Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

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    Hab ich hier zwar schon zig mal geschrieben, aber egal...in der Kurzform:


    1. FT und seine Fußbebauung ist m.E. das prägende Bauensemble auf dem RF. Dem gigantischen Solitär sollte entsprechender Raum gelassen werden um auch weiterhin seine Wirkung entfalten zu können. Zwischen Alex-Bhf und FT ist der Platz hierfür schon zu gering. Auf dem RF Richtung Spree kommt er aufgrund des größeren Freiraums viel besser zur Geltung.


    2. lehne ich Gebäude vor dem Roten Rathhaus ab. Der Prachtbau ist für mich eines der Berliner Sehenswürdigkeiten und sollte daher mit möglichst viel Raum davor frei bleiben.


    Schon allein wegen dieser beiden Punkte halte ich nicht viel vom GHB-Vorschlag.

  • Wir müssen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Das Rathausforum ist eine gestaltete Fläche mit großstädtischem Anspruch und klarem Bezug auf den Fernsehturm und die umgebende Bebauung.


    Also ich weiß nicht, ob das hier der richtige Thread zum Witzereißen ist... Aber das sogenannte 'Rathausforum' gibt es überhaupt nicht und noch viel weniger ist es eine 'gestaltete Fläche mit großstädtischem Anspruch' :lach:.
    Es ist und war immer eine Brachfläche entstanden durch gewaltsame Vernichtung einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadtstruktur. Dieser Freiraum versiegelt lediglich (und das auch nur sehr notdürftig, wie die Öffnungen jüngerer Zeit zeigen) die Reste dessen, was der Kern Berlins einst war. Es ist gelinde gesagt beschämend, welch kulturhistorische Ignoranz teilweise zum Ausdruck kommt.

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    2. lehne ich Gebäude vor dem Roten Rathhaus ab. Der Prachtbau ist für mich eines der Berliner Sehenswürdigkeiten und sollte daher mit möglichst viel Raum davor frei bleiben.


    Ich halte es für einen Trugschluss, zu glauben, städtebaulich bedeutende Gebäude sollten möglichst als Solitäre wirken. Aus dem gleichen Grund hat man früher mittelalterliche Kirchen von ihrer Umbauung "befreit". An der Westfassade der Marienkirche sieht man ja, dass die nie auf Fernsicht ausgelegt wurde. Das Rote Rathaus wurde bei der Erbauung schon etwas von der Straßenflucht zurückversetzt, um einen kleinen Vorplatz zu schaffen. Ich hätte nichts dagegen, den etwas vergrößert beizubehalten, aber ansonsten verliert das Gebäude vom Turm abgesehen aus der Fernsicht eher an Faszination und wirkt wie ein recht beliebiger Industriebau der Kaiserzeit.
    Überhaupt ist der größte Störenfried für das Rathaus die sich anschließende Großplatte und die bleibt wohl auf absehbare Zeit stehen.

  • ^^^Macht ja nix. Deshalb auch hier Kurzform:


    1. Der Fernsehturm ist durch seine Grösse natürlich dominierend - allerdings für fast die gesamte Innenstadt. Das verbietet nicht eine städtige Einbindung.


    2. Der neu entstandende Platz vor dem Haupteingang des Fernsehturms (Panoramaplatz) ist ein Beweis dafür, dass Platzfassungen auch in diesem Bereich und mit "zeitgenössicher" Architektur und Monsterparzellen (die ja meist dikataturstämmig sind) funktioniert.


    3. Das Berliner Rathaus ist nicht auf Fernsicht konzipiert, genausowenig wie das Stadthaus. Waesemann hätte ein anderes Haus gebaut wenn dies eine Option gewesen wäre. Die reine Freistellung ist Denkmalpflege der 60er - heutzutage muss man wirklich wieder städtebaulich denken.


    4. Dies zeigt sich besonderns bei der Berliner Denkmalpflege: Hier wurden im Jahr 2014 Anbauten an den Kirchen St. Marien, St. Nikolai (säk.) und St. Hedwig durch Haspel abgelehnt. Da zeigt sich besonderns, dass "Weiterbauen" zwar Lippenbekenntnis ist aber im konkreten Fall versagt bleibt. Das Denkmal soll Spolie einer fernen Zeit bleiben ...

  • An der Friedrichswerderschen Kirche kann man aktuell erfahren, wie eine Bebauung die Wirkung eines Baus tatsächlich erheblich erhöhen kann. Biegt man jetzt von der An der Kommendatur kommend in die Niederlagstraße ein, erscheint die Rückseite von Schinkels Bau schon jetzt, obwohl die Neubauten noch nicht weit gediehen sind, plötzlich deutlich wuchtiger und beeindruckender als vorher, als das gesamte Umfeld eine Brache war.

  • ^ Dem schließe ich mich an. Weit und Breit kein Skandal. Und diese schauerliche Visualisierung bestärkt mich nur in meiner Ablehnung eine Möchtegernaltstadt aufzubauen. Es wird hoffentlich nie soweit kommen.


    Das finde ich auch. Ich verstehe nicht, warum die Stadtgestalt des 19. Jahrhunderts (noch unverständlicher - des 17. Jahrhunderts!) die Antwort für das Zentrum einer der Metropolen des 21. Jahrunderts sein soll, deren Identität insbesondere von den ständigen Wandlungsprozessen bestimmt ist. Vielleicht wird dieser Wunsch nach Rückbau und nicht WEITERbau vor allem von der illusion des "Früher war alles besser" geprägt - eine Verweigerungshaltung gegenüber gesellschjaftlicher Fortentwicklung. Ich fänd dagegen die Vielschichtigkeit des Ortes in den unterschiedlichen historischen Bezügen (historische Stadtgestalt, Zerstörung durch den II.WK, Wiederaufbau nach Konzepten der Moderne, Frage nach derStadt der Zukunft...) eher interessant an diesem Ort... - Ein historisierender stadtgrundriss an sich ist eben kein Garant für eine funktionierende Stadt in Zukunft - eher nur ein netten Bild einer "gewohnten" Stadtgestalt... - die "kritische Rekonstruktion" hat ebenso auch nicht funktionsfähige Quartiere produziert...

  • Was denn eigentlich für "ständige Wandlungsprozesse"? Und wie würde denn deiner Meinung nach ein WEITERbau in diesem Fall aussehen? Erklär mal bitte. Ich kann im Falle einer Neugestaltung nicht vorstellen, was diesen Terminologien widerspräche...


    Nur weil die GHB von Rekos träumt, heißt es noch lange nicht, dass es auch so kommen würde, sollte dort überhaupt mal etwas passieren. Die wollen das Thema damit doch vor allem wieder auf den Tisch bringen. Und fürs Marketing sind die sicher auch besser, als Schießscharten und Mikrowellenfenster. Und der Grundriss...Gibt es überhaupt einen Garant für eine funktionierende Stadt der Zukunft bzw. wo steht/wer sagt, dass der hist. Grundriss keiner sein kann? So viel Fläche ist da nun auch nicht, dass man große Experimente in dieser Hinsicht wagen könnte.

    2 Mal editiert, zuletzt von Ben ()

  • Ich verstehe nicht, warum die Stadtgestalt des 19. Jahrhunderts (noch unverständlicher - des 17. Jahrhunderts!) die Antwort für das Zentrum einer der Metropolen des 21. Jahrunderts sein soll, deren Identität insbesondere von den ständigen Wandlungsprozessen bestimmt ist.


    Kaum eine Metropole Europas wandelt sich schneller als London. Dennoch wurde am Paternoster Square die Bebauung der 1960er Jahre abgerissen und durch eine mehr dem historischen Stadtgrundriss angepasste ersetzt. Siehe erstes Foto - der nördliche Teil (oben) ist postmodern, der südliche (unten) an das 17. Jahrhundert angelehnt - das Tor ist aus gerade dieser Zeit und echt, dorthin woandersher versetzt.


    Die kleinen Bauten des südlichen Teils unterstreichen die Monumentalität des Doms weit mehr als die größeren Klötze der 1960er Jahre es getan haben. Ganz ähnlich müsste der Berliner Fernsehturm mit kleineren Bauten im Hintergrund monumentaler wirken als wenn es (etwas weiter) die 12-geschossigen Blöcke mit je 100 Meter Länge sind.


    Vielleicht wird dieser Wunsch nach Rückbau und nicht WEITERbau vor allem von der illusion des "Früher war alles besser" geprägt


    Die ewige Unterstellung ist derart ausgeleiert, dass es peinlich sein müsste, sie noch einmal zu entstauben. Nicht alles war mal besser, doch eine erlebbare Altstadt ist besser als eine überdimensionale Raumwüste oder Siedlung mit dem Anticharme einer Hong-Konger Vorstadt, das im 21 Jahrhundert erst recht. Zur Wandlung gehört u.a., dass man städtebauliche Irrwege korrigiert und Denkverbote überwindet - wie das Denkverbot des Zurückgreifens auf ältere Formen und Gestaltungen.
    Es dürfte übrigens an einigen Stellen etwas altwürdiger sein als das 17 Jh. - wenn Berlin an diesem Ort im 12 Jh. belegt existierte.


    Ich würde lediglich auf der Visualisierung vom gestrigen Beitrag Batōs auf die Häuserzeile hinter dem neuen Platz verzichten, diesen einfach bis zum Roten Rathaus fortführen (stärker begrünt als Ausgleich für entfallende Grünflächen) - welches dann nicht verdeckt wäre. Die Sichtachse-Allee Fernsehturm-Schloss halte ich nach wie vor für geboten.

    2 Mal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Ich meine auch, städtebauliche Rekonstruktion um ihrer selbst Willen kann nicht die Lösung für diesen Stadtraum sein - schon gar nicht die Rekonstruktion verlorener Häuser, die sich mit dem Hochhaus an der Liebknecht-Straße fürchtlich beißen würden. Nachteile außerdem: Keine Sichtbeziehung zwischen Humboldtforum und Fernsehturm, kein Platz vor dem Rathaus (wobei ich die von Bato gelobte heutige Freistellung nicht für notwendig halte, um das Gebäude wirken zu lassen), keine Einbindung in die Umgebung.


    Ich hatte zu diesem Thema schon irgendwann mal geschrieben, dass ich eine Bebauung für richtig halte, wenn sie wirklich hochwertig ist und als Synthese von historischer Stadt und moderner Umgebung fungiert. Also Blockrandbebauung und Traufhöhe ja, kleinere Parzellen auch (solange man es nicht übetreibt), Wiederaufbau ohne Rücksicht auf das, was seit 1945 dort passiert ist - lieber nicht. Das wäre eine schlichte Antithese nach dem Motto "So hübsch war das hier früher mal, schaut mal wie hässlich die DDR ist. Schön ist nur, was vor 1914 gebaut wurde". Im Ergebnis nicht nur geschichtsvergessen, sondern als städtebauliche Geste so trotzig-infantil wie puppenstubenhaft-romantisch (was ich teilweise auch der Frankfurter Römerplanung vorwerfe).


    Und noch ein Argument, dass ich hier vor Jahren schon mal gebracht habe: Bevor man den nach heutigen Maßstäben zwar nicht schönen, aber ohne Frage gestalteten Stadtraum zwischen Liebknecht- und Rathausstraße angeht, sollte man sich erst mal um die Fischerinsel, den Mühlendamm und die Grunerstraße kümmern. Das sind wirklich Wunden in der Stadt, die geheilt werden müssen.

  • Wieso soll sich denn bei einer Neubeuung da etwas "beissen" ? In Berlin wird doch jeder Bruch gefeiert und plötzlich soll es bei einer Bebauung homogen statt polymorph zugehen? Das ist wenig überzeugend.


    Eine Sichtbeziehung zwischen dem Schloß und dem Fernsehturm ist schon durch dessen schiere Größe gegeben, warum sollte man eine künstliche Achse von der Ostfassade zum Turm ziehen? Das wäre eher neobarocker Städtebau (wie es auch Tchoban mit seiner patte d'oie vorgesehen hatte). Sonst wird jedr Rückgriff in die Geschichte immer als vordemokratisch diskreditiert und hier werden die imperialen Gesten gefordert. Auch nicht wirklich nachvollziehbar.


    Deshalb erscheint es mir tatsächlich das Beste den vorsozialistischen Grundriss wieder aufzugreifen, die Vorderhausbreiten zu übernehmen und ggf. mit einer Mischung als Rekonstruktionen und zeitgenössicher Architektur zu bebauen. Ich fürchte nur, dass sich Berlin hierzu nicht entschliessen kann.

  • Ich dachte immer, die Kontraste sein sowas tolles an Berlin? Dass sich Betonneubauten mit den benachbarten Gründerzeitlern beißen, stört auch keinen bzw. wird sogar als ganz toll empfunden.


    Was spricht da also gegen den Kontrast zw. Plattenriegeln und einer kleinteiligeren, der Berliner Traufhöhe entsprechenden Bebauung (Fassadengestaltung mal außen vor), was du ja selber gut fändest. Wieso reitet man immer auf den Fassaden rum? Das sind doch alles nur Ideen und Studien usw. Die Hochwertigkeit eines Gebäudes wird sich erst zeigen, wenn es steht.


    Und wieso sollte man einen Stadtraum nicht verschönern dürfen (auf welche Weise auch immer), nur weil er jetzt schon gestaltet ist und keine leeres Eckgrundstück ist?


    (OK, Konstantin war schneller...)

  • Die Empörung über die Forderung nach dem historischen Stadtgrundriss kann ich immer nicht ganz nachvollziehen. Das ist doch eine recht triviale Ansicht, falls man sich denn grundsätzlich erstmal für eine Neubebauung entscheidet. Hauptverkehrswege Spandauer, Rathaus und Liebknech-Straße sind doch im großen und ganzen die selben geblieben. Wie sollte denn hier eine angeblich zukunftsweisende Alternative ausschauen? Alles mit einem Block überbauen? Dekonstruktivistische Spielchen? Wohl kaum. Wenn man das Areal als ein Stadtviertel wieder beleben möchte, wird man sich automatisch am alten Grundriss orientieren müssen. Der ist schließlich nicht aus Jux entstanden, sondern folgte einer Logik.


    Dringlichste Aufgabe ist hier aber, wie schon häufig erwähnt, das MEF. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass nach dem Ende der Bauarbeiten nicht die spätsozialistische Weihestätte rekonstruiert wird.

    2 Mal editiert, zuletzt von Saxonia () aus folgendem Grund: R

  • Ich fänd dagegen die Vielschichtigkeit des Ortes in den unterschiedlichen historischen Bezügen (historische Stadtgestalt, Zerstörung durch den II.WK, Wiederaufbau nach Konzepten der Moderne, Frage nach derStadt der Zukunft...) eher interessant an diesem Ort...


    Ja, interessant. Aber abseits der Realitäten, da es an dieser Stelle nach den gewaltsamen Zerstörungen keinen aus architektonischer Sicht nennenswerten 'Wiederaufbau' gab. Auf den Trümmern der alten Stadt wurden Gehwegplatten und Asphaltschichten aufgebracht und hier und da ein bisschen Rasen ausgesäht. Es ist ja nicht so, als wäre der jetzige Zustand das Resultat einer natürlichen Stadtentwicklung. Es ist eine Wunde bzw. Narbe in der Stadtstruktur, die repariert werden muss und keinesfalls kultiviert werden sollte.

  • Zitat von Anonymer Rotkärtchen-Verteiler

    Nein ist es nicht. Weder ne narbe noch ne Wunde. Einzig in den Augen der Ewig-Gestrigen ist das so.


    Selbstverständlich ist es das. Sowohl das Marx-Engels-Forum, als auch der Bereich vor dem Rathaus sind vormals dicht besiedelte, dann durch Krieg und Abrisswahn zerstörte und seitdem nicht wieder bebaute Areale. Nicht bebaut ist nach meinen Empfinden das Gegenteil von 'Wiederaufbau', so wie es hier im Thread anklang. Da wir uns ja immer noch in einem Architekturforum befinden, darf ich vielleicht mal an die grundlegende Definition des Architekturbegriffs erinnern: das planvolle Entwerfen, Gestalten und Konstruieren von Bauwerken. Nichts von alledem ist dort nach 1945 geschehen.

  • Wie auch immer: mir will sich das durch SenStadt initiierte Verfahren nicht erklären. Erst beauftragt SenStadt ohne Wettbewerb und Ausschreibung in drei bis fünf Teilaufträgen (wg. der Ausschreibungsgrenzen) das Büro Monsigny-Levin um das Rathausforum umzugestalten und dann soll jetzt eine Umgestaltung mittels eines "Partizipationprozesses" gestartet werden. Hier berichtete Frau Lüscher auf der Seite von SenStadt, Auftragnehmer für den Dialogprozess ist Zebralog.


    Warum gestaltet man erst für viele Millionen ein Areal um (inkl. der mit Fördermitteln verbundenen Veränderungsverbotsfrist) und startet dann für Hundertausende von Euros ein Verfahren der Öffentlichekeitsbeteiligung, um anschließend im Wahlkampf zu versinken.


    Die Menschen, die sich an dem Diskussionsprozess beteiligen, müssen sich doch - gelinde gesagt - hinter die Fichte geführt vorkommen, da eine zeitnahe Umsetzung der ggf. gefundenen Ideen im "Partizipationsverfahren" gar nicht beabsichtigt ist.


    Für mich ist das ein klarer Fall für den Rechnungshof.

  • ... lehne ich Gebäude vor dem Roten Rathhaus ab. Der Prachtbau ist für mich eines der Berliner Sehenswürdigkeiten und sollte daher mit möglichst viel Raum davor frei bleiben.


    Eine Bebauung des Marx-Engels-Forums und die Sicherstellung eines Freiraumes vor dem Roten Rathhaus sind kein Widerspruch. Eine Bebauung könnte derart gestaltet werden, daß ein gewisser Raum vor dem Rathaus bzw. auf Länge des Rathauses frei gelassen wird. Dieser vor dem Rathaus entstehende Freiraum hätte dann die Wirkung eines Marktplatzes.


    Man könnte so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Rote Rathaus hätte den Freiraum, um wirken zu können. Und die Anhänger einer kleinparzelligen Bebauung würden einen Platz erhalten, der wie ein Marktplatz wirken würde. Und Berlin hätte einen städtischen Platz mehr.

  • Sonst wird jedr Rückgriff in die Geschichte immer als vordemokratisch diskreditiert und hier werden die imperialen Gesten gefordert. Auch nicht wirklich nachvollziehbar.


    Ui, starker Tobak. Von "imperialen Gesten" habe ich nichts geschrieben (und im Hinterkopf habe ich sie auch nicht). An Tchobans Plan gefällt mir allerdings tatsächlich so manches besser als an der GHB-Idee; z.B. eben die Drehung des Platzes Richtung Rotes Rathaus und die Sichtachse vom TV-Turm zur Stella-Fassade (deren Breite für alles Imperiale viel zu gering wäre). Wenn Du das Neo-Barock nennen möchtest - warum nicht? Ich finde allerdings, dass Tchoban zuviel tut: Das Marx-Engels-Forum hätte ich gerne als Park erhalten bzw. neu gestaltet. Sorry, Saxonia, aber als auflockerndes Gegenüber des Humboldtforums finde ich einen Park durchaus angemessen, und der Begriff der "Weihestätte" geht an dem dort vorgesehenen, recht nüchternen und abstrahierenden Denkmal für die Herren Philosophen ziemlich weit vorbei (zumal Marx und Engels nicht für das verantwortlich sind, was Stalin, Ulbricht & Co. später in ihrem Namen verbrochen haben, aber das nur am Rande).


    Was die Brüche angeht: Bisschen seltsam, dass deren Bedeutung plötzlich von einem betont wird, der sich im Herzen die Vollreko des Zustands von 1913 wünscht... ;) Aber im Ernst - es gibt tatsächlich den städtebaulichen Bruch, durch den Geschichte erfahrbar wird. Z.B. der Kontrast zwischen Schloss Bellevue und den 60er-Jahre-Wohnhochäusern an der S-Bahn-Station "Bellevue". Da schnurren auf wenigen hundert Metern Entfernung ganze Epochen zu einem Gesamtbild zusammen. Ein anderes, nur noch vorübergehend zu bestaunendes Beispiel ist die Brachfläche an der Sebastianstraße - keinen Kilometer entfernt vom Kotti in der einen und der Museumsinsel in der anderen Richtung, fühlt man sich dort wie in einem Niemandsland. Ich mag diese Erfahrung (in diesem Falle gerade weil sie vergänglich ist).


    In der Regel ist die Rede vom "Bruch" aber wenig mehr als schnöder Reklamesprech von Bauherren, die kaschieren wollen, dass ihr 08/15-Glasfassaden-Bürohaus zu seiner Umgebung aus dem 18. Jahrhundert nicht so recht passen mag (wie Du genau weißt, lieber Konstantin :cool:). Weil denen nichts besseres einfällt, reden sie dann halt von einem "städtebaulichen Spannungsverhältnis" - und hoffen, dass die Presse diese Phrase übernimmt. Einen ähnlichen Pseudo-Bruch würde man erhalten, wenn man einfach rekonstruierte, was war, und danach pseudo-überrascht feststellte, dass es zum derzeit Vorhandenen nicht passt. Das ist einerseits langweilig, weil vorhersehbar. Andererseits ist es ärgerlich, weil ein solcher inszenierter Bruch sich als Antwort auf eine nicht gestellte Frage versteht: Oh, dann muss wohl langfristig auch der DDR-Riegel an der Liebknecht-Straße weg, weil er einen Schatten auf den nagelneuen Platz wirft, der aber "authentisch" daherkommt und deshalb ältere Rechte hat... Naja.


    @ Ben: Von "nicht dürfen" habe ich nichts geschrieben. Ich sehe nur die Priorität anderswo.


    @ tel33: Kein gestalteter Raum? Aber hallo! Dass die Art und Weise der Gestaltung nicht den aktuellen Vorstellungen entspricht, ist eine andere Sache. Die derzeitige Bebauung folgt dennoch einem durchdeklinierten Konzept, und wenn man dieses Konzept mit Hilberseimers Plänen aus den Zwanzigerjahren vergleicht, ist es geradezu zurückhaltend. Der wollte nämlich gleich die ganze Friedrichstadt palttmachen. Ganz ohne Krieg und Stalinismus.

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind ()

  • Die Mehrheit der Bevölkerung in Berlin und besonders der Architekten und Stadtplaner will doch keine rekonstruierte Altstadt.


    Darf ich dich fragen, woher du das weißt? Hast du irgendwelche Belege, mit denen du deine Aussage stützen kannst? Gibt es repräsentative Umfragen, Abstimmungen oder ähnliches?


    Handelt es sich wirklich um die Mehrheit der Bevölkerung, die deine Meinung teilt? Oder versuchst du lediglich, deine eigene Meinung als die Meinung der Mehrheit darzustellen?


  • Die derzeitige Bebauung folgt dennoch einem durchdeklinierten Konzept, und wenn man dieses Konzept mit Hilberseimers Plänen aus den Zwanzigerjahren vergleicht, ist es geradezu zurückhaltend.


    Sicher. Und eine Atombombe hätte noch grandiosere Freiflächen hervorgebracht.
    Wie dem auch sein - es bleibt die Tatsache, dass die hier diskutierten Areale nach der Zerstörung NICHT bebaut worden sind. Insofern ist es völlig sinnfrei mit einer angeblich vorhandenen 'derzeitigen Bebauung' zu argumentieren - es gibt sie schlichtweg nicht. Das einzige Gebäude was da noch einsam herumsteht ist die Marienkirche.
    Dieser Zustand ist nicht das Resultat einer intelligenten Stadtplanung, sondern in erster Linie des Bombenkrieges. Ich bin nicht der Meinung, dass man das zum Kulturgut erheben muss.

  • ... dass die "Brüche" nun plötzlich Marketingsprech von Bauträgern sein soll, ist mir neu. Bis dato habe ich das immer von Architekten gehört, die begründen wollten warum man sich in geschlossenen Gründerzeitgebieten architektonisch nicht einpassen muss. Und dies gilt eben hier vice versa.