Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Zur Grundlage der Diskussion: Ausgangspunkt für die Überlegungen zur weiteren Entwicklung ist die aktuell vorhandene Situation und daraus ergeben sich gewisse Zwänge (z.B. Abriss der meisten vorhandene Bauten ökonomisch nicht sinnvoll) und es können Defizite (z. B. monströse Verkehrsinfrastruktur) identifiziert werden. Die weitere Diskussion offen zu gestalten, Ideen zu sammeln und zwar neue genauso gleichberechtigt wie die „alten“, im Boden schlummernden – warum nicht – und dann abzuwägen, das ist der Sinn des angestrebten Dialoges, nicht mehr und nicht weniger. Ich verstehe daher die Aufregung und Aggression einiger hier nicht.


    Zum Thema Verkehr noch: Lieber Kleist, Deine Stimme ist angekommen – mir ist klar, dass es Interessensgruppen gibt, die die für den Autoverkehr komfortable Situation in Berlins Zentrum als Errungenschaft sehen, die es gegen vermeintliche antimoderne ökoromantische Realitätsverleugner zu verteidigen gilt. Weder fühle ich mich durch solche Einwürfe provoziert, noch lasse ich mich davon abschrecken darauf hinzuweisen, dass es eben auch andere Interessensgruppen gibt, die selbstverständlich ihr Recht wahrnehmen, für ihre Ansichten zu werben und mit kühlem Kopf und Gelassenheit einen vernünftigen Dialog mit der gesamten Stadtgesellschaft anstreben: Natürlich sind die heutigen Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur andere, als vor 50 oder 100 Jahren. Es geht nicht darum den Individualverkehr grundsätzlich zu blockieren, sondern es geht darum, dass die monströsen Verkehrsschneisen der 60er/70er Jahre zu einer Fraktionierung der Stadt geführt haben und kleine disfunktionale Stadtinseln zurückgelassen haben – ein besonders erbärmliches Beispiel dafür ist das Klosterviertel in Mitte. Aufgabe der Stadtentwicklung muss es sein, diese Defizite zu beseitigen oder zumindest zu lindern und da kommt man nicht umhin, sich mit den Ursachen – also u.a. den monströsen Verkehrsschneisen – zu beschäftigen. Und ehrliche Beschäftigung heißt, dass der großstädtische Individualverkehr bzw. die Gewährleistung der freien Fahrt für freie Bürger an jedem Ort zu jeder Zeit keine heilige, unantastbare Kuh und kein aus den vermeintlichen Zwängen der heutigen Zeit erwachsendes Naturgesetz sein kann. Es ist ein rational zu analysierender und zu bewertender Aspekt, der im Wege des gesellschaftlichen Diskurses gestaltet werden kann (Verkehrsströme lassen sich lenken, die Anteile der verschiedenen Verkehrsträger steuern und ganz grundsätzlich ist auch die Beurteilung der Wertigkeit des Verkehrsinteresses gegenüber anderen Interessen ständigen Veränderungen unterworfen).


  • Die Mittelalter-Polemik ist angesichts dieses desolaten Zustands völlig lächerlich


    und

    700 Jahre vorsozialistische Stadtgeschichte halte ich für erheblich geeigneter dafür, als die Kriegsschädenromatik der Folgezeit, auch unter grundsätzlichen städtebaulichen Aspekten.


    Eine mittelalterliche Bebauung existiert schon seit Jahrhunderten nicht mehr! In der von dir genannten 700 Jahren vorsozialistischer Stadtgeschichte wurde der Bereich um das Rathaus mehrfach KOMPLETT umgebaut: Die mittelalterlischen Strukturen wurden zu Gunsten der barocken Strukturen abgerissen, die barocken Strukturen wurden im 19. Jhd. nach Gründung des Deutschen Reiches abgerissen um repräsentative Gebäude zu errichten. Im 3. Reich wurde mit dem Abriss der Bauten entlang der heutigen Karl-Liebknecht Straße begonnen, um sie als Verlängerung der Ost-West-Achse stark zu erweitern.
    Der Bereich um das Rathaus wurde also immer wieder KOPMPLETT verändert! Und immer blickte man nach vorne und entwickelte den Bereich weiter. Nie in der vorsozialistischen Stadtgeschichte wurde der Ruf nach Wiederherstellung von alten Strukturen laut! Wenn man damals auf die Bedenkenträger einer neuen Bebauung gehört hätte, wäre es nie zu einer barocken Bebauung (etwa Stadtschloss) oder dem Historismus gekommen, weil hierfür IMMER die alten Strukturen abgebrochen wurden.

  • Nie in der vorsozialistischen Stadtgeschichte wurde der Ruf nach Wiederherstellung von alten Strukturen laut!


    Es gab auch keinen Denkmalschutz - was soll es also aussagen? Wo etwa ein barockes Haus einem klassizistischen weichen musste, war die Fassade von diesem der Antike nachempfunden (zum zweiten Mal nach der Renaissance) - also doch an der kulturellen Geschichte orientiert.


    Da hier die Durchgangsstraßen zurückgebaut und einige Freiflächen bebaut werden sollten, kann man auf jeden Fall nicht behaupten, es wäre keine städtebauliche Strukturanpassung angestrebt. Und ich halte es durchaus für einen Blick nach Vorne - auch in der Zukunft werden breite Verkehrsschneisen als störend empfunden und ebenfalls wird man sich in der Stadtmitte ein paar beschauliche Fußgängergassen wünschen. Manchmal bekomme ich das Gefühl, einige hätten gerne Stadtstrukturen ausschließlich wie aus den SF-Filmen - in den es jedoch nur um Action geht und keiner fragt, ob die Kulissen den virtuellen Bewohnern wirklich zusagen würden.


    Etwa im Fall der Südseite des Breslauer Marktplatzes entschied man sich für den Zustand in etwa um 1800 - ist eine Entscheidung, die optisch kein schlechtes Ergebnis brachte. Und noch einmal - die Häuser wirken in der Natur ganz und gar nicht wie eine "Puppenstube". (Im Inneren sind einige Läden sogar gewagt gestaltet, etwa die Empik-Buchhandlung.)

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  • Die mittelalterlischen Strukturen wurden zu Gunsten der barocken Strukturen abgerissen, die barocken Strukturen wurden im 19. Jhd. nach Gründung des Deutschen Reiches abgerissen um repräsentative Gebäude zu errichten.


    Offensichtlich scheint hier schon das grundlegende Verständnis für Stadtstrukturen zu fehlen. Dass Gebäude im Laufe der Geschichte immer wieder neu errichtet werden, ist ein völlig normaler Vorgang und hat mit der Stadtstruktur überhaupt nichts zu tun. NIEMAND will irgendwo 'mittelalterliche' Bürgerhäuser wieder aufbauen (gibt dazu ohnehin keine Quellen) - das wurde doch nun wirklich oft genug geschrieben?!
    Die weitgehende Wiederherstellung von Straßen und Plätzen und damit einhergehenden Sichtbeziehungen, die bis zur Zerstörung und anschließenden Planierung der Innenstadt seit Jahrhunderten existierten, ist aber eine absolute Notwendigkeit. Ob man dann zeitgenössisch baut, oder hier und da auch ein paar Leitbauten äußerlich rekonstruiert, ist eine ganz andere Frage.

  • Hat sich mal jemand die Geschäftsstruktur dort angesehen? Oder die Restaurants? Alles altberliner Tourineppläden. Die Geschäfte ausschließlich Rentnermode oder Erzgebirgsschrott. Alles für die Rentnerbusladung.


    Ja und? Schon mal in anderen halbwegs touristisch relevanten europäischen Innenstädten gewesen? Die Läden entsprechen der erwarteten Kundschaft. Das ist nicht schlimm, sondern eine völlig normale, bedarfsgerechte Entwicklung und absolut richtig. Einige scheinen gerne zu verdrängen, dass Berlin aktuell #3 Tourist Destination in Europa ist, nach London und Paris.


    Und für den kleinen Feigling, der mir folgendes ins Poesiealbum warf:

    krieg dich ein, es wird dir noch häufiger passieren dass andere mit eurem urbanitäts- und metropolengesülze nichts werden anfangen können.


    Ich glaube niemand wird gezwungen hier mitzulesen. Wer es aber dennoch tut, sollte sich auch darauf einstellen, das eventuell gegensätzliche Ansichten und Meinungen artkuliert werden - darauf kann man gerne eingehen.
    Das nennt man dann eine 'Diskussion'.

  • Wie so richtig im anderen Thread "Klosterviertel, Molkenmarkt etc." geschrieben wurde, kann sich ja für die ganze Diskussion übers Rathausforum dort exemplarisch zeigen und beweisen, wie schnell, mit welchem Erfolg und welcher Qualität eine potenzielle Nachverdichtung nach dem Konzept der "kritischen Rekonstruktion" in diesem Innenstadtbereich umgesetzt werden kann. - Ich persönlich finde die meisten Ergebnisse in der Friedrichstadt usw. eher nicht ermutigend - eher ermüdend... - wenn ich mir vorstelle, das Vergleichbares jetzt auch noch diesseits der Spree massenhaft errichtet wird, bekommt die Berliner Innenstadt einen völlig belanglosen Charakter. Die Banalität würde nur noch durch die "Rekonstruktion" historischer Leitbauten getopt - der Dresdener Neumarkt ist dafür das erschreckendste Beispiel - oder nun auch der Alte Markt in Potsdam. Architekturgeschichte muss scheinbar immer beseitigt und in ihrem architektonischen Dokumentationswert herabgesetzt werden, um Platz für das "Wahre" zu schaffen - aktuell meint das hier für viele die Reproduktion einer idealisierten Vergangenheit, die es so nie gab...

  • ... Die Banalität würde nur noch durch die "Rekonstruktion" historischer Leitbauten getopt - der Dresdener Neumarkt ist dafür das erschreckendste Beispiel - oder nun auch der Alte Markt in Potsdam. Architekturgeschichte muss scheinbar immer beseitigt und in ihrem architektonischen Dokumentationswert herabgesetzt werden, um Platz für das "Wahre" zu schaffen - aktuell meint das hier für viele die Reproduktion einer idealisierten Vergangenheit, die es so nie gab...


    Naja - es stimmt zwar, die Bauten mit Fassade nach historischen Vorbild reproduzieren eine idealisierte Vergangenheit, aber ich frage mich immer, was so frevelhaft daran ist, auf historische Stilelemente zurückzugreifen, entsprechen sie auch nicht der historischen Wahrheit. Das jede Fassade nur dann einen Wert hat, wenn sie auf einem originären Schöpfungsakt des Architekten beruht, ist ein Dogma, das in der Realität nicht einhaltbar ist und auch nicht eingehalten wird. Man kann das Rad nicht bei jedem Gebäude neu erfinden, es wird immer ein Rückgriff auf oder eine Interpretation bereits bekannter Ideen geben. Wer will festlegen, wo die Grenze verläuft zwischen akzeptablem Mitgehen mit der Mode und verpöntem Nachahmen älterer Vorbilder bzw. wieso sollte der Rückgriff auf Ideen einer erst jüngst aufgepoppten Mode mehr Wert sein als Ideen eines jahrhundertealten Baustils. Insofern ist es genauso legitim, auf ältere historische Vorbilder zurückzugreifen, wie sich in eine aktuelle Modeströmung einzuordnen. Trotzdem bleiben auch die Bauten mit historisierender Fassade ein Zeugnis der heutigen Zeit als Beispiel des Wiederaufbaus unter Verwendung historischer Vorbilder.
    Es kommt mehr auf die Strukturen an, die Erschaffung von Stadträumen und darauf, mit welchen Inhalten sie gefüllt sind, ob sie Leben anziehen und welche Art von Leben sie anziehen. Die Fassaden spielen hierbei zwar durchaus eine Rolle, sollten aber nicht überbewertet werden.


    Randbemerkung zum obigen Zitat: weder am Neumarkt in DD noch am Alten Markt in P wurde "Architekturgeschichte beseitigt" (außer der Anbau des Polizeipräsidiums in DD, ja das stimmt), es sei denn, man bezeichnet Brachen als Architektur. Außerdem würde mich interessieren, was am Neumarkt in DD so erschreckend ist. Vielleicht das Fehlen moderner Ideen (Fassaden) und zeitgemäßer Formen? Ist vielleicht nicht der richtige Platz dafür. Der ist vielleicht woanders, eventuell in der Wilsdruffer Vorstadt oder um die Prager Straße oder sonstwo im Zentrum DD´s. Erschreckend? Nein!

    Einmal editiert, zuletzt von Gast14Jan ()

  • Offensichtlich scheint hier schon das grundlegende Verständnis für Stadtstrukturen zu fehlen.


    ... das kennt man ja: Man ist anderer Meinung, also hat man keine Ahnung und das grundlegende Verständnis fehlt! Müssen solche Kommentare sein, tel33?


    Dass Gebäude im Laufe der Geschichte immer wieder neu errichtet werden, ist ein völlig normaler Vorgang und hat mit der Stadtstruktur überhaupt nichts zu tun


    Es war im Laufe der Geschichte ein normaler Vorgang, dass vorh. Gebäude bewusst abgerissen wurden um neue Gebäude zu erstellen. In meinem Kommentar ging es übrigens nicht um Gebäude, sondern um städtebaul. Strukturen! Und die Strukturen haben sich definitiv seit dem Mittelalter immer wieder verändert! Die Straßen wurden immer breiter, die Plätze immer großzügiger, die Häuser immer größer.

    Die weitgehende Wiederherstellung von Straßen und Plätzen und damit einhergehenden Sichtbeziehungen, die bis zur Zerstörung und anschließenden Planierung der Innenstadt seit Jahrhunderten existierten, ist aber eine absolute Notwendigkeit


    Willst du die Wiederherstellung der Strukturen der Barockzeit, oder des Klassizismus oder des Stadtstrukturen vor dem 1. Weltkrieg? Oder die begonnene Umplanung des Areals vor dem 2. WK (die Struktur, die bis zur Zerstörung der Innenstadt existierte)?

  • Ja und? Schon mal in anderen halbwegs touristisch relevanten europäischen Innenstädten gewesen? Die Läden entsprechen der erwarteten Kundschaft. Das ist nicht schlimm, sondern eine völlig normale, bedarfsgerechte Entwicklung und absolut richtig. Einige scheinen gerne zu verdrängen, dass Berlin aktuell #3 Tourist Destination in Europa ist, nach London und Paris.


    Das ist ja völlig richtig. Die Frage ist doch was die Berliner davon haben sollen, sich ihr Zentrum privatisieren und zu bauen zu lassen, damit sich Touristen dort Brandenburger Tore in Messingoptik kaufen können.

  • Natürlich ist diese Reproduktionskultur ein Ausdruck unserer Zeit - quasi als einer Mischung von postmodernem Geschichtsverständnis, virtueller Realitätsdefinition und elitärer Hegemonie über die Stadtgestalt (in Form einer vergangenen Bürgerlichkeit als gesellschaftliches Leitbild der ökonomischen Gewinner). Da gebe ich dir Recht! - Schwierig ist nach meiner Auffassung daran nur, dass erst dafür Tabularasa gemacht und viertelweise Bestehendes abgerissen werden muss...

    (...) Wer will festlegen, wo die Grenze verläuft zwischen akzeptablem Mitgehen mit der Mode und verpöntem Nachahmen älterer Vorbilder bzw. wieso sollte der Rückgriff auf Ideen einer erst jüngst aufgepoppten Mode mehr Wert sein als Ideen eines jahrhundertealten Baustils. (...) Randbemerkung zum obigen Zitat: weder am Neumarkt in DD noch am Alten Markt in P wurde "Architekturgeschichte beseitigt" (außer der Anbau des Polizeipräsidiums in DD, ja das stimmt), es sei denn, man bezeichnet Brachen als Architektur.


    Am Alten Markt in Potsdam sollen schon (inzwischen vernachlässigte) Gebäude aus DDR-Zeiten abgerissen werden - z.B. die FH am Alten Markt

  • ... das kennt man ja: Man ist anderer Meinung, also hat man keine Ahnung und das grundlegende Verständnis fehlt! Müssen solche Kommentare sein, tel33?



    Es war im Laufe der Geschichte ein normaler Vorgang, dass vorh. Gebäude bewusst abgerissen wurden um neue Gebäude zu erstellen.


    Aber noch nie zuvor hat man von Bausünden gesprochen. Da muss doch also was schief gelaufen sein.


    In meinem Kommentar ging es übrigens nicht um Gebäude, sondern um städtebaul. Strukturen! Und die Strukturen haben sich definitiv seit dem Mittelalter immer wieder verändert! Die Straßen wurden immer breiter, die Plätze immer großzügiger, die Häuser immer größer.


    Ändert aber nichts daran, dass das MEF ein sehr hässliches Ensemble ist wo nichts zusammenpasst.
    Um die Schäden wieder zu reparieren die die offensichtlich falsche Weichenstellung verursacht hat, spricht man von einer Stadtreperatur => Es muss also etwas repariert werden wenn ein Schaden vorliegt.
    In einer jeden anderen Stadt weltweit würde man das Ensemble des MEF sofort pulverisieren wenn das Geld dafür vorhanden ist.


    Willst du die Wiederherstellung der Strukturen der Barockzeit, oder des Klassizismus oder des Stadtstrukturen vor dem 1. Weltkrieg? Oder die begonnene Umplanung des Areals vor dem 2. WK (die Struktur, die bis zur Zerstörung der Innenstadt existierte)?


    Veränderungen waren aber eher behutsam und haben sich in das Gesamtbild eingefügt. Daher existieren die Altstädte von Städten die den Krieg überlebt haben (z.B. Göttingen) nach wie vor in den selben Strukturen.


    Ebenso ist man in der Geschichte noch nie auf die Idee gekommen, Neubauten wieder abzubauen und das hinzubauen was da vorher stand. Woran mag das wohl liegen?

  • Marx weist uns den Weg: Dialektik ist angesagt

    Solange Camondo den "Zustand vor 1945" mit "Mittelalter" gleichsetzt wird's schwer mit der Diskussion und auch schwer damit, Sachlichkeit einzufordern, die man selbst nicht aufbietet. Auch diese Form der Totschlagargumente müsste man mal "überwinden".


    Dem möchte ich mich anschließen. Hier wird häufig von beiden Seiten mit Totschlags- und Pseudoargumenten gearbeitet.


    Die Historiker sollten endlich akzeptieren, daß sowohl Rathaus- als auch Engels-Forum (Hört sich gleich besser an, wa? :) ) definierte Stadtareale sind und keine Brachen. Das ist unnötige Polemik, die nicht wirklich den Historikern zugute kommt.


    Und die Zukunftsverliebten sollten auch registrieren, daß Zukunft vielfältig herstellbar ist, z.B. so wie am Pariser Platz. Da muß man nicht das Gegenwärtige ins Metaphysische erheben und die immer gleichen formalistischen Argumente gebrauchen.


    Zurück zu den Historikern: Rathaus- und Engels-Forum sind legitime, bewußt intendierte Stadträume. Ob einem das gefällt, ist eine andere Frage.


    Zu den Zukunftsleuten: Niemand will ein Nikolaiviertel reproduzieren, welches ich im übrigen zwar ehrenwert aber letztlich (aus heutiger Sicht) für mißlungen halte. Einzig positiv daran sind die paar Rekonstruktionen und die Möglichkeit, real zu erleben, wie positiv das Wiedergewinnen alter Stadtgrundrisse sein kann.


    Die Frage der Bebauung wird sowieso durch die schnöde Realität entschieden. Die Stadt entwickelt sich nach eigenen Gesetzen, weshalb dieses Areal meines Erachtens erst in 20 Jahren wirklich neuralgisch werden wird. Die Dinge werden sich wohl zuspitzen. Jetzt ist man wohl noch nicht reif für eine historisierende Bebauung des Engelsforums. Das wird sicherlich leichter werden, wenn der Schinkelplatz und das Schloß stehen. Dann wird sich ein neues Gefühl verdichten, was Berlin ist und sein sollte.


    Ich denke, Rathaus- und Engelsforum sollten aus gutem Grunde noch längere Zeit jungfräulich bleiben. :)


  • Willst du die Wiederherstellung der Strukturen der Barockzeit, oder des Klassizismus oder des Stadtstrukturen vor dem 1. Weltkrieg? Oder die begonnene Umplanung des Areals vor dem 2. WK (die Struktur, die bis zur Zerstörung der Innenstadt existierte)?


    Ich finde es langsam ermüdend, mich ständig wiederholen zu müssen. Ich hätte gern jene Strukturen, die die Berliner Innenstadt unabhängig von Baustilen und Architekturepochen über Jahrhunderte hinweg geprägt haben! Dazu zählen neben den wesentlichen Leitbauten wie bspw. Schloss, Marien-, Nikolai- und Petrikirche auch Straßenführungen und Freiflächen. Sei es nun Neuer Markt, Molkenmarkt oder Heilig-Geist und Jüdenstraße. Und NEIN, die Frage ob dort dann Gebäude im Renaissance-, Barock- oder Gründerzeitstil errichtet werden, stellt sich mir überhaupt nicht. Allerdings hege ich starke Zweifel, dass ein Großteil der heutigen Architektengarde fähig ist, unter diesen Voraussetzungen ein einigermaßen ästhetisch befriedigendes Ergebnis abzuliefern. Insofern wäre eine Orientierung an traditionellen Gestaltungen wohl wünschenswert.

  • Wie und was auch immer in den vergangenen Jahrhunderten gebaut, abgerissen oder überformt wurde, der Neue Markt blieb immer der Neue Markt. Er war das unbebaute Forum der Berliner Altstadt an der Marienkirche. Das scheinen viele gern zu ignorieren. Erst in der Nachkriegs-Diktatur wurde er entfernt und mit einer reichlichen Portion geschichtlicher Ignoranz überbetoniert und ins Staatsforum integriert, und somit unkenntlich gemacht. Lege ich die weit über 700 Jahre der Existenz des Neuen Marktes in die Waagschale, dürfte ihr Gewicht das kommunistische Experiment zur unbedeutenden Größe schrumpfen lassen. Diese Experimente sind in der Tat definierte Stadträume, wie richtig angemerkt wurde. Da pflichte ich bei. Und die Definition lautet: 'Brache'.


    Genau wie es das Nikolaiviertel über Jahrzehnte nach der Enttrümmerung war: Eine Brache. Mehrheitlich dürfte die Errichtung des Nikolaiviertel heute bejaht werden, davon gehe ich mal aus. Etwas höher wurde die Geschäfts-Monokultur des Nikolaiviertels kritisiert - der Schreiber fand dennoch das Nikolaiviertel anziehend. Weil sein Zahnarzt dort ist. Aha, sage ich, eine Stadt scheint sich wohl doch nicht nur durch die Verkaufskultur zu definieren. Ohne das Nikolaiviertel wäre der Gang zum Zahnarzt bestimmt ein wesentlich längerer gewesen vom Alex aus.


    Diese Touri-Monokultur ist bedarfsorientiert, wie hier schon richtig angemerkt wurde. Sie ist auch der Insel-Lage des Viertels geschuldet. Würde man dem Viertel die Möglichkeit geben zur Expansion in Richtungen Altmarkt und Neumarkt, würde diese Monokultur gesunden und auch wieder bunter werden.


    Moderne Stadtplaner haben das Nikolaiviertel zum Inseldasein verurteilt, und nun kommen deren Anhänger und kritisieren es und bezeichnen es als Touristenkitsch. Dabei ist ganz offensichtlich die moderne Stadtverhinderung daran schuld. Wieder aufgebaute Altstadtstrukturen (sei es wegen Kriegs- oder Brandzerstörungen) funktionieren im restlichen Europa ganz ausgezeichnet. Warum soll das in Berlin anders sein?


    Ich weiß auch nicht, warum das Areal von einigen als weltoffen, zukunftsorientiert und überhaupt Weltmaßstab des modernen Menschen sein soll. Ist das Weltoffenheit, wenn man 800 Jahre Geschichte ignoriert? Ist das Weltoffenheit, wenn in Kriegs- und Nachkriegs-Enthausung verharrt wird? Wenn in überlebten Weltbildern wie der Moderne des 20. Jh., der Athener Charta oder ideologischer Gehirnwäsche verharrt wird? Wahrscheinlich ist noch zuviel hängen geblieben von diesen Menschheitsbeglückern...

  • Etwas höher wurde die Geschäfts-Monokultur des Nikolaiviertels kritisiert - der Schreiber fand dennoch das Nikolaiviertel anziehend. Weil sein Zahnarzt dort ist. Aha, sage ich, eine Stadt scheint sich wohl doch nicht nur durch die Verkaufskultur zu definieren. Ohne das Nikolaiviertel wäre der Gang zum Zahnarzt bestimmt ein wesentlich längerer gewesen vom Alex aus. ...


    Ich hatte einen Freund gefragt, welchen Zahnarzt er mir empfehlen könne, nachdem ich nach mehreren Jahren im Ausland nach Berlin zurück gekehrt war. Der war nunmal im Nikolaiviertel, ich wäre fuer einen guten Zahnarzt auch zum Kudamm gefahren (am Alex gibt es übrigens auch Zahnärzte). Als Zentrum Berlins fände ich das Nikolaiviertel ziemlich schlimm, ich denke, das habe ich oben im anderen Beitrag klar gemacht.

  • OK! Hab' ich verstanden. Wollte nur exemplarisch einwerfen, dass eine funktionierende City viele Farben hat. Der touristische Aspekt dabei sollte beim Marienviertel keine Überbewertung finden. Der gesunde Mix macht's!

  • Wenn in überlebten Weltbildern wie der Moderne des 20. Jh., der Athener Charta oder ideologischer Gehirnwäsche verharrt wird? Wahrscheinlich ist noch zuviel hängen geblieben von diesen Menschheitsbeglückern...


    ..auch hier gilt mal wieder: Wer anderer Meinung ist, unterlag halt einer Gehirnwäsche, oder ist ein Menschheitsbeglücker (diesmal alternativ zu Gutmenschweichei)! ....
    WARUM SIND EINIGE HIER IM FORUM NICHT IN DER LAGE, OHNE BELEIDIGUNGEN ZU ARGUMENTIEREN?????

  • Warum Beleidigung? Müsste eigentlich jeder wissen, dass Gropius & Co. die Menschen 'umerziehen' wollte. Genau wie Nationalsozialisten oder Kommunisten und bestimmte Couleurs der Religioten. Diese Leute nerven nur - und tun es noch immer. Da habe ich doch niemanden beleidigt, wenn ich von Gehirnwäsche geschrieben habe. War fester Bestandteil des 20. Jh.

  • Ich möchte nur mal freundlich daran erinnern, dass es in Frankfurt am Main in den 60ern für Bezieher einer kommunalen Neubau-Wohnanlage ein "Entstuckungszimmer" gab, in der die Möbel (!) der Neumieter von "überflüssigem Zierrat" bearbeitet wurden. Die FAZ berichtete seinerzeit.


    Wenn das keine Zwangs-Menschheitsbeglückerei ist weiss ich nicht, was eine solche sein soll.