Also die jetzigen Bewohner der Platten sind sicher keine armen Schweine. Sie wohnen momentan zu äußerst billigen Konditionen in Top-Lage. Sollten Investoren daran was ändern wollen, so müssen sie die Leute aus ihren Mietverträgen rauskaufen. Beim aktuellen Abrissprojekt sind da für die Mieter bis zu 200.000 Euro Abfindung rausgesprungen, wenn ich es recht im Kopf habe. Zukünftig dürfte das wohl eher noch mehr werden. Da hält sich mein Mitleid arg in Grenzen.
Wilhelmstraße - Plattenbaumoderne vs Neubebauung
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^ Die Formel, dass sich jemandes "Mitleid in Grenzen halte", liest man ständig, wenn es um normale Wohnungen im Zentrum Berlins geht. Sie ist in der Regel so zu verstehen, dass die Existenz dieser Wohnungen eine Art unnatürlicher Zustand sei, und deren Bewohner zu einem Leben in Mitte so wenig berechtigt sind wie ein abgelehnter Asylbewerber zu einem Leben in Deutschland. Also sollen sie bloß nicht jammern, wenn sie auch noch eine Abfindung erhalten, damit in der Wilhelmstraße endlich "naturgemäße" Verhältnisse einkehren können - sprich: Alles wie "The Wilhelm" aussieht, wo eine 36qm-Wohnung 500.000 Euro kostet.
Das ist aber eine Nebelkerze: Es geht nicht um "Mitleid", sondern um eine lebendige Stadt. Und ein Viertel voller "The Wilhelms" ist ein totes Viertel, denn niemand, der eine halbe Million Euro für eine Wohnung ausgibt, wohnt auf 36 Quadratmetern. Es geht nicht um Wohnraum, sondern um Geldanlagen, die gekauft werden, damit sie Rendite abwerfen - bewohnt wird ein Großteil dieses "Premium-Wohnraums der Extraklasse" (Maklersprech) nur für einen Bruchteil des Jahres. Mag ja sein, dass solche Verhältnisse im Zentrum europäischer Metropolen heutzutage der Natur des Marktes entsprechen. Den Ansprüchen, die ich an urbanes Leben stelle, entsprechen sie nicht.
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Ist ja richtig. Man kann wuseliges Straßenleben aber nicht politisch "veordnen". Zumal ich schon sagen muss, eine so dermaßen zentrale Lage ist halt dafür prädestiniert, dass zumindest teure Wohnungen dominieren. Der Preis von Immobilien bzw. die Miethöhe ergibt sich ja nun einmal v. a. aus der Lage. Man muss nicht zwingend so superzentral wie in der Wilhelmstraße wohnen, um trotzdem in der Stadtmitte zu leben. Schau dir zB die riesige Zahl bezahlbaren Wohnraums rund um den Alex an.
Ich würde die Frage bezahlbaren Wohnraums jetzt nicht an einzelnen Straßenzügen oder Gebäuden festmachen. Das artet sonst in Symbolpolitik aus, die bezogen auf die Größe Berlins der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist und niemandem wirklich hilft, bis auf ein paar wenigen glücklichen Individuen, die den "Jackpot" gezogen haben und davon profitieren, eine subventionierte Wohnung in der Wilhelmstraße zu bekommen.
Und wenn man jetzt zB betrachtet, wie teuer es wäre die Typenbauten auch nur zum Marktpreis für eine kommunale Wohnungsgesellschaft zu erwerben, dann muss die Frage schon erlaubt sein, was daran sozial wäre, wenn man für den selben Preis woanders in Mitte, also nicht irgendwo am Stadtrand, vielleicht dreimal soviele geförderte Wohnungen einrichten könnte. Das ist dann zB eine konkrete Gefahr, wenn man sich für Symbolpolitik verausgabt.
Der Druck wird auf die Wilhelmstraße sicher nicht abnehmen, die rechtlichen Möglichkeiten Eigentümer "per Dekret" zu zwingen sind begrenzt (s. o.) und für den berliner Wohnungsmarkt spielt die Wilhelmstraße einfach keine Rolle. Also überlasst den "Bonzen" halt die Straße einfach, die können auch nicht überall gleichzeitig sein, dafür wird ein anderer Kiez ggf. etwas geschont. So kann man es ja auch sehen. Die Nachfrage nach Luxuswohnungen ist in Berlin so oder so da und wird sich ihren Weg suchen. Wenn man die Wilhelmstraße zum Zankapfel Nr. 1 macht vielleicht den des geringeren Widerstands und damit sind dann die Bewohner in einer anderen Straße in Mitte betroffen und man hat das Problem nur verdrängt.
Es ist einfach ein aussichtsloses Unterfangen den privaten Immobilienmarkt dirigistisch zu lenken. Das einzige, was die öffentliche Hand machen kann und auch sollte, ist "verdammt nochmal" endlich wieder selbst Geld in die Hand zu nehmen und Wohnraum zu schaffen und selbst anzubieten, anstatt "kostenlos" mit Zwangsmaßnahmen zu arbeiten, die das Problem ja doch nicht lösen. Denn seien wir mal ehrlich, das ist das eigentliche Motiv der Politik. Man will Tätigkeit und Bemühungen "simulieren", weil man kein Geld ausgeben möchte. So eine Erhaltungsverordnung kostet die öffentliche Hand ja nichts, außer bischen Papier. Und dem Bürger wird Sand in die Augen gestreut.
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Statt hier den Zombie-Städtebau für ein paar Postkarten-Anbeter, die mit allem zufrieden sind solange es nichts aus der DDR ist oder halbwegs Historisch daherkommt zu bauen, sollte man vll. doch einen Kompromiss versuchen. Die Plattenbauten dürften, selbst wenn sie Traglastmässig runterskaliert worden, eine große Grundlage aushalten. Also setzt man zwei bis drei Luxusetagen auf die Gebäude, von mir aus mit separater Reichen-Ghetto erschließung und konzentriert alle Bewohner so das die EGs für Sozialwohnungen und/oder Gemeinschaftsbereiche frei werden. Man erhält Wohnraum durch querfinanzierung; tut etwas für die lokale Wirtschaft und schafft neuen Sozialen Wohnraum. Und durch die obligatorische aufdämmung kann man durch geschickte Schattenfugen und differenzierte Dämmstärken ala Hild und K, sogar den The Wilhelm-Billo-Architektur-Stil durchziehen. Wäre mir als Kompromiss lieber statt HuRek-vorschläge ala Reichskanzlei mit , warum auch immer, gegenüberliegenden Gründerzentrum oder leerstehende Postkartenfassaden für Rentnertouris.
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larry: Deine Beiträge sind ermüdend redundant. Dass Du ein AHuRek bist, wissen jetzt langsam alle (warum Rekos Zombies aber moderne Schuhkartons das blühende Leben darstellen, eher nicht aber leb ruhig in Deiner sw-Welt). Dass es einigen in diesem Forum wenig bis gar nicht um Ideologie pro oder contra DDR geht, werden Kollegen wie Klarenbach und Du leider wohl nie erfassen (man projiziert wohl von sich auf andere) aber Du wirst viele Deiner imaginären HuReks nie für einen Abriss von Fernsehturm, Kongresshalle, Frankfurter Allee, Weltzeituhr... plädieren hören.
Aber wo ist der Bezug zum Thema? Wieso ist für Dich überhaupt schon jetzt ausgemacht, dass hier falls ja dann nur historisierend gebaut werden wird? Und wieso geht Quersubventionierung nur bei Erhalt der Bestandsbauten? Da sollte man mE ideologiefrei herangehen und prüfen, welches Vorgehen am ehesten den gewünschten Ertrag bringt. Davon abgesehen fände ich es selbst gut, wenn einer der Blöcke weitgehend erhalten bleibt, da sie mE zwar nicht wunderschön aber eben auch nicht 0815 sind. Ich finde sie eigentlich recht interessant und hier wäre ich mal tatsächlich dafür, eine Zeitschicht für die Nachwelt zu erhalten. Auch den "Luxus" einiger bezahlbarer Wohnungen dort finde ich prinzipiell gut. Nur wird es kein Wunschkonzert geben und man wird sich mit den Zwängen der realexistierenden Marktwirtschaft auseinander setzen müssen. Auch Rot-Rot-Grün wird nicht alles erzwingen können und muss sinnvolle Prioritäten setzen. Aktuell scheinen sie sich mE ohnehin schon etwas viel aufs Tablett zu laden aber warten wir es ab.
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Jan
Weil ich es immer wieder ermüdend finde wie hier HuReks ebensolche Vorschläge mit den entsprechenden Argumentationsketten darbieten. Dein Versuch mich jetzt ins schlechte Licht zurücken weil ich ja als Ideologischer DDR-Apologet , oh Schreck, die Bauten durch Weiterbau opfern würde; diskreditiert sich von selbst da es bereits als Kompromiss von mir beschrieben wurde. Ich hol halt nicht immer wieder die gleichen zirkularen Argumentationen hervor. Das ich nicht per se gegen Rekos bin hab ich auch oft genug beschrieben. Ich bin da nur weniger Ideologiebehaftet da ich keine Modernefiktionen und sonstige Nachkriegsmythologien pflege.
Das Problem ist aber das die Lage die Bauten tatsächlich gefährdet und da hilft halt nur Unterschutzstellung oder sinnvoller Weiterbau. Beides Varianten welche Determinanten wie Ökologische- und Wirtschaftliche Resilienz eher fördern.
Und warum ich HuReks für Zombie-Städtebau kritisiere ist schlicht und weg das er immer auf ominöse Sichtachsen und angebliche Proportionen reduziert wird. Als würde eine Sichtachse auf ein nicht mehr existentes Städtebauensemble jetzt das sprühende Leben verursachen. Es gibt städtebauliche Kompositionssystematiken diese sind aber nicht von Sichtachsen abhängig. Nur weil einem der Städtebau nicht ins Postkartenbild nicht passt heißt das eben nicht gleich abriss vorallem wenn es nur um redundante Verschlimmbesserungen geht die von HuReks immer gleich ins unendliche Hochgejazzt werden. Sobald aber das gleiche in der Nachkriegsjahren gemacht wurde ist es dann wieder Abrisswürdig. -
Statt hier den Zombie-Städtebau für ein paar Postkarten-Anbeter, die mit allem zufrieden sind solange es nichts aus der DDR ist oder halbwegs Historisch daherkommt zu bauen, ...
Es gibt aber eben auch Gebäude, die aus DDR-Zeiten stammen und halbwegs historisch daher kommen. Als Beispiele gibt es das frühere Inter-Hotel (heute Westin Grand) in der Friedrichstrasse oder das Hilton am Gendarmenmarkt. Man kann die heutzutage entstehenden, historisierenden Neubauten also auch als Weiterführung der späten DDR-Architektur sehen. Das wäre dann kein Bruch, sondern eher eine Fortentwicklung.
Werwolf Larry, ich glaube, du schätzt die Lage der Dinge falsch ein. Es geht hier nicht um ein paar wenige "Postkarten-Anbeter". Denn der Zeitgeist geht schlicht und einfach in diese Richtung. Wenn du einen Kampf gegen den sogenannten "Zombie-Städtebau" führst, dann bist du auf verlorenem Posten. Sorry, wenn ich das so hart formuliere. Aber den Kampf gegen den Zeitgeist kannst du nur verlieren.
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... ich glaube, du schätzt die Lage der Dinge falsch ein. Es geht hier nicht um ein paar wenige "Postkarten-Anbeter". Denn der Zeitgeist geht schlicht und einfach in diese Richtung. ... Aber den Kampf gegen den Zeitgeist kannst du nur verlieren.
Auweia wie genügsam.
Man könnte ja auch die kühne These aufstellen, dass der Zeitgeist immer mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen einhergeht. Und hier lohnt sich ein Kampf allemal und immer wieder!
Andernfalls würdest Du mich wirklich sehr enttäuschen werther Architektur-Fan! -
Man sollte die Wilhelmstraße vielleicht nicht nur an den DDR-Platten messen. Wer nur 400 Meter in der Straße nach Süden fährt befinden sich jenseits der Puttkamerstraße im ehemaligen "Westen" Gebäude, die um Klassen schlechter aussehen als die Ost-Platten Hier fordert niemand einen Abriss. z.B. Hausnummer 24 oder 123. Schaut Euch das in Streetview mal an. Und auch diese Gebäude sind "nur" 1.000 Meter vom Adlon entfernt also eigentlich eine "tolle Lage".
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^^
Natürlich geht der Zeitgeist immer mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen einher. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß die "Postkarten-Anbeter" alle Opportunisten sind. Viele dieser Postkarten-Anbeter wollen eine historisierende Architektur, weil Sie damit eine innere Sehnsucht stillen wollen. Die Sehnsucht nach der Stadt, die verloren gegangen ist. -
Die Sehnsucht nach der Stadt, die verloren gegangen ist.
Das hatten wir hier schonmal aus anderem Munde und ich sagte, dann müssten Diese entweder über 80 Jahre alt sein oder unter Phantomschmerzen leiden.
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Oder sie haben einfach ein anderes Verständnis von "Stadt", als du.
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^ Das kann man dann aber nicht mit „Der Sehnsucht nach der Stadt, die verlorengegangen ist“ Begrüden. Das ist dann was anderes, eben ein Gefühl und kein Verständnis. Verständnis hat mit Verstand zu tun.
Wo wir schon beim postfaktischen sind ( wie schön, dass es jetzt ein Wort für unseren Schmerz gibt), nämlich mit Nostalgie. -
Man sollte die Wilhelmstraße vielleicht nicht nur an den DDR-Platten messen. Wer nur 400 Meter in der Straße nach Süden fährt befinden sich jenseits der Puttkamerstraße im ehemaligen "Westen" Gebäude, die um Klassen schlechter aussehen als die Ost-Platten Hier fordert niemand einen Abriss.
Doch, ich. Der gesamte Mehringplatz ist z.B. eine städtebauliche Katastrophe. Nur wenn man den Abriss westdeutscher Platten fordert, regt sich eben niemand auf.
Ich weiß manchmal nicht und so ist zumindest mein Eindruck, warum sich einige Ostdeutschen immer selber so klein machen und das so persönlich nehmen. Man bringt sich immer wieder in eine Opferrolle. Als ob man über die Platten eigentlich den ostdeustchen Bürger meint. Aber darum geht es ja überhaut nicht, nur wird das leider nicht verstanden.
Ich bin ja nicht für den Abriss, weil es eine ostdeutsche Platte ist, sondern weil es eine Platte ist, die nach meinem Empfinden einfach nicht an den Ort passt. Das gilt aber für viele Bauten in der Ciry West genauso. Nur da nimmt man es nicht so derart persönlich.
Soziologisch kann man das ganze irgendwie ja verstehen. Einige Ostdeustche (ich wiederhole einige) sind von der Entwicklung nach 1990 enttäuscht und fühlen sich vom Westen übergangen und bevormundet und sehen im Abriss die physische Manifestation dieses Gefühls. Letztlich ist das aber eher ein neurotisches Verhalten als wirkliche Tatsache, weil hier eine Kausalität hergestelt wird, die es so gar nicht gibt.
Somit müsste man eher an diesem Problem arbeiten.
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larry: Die Ideologie beginnt mE bei dem polemischen Angriff und der Diffamierung der Andersdenkenden. Da muss ich Dich nicht erst extra in ein schlechtes Licht rücken. Das schaffst Du schon ganz allein und inzwischen wiederholt. Die Opferrolle passt nicht zu den ständigen Stänkereien. Das von Dir beschriebene Feindbild passt allenfalls auf eine sehr kleine Minderheit hier im Forum und selbst die sind mE nicht ganz so primitiv (und einseitig politisch motiviert) wie Du es permanent darstellst. Ich empfinde das daher als reine Strohpuppe damit Du dann wieder im üblichen Duktus vom Leder ziehen kannst. Im übrigen finde ich entsprechende Agitation auf beiden Seiten des Spektrums gleichermaßen entbehrlich und ermüdend. Und dann noch peinliche Titel für seine Gegner einzuführen, ist reichlich infantil.
BTT: Deinen Kompromiss habe ich schon verstanden. Meiner wäre sofern möglich eher mindestens einen der Blöcke weitgehend unverändert zu erhalten. Die anderen kann man mE durch Neubauten ersetzen wobei die Frage modern oder historisierend mE nicht von oben herab beantwortet werden sollte. Den Punkt mit der Quersubventionierung bezahlbarer Wohnungen finde ich wie gesagt gut, wenn es sich denn durchsetzen lässt. Aber mE ist auch das nicht allein abhängig von der Lösung bzgl Platte vs Neubau...
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^ Nein, diese Gebäude haben ihre Berechtigung als zusammenhängendes Ensemble. Hier nur einen Block zu erhalten, würde diese Ensemblewirkung zerstören. Straßen bzw. bauliche Ensembles müssen ja nicht immer einem idyllischen Schönheitsklischee entsprechen, um interessant zu sein.
Eine Aneinanderreihung von beliebigen Möchtegern-Luxuskästen à la "The Wilhelm" würde die Wilhelmstraße nicht unbedingt aufwerten. Sie würde dann eher zu einer uninteressanten Reichen-Wohnstraße mutieren ohne jeglichen Bezug zur jüngeren Geschichte.
Auch das Aufstocken um "zwei bis drei Luxusetagen", wie es Larry vorschlägt, wäre kein Kompromiss, sondern eine Zerstörung des Ensembles. Dabei würde nur ein uneinheitlicher optischer Murks rauskommen, der das Erscheinungsbild und die aus meiner Sicht recht anspruchsvolle Gestaltung der Blöcke ruiniert.
Wenn man die Wilhelmplatten nicht leiden kann, (dazu hat natürlich jeder das Recht), dann sollte man konsequenterweise eher den Abriss fordern als eine totale Umgestaltung, die nur ein Gewürge ergäbe.
Ich hatte meine Meinung bereits mehrfach kundgetan: Ich halte die Bauten für ein gute Beispiel gehobener Plattenbauweise und für ein durchaus ansehnliches Ensemble - und somit für absolut erhaltenswert. Eine behutsame Renovierung unter Beibehaltung des Erscheinungsbildes wäre sinnvoll, die Ladengeschosse und Außenanlagen sollten in größerem Umfang aufgewertet werden. Mehr ist aus meiner Sicht nicht nötig.
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Kompromissvorschlag
Ich möchte nochmals meinen Kompromissvorschlag ins Spiel bringen, von dem ich glaube, dass er allen Seiten entgegenkommt (natürlich ohne alle Wünsche erfüllen zu können):
[...] Als Kompromiss könnte ich mir vorstellen, Abrissgegnern und -berfürwortern jeweils eine Straßenseite zur Verfügung zu stellen:
1. Die Plattenbestand westlich der Wilhelmstraße bleibt erhalten und wird als städtebauliche Einheit von der Behren- bis zur Voßstraße unter Ensembleschutz gestellt. Die Häuser werden grundsaniert und behutsam aufgewertet, die ursprüngliche Fassadengestaltung und der Charakter als Plattenbau bleiben dabei erhalten.
2. Der Plattenbestand östlich der Wilhelmstraße wird zum Abriss freigegeben und nach und nach ersetzt. Neubauten haben sich in der Traufhöhe an den Platten auf der Westseite zu orientieren, um ein harmonisches Straßenbild zu gewährleisten.
3. Die derzeit als Parkplatz genutzte Fläche zwischen den Bäumen wird für Autos gesperrt und (z.B. von Grün Berlin) zu einer parkähnlichen Promenade mit Spielgeräten, Bänken, Restaurant-Terrassen, etc. umgestaltet. An zentraler Stelle informiert eine Tafel über die Geschichte des Platten-Ensembles und die politischen Umstände, aus denen es entstanden ist.
4. Für die Vermietung der Ladenlokale beiderseits der Straße werden Richtlinien entwickelt, die eine Mischung aus hochwertigem Einzelhandel, Gastronomie und Nahversorgung zum Ziel haben. Eventkneipen und Souvenir-Geschäfte, die auf Billig- und Party-Touristen zielen, werden allmählich zurückgedrängt.
Ergänzend zu Punkt 3 fiele mir noch ein, den Grünstreifen vom Rand in die Mitte der Straße zu verlegen. Damit würde sich der Straßenquerschnitt mehr an einem klassischen, urbanen Boulevard wie Unter den Linden oder dem Ku'damm orientieren, und das Plattenensemble hätte stärker als heute die Wirkung einer Blockrandbebauung.
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^^ In London werden heruntergekommene Sozialwohnsiedlungen aus den 60ern abgerissen, die weit weniger zentral liegen, als die Platten an der Wilhelmstraße und teils (meiner Meinung nach) noch ansehnlicher sind, als diese. Die Neubauten sind zeitgemäß und ästhetisch ansprechend und enthalten wieder Sozialwohnungen, sogar mehr als zuvor. Was ich damit sagen möchte: Der Abriss von Sozialwohnungen muss nicht deren Wegfall bedeuten. Wenn jemandem beispielsweise die Architektur des "The Wilhelm" nicht gefällt, kann ich das nachvollziehen, aber man kann sich hier ja auch noch andere Dinge vorstellen. Dass hier jedoch in ästhetischer und städtebaulicher Hinsicht keine wesentliche Verbesserung möglich sein, bzw. der architekturhistorische Verlust zu schwerwiegend sein soll, kann ich einfach nicht nachvollziehen.
Architektenkind: Wenn sich die Ausmaße dieses "Ensembles" halbieren würden, könnte ich damit schon gut leben.
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Ich finde diese ganze Debatte ziemlich absurd. Die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte hat mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Linken eine Erhaltungsverordnung für dieses Gebiet beschlossen, die die Erhaltung dieses Gebietes festschreibt. Angesichts dieses Votums kann man doch nicht ernsthaft behaupten, dass dieses Gebiet umstritten wäre.
Nur weil eine ganz kleine Truppe von eingefleischten Rekoaktivisten beharrlich Stimmung in Internetforen macht, werden diese Mehrheitsverhältnisse doch nicht geändert. In einer Demokratie entscheiden Mehrheiten, und die ist in diesem Fall doch sehr eindeutig, und nicht irgendwelche Randgruppen. -
Die DDR brachte gerade einmal 16 Mio. Einwohner in die Wiedervereinigung mit und dafür, wie klein dieser deutsche Staat war, dominiert er und seine gebürtigen Einwohner die gemeinsame Bundesrepublik sogar ziemlich überproportional, wie ich meine. Gäbe es eine "Ostdeutschen-Quote", so wäre sie in der Bundespolitik klar übererfüllt. Aktuell sind zB gleich zwei gebürtige Ostdeutsche Kanzler und Präsident. Analog im vereinten Berlin, da geht es städtebaulich doch seit 26 Jahren nahezu nur um den ehemaligen Ostteil. Also über Zurückstellung können sich weder "gelernte DDR Bürger" noch die Neuen Länder und deren Städte in irgend einer Form objektiv beklagen, eher ganz im Gegenteil.
Es gab guten DDR Städtebau. Den Fernsehturm stellt ebenso niemand ernstlich in frage, wie den Friedrichstadtpalast und vieles andere. Gäbe es eine spezifische Ablehnung von "allem aus der DDR", dann wäre dies sicherlich anders. Es gab aber auch richtig viel Murks, Geschmacklosigkeit und Piefigkeit. Die "Bonzen-Platten" gehören absolut in diese Kategorie und sind genauso wenig als Bauten erhaltenswert, wie es irgendwelche piefigen West-Platten sind. Und wenn man sich mal anschaut, was so im ehemaligen Westberlin ohne nennenswerte Proteste abgerißen wurde, man denke an das nun wirklich nicht minderwertige Schimmelpfenghaus, dann gibt es durchaus eine gewisse "Mimosenhaftigkeit" bzgl. Abriß von DDR Bauten.
Alles hat seine Liebhaber, Geschmäcker sind verschieden, aber wären diese Typenbauten in der Wilhelmstraße auch objektiv von solch einer Bedeutung, wie sie subjektiv von einigen empfunden wird, dann stünden diese schlicht und ergreifend unter Denkmalschutz und man müsste sich nicht mit dem schwachen Vehikel der Erhaltungsverordnung behelfen.
Und in der Wihelmstraße, wo Botschaften sitzen, Ministerien, da kann es niemanden überraschen, dass das jetzt nicht gleichzeitig auch zwingend die Wohnlage für Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins sein muss. Und dass man mit der elenden Symbolpolitik gerade hier soviel Zeit, Kräfte, Ressourcen, Aufmerksamkeit bindet - ich meine verplempert - erweist der Gesamtstadt mit ihren großen Problemen einen Bärendienst (schadet ihr nämlich eher). Die "Gentrifizierung" und die Frage, "wem gehört Berlin", wird definitiv nicht in der Wilhelmstraße entschieden.
Nein, es geht hier um das, worum es in Berlin doch seit Jahren überall geht. "Wem gehört die Stadt", usw. Politik und Soziales, nicht Architektur. Und daher können wir das zumindest hier in einem Architekturforum auch nicht behandeln.