Neubebauung am Schinkelplatz/Werderscher Markt

  • ^ Den Steidle-Entwurf kritisiere ich nicht, weil er modern ist, sondern weil er einfach schlecht ist.


    Es gibt in der Tat auch gute moderne Architektur. An einer früheren Stelle habe ich bereits gesagt, daß ich den Entwurf von Frank Schultes gut finde. Schulte bringt's elegant rüber. Manche Fassadenteile setzt er zurück. Abgeschrägte Flächen wechseln sich mit abgerundeten Fassadenelementen ab. Gekonntes Wechselspiel zwischen Glas und Stein. Schultes setzt verschiedene Gestaltungselemente gekonnt ein. Die Formensprache wirkt elegant. Das ist gute Architektur - gute moderne Architektur.


    Schultes kann es. Steidle kann es nicht.

  • ^ Da gebe ich Ihnen recht. Für mich sind die Steidle Entwürfe ebenfalls einfach nur schlecht. Die gebaute Realität wird unsere Einschätzung wohl auch nicht ändern.

  • Vielleicht läuft die Trennlinie nicht zwischen modern und traditionell, sondern zwischen guter und schlechter Architektur.


    Schultes' Entwurf ist modern, kommt aber irgendwie klassisch rüber.

  • So ist es. Der Gegenwind gegen das dezidiert Moderne kommt eben vor allem daher, dass Architekten vom Range eines Axel Schultes in Deutschland äußerst dünn gesät sind. In früheren Epochen hat die vorgegebene Grammatik des Stils auch dem unbegabten Architekten die Hand geführt, so dass kaum durchweg Mißratenes oder Primitives zustandekam. Die Moderne kann dieses An-die-Hand nehmen nicht mehr leisten. Daher das weithin erbärmliche Gesambild.

  • Das groß und breit diskutierte Dilemma der Bauten am Platze bringt Persius mit wenigen Worten sehr gut auf den Punkt. Ist auch meine Meinung. Die meisten der modern gebauten Häuser halten den Vergleich mit guter traditionreller Architektur nicht stand. Darum müssen diese Werke von ihren Schöpfern mit reichlich Rhetorik behängt werden. Dadurch werden sie aber nicht besser.


    Belanglosigkeit reproduziert sich immer fort im Dienste profitorientierter Investoren und Bauherren. Da wäre ein Denkmalschutzsiegel doch ein Fanal der Stagnation.


    Ich glaube auch, dass die Kontrahenten eher gute und schlechte Architektur sind. Wer Traditionen aufnimmt und weiter führt ist modern. Architektur als Verweigerung ist und bleibt experimentelles 20. Jh. mit abgelaufenem MHD.

  • Mein Gott, kann man sich nicht darauf einigen, dass es gute und schlechte Architektur gibt? Wer Traditionen aufnimmt baut nicht modern und schon gar nicht zwingend gut. Man vergleiche doch einmal den Patzschke-Schrott an der Saarbrücker Str. Das ist Architektur am Ende der Fahnenstange. Und zwar am unteren Ende.

  • Und wieso kann man sich nicht darauf einigen, dass es passende und unpassende Architektur gibt? Nur weil sie gut ist, passt sie noch lange nicht. Am Hbf, in der Europa City oder der Hafen City würden gelungene Neubauten mit allzu trad. Elementen sicher auch lächerlich wirken, egal wie gut sie sein mögen. Von Puppenstube


    Patzschke ist übrigens auch nicht der Nabel der Welt. Ich persönlich fände etwas von denen hier auch unpassend, an anderen Orten, wo es gilt, hist. Blockrandbebauung zu schließen hingegen schon, wenngleich das Ergebnis durchaus auch nicht immer das Gelbe vom Ei ist, Stichwort Proportionen bzw. Etagenzahl. Vieles als "modern" deklariertes hingegen ist eher eher Brutalismus/Dekonstruktivismus und zielt auf Spektakularität ab, statt auf die Gesamtwirkung. Das Kontraste-Argument ist inzw. auch ausgelutscht, ebenso die Puppenstube. Abgesehen davon, dass es Transformers auch in Puppenform gibt und nicht nur Barbie in ihrem Traumhaus, worin sie auch lächerlich wirken würden.

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  • ^ Vorschlag:
    notwendiges Kriterium ist, daß es gute Architektur ist.
    hinreichendes Kriterium ist, daß es zum Ort passende Architektur ist.

  • Zurück zum Thema. Es herrscht, glaub ich, Konsens darüber, dass der Steidle Entwurf eine einzige Enttäuschung darstellt. Ein Entwurf, zwei Fassaden mit gleichem Gesicht. Um so mehr bin ich auf den Staab Bau gespannt. Bisher hat Staab gut bis sehr gute Architektur geliefert und ich glaube, angesichts der vorgestellten Fassadenelemente, dass dieser Bau mich in seiner Wirkung noch überraschen wird.

  • ^ Vorschlag:
    notwendiges Kriterium ist, daß es gute Architektur ist.
    hinreichendes Kriterium ist, daß es zum Ort passende Architektur ist.


    Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Aber es ist schon eine Pest, dass zu häufig immer Gebäude irgendwo hingestellt werden, die überhaupt nicht zur Umgebung passen, sondern für sich egoistisch isolierte Solitäre sind.

  • Mein Gott, kann man sich nicht darauf einigen, dass es gute und schlechte Architektur gibt? Wer Traditionen aufnimmt baut nicht modern und schon gar nicht zwingend gut. Man vergleiche doch einmal den Patzschke-Schrott an der Saarbrücker Str. Das ist Architektur am Ende der Fahnenstange. Und zwar am unteren Ende.


    Wenn Gesimsfassaden in Mode kommen, so ist das modern! Man kann nicht sagen, es wäre nicht modern. Dieser Trent ist ein Kind unserer Zeit. Und um so mehr es davon gibt, je größer also der Wettbewerb ist, um so qualitätsvoller wird auch gebaut. Patzschke ist ein Anfang. Modern wird noch sehr vieles sein, nur nicht das, was einige noch als modern bezeichnen. Nämlich der ganze Schrott des 20 Jh. Das untere Ende der Fahnenstange ist am Schinkelplatz erreicht. Form-, Farb-, und Fantasielosigkeit - nichts wirklich Neues oder gar Modernes. Nullpunkt erreicht! Es kann nur besser werden.

  • Herrje, muss man denn gleich wieder wie trotzige Kinder streiten?


    Für mich ist weder das eine (Patzschke) noch das andere (wer überhaupt?) am unteren Ende der Fahnenstange.


    Ein gut gestalteter traditionieller Entwurf hätte dem Platz sicherlich auch gut getan. Allerdings konnten die mir bekannten Entwürfe von Nöfer und von Thaden auch mich nicht so recht überzeugen.
    Nöfer zu klötzchenartig und gedrungen und von Thaden merkwürdig unproportioniert. Insbesondere sein 1. OG wirkt ziemlich gequetscht. Vielleicht liegt es ja an den Vorgaben?


    Da finde ich Moneos Idee auf die emporragende Kirche mit einer starken vertikalen Gliederung zu reagieren durchaus angemessen. Schließlich sind die Neubauten mit nur 4 Obergeschossen nicht besonders hoch und mit stärkerer Betonung der Horizontalen wie bei von Thaden oder anderen Entwürfen wirkt mir die Seite zum Werderschen Markt zu sehr in die Breite gezogen.
    Ebenfalls gefallen mir bei Moneo die Abstufungen an den Gebäudekanten. Das betont die markante Form des Grundstücks.
    Auch wenn mir die Fassadengestaltung zu uninspiriert vorkommt so ist vielleicht auch dies keine schlechte Idee da eine aufwändigere Gestaltung in Verbindung mir der starken Vertikalgliederung und der interessanten Kubatur eventuell too much sein könnte. Ich glaube Moneo wird in natura letztlich plastischer aussehen als auf den Visus.

  • Wenn Gesimsfassaden in Mode kommen, so ist das modern! Man kann nicht sagen, es wäre nicht modern. Dieser Trent ist ein Kind unserer Zeit. ... Modern wird noch sehr vieles sein, nur nicht das, was einige noch als modern bezeichnen. Nämlich der ganze Schrott des 20 Jh. ....


    Da sag ich nur, verhängnisvoll wenn man nicht zwischen Moderne und modisch unterscheiden kann.


    Mir persönlich wäre es das liebste gewesen wie schon mehrmals erwähnt, den Raum zwischen und hinter der Friedrichswerderschen Kirche garnicht zu bebauen. Von der Rekonstruktion der Bauakademie einmal abgesehen. So drängt sich etwas zwischen Kirche und Bauakademie, türmt sich hinter und entlang der Kirche, was dem Backsteinensemble nicht bekommt und deren Wirkung gen Null schrumpfen lässt. Nie wieder wird man die Kirche in ihrer wahren Dimension und Ästhetik ganz sehen können, immer nur noch kleine Ausschnitte. Da hilft auch das hier immer wieder angebrachte Argument dass es aber vor 1945 so gewesen ist rein garnichts. Das macht es nur schlimmer.
    Kein Mensch käme heute auf die Idee in Paris die kleinteilige Bebauung die die Kirche Notre Dame ringsum einzwängte, wiederaufzubauen. Weitblickend hatten die Planungen von Georges-Eugène Haussmann und Eugène Viollet-le-Duc Mitte des 19ten Jahrhunderts hier dazu geführt, dass wir den heutigen Anblick als kongenial für Paris geniessen können. In Berlin geht man leider genau in die andere Richtung, wie so oft.

  • ... ich sehe es ebenso wie Camondo. Warum muss man die Kirche unbedingt neu umbauen, wohlwissend, dass die Kleinteiligkeit, die einst dort herrschte, nicht wieder herzustellen ist. Und ob es damals überhaupt eine gute Idee war, die Kirche zu umbauen, dürfte auch strittig sein. Eine vernünftige Umfeldgestaltung hätte der Kirche m.E. besser getan, als eine halbhistorisierende Umfeldbebauung.

  • Weitblickend hatten die Planungen von Georges-Eugène Haussmann und Eugène Viollet-le-Duc Mitte des 19ten Jahrhunderts hier dazu geführt, dass wir den heutigen Anblick als kongenial für Paris geniessen können. In Berlin geht man leider genau in die andere Richtung, wie so oft.


    Als ob die Häuschen des vorhaussmannschen Paris den gewaltigen Dom auch nur annähernd verdecken konnten. Haussmann hat auf der Île de la cité aus heutiger Sicht ähnlich gewütet wie die SED in Alt-Berlin oder Magdeburg.

  • Die kreativen "Denkmalprojekte" von Viollet-le-Duc gelten wohl z. Zt. als die größte Barbarei in der herrschenden Denkmalpflege und Haussmanns "Altstadtsanierungen" waren definitiv Flächenabrisse, die heute undenkbar sind.


    Statt weitere Solitäre zu konstruieren (selbst bei Kirchen, die gar nicht als Solitäre geplant waren) sollte die Stadt wieder kleinteilig auf historischem Grundriss ergänzt und der Autoverkehr zurückgedrängt werden. Diesbezüglich war das 20. jahrhundert ein Irrweg, kein Vorbild.

  • ^ Vollkommen richtig, genau so sehe ich das auch. Und deshalb ist die Schinkelplatzbebauung eher positiv als negativ zu bewerten, denn sie rekonstruiert den historischen Stadtgrundriss, der hier definitiv mehr Sinn macht, als noch eine zugige Freifläche, der eine sinnvolle Integration in die städtische Umgebung fehlt.

  • Jaja, aber Kleist und Camondo meinen, dass man diese städtebaulichen Fehler von Typen wie Schinkel unbedingt korrigieren muss. Viollet-le-Duc war genauso drauf, der konnte das bessere Mittelalter, hat mit flotter Feder jedes Genie der letzten 2000 Jahre korrigiert und deshalb besteht Notre-Dame in Paris mehr aus Viollet-le-Duc als aus Mittelater.


    Ich fürchte z. Z. Chipperfield oder Jan Kleihues würden das auch so machen - liesse man sie.

  • Es war auch nicht die erste Kirche am Platze - sie hatte einen Vorgängerbau. Lange war die Stadt schon da, bevor Schinkel baute. Ein abschreckendes Beispiel für die hier offenkundige Bulldozer-Mentalität des Leerräumens zeigt uns neben dem Rathausforum auch das Kulturforum mit Matthäuskirche in wunderbarer Weise. Nachdem die Reißbrettdilettanten Speer und Scharoun mit der Ecke fertig waren, waren auch die Menschen verschwunden. Dass der Friedrichswerder bebaut wird in historischer Anlehnung ist konsequente Stadtreparatur - weil sich eben auch hier nach dem Krieg Reißbrett-Chaoten ausgetobt hatten. Wer die leergeräumten Trümmerfelder noch kennt, und auch die Nikolaikirchruine als Solitär erlebt hat, wird wissen, dass das nichts mit Stadt oder Innenstadt zu tun hat. Diese Stadtkirchen waren nie als Solitäre geplant.


    Nur schade dass das Design der Neubauten am Schinkelplatz so banal und farblos ist.