Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Die Frage, ob das Humboldtforum wirklich ein Erfolg wird, werden wir bestenfalls in zehn Jahren entscheiden können. Erst dann werden wir den Alltagsbetrieb dieses Hauses beurteilen können.


    Derzeit steht das Gebäude jedenfalls nicht für Berlin, und das hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Es ist eben kein Vorhaben der Berliner Stadtgesellschaft, sondern ein Projekt, das von außen von einer intransparent besetzten "Expertenkommission" durchgesetzt wurde. Daher bin ich sehr skeptisch, dass das Humboldtforum wirklich zu einem Teil Berlins wird. Natürlich könnte es einer klugen Leitung gelingen, das Projekt dennoch in der Stadtgesellschaft zu verankern, aber dazu müsste man es völlig neu codieren.


    Zur Zeit jedenfalls ist es ein ganz anderer Ort, der für Berlin steht: Das Tempelhofer Feld. Das haben sich die Berliner nämlich - im Gegensatz zum Humboldtforum - selbst erkämpft.

  • Die Platzgestaltung am Brandenburger Tor ist doch das beste Beispiel dafür, wie man einen sowohl repräsentativen als auch bei den Menschen beliebten Stadtplatz mit hoher Aufenthaltsqualität schafft. Zudem hat ein so wichtiges Museumsgebäude wie das Schloss auch eine würdigere Umgebung verdient als die bisher geplante, trostlose Steinwüste.


    @ JanM. Restrigo: Abgesehen davon, dass man schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr mit Pferdekutschen unterwegs war, stammt dieses Scheinargument gegen eine am historischen Vorbild orientierte Platzgestaltung eigentlich von Senatsbaudirektorin Lüscher.

  • Wusste gar nicht, dass das originale Schloss auf einer Entscheidung der "Stadtgesellschaft" (Definition?) beruhte? Trotzdem wollte es damals sicher keiner missen.


    Wo willste es denn hincodieren? Derzeit steht wohl eher die Baustelle für Berlin. Das Gebäude inkl. Inhalt gibt es ja noch nicht. Wenns fertig, ist der erste Schritt schon mal getan. Alle Berliner werden hinrennen, gerade solche, die noch nie in Dahlem waren, weil es einfach zu weit weg ist von Pankow aus, sofern man überhaupt von den dortigen Museen wusste. Schulklassen werden auch hingehen. Die Kinder werden dann wiederum ihre Eltern hinschleppen und diese dann die Verwandten aus Saarbücken usw. Das wird schon, Klari, keine Sorge.

  • Es wäre schon interessant gewesen, wofür sich die Berliner entschieden hätten. Vielleicht für einen Park? Es kann ja nie genug Parks und Grün geben. Da Berlin Hauptstadt ist, ist aber die Frage, ob das hier eher ein Ort für Berliner oder für Touristen ist, die sich unsere schöne Hauptstadt anschauen wollen.

  • Derzeit steht das Gebäude jedenfalls nicht für Berlin, und das hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Es ist eben kein Vorhaben der Berliner Stadtgesellschaft, sondern ein Projekt, das von außen von einer intransparent besetzten "Expertenkommission" durchgesetzt wurde. Daher bin ich sehr skeptisch, dass das Humboldtforum wirklich zu einem Teil Berlins wird.


    Immer wieder super - wenn die Experten zum "falschen" Ergebnis kommen, muss irgendwas faul gewesen sein. Und die jeweils über 500 Mitglieder von 3 Bundestages, die das dreimal beschlossen haben waren eben alles dumme Schafe. Mann-o-mann: der Wunsch das Projekt kaputtzureden ist ja nun wirklich nachvollziehbar, aber ein bisschen mehr Größe sollte man nun schon haben.


    Da jetzt eine "intransparent" zusammengesetzte Jury (die waren doch alle mit Namen und Adresse öffentlich) verantwortlich zu machen, na ja. Die haben auch nicht den Hybrid empfohlen, sondern eine umfassendere Reko. Und da war dann ja noch der weltweite erste Wettbewerb (also nicht der zweite mit der Vorgabe drei Fassaden wieder Barock herzustellen). Dieses Bestiarium "zeitgenössischer" Architektur, das seinerzeit eingereicht wurde sollte man in hoher Auflage drucken lassen und für Architekturstudenten zur Pflichtlektüre erklären.

  • @Architektator und Spreetunnel: Mir ist egal was Lüscher sagt. Was ich mit den Pferdekutschen überspitzt meinte ist dass das heutige Verkehrsaufkommen von PKW nicht mit der damaligen Freiraumgestaltung um das Stadtschloss vereinbar ist. Was wollen Besucher in Berlin? Ein schön anzuschauendes historisches Berliner Stadtschloss und ein modernes Verkehrssystem mit angemessen breiten Straßen, Gehwegen und einen gut ausgebautem ÖPNV. All dies hat (bzw. bekommt durch die U5) Berlins historische Mitte zur Zeit.
    Allerdings könnte man den Straßenbelag und den Gehwegbelag austauschen, was den Freiraum nicht mehr so karg erscheinen lassen würde.

  • Würde man das Schlossumfeld historisch rekonstruieren würde das zumindest auf der Lustgartenseite absolut kein Problem mit den " modernen" Verkehrsaufkommen mit sich bringen. Ich wäre sogar bereit ein weiteres mal nur für die Schlossterassen zu spenden. Dadurch würde das Umfeld nur gewinnen. Es wäre durch die orginalen Rossbändiger und dem Brunnen nur noch autentischer.

  • Auf der Schloßplatzseite (Südseite) war die historische Straßenführung trotz der damaligen Umfeldgestaltung sicher viel großzügiger und autogerechter als die jetzige.
    Damals mußte man nämlich auf Höhe der Schlossfreiheit nicht auf engstem Raum zweimal im rechten Winkel rumkurven.
    Früher fuhren dort sogar mal Straßenbahnen, heute haben Busse (vorallem Reisebusse) reichlich Probleme sich durch diese Schikane zu quälen.


    Auf der Lustgartenseite (siehe auch die vorherigen Beiträge) würde eine historische Gestaltung den heutigen Verkehr überhaupt nicht berühren bzw. verändern.


    Ich verstehe nicht weshalb sich eine historische Gestalltung nicht mit modernen Verkehrsbedürfnissen (was auch immer das in diesem Fall sein mag) vertragen sollte.


    Einzig die Tiefgaragenzufahrt an der Südostecke und die veränderte Ufermauer zur Spree (Überbleibsel der sogenannten Palastwanne) stehen einem detailgetreuen historischen Schlossgarten im Wege.


    Wobei die Historie allerdings stören könnte, wäre die heute übliche Straßenreinigung mit Kehrmaschinen.
    Man müßte vielleicht jemanden bezahlen der auf den Schlossterassen einen "historischen" Besen in die Hand nimmt, von der vernünftigen Pflege der Grünanlagen mal ganz zu schweigen.



    Gruß, Jockel

  • Hier ein sehr ausführlicher Clip mit allen erdenklichen Perspektiven auf und in das Schloss :daumen:



    https://youtu.be/X_ehXBfm9Gs


    Es ist auch viel junges Publikum zu sehen, dass sagt mir ( da kann ich auch für mich sprechen), dass dieses Projekt auch Generationen übergreifend sehr interessiert verfolgt und angenommen wird.

  • Dieses Bestiarium "zeitgenössischer" Architektur, das seinerzeit eingereicht wurde sollte man in hoher Auflage drucken lassen und für Architekturstudenten zur Pflichtlektüre erklären.


    Ich habe deine Anmerkung zum Anlaß genommen, mir den Katalog der damaligen Entwürfe noch einmal zu Gemüte zu führen.


    Da war ein Backstein-Rohbau ohne Inhalt, der dem, was wir heute in Beton erleben, ähnelte, eine Verdoppelung des Palastes der Republik, eine bizarre Ansammlung von Blöcken, ein Vergnügungpark mit Schloss-Elementen, das gleiche mit Bäumen, eine Beach-Volleyball-Sportanlage, ein Glaskkasten, dem das Abbild der Schloßfassade auf die Scheiben geätzt war und sogar ein richtiges Disneyland, nämlich ein Schloß Neuschwanstein.


    Kein einziger dieser Entwürfe kam auch nur annähernd an das heran, was das Schloß an dieser Stelle ausstrahlte - und künftig bewirken wird. :locked:


  • Derzeit steht das Gebäude jedenfalls nicht für Berlin, und das hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Es ist eben kein Vorhaben der Berliner Stadtgesellschaft, sondern ein Projekt, das von außen von einer intransparent besetzten "Expertenkommission" durchgesetzt wurde. Daher bin ich sehr skeptisch, dass das Humboldtforum wirklich zu einem Teil Berlins wird. Natürlich könnte es einer klugen Leitung gelingen, das Projekt dennoch in der Stadtgesellschaft zu verankern, aber dazu müsste man es völlig neu codieren.


    Das ist ein etwas "unfairer" Vorwurf. Die Museumsinsel oder allgemein die Staatlichen Museen zu Berlin sind, anders als bspw. die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, ja auch keine Landesinstitutionen, in diesem Fall Berlins. Dementsprechend fällt auch der finanzielle Anteil Berlins beim Stadtschloss recht bescheiden aus. Ein Projekt von diesem Investitionsumfang hätte sich die "Berliner Stadtgesellschaft" niemals leisten können.


    Zur Zeit jedenfalls ist es ein ganz anderer Ort, der für Berlin steht: Das Tempelhofer Feld. Das haben sich die Berliner nämlich - im Gegensatz zum Humboldtforum - selbst erkämpft.


    Ich finde es fast etwas ulkig, dass du als Gegenbeispiel den Erhalt einer grünen Wiese (von der nach der geplanten Bebauung ein Großteil geblieben wäre) bringst. Der Vergleich ist etwas abstrus.

  • Ich möchte fürs Forumsprotokoll dann doch mal festhalten dass klarenbach ausgerechnet das Tempelhofer Feld als Platz ausmacht, welcher für Berlin steht. Eine Platzanlage mit militärischem Hintergrund und wesentlich geprägt und angelegt von Gestalten die mit dem Geist von Berlin zum Glück heute nichts mehr zu tun haben. Da sind mir die Humboldts bei allen inhaltlichen Schwächen des Projektes dann doch viel lieber und stehen viel eher für Berlin als die Erschaffer dieser Platzanlage.

  • Ja, das ist eine der Eigentümlichkeiten in den Diskussionen. Bei der Garnisonkirche sind die Ereignisse des NS-Zeit das Argument auf die Wiederherstellung des Baus zu verzichten, in Berlin steht ein NS-Bau angeblich für das neue Berlin.


    Hier sieht man deutlich, dass die Sachargumente offenbar keine Rolle mehr spielen, sondern die persönliche oder/und politisch-kollektive Bedeutungszuschreibung. Ist ein positives Ereignis mit dem Bau verknüpft (hier aus Sicht Klarenbachs der Sieg in der Volksabstimmung über den Senat) kann alles umgedeutet werden.

  • Derzeit steht das Gebäude jedenfalls nicht für Berlin, und das hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen. Es ist eben kein Vorhaben der Berliner Stadtgesellschaft, sondern ein Projekt, das von außen von einer intransparent besetzten "Expertenkommission" durchgesetzt wurde. Daher bin ich sehr skeptisch, dass das Humboldtforum wirklich zu einem Teil Berlins wird. Natürlich könnte es einer klugen Leitung gelingen, das Projekt dennoch in der Stadtgesellschaft zu verankern, aber dazu müsste man es völlig neu codieren.


    Lieber Klarenbach, du hast vielleicht schon mitbekommen, daß Berlin seit einigen Jahren wieder die Hauptstadt Deutschlands ist. Zentrale Orte dieser Stadt sind damit (wieder) zu zentralen Orten der Deutschen geworden. In Berlin ereignet sich nicht nur Berliner Geschichte, sondern auch deutsche Geschichte.


    Und Berlin profitiert von dieser Entwicklung enorm. Zentrale Bauprojekte in Berlin sind nur dadurch möglich geworden, weil sie vom Bund auf Bundesebene gehoben worden sind. Bestes Beispiel sind die Bau- und Renovierungsmaßnahmen auf der Museumsinsel, die nicht nur von der Berliner Stadtgesellschaft, sondern vom bundesdeutschen Steuerzahler finanziert werden. Museumsinsel oder Stadtschloss sind nicht nur Orte einer Stadtgesellschaft, sondern Orte aller Deutschen.


    Was die von dir erwähnte "intransparent besetzte Expertenkommission" angeht:
    Es gibt offensichtlich Menschen, die einen Bundestagsbeschluss nur dann als demokratisch bezeichnen, wenn er mit den eigenen Interessen übereinstimmt.

  • ... "Entscheidung der Stadtgesellschaft". Berlin ist so diversifiziert, dass es "die Stadtgesellschaft" als solches, die im weitgehenden Konsens Dinge für sich klärt, nicht mehr gibt.
    Berlin wird immer mehr von engagierten Minderheiten geprägt, die ihre Ansprüche und Vorstellungen vortragen und mit viel Lärm häufig auch verwirklichlichen können. Das gilt für alle Bereiche, Kultur, Soziales, Infrastruktur usw. Und schafft durchaus auch Spannungen, weil engagierte Minderheiten Minderheitenthemen und Meinungen mitunter rücksichtlos in den Fokus rücken.


    Der Neubau des Lehrter Stadtbahnhof war auch kein Projekt "der Stadtgesellschaft", der Potsdamer Platz ebensowenig, heute sind beide weitgehend als sinnvoll akzeptiert und Teil der Stadt. Die A 100 Verlängerung auch hochumstritten, wird der Stadt gut tun. Selbst die U-5 Verlängerung war alles andere als ein Konsens.


    Die Diskussion um das Humboldtforum in historischem Gewand ist mittlerweile auch müssig, denn der Rohbau steht. Das Schloß ist mit Sicherheit keine Herzensangelegenheit wie die Dresdner Frauenkirche es war, aber es wird sich etablieren. Ob die Schloßfassade mehrheitlich von den Besuchern gemocht werden wird, steht noch in den Sternen.
    Beim Umfeld setzt ich weitgehend auf moderne Gestaltungselemente, wenn die eine oder andere historische Figur zurückkehrt, dann soll es so sein, eine zu starke Historisierung des Umfeldes mag ich aber nicht.

  • @ JanM. Restrigo: Zwischen moderner Infrastruktur und traditioneller Umfeldgestaltung besteht doch gar kein Widerspruch, da die heutige Verkehrsführung ja unverändert bliebe. Wiederhergestellt würden lediglich die das Stadtschloss umrahmenden, gärtnerischen Schmuckanlagen mit der Adlersäule und den Rossebändigern auf der Lustgartenseite sowie dem Neptunbrunnen auf der Schlossplatzseite.


    Siehe auch hier: http://www.historisches-stadts…r_Lageplan_am_Schloss.pdf

  • Berlin ist so diversifiziert, dass es "die Stadtgesellschaft" als solches, die im weitgehenden Konsens Dinge für sich klärt, nicht mehr gibt.
    Berlin wird immer mehr von engagierten Minderheiten geprägt, die ihre Ansprüche und Vorstellungen vortragen und mit viel Lärm häufig auch verwirklichlichen können. Das gilt für alle Bereiche, Kultur, Soziales, Infrastruktur usw. Und schafft durchaus auch Spannungen, weil engagierte Minderheiten Minderheitenthemen und Meinungen mitunter rücksichtlos in den Fokus rücken.


    Kleist bringt es auf den Punkt. Eine "Stadtgesellschaft" - früher als "Bürgerschaft" bekannt - gibt es nicht mehr. Gleichzeitig ziehen sich gewählte Politiker aus der Verantwortung, weigern sich Entscheidungen zu treffen und weichen immer mehr in intransparente "Beteiligungsprozesse" aus.


    Was sagen uns denn zum Beispiel 700 Beiträge im "Dialogprozess" um die Brache zwischen Alex und Spree (der findet ja nicht statt, da die Politiker zum Dialog nicht erscheinen, um die "Bürger" nicht beim Auskotzen, äh Monolog zu stören) bei 3,5 Millionen Einwohnern? Nichts, ausser dass ein paar Interessengruppen ganz gut mobilisiert haben.


    Die Entscheidung muss nach wie vor eine gewählte Stadtregierung treffen, und zwar unter fachkundiger Beratung. Und sich für diese Entscheidung bei den nächsten Wahlen verantworten.

  • @ Architektator: Gegen die Wiedererrichtung der Terrasse zum Lustgarten hin, samt der ganzen Denkmäler gibt's ja eigentlich nichts zu sagen, solange sie aus Spendengeldern finanziert würde. Dies würde ja nichtmal die bestehende Freiraumplanung soviel abändern. Es würden halt vor allem die Blumenbeete durch die Terrasse ersetzt. Wirklich grüner würde das Umfeld dadurch allerdings wohl nicht. Die Terrasse wäre wohl zu attraktiv für eine gastronomische Nutzung und außer ein paar Blumenkübeln gäb's dann auch kein Grün.


    Echte Rasenbankette zum Kupfergraben oder vor der Terrasse zum Lustgarten hin, kann ich mir allerdings weniger vorstellen - die wären wohl ständig zertrampelt. (Im Gegensatz zum Pariser Platz mit seinen Botschaften gäb es dort wohl auch keine ständige Bewachung). Damit wäre das Umfeld des Schlosses zwar mit Denkmälern geschmückt - es sähe aber wohl genauso steinern aus, wie auf den jetzigen Visualisierungen.


    Im Übrigen sind die Vorplätze vieler anderer Stadtschlösser auch nicht gerade üppig begrünt, schließlich soll sich das Volk dort ja versammeln können, um den Majestäten zu huldigen.