Die Betonelemente am Kanzleramt altern ebenso wenig mit hübscher Patina. Das ist aber in der Tat weniger ein Material- sondern ein Konzeptproblem (klar kann man Naturstein auch schlecht verbauen). Wenn man mit "cleanen Entwürfen" arbeitet, die auf der Visu und vielleicht am Eröffnungstag eben so "toll clean" aussehen sollen, dann hat man in meinen Augen generell versagt. Ein Entwurf muss auch in Jahren und Jahrzehnten, entsprechende Instandhaltung vorausgesetzt, überzeugen. Ähnlich einem Mensch; als junger Teenie ganz gut auszusehen, solange man etwas Sport treibt, ist nun wirklich keine Kunst. Aber je älter man wird, umso mehr ist man von Altersgenossen umgeben, deren Attraktivität deutlich nachlässt. Ansehnlich zu altern ist nicht trivial. Ob für Mensch oder Gebäude.
Derzeit vermag ich ehrlich gesagt keinen Grund zu sehen, warum langfristig das Humboldtforum eine so lange Lebensspanne haben sollte, wie die davon bautechnisch getrennt aufgemauerte Rekofassade des Stadtschloss (auf drei Seiten).
Man wird sich aus ästhetischen Gründen in einigen Jahren mit ziemlicher Sicherheit dazu entscheiden, die Reko zu komplettieren, wenn vielleicht die "neurotischen" Nachkriegsgenerationen auch keine Rolle mehr spielen sondern es pragmatischer zugeht.
Und so zurückhaltend wie Stella geplant hat - er hat gerade nicht auftrumpfend versucht einen "Bruch zwischen Alt und Neu" mit Show-Effekten der Moderne zu setzen, a lá Glaspyramide in Versailles usw. - würde mich nicht einmal wundern, wenn er das insgeheim sogar goutieren würde bzw. "eingepreist" hat.
Denn wenn sich ein Architekt solange mit einem großartigen Gebäude wie dem alten Stadtschloss befasst - das musste er, um seinen Beitrag abzugeben, definitiv - dann kann der doch kaum anders, als großen Respekt für dieses über Jahrhunderte gewachsene Gebilde, an dem zahlreiche Generationen von Architekten, Bildhauern usw. mitwirkten, zu entwickeln.
V. a. wenn man kein Nachkriegsdeutscher mit den entsprechenden Neurosen ist, sondern Italiener. Wo man ganz anders und ideologisch unbefangener mit baulichem Erbe umgeht, vgl. das was die Nationalisten in Italien geschaffen haben und was ganz selbstverständlich gehegt und gepflegt wird, wie tolle Bauten jeder anderen Epoche auch, ohne sich dabei ständig in jedem Nebensatz von faschistischer Ideologie abgrenzen zu müssen (vgl. dieses Wahrzeichen Roms, was noch heute als Staatssymbol Italiens gilt und seinerzeit von Nationalisten angeschoben und unter Mussolini fertiggestellt wurde). Dementsprechend "fehlt" ihm vermutlich auch das politische Sendungsbewusstsein, was es für deutsche Architekten ja sichtlich "unerträglich" sein lässt, historische Architektur jenseits von dem ollen "bewussten Bruch zwischen Alt und Neu"/Ruinenkult oder "kritischer Rekonstruktion" zu ertragen (wir Deutschen brauchen es halt "kritisch", deutsche Akademiker allemal).
Darum waren beim Wettbewerb zum Humboldtforum soviele verkorkste Entwürfe aus Deutschland dabei, zahlreiche davon vollkommen unsinnige politische Profilierungsentwürfe, die ganz bewusst die Vorgaben mißachteten und somit die Zeit aller Beteiligten verschwendeten. Somit ist es auch gar nicht erstaunlich gewesen, dass ein Italiener kommen musste, um einen Entwurf zu liefern, der die Vorgaben erfüllt und dabei - das ist doch eigentlich das Merkmal des Humboldtforum schlechthin - zurückhaltend dem Gesamtkunstwerk der drei historischen Fassaden das Canvas liefert.
Schaut euch die Arbeiten doch an, glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass die Ostfassade "für die Ewigkeit" gebaut wird? Ganz anders, wie gesagt, die drei Reko-Fassaden. Dickes Ziegelmauerwerk, darauf die klassische Fassade. Das ist "für die Ewigkeit" gebaut. Nicht nur optisch - sondern konzeptuell. Siehe schon mein Eingangsstatement, alle fixieren sich immer nur auf den optischen Unterschied zwischen Rekofassaden und Humboldtforum. Der Unterschied liegt jedoch, wenn man die ohnehin rein menschlich-subjektive Ästhetik wegabstrahiert, in Materialität und Bautechnik. Die Rekofassaden wären ja auch mit weniger werthaltigen Konzepten umsetzbar gewesen, wenn es nur um die Optik gegangen wäre. Billiger dazu.
Stella wollte, genauso wie die Schlossfreunde, die Reko für die Ewigkeit. Und er hat sich dabei so im Hintergrund gehalten mit seiner Humboldtforum-Ergänzung, dass eine spätere Voll-Reko offen bleiben kann - auch das ganz bewusst, meine ich.