Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Ich muss sagen besonders die räumliche Wirkung der Agora war überwältigend - insbesondere wenn man sich das riesige historische Innenpoetal noch dazu vorstellt!


    Darauf bin ich auch mit am meisten gespannt. In meinen Augen wird hier ja auch nicht wirklich das Stadtschloss rekonstruiert, das ist nur Marketing. Stella macht Berlin hier wirklich ein Geschenk. Alle anderen Wettbewerbsbeiträge haben sich recht oberflächlich tatsächlich nur entlang der Kompromisslinie "kritische Rekonstruktion" bewegt, Stella hat darüber hinaus gedacht.


    Hier wird ein neues Museum errichtet und zu dessen Ausstellung gehört eben auch einfach eine Freileiftausstellung "Berliner Barock", ähnlich den recht originalgetreuen Nachbauten im Pergamonmuseum. Der Altar und das Tor und so weiter. Die wirken dort ganz enorm und zu keinem Zeitpunkt "kitschig" o. ä., entsprechend wird auch das Innenportal im Humboldtforum vermutlich gerade erst durch den Verzicht der Rekonstruktion des gesamten Innenhofes so richtig wirken, so richtig zum Eye Catcher, zum gigantischen Exponat.

  • Ich denke auch, dass Stella den Wettbewerb gewonnen hat, weil er für das Gebäude und seine Struktur die mit Abstand beste Idee hatte. Er bindet viele historische Elemente ein, denkt aber die Struktur sinnvoll und organisch weiter. Er war der einzige, der wirklich weiter gebaut hat, aber dabei sein Ego zurückgestellt und im Sinne des Grundbaus diesen auf die nächste Stufe gehoben hat.


    Aus meiner Perspektive ist der Stellabau im Vergleich zum alten Schloss was die Anlage und die Grundrissgliederung angeht der bessere Bau, insbesondere wenn man die heutigen Nutzungsanforderungen mit einrechnet. Die Querung des Gebäudes von Nord nach Süd ist sicherlich der große Glücksgriff, eine Struktur, die so aussieht, als wäre sie immer so geplant gewesen, insbesondere dass Stella dabei die historischen Innenportale rekonstruiert ist ein Glücksgriff, weil er so eine Verbindung auch nach innen schafft.


    Gleiches gilt für die Agora. Sie führt den Forumsgedanken weiter, ohne die Historie des Ortes völlig zu negieren. Das ist der große Verdienst von Stella, der große Respekt vor dem was war und dass sinnvolle und logische Weiterdenken der Strukturen.


    Der einzige große Schwachpunkt sind aus meiner Sicht die viel zu trivial geratenen modernen Fassaden. So raffiniert und durchdacht die Grundstruktur des Gebäudes ist, so wenig überzeugen die Fassaden leider. Es ist einfach zu wenig Detail. Aber in der Summe ist dies sicher ein behebbarer Fehler.

  • Ich vermute - und denke, dass dies auch mit Sicherheit so ist - dass Stella hier ganz bewust eine "moderne" Fassade geschaffen hat, die keiner vermissen wird, wenn man sich in 20 Jahren auch für eine Reko dieser Fassade entscheiden sollte und die auch nicht auftrumpfend-revanchistisch versucht zu zeigen "Schaut her, moderne Architektur ist doch sooooviel besser" und das gesamte Gebäude durch eine "Showeffekt-Fassade" zu einer Travestie gemacht hätte. Es gab ja zahlreiche "Protestentwürfe" anderer Architekten, die genau das versuchten.


    Stellas moderner Unterbau hält sich zurück, wie dies moderne Ausstellungsgebäude eben machen um die Exponate ganz für sich selbst wirken zu lassen. Wie gesagt, ich halte die Barockarchitektur selbst für einen Teil der Exponate des neuen Humboldtforum, Wenn man auf diesen Dreh einmal gekommen ist wird man einen ganz anderen Blick auf das Projekt haben.

  • Ja, Pumpernickel, die Hoffnung stirbt zuletzt. Eine Reko der Ostfassade nach 20 Jahren - wie von Dir gewünscht - käme jedoch nur in Frage, wenn sich auf dem MEF etwas täte. Meine Einschätzung ist jedoch, dass die Anhänger der historischen Stadt an der Spree aufgegeben haben. Und das hat viele Gründe.


    1. Die Befürworter von Schlossreko, Schinkelplatz, Reko der Kommandantur und Wiederbegrünung des Lustgartens kamen überwiegend aus dem ehem. Westteil der Stadt. Für einen Charlottenburger war an der Spree immer die Kulturgrenze, "zum Alex" ist schon meine Oma nicht gefahren. Das machte man schlicht nicht.


    2. Das sich ergebende Ensemble vom Friedrichsforum zum Schloßplatz inkl. Museumsinsel ist herrlich zusammenhängend und kompakt. Den meisten Anhängern des historischen Berlin wird das reichen.


    3. Die Nachkriegsmoderne hat zunehmend Befürworter und die Entscheider der Stadt sind allesamt überalterte Modernisten, die die DDR-Gestaltung des Zentrums als Alleinstellungsmerkmal retten wollen. Auch nach Regula Lüscher wird ja kein Senatsbaudirektor kommen, der seine Leidenschaft für die die kleinteilige Innenstadt entdeckt. Eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse in Berlin ist ausser Sicht und selbst wenn die CDU wieder erstarkte würden wir wir wahrscheinlich städtebaulich im Modernismus bleiben. Zudem bringt eine solche Mitte wohnungswirtschaftlich nichts, da die Volumina der Neubauten im Vergleich zu den anderen Vorhaben immer marginal bleiben werden.


    4. Die Stadt Berlin vor 1850 mit ihrer vielhundertjährigen Tradition wird zwischen diesen beiden Polen zerquetscht. Kein Mensch interessiert sich für einen Bau des Vorklassizismus, also des Barock. Die wenigen Bauten des Barock, die Berlin überlebt haben (ist ja nur eine Handvoll) wurden nach 1990 ruiniert. Das Kollegienhaus an der Lindenstraße hat nach dem Umbau zum jüdischen Museum seinen Dreiflügelgestus durch die Überbauung des Hofes verloren. Das Magnushaus am Spreeufer wird nun von Siemens vergewaltigt. Barock gilt in Berlin als vormodern und kitschig, die Geschichte qualitätvoller Architektut beginnt für die meisten Architekten eben mit den Schinkelschen Kuben.


    Zudem muss man sich doch anschauen, was die Veränderungsbefürworter zu bieten haben. Außer der Planungsgruppe Stadtkern haben die Alliierten einer Umgestaltung doch nur hypertrophe Idee: "Ein Ort für die Welt", fordert die "Stiftung Zunkunft" - drunter gehts nicht. Bei den Ansprüchen kann auf dem MEF und dem RF keine Stadt entstehen.

  • Nicht nur die Entscheider in der Politik sind überalterte Modernisten. Ein Blick auf die Architektenschaft (und welche Architekten sich gegenseitig in Baukollegien und Wettbewerbsjurys berufen) bzw. welche Architekten Wettbewerbe gewinnen - die deutsche Architektur und der deutsche Städtebau hat ein massives Überalterungsproblem, die alt68er und Babyboomer klammern sich an ihre Stühle und machen keiner jüngeren Generation Platz, sowas wie "junge Wilde" gibt es in der deutschen Architektur schon gar nicht sichtbar. Alles sehr etabliert, repetiert, x-te Aufguß des immergleichen ollen Bauhaus (und obwohl seit Uropas Zeiten im Kern unverändert immer noch stolz das Schild des "Progressiven" vor sich hertragend, so das schmeichelhafte Selbstbild).


    Und die demografische Zukunft Deutschlands ist bekannt, d. h. das wird sich eher noch weiter so zementieren und junger, neuer Geschmack wird es in Zukunft noch umso schwerer haben. Die Generationen, in deren Jugend unsere Städte massiv "modernistisch" umgestaltet wurden werden sich - so wie das halt jede Generation macht - nostalgisch an ihren Jugendgeschmack klammern.


    Aber wenn nicht in 20 Jahren.. niemand lebt ewig, auch nicht die alt68er. Es wird auch wieder eine andere Zeit mit einem anderen Blick auf Architektur und Städtebau geben. Nur aus der Perspektive unseres kurzen Lebens sind Jahrzehnte bedeutende Zeiträume. Stella hat beim Humboldtforum alle Optionen offen gelassen, wirklich alle. So wenig eigenes Ego, soviel Demut für der Leistung früherer Kollegen, konnte es wohl mit deutschen Architekten einfach nicht geben, es musste ein ausländischer Architekt kommen, um solch einen Beitrag zu liefern. Es war ja vielsagend, dass ein in Deutschland namentlich vollkommen unbeleckter Architekt den Zuschlag erhielt, anstatt den üblichen Verdächtigen, die natürlich auch alle ihre subtil hasserfüllten, die historische Reko sabotierenden, Beiträge ablieferten. Hätte es Stella nicht gegeben, dann hätte man tatsächlich eines dieser Machwerke (in Ermangelung einer Alternative) auswählen müssen und ich bin froh, dass dies an uns vorüber ging und es Herrn Stella gibt.

  • Ja mei, dann müssen es eben die jungen Wilden um Patzschke, Nöfer und den anderen reaktionären Langweilern richten oder die Partyhopper rund um die Gesellschaft für ein historisches Berlin. Allesamt Jungspunde.

  • Nicht nur die Entscheider in der Politik sind überalterte Modernisten. Ein Blick auf die Architektenschaft (und welche Architekten sich gegenseitig in Baukollegien und Wettbewerbsjurys berufen) bzw. welche Architekten Wettbewerbe gewinnen - die deutsche Architektur und der deutsche Städtebau hat ein massives Überalterungsproblem, die alt68er und Babyboomer klammern sich an ihre Stühle und machen keiner jüngeren Generation Platz, sowas wie "junge Wilde" gibt es in der deutschen Architektur schon gar nicht sichtbar.


    Ich finde es beeindruckend mit welchem fachlichen Unwissen hier von der eigenen Meinung auf eine Unprogressivität einer Berufsgruppe geschlossen wird. Architekur bleibt und ist modern. Was heutzutage zählt sind bessere Deailierungen, Materialität und größere Sensibilität mit dem Ort, aber dennoch bleibt der Grundzug der Moderne.


    Nachtrag: Architekturausbildung und Anschauung junger Architekten bleibt und ist modern.

  • Ich wusste gar nicht, dass subjektive Beurteilungen (deine ist ebenso subjektiv wie meine) "Unwissend" sein können, du tust gerade so als wäre Zeitgeschmack naturwissenschaftlich quantifizierbar und somit absoluten Urteilen wie "richtig" oder "falsch zugänglich - was evident nicht der Fall ist. Dennoch wischt du meine Ausführung, mit der inhaltlichen Begründung die man mit "Isso" zusammen fassen könnte, vom Tisch. Es scheint wohl notwendiger, als ich dachte, etablierte Begriffe von Architektur zu hinterfragen und den Mief von 100 Jahren "Moderne" auszulüften.


    Euch Freunde der Moderne wird das selbe Schicksal ereilen wie Freunde aller zuvor einmal progressiven und inzwischen historischen und überkommenen Zeitgeschmäcker auch. Es gibt keinen Grund, "ein Ende der Geschichte" anzunehmen und doch scheinst du zu denken, dass gerade dein favorisierter Geschmack wortwörtlich zeitlos sei. Denk mal mit einem Schritt Abstand darüber nach. Und angesichts dessen, wie lange es die Moderne schon gibt, gibt es allen Grund anzunehmen, dass diese ihren Zenit bereits überschritten hat und deine Generation im Alter einmal genauso beharrend und reaktionär die Moderne gegen den dann neuesten Zeitgeschmack verteidigen wird, mit dem selben Brustton der Überzeugung von dessen Zeitlosigkeit und Überlegenheit, wie dies die Freunde des Klassizistischen gegenüber dem Bauhaus damals taten, und davor und davor und davor... Sag bloß dir ist der Gedanke nie gekommen?


    Schöne Ironie, dass zu diesem Aufbrechen der modernistischen Konvention eine Barockreko hilfreich zu sein scheint. Von solchen Leitbauten gehen stets Impulse aus. Es wird junge Architekten inspirieren, wie das Humboldtforum mit seinem harmonischen Nebeneinander von Barock und Moderne funktioniert. Neues entsteht schließlich stets aus Synthese und Neukompositionen des Alten.

  • Nein, ich wische das nicht weg. Ich bezweifle nur, dass Du den nötigen Einblick in die Nachwuchsarchitekturszene hast und lediglich aus Deinem eigenen Empfinden heraus argumentierst.

  • Aber du hast den vollen, objektiven Durchblick?


    Epochenwandel erkennt man immer erst hinterher und mit zeitlichem Abstand, nie aus der Situation heraus. Es gab auch nach dem ersten Bauhaus reichlich mittelmäßige Architekten, die noch lange gründerzeitlich angelehnt bauten.


    Was nichts daran ändert, dass die Zeit des Gründerzeitlichen da schon abgelaufen war. Analog wird es auch mit dem nächsten Übergang laufen, außer du denkst tatsächlich, dass die Moderne Ende und Schlusspunkt der gesamten Architekturgeschichte bilden wird.


    Man denke nur als wie progressiv Mies van der Rohe noch in den 60ern galt, heute ahmt ihn jeder Provinzarchitekt nach.

  • Es gibt einfach nirgends in der westlichen Welt eine akademische Abwendung von der Moderne. Das einzige was es gibt ist die Vorliebe einiger Investoren Zuckerbäckerarchitekten zu engagieren, um eine äesthetisch konservative Klientel zu bedienen. Das sind vielleicht zehn Prozent der Bauvorhaben, und das gibt es unter dem Begriff 'New Urbanism' seit den 80ern, ist also nicht neu. Daüber hinaus gab es seit den 70ern die Postmoderne. In der Nachkriegszeit hat man auch oft konservativ gebaut (z.B. Münster). Eine Exklusivität der reinen Moderne hat eigentlich nicht lange existiert. Daher gibt es auch keine Gegenbewegung in den Universitäten. Man entwirft heute mit wesentlich mehr Sensibilität. Daher macht die alte ideologische Unterscheidung heute auch wenig Sinn. Sie bricht immer nur im Umgang mit bestehender moderner Stadtplanung aus den 60ern, oder bei historischen Rekonstruktionen auf. Bei Neuplanungen liegen die beiden nicht sehr weit enfernt. In der Stadtplanung sind Blöcke mit öffenlichen Nutzungen im EG selbstverständlich, genauso wie Komplexität und Wertigkeit. Das Äquivalent gilt m.E. in der Architektur im städtischen Kontext.

  • Könntest Du uns dann , bester Tomov, einmal mit ein paar Beispielen darüber aufklären welche bauten in Deutschland diese von Dir angeführte weltweit einzigartige "akademische Abwendung von der Moderne" illustrieren?


    Zu Stella: "Nachwuchsarchitekt" kann man da ja nicht sagen.

  • Okay, nächster Versuch: Du bist der Ansicht, dass es nirgends in der westlichen Welt eine Abkehr von der Moderne gibt, nur in Deutschland (da aber eher nachrangig und getragen von Bauträgern, die ihre geschmacklich konservative Klientel betriedigen wollen)?

  • Wie wärs ihr alle kommt man aus eurer Bipolaren Kindergartendiskussion heraus, beschäftigt euch mit Architekturgeschichte und differenziert erstmal die Begrifflichkeiten. Wie hier mit <Rekonstruktion>,<Moderne>,<Bauhaus> und <Zuckerbäckerstil> im quadrat geschmissen wird ist echt armselig.
    Es ist mir schon klar das ihr euch Polemisierend gegenübersteht und deswegen gefährlich vereinfachend alles über einen Kamm schert, aber was habt ihr davon außer einer unsachlichen Diskussion.
    :nono:
    Wie hier Bau-LcFr, Pumpernickel und Konstantin mit ihren sprunghaften [Fast-Nicht] Argumentationsstil hier alles vedrehen und zu einer Breiigen Masse zusammenschustern ist echt der Wahnsinn.

  • Wie hier Bau-LcFr, Pumpernickel und Konstantin mit ihren sprunghaften [Fast-Nicht] Argumentationsstil hier alles vedrehen und zu einer Breiigen Masse zusammenschustern ist echt der Wahnsinn.


    Ich erinnere mich nicht, in den letzten Wochen was in diesem Thread geschrieben zu haben, dafür ist das Zitat ein Beispiel eines besonders schlechten Stils mit Beleidigungen anstelle der Argumente (daher kann man nicht mal vom Argumentationsstil reden). Wie sich die gesamte Architektur entwickeln wird, ist ein breites Thema (dass die Moderne inzwischen ein Jahrhundert auf dem Buckel hat, stimmt dennoch) - OnTopic ist hingegen, dass ich auf eine Barockisierung der Stella-Fassade in 1-2 Generationen hoffe, selbst wenn ich diese nicht erlebe. Das werde ich nicht mal besonders begründen, nur mit dem Recht auf freie Meinung.

  • Was soll denn das für eine Barockisierung der Ostfassade sein ? Das Original in Gestalt des Apothekerflügels jedenfalls war nicht barock.