Bogen wieder auf das Bahnhofsviertel zu spannen: In einem Hessenschau-Artikel vom 26.09. steht, dass die Bundespolizei innerhalb eines Jahres rund 30 Prozent (!!!) mehr Diebstähle am Frankfurter Hauptbahnhof registriert hat. Ein Sicherheitsdefizit ist hier allemal zu erkennen, besonders wenn es innerhalb eines Jahres so steil bergab geht.


    Zudem müsste man sich in der Frankfurter und in der Hessischen Politik folgende Fragen stellen:

    • Wieso erlassen Amtsrichter in Frankfurt nach einer Festnahme eines polizeibekannten Dealers keine Untersuchungshaft?
    • Wieso öffnen die Druckräume nicht ab sofort auch abends?
    • Wieso wartet die Stadt auf einen erst in 5 Jahren fertig gebauten Umbau der B-Ebene um dort nachhaltige Maßnahmen gegen die grassierende Verwahrlosung durchzuführen?
    • Wieso werden die Maghrebstaaten nicht als sichere Herkunftsländer deklariert (besonders wenn nur eine verschwindende Minderheit wirklich politisch verfolgt ist), so wie es der grüne MP aus Ba-Wü längst gefordert hat?


    Es gibt viele pragmatische und praktische Maßnahmen, die die Stadt sofort und nicht erst am Sankt Nimmerleinstag (z.B. Cannabis-Legalisierung im Jahr 202X) durchführen könnte.

  • Das sind aber ziemlich viele Forderungen an die Adresse der Stadt oder an das Land, mit denen die überhaupt nichts zu tun haben.


    Richter sind glücklicherweise in diesem Land immer noch unabhängig, d.h. da ist der Einfluss deutlich begrenzt (sie wären nur durch neue Strafgesetze gebunden). Für die Verhängung von U-Haft gibt es hohe Hürden, es bedarf v.a. eine Haftgrundes, und wenn der Amtsrichter nicht der Meinung ist, das ein solcher vorliegt, dann kann er auch keine U-Haft verhängen, selbst wenn es sich um einen polizeibekannten Dealer handelt. Haftgründe sind Fluchtgefahr (wohl nicht, wenn er jeden Tag wiederkommt), Verdunklungsgefahr (trifft auch nicht zu) und Wiederholungsgefahr (bei BTMG-Verstößen durchaus anwendbar, aber nur wenn die zu erwartende Strafe mehr als ein Jahr Gefängnis wäre, sonst nicht)


    Die Druckräume werden von einem privaten Verein betrieben, da kann die Stadt zwar sagen, wir fänden das toll wenn ihr auch abends öffnen würdet, aber sie hat keine richtige Handhabe, die Öffnungszeiten zu ändern. Die einzige Möglichkeit wäre, sie gibt mehr Geld für mehr Stellen speziell in den Abendstunden, aber auch das ist nur ein Angebot, wenn der Verein sagt, sorry, der Markt für Streetworker ist leer, wir finden niemanden dafür, dann kann die Stadt nichts machen.


    Was genau soll denn die Stadt an "nachhaltigen Maßnahmen" in der B-Ebene durchführen? Kurzfristig würde sicherlich eine höhere Kontrollintensität helfen (aber vielleicht einfach nur zu einer räumlichen Verlagerung führen, aber das steht ja auf einem anderen Blatt und soll hier auch nicht Thema sein, da es um den Bahnhof geht), aber zum Thema Polizei steht ja schon ein paar Post weiter oben genug. Nachhaltige Maßnahmen wären doch eher baulicher Natur, z.B. die verwinkelten/toten Ecken abschaffen etc. Dass da jetzt vor dem großen Umbau keine Wunderdinge zu erwarten sind, verstehe ich schon, klar, man könnte einfach ein paar Aufgänge sperren, aber dann kann sie halt auch niemand sonst mehr benutzen.


    Es bringt rein gar nichts, die Maghreb-Staaten zu sichern Herkunftsländern zu deklarieren, ggf. verschlimmert es die Situation nur. Dadurch ist es bloß im Asylverfahren etwas einfacher, den Antrag abzulehnen, aber wenn es keinen Asylgrund gibt, dann werden die Anträge ja auch heute schon abgelehnt, von daher macht es keinen Unterschied.Auch schneller abgeschoben werden können die Leute nicht, da es nicht daran liegt, dass diese Staaten nicht als sicher deklariert wurden, sondern daran, dass Papiere fehlen und die Länder nicht sonderlich kooperativ sind. Es hat aber für die Asylbewerber gravierende Konsequenzen, wenn die Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, nämlich dass sie z.B. ein automatisches absolutes Arbeitsverbot bekommen, was dann im Zweifelsfalle dazu führt, dass sie sich anderweitige Jobs suchen, z.B. Drogen verchecken am Hauptbahnhof...


    Wie gesagt, viele der vorgeschlagenen Maßnahmen liegen nur bedingt in der Verantwortung der Stadt, sicherlich könnte man mehr tun (mehr geht immer), aber jetzt dem OB die Verantwortung zuzuschieben, ist auch ein bisschen unfair. Es ist ja nicht so, als hätte er nach seinem Amtsantritt irgendwie die Drogenpolitik der Stadt in eine andere Richtung gelenkt oder hätte durch irgend etwas dafür gesorgt, dass jetzt plötzlich mehr Leute aus der Szene dort rumhängen. Ich bin jetzt auch kein großer Fan von ihm, aber ihm die ganze Verantwortung zuzuschustern ist auch nicht zielführend.

  • Der Paradigmenwechsel fand schon vor Jahren statt, als man in der Stadt die Losung ausgab, die Armuts- und Drogenszene im Hauptbahnhof nicht mehr nur zu bekämfen, sondern sagte, dass auch diese Abgründe zu einer urbanen Stadt dazugehören.


    Im Wahlkampf waren die besagten Probleme kein großes Thema. Die konservativen Medien (FAZ, BILD...) haben längst nicht mehr die Macht, um den nötigen Druck auf die Stadtvorderen aufzubauen. Auch die Geschäfte in der B-Ebene haben nicht die nötige Lobby. Das städtisch gesteuerte Tourismusamt schweigt weitgehend. Und so bleibt vor allem der tägliche Anblick den Pendlern, die aber auch keine Lobby haben, um bei einem solchen Thema Druck aufzubauen.


    Fest steht, dass sich die Situation deutlich sichtbar, vor allem auch durch neu hinzugekommene Dealer aus dem Maghreb, seit gut einem Jahr deutlich verschärft hat.


    Was mich wundert, ist dass die Messe bei diesem Thema auch sehr zurückhaltend ist. Neben den Pendlern sind es vor allem die Messebesucher, die in eine unangenehme und oftmals ungewohnt abstossende Situation geraten. Es würde mich nicht wundern, wenn es schon erste Beschwerden von Messebesuchern/Veranstaltern gibt. Die Messe könnte in der Tat bei diesem Thema Druck aufbauen. Aber die Messebuchungen scheinen ja bisher stabil zu sein und die internationale Messekonkurrenz wohl noch nicht stark genug...

  • Manchmal muss halt ein kritischer Punkt erreicht werden, damit das Thema wirklich zu einem Thema wird. Die Lokalpresse ist jedenfalls auf den Zug aufgesprungen, und egal ob man sich die Kommentarbereiche auf deren Seiten direkt oder auf Facebook unter den jeweiligen Artikeln durchliest, die Meinungen der Menschen sind eindeutig.
    Leider ist es nur eine Frage der Zeit, bis die AfD auch dieses Thema für sich entdeckt und damit auf Stimmenfang geht, denn nicht selten wird in den Kommentaren genau nach dieser Partei gerufen.
    Es ist eine unberuhigende Entwicklung, dass "die Poltik" so viele Dinge verschläft oder nicht anpackt (oder es falsch anpackt oder richtig anpackt aber nicht richtig kommuniziert), sodass die Rattenfänger einer gewissen Partei mit angeblich simplen Lösungen (die keine sind) von Erfolg zu Erfolg eilen können. :nono:

  • Bahnhofsviertel --> Let's get real!

    @ bridget: Danke für die umfangreiche Antwort. Mich würde interessieren, wo Du den entscheidenden Akzent setzen würdest um den Status Quo im Frankfurter Bahnhofsviertel / der B-Ebene zu verbessern? Wie ich Deinem Beitrag entnehme, erkennst Du ja durchaus an, dass der Status Quo verbesserungswürdig ist.


    Justiz / Amtsgericht:
    Was mich sehr beunruhigt, ist die Aussage in diesem FAZ-Artikel der Landes- und die Bundespolizei, dass der Drogenhandel im Bahnhofsviertel so stark zugenommen habe, dass sich der Aufwand der Kontrollen bald nicht mehr lohne. Da es sich nicht abzeichnet, dass man bei Tempoüberschreitungen, Diebstählen, Einbrüchen bald genauso verfährt, sollte diese Aussage zu denken geben. Wenn wir bereits an diesem Punkt angekommen sind, ist die Absprache zwischen Justiz und Polizei in Frankfurt aus meiner Sicht stark ausbaufähig (z.B. bei richterlichen Kontroll-Genehmigungen). Es scheint einen echten „Disconnect“ zu geben, besonders, da die Wiederholungsgefahr der polizeibekannten Dealer absolut gegeben und bestätigt ist. Die 30%-ige Zunahme von Taschendiebstählen am Hauptbahnhof innerhalb eines Jahres ist ein weiterer Indikator, dass man das richtige Strafmaß anscheinend nicht gefunden hat.


    Druckräume:
    Wie Du schon selber sagst: Eine der wohlhabendsten Kommunen Europas, d.h. Frankfurt, KANN und MUSS mehr Geld in die Hand nehmen, damit die privaten Vereine die Druckräume auch abends betreiben können. Auch hier scheint die Kommunikation zwischen Ordnungsamt (Markus Frank von der CDU muss hier deutlich mehr leisten als Sonntagsreden von sich zu geben) und den Vereinen nicht das gewünschte Maß erreicht zu haben. Mich würde sehr wundern, wenn der vorhandene Markt an Streetworkern leer gefegt wäre, besonders im dicht besiedelten Rhein-Main Gebiet.


    B-Ebene:
    Auch hier hast Du die Antwort schon vorweg genommen. Selbstverständlich muss die Kontrollintensität durch die Deutsche Bahn und die Bundespolizei erhöht werden um den offenen Drogenkonsum und –Verkauf zu unterbinden besonders zur Rush Hour. Der Verkauf von billigem Alkohol in der B-Ebene sollte zumindest testweise verboten werden. Dem beißenden Urin-Gestank sollte die DB AG zumindest versuchen entgegen zu wirken, da die jetzigen Säuberungsversuche ja scheinbar wirkungslos bleiben. Ich wäre hingegen gegen das Versperren von Ausgängen, da man auf Brandschutz und Sicherheitsmaßnahmen (Flucht bei Brand und Rauchentwicklung) immer dringend Rücksicht nehmen sollte.


    Sichere Herkunftsländer:
    Hier sollten wir wirklich mit Fakten und nicht Emotionen argumentieren. Die Einstufung als sicheres Herkunftsland bringt sehr wohl etwas. Seit der sicheren Einstufung der Balkanländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina (im Jahr 2014) sowie Albanien, Kosovo und Montenegro (im Jahr 2015) war die Bilanz eindeutig. Im ersten Quartal 2015 stellten Bürger der Westbalkanstaaten noch rund 60% der Asylbewerber. Im ersten Quartal 2016 waren es im Vergleichszeitraum noch rund 5% (10.206), so dieser Welt Artikel. Auch bei den Maghreb-Staaten könnte man solche Ergebnisse erzielen, aber hier sollten wir erstmal mit harten Zahlen hantieren. Laut diesem FAZ-Artikel Mitte Juni hatten wir für Marokko im Jahr 2015 eine Gesamtschutzquote von 2,2% (d.h. nur bei 2,2% der Asylanträge wurden positiv beschieden). Für algerische Antragsteller lag sie 2015 bei 1,6% und bei tunesischen Antragstellern wurden gerade mal 0,2% (!) anerkannt. Wir unterhalten uns also über eine Anzahl an Asylbescheiden, die keinesfalls auf eine flächendeckend riskante Situation in der Heimat hindeutet. Frappierend sind im Vergleich dazu die Zahl der Asylsuchenden aus diesen 3 Ländern: Stand Ende April 2016 (seitdem sind auch wieder 5 Monate vergangen) hielten sich aus diesen Staaten zusammen etwa 128.000 in Deutschland auf, etwas mehr als 74.000 Marokkaner, fast 32.000 Tunesier und annähernd 22.000 Algerier. Wir benötigen neben Rückkehrbeihilfen und Informationskampagnen, vor allem eine Entscheidung im Bundesrat, da die Grünen im Juli auf eine weitere Vertagung der Abstimmung hinarbeiteten und die Entscheidung bis auf unbestimmte Zeit verschoben haben. Für mich sieht das nicht nach der pragmatischen Lösungsorientiertheit der hessischen Grünen aus, die man unter Tarek Al-Wazir als Junior-Partner der CDU eigentlich an den Tag legen wollte.


    OB Feldmann:
    Wie oben ausgeführt, ist die CDU mit dem derzeitigen Ordnungsdezernenten auch eher um Schadensbegrenzung bemüht und mit dämlicher Schönfärberei beschäftigt, als mit echten Lösungen. Es ist also kein parteispezifisches Problem, sondern der Magistrat scheint derzeit schlichtweg überfordert zu sein. Dennoch darf sich OB Feldmann spätestens jetzt öffentlich zu der Problematik äußern. Anstatt sich um Luftschlösser wie der albernen und gönnerhaften Werbekampagne zur Abwerbung von „Brexit-Bankern aus UK“ zu kümmern, wäre es langsam Zeit vor der eigenen Haustür zu kehren.


    Und das war er, mein tausendster Beitrag. Yippeee!

    11 Mal editiert, zuletzt von Golden Age ()

  • Justiz meldet sich zu Wort - FAZ-Interview mit OLG-Chef

    Eine interessante Stellungnahme gibt es von Seiten der Justiz, vom Präsident des Oberlandesgerichts Roman Poseck in der FAZ vom 01.10. zu lesen.


    Darin steht, dass die Frankfurter Richter genauso konsequent arbeiten würden wie ihre Kollegen in Gießen, Kassel, etc. Er ist sich im Klaren, dass die Polizei harte Arbeit verrichte. Ein positiver Effekt der Diskussion sei bereits, dass OLG und Polizei nun noch intensiver und direkter über die Lösung der Probleme auf allen Ebenen sprächen.


    Das ist auch bitter notwendig. Wer die 181 Leserkommentare zu diesem bereits oft verlinkten FAZ-Artikel vom 29.09. liest, sieht, dass es sich keinesfalls mehr um ein geringfügiges Randthema handelt, über das sich höchstens ein paar Wutbürger echauffieren. Nein, es handelt sich mittlerweile um DAS Thema unter den Bürgern Frankfurts. Wer Brexit-Banker mit teuren Werbekampagnen aus London anwerben will, muss schon etwas mehr anbieten, als eine solche verkommene Ist-Situation rund um den Hbf.

  • Kuscheljustiz

    Unter dem Titel „Sie verachten unser Land und lachen über unsere Justiz“ hat es die Frankfurt Hbf-Problematik mittlerweile sogar auf die Hauptseite von FAZ.net geschafft.


    Nach Aussage von Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft, ist das leider kein rein Frankfurter Problem. In Düsseldorf gibt es dieses Problem auch. Dort "handelt es sich häufig um aus Nordafrika stammende Intensivtäter".


    Wendt sieht die Verantwortung jedoch vor allem bei der Justiz, denn „wenn keine Untersuchungshaft angeordnet wird, keine Haftstrafen verhängt werden und keinerlei Abschiebungen erfolgen, kann die Polizei so viele Festnahmen durchführen, wie sie will, die Täter bleiben unbehelligt. Sie verachten unser Land und lachen über unsere Justiz.“

  • Aber der Frankfurter Weg in der Drogenpolitik ist ja ein alternativloses Erfolgsmodell und die Druckstuben ein einziger Anschauungsunterricht für die ahnungslosen Spießer in anderen Städten.


    Die derzeitigen Zustände sind nicht Folge des Frankfurter Wegs, sondern haben sich trotzdem gebildet. Bevor man den Franfurter Weg eingeschlagen hat, war es nämlich noch viel schlimmer. Die heutige Situation stellt den gebesserten Zustand dar. Dieser gebesserte Zustand hat sich in der letzten Zeit wieder deutlich verschlechtert, aber nicht - ich wiederhole mich - wegen des Frankfurter Weges, sondern trotz des Frankfurter Weges. Weil das so ist, kann man dem aber entgegensteuern, nämlich durch gezielten Polizeieinsatz. Da happert es offenbar. Zum Teil mag es auch an der Justiz liegen, aber nicht nur. Damit verlässt man aber nicht den Frankfurter Weg.

  • @ Megaxel


    Der Vorsitzende des Gewerbevereins Bahnhofsviertel, Ulrich Mattner, hat es in diesem FAZ-Artikel am besten auf den Punkt gebracht. So habe der Frankfurter Weg seiner Ansicht nach weder die Beschaffungskriminalität gesenkt noch die Zahl der Dealer reduziert. Natürlich wurde die Zahl der Drogentoten nachhaltig gesenkt, aber auf diesen Lorbeeren soll und darf man sich nicht ausruhen, da es längst nicht ausreicht. Mattner sagte, die abhängigen Menschen dürften zwar keineswegs stigmatisiert werden, dahinter würden schwere Schicksale stecken. Aber es dürfe dennoch nicht hingenommen werden, dass Heroin auf offener Straße konsumiert werde. „Das ist nicht der Frankfurter Weg, wie er gedacht war.“ Da stimme ich ihm vollkommen zu.


    Im Artikel wird klar, dass sich Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Die Grünen) durchaus mit einer Neujustierung des Frankfurter Wegs auseinander setzt und will „die Frage aufwerfen, wie die Stadt künftig das Problem der offenen Drogenszene klären will“ und welche Rolle die Druckräume spielen, die längst nicht mehr von allen Schwerstabhängigen aufgesucht würden.


    Aus meiner Sicht sollten die Öffnungszeiten der Druckräume deutlich expandiert werden. Es muss eine Antwort auf die neue Trend-Droge Crack gefunden werden, für die die Druckräume längst nicht mehr aufgesucht werden. Außerdem fehlen Videokameras wie an der Taunusanlage um die Dealer besser in den Griff zu bekommen. Generell ist die Beleuchtung an der Taunusstraße abends auch schummrig bis miserabel. Eine ideale Bedingung für "dunkle Geschäfte". Hier hat die Frankfurter Politik keine Antworten angeboten und verzögert die Probleme somit unnötig.


    Eine gar nicht verkehrte Idee des Gewerbevereins Bahnhofsviertel ist das wohl noch über Jahrzehnte leerstehende Polizeipräsidium als ein "spezielles Konsumareal" einzurichten. So gibt es weniger offenen Konsum. Vielleicht entsteht dann endlich auch der Handlungsdruck dieses leidige Spekulationsobjekt doch noch eines Tages zu entwickeln.