Museumsinsel und Erweiterungsbauten (James-Simon-Galerie)

  • Also, wenn meine Position, bei einem Wiederaufbaus eines Hauses, das zu mehr als 75 % noch erhalten war, wenigsten EINEN der mehr als 25 Räume im Original wiederherzustellen, fundamentalistisch (Rotes Rathaus) ist war ist das Humboldtforum ein protofaschistoides Bauwerk.


    Man mag vom Historismus halten was man mag, aber die Idee die Antiken in farblich sehr lebendig gefassten Räumen zu präsentieren darf doch wenigsten in einem Raum gezeigt werden. Ich würde mich gern selbst davon überzeugen, ob dieser Stüler wirklich ein geschmackloser Schnösel war, dessen Entwürfe man im 21. Jahrhundert dringend korrigieren oder nur durch die Konservierung des Verfallszustand mit einer Art gedimmter Brille sehen darf. Aber das wird mir vorenthalten.


    Mitunter habe ich den Eindruck, dass manch' Zeitgenossen noch immer nicht erfahren haben, dass die Antike nicht blütenmarmorweiss sondern ziemlich bunt war. Stüler hatte dies verarbeitet und sich gegen die "Einfalt edler Blässe" gestellt, schon seinerzeit. Die Doktrin der Materialsichtigkeit, die Momentan dazu führt, dass in Berlin jedes Barockbauwerk mit der Trendfarbe "Milchkaffee" getaucht wird statt zweifarbig in Plastizität zu glänzen, wird sich auch einstmals als Irrweg erweisen.


    Ernsthaft eine Replik auf die vielen positiven Presseartikel zu halten wird wohl nicht erwartet. Die Abrisse der europäischen Stadt zugunsten der autogerechten "City" in den 60er und 70er Jahren wurden von Zeitgenossen ebenfalls fast durchgehend positiv besprochen. War es deshalb richtig dies zu tun?

  • Ich meine mit fundamentalistisch eine Grundhaltung gegenüber dem Bauen in Berlin, die Dich fast nichts positives mehr erkennen lässt. Ich hätte mir auch beim Neuen Museum mehr Reko vorstellen können, finde aber das Konzept so überzeugend, sogar überragend. Ein Saal in Vollreko würde m.E. in diesem Haus keinen Sinn machen. Ich glaube nicht, dass Stüler die Verachtung entgegengebracht wird, die Du andeutest, sondern großer Respekt. Auch im Kontext der anderen Häuser, die restauriert wurden bzw. werden, ist dieser Bau eine große Bereicherung, so wie er jetzt ist.


    Naja, es ist ermüdend, so immer weiter zu diskutieren. Ich wollte nur der stark überschießenden Fundamentalkritik, die sich an einem abgerissenen Treppenteil entzündete, etwas entgegenhalten.

  • ^
    1. Dann ist "fundamentalistisch" die falsche Vokabel. Ggf. sekundenweise zynisch.
    2. "Fast nichts Positives" ist falsch. Schau mal in die Gesamtheit der Beiträge.
    3. Ob Stüler das respektiert hätte, was Herr Schifferfeld gemacht hat, halte ich für sehr zweifelhaft. Das Bau-Programm geht gegen jede seiner Architekurüberzeugungen.
    4. Es geht nicht um "Einen Treppenteil" sondern um die ganze, zweigeschossige Haupttreppe, die Chippi rausgerissen hat (und nicht nur das).
    5. Über was "schiesst" denn meine Kritik an dem Bau "hinaus"?


    Den Kern meiner Argumentation, warum ich denn den Kern der Stülerschen Innenarchitektur, die Ausmalung, nur ruinenhaft gedimmt erleben darf, tut du mit "macht keinen Sinn" ab. Das überzeugt mich nicht.

  • Ich muss Rotes Rathaus voll zustimmen und teile seine Frustration.


    Ich wüsste auch nicht wie man es anders als fundamentalistisch bezeichnen könnte, was du forderst.


    Ganz ehrlich für Rekonstruktionen braucht es keine Architekten, sondern nur Handwerker, Statiker und Ingenieure, die die alten Pläne wieder nachbauen.


    Wozu braucht es noch Architekten in Deiner Welt? Neues soll ja eh nicht geschaffen werden, es ist ja schon ein Frevel wenn man es wagt,die Originalfarben zu verändern. Es geht wie Rotes Rathaus richtig erkannt hat um Standpunkte und Prinzipien, und die sind so, dass nur Rekonstruktionen erlaubt sind, alles andere ist verwerflich, folglich jegliche Diskussion über Ausführung von Bauten darüber völlig sinnlos weil sie a priori außerhalb des erlaubten Prinzips stehen. Reiner Fundamentalismus.

  • Wenn wir uns in Abgrenzung zu den technischen Gewerken in der Tat darauf einigen könnten, dass Architektur eine bildende Kunst ist (was sowohl das Urheberrecht als auch die Hochschulen so einordnen), dann sind Parallelen zu anderen Kunstrichtungen zu ziehen. Es wäre unter keinen Umständen akzeptiert, ein Werk der bildenden Kunst wie ein Gemälde oder eine Skulptur, sei es auch stark beschädigt, durch einen anderen Künstler abzuändern. Die einzigen beiden akzeptierten Herangehensweisen sind hier Konservierung oder Restauration mit den Mitteln der Rekonstruktion. Beide wechseln sich zB im Bereich der Gemälde in "Moden" immer mal wieder ab.


    Und gerade weil für mich Architektur eine Form der bildenden Kunst ist, zumindest dann wenn die Architekten sich Mühe geben mit künstlerischem Willen zu gestalten und nicht nur als planenende Bauingenieure unter anderer Bezeichnung reine Auftragsarbeiten abzuliefern, sind für mich deren Werke große Skulpturen. Darum bin ich solch ein Befürworter der Fassadenreko am Humboldtforum (Rückholung eines Kunstwerkes aus der "Vergessenheit" der Archive), darum bin ich aber auch irritiert wenn ich lese, dass noch vorhandene Originalsubstanz dieses Museumsgebäudes zerstört wurde um daraus ein neues Gebäude zu machen.


    Bisher hielt ich dieses Gebäude für gelungen, in der Annahme das Altes behutsam ergänzt wurde und somit "zwei Kunstwerke in einem" entstanden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden (was ja auch ein Punkt ist, Kunstwerke zu erhalten nur um sie dann vor der Öffentlichkeit dauerhaft zu verbergen ist auch nicht im Sinne des Künstlers). Sollte dem aber nicht so sein, dann werde ich meine Haltung gegenüber diesem Gebäude ganz grundsätzlich überdenken. Denn hier habe ich in der Tat auch meine prinzipiellen Vorstellungen, in der Hinsicht lasse ich mir dann auch gerne "Fundamentalismus" nachsagen. Interessant auch die Haltung des Denkmalschutzes sollten die Anekdoten der Wahrheit entsprechen.


    Jeder Privatmann, der Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes ist, muss selbst obsolet gewordene technische Installationen häufig aus Denkmalschutzgründen konservieren oder mit größtem Aufwand instand setzen. Da sind die Denkmalbehörden sehr wachsam. Sollte das etwa für öffentliche Bauten nicht gelten? Im Übrigen lebt Kunst von ihrer kritischen Rezeption. Kritik an Architektur ist daher nicht nur legitim, sondern programmatisch.

  • ...Und gerade weil für mich Architektur eine Form der bildenden Kunst ist, zumindest dann wenn die Architekten sich Mühe geben mit künstlerischem Willen zu gestalten und nicht nur als planenende Bauingenieure unter anderer Bezeichnung reine Auftragsarbeiten abzuliefern, sind für mich deren Werke große Skulpturen....


    Und warum hörst du dann mit dieser Betrachtungsweise abrubt auf, mit allem was an Gebautem ca. nach dem Jugenstil folgte?
    So habe ich jedenfalls den Eindruck hier von dir gewonnen.
    Dann ist alles was sagen wir ab 1914 gebaut wurde keine here Kunst für dich? Aber wahrscheinlich machst du Ausnahmen bei dem einen oder anderen Ausrutscher der dir doch würdig erscheint. Aber dann wird es schon wieder geschmäcklerisch und taugt nicht zu einer Theorie wie du sie uns hier schmackhaft machen willst.


    Für mich ist alles was durch einen kreativen Akt/Gedanken eines Menschen oder einer Gruppe entstanden ist, Kunst. Da folge ich Joseph Beuys.


    Deswegen habe ich meine Probleme mit Rekonstruktionen. Ist das Kunstwerk zerstört kann man den kreativen Geist nicht mit einer Nachbildung wiederbeleben, meiner Meinung nach. Ich kann besser mit dem wehmütigen Gedanken an das was war leben als mit einer Nachbildung. Die Nachbildung spricht nicht zu mir, rührt mich nicht an. Ich kaufe mir ja auch keine Nachbildung der Nofretete, obwohl es wirklich gute, sündhafte teure geben soll... nur das Original hat diese einzigartige Originalität.

  • Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal den sehr ausführlichen Wikipedia-Artikel über das Neue Museum durchzulesen. Darin steht unter anderem, dass das Gebäude einst als Friedrich August Stülers Hauptwerk galt, seine Pläne erhalten geblieben sind und darauf basierend noch zu DDR-Zeiten der Grundstein für eine originalgetreue Rekonstruktion samt der historischen Innenräume (!) gelegt wurde. Dazu kam es dann wegen der Wende nicht mehr; nach der Wiedervereinigung verabschiedete man sich leider von einem Wiederaufbau nach Stülers Plänen. Daher muss ich Konstantin gegen die heftige Kritik in Schutz nehmen. Wer sich der Geschichte des Neuen Museums, seinem kunstgeschichtlichem Wert und der Tatsache, dass eine originalgetreue Rekonstruktion des Gebäudes problemlos möglich gewesen wäre, bewusst ist, sieht Chipperfields Werk, seine notdürftig im Ruinenstil zusammengeflickte Fassade und seinen rücksichtslosen Umgang mit der historischen Bausubstanz von Vestibül und Treppenhaus mit ganz anderen Augen.

  • Donnerwetter, Architektator - das wußte ich nicht! :bash:


    Damit ist die Katastrophe ja noch schlimmer als ich sie bislang wahrgenommen habe.
    Gerade das Treppenhaus Stülers hatte es mir besonders angetan und ich habe deren Zerstörung betrauert.
    So lange ich diese vertane Chance nicht kannte, habe ich nur die billig wirkende Ergänzung zu der erhaltenen Substanz beklagt
    und den volltändigen Ersatz der Treppe hingenommen wie schlechtes Wetter.
    Meine Frau fand das Puzzle des altneuen Gebäudes und die behindertenrampengleiche Treppe sogar irgendwie kreativ. Naja.
    Aber so...


    Was für eine Barbarei! :Nieder:

  • Ich mag das Museum wie es ist, auch wenn ich das Treppenhaus zu schlicht finde.


    zum Beispiel mit der Kunst, mit Rekonstruktion von Skulpturen etc.
    Ich empfehle einen Besuch im PergamonMuseum, dort stehen antike Marmorköpfe auf im 18.-19. Jhdt erstellten Büsten aus farbigen Marmor.
    Eine Mischung die es im Original nie gab. Fällt aber nicht auf beim Betrachten, ausser man liest die Beschriftung und weiss das in der Antike die Statuen meist mit Pigmetfarbe bunt angemalt war.

  • Zitat Architektator

    rücksichtslosen Umgang mit der historischen Bausubstanz von Vestibül und Treppenhaus mit ganz anderen Augen


    Hier ein Foto des im Krieg zerstörten Treppenhauses: http://www.rotary1940.de/berli…ues_museum_treppe1943.jpg
    Wenn man bedenkt, dass diese Reste nach dem Krieg zudem wetterbedingt noch weiter zerstört wurden, blieb nicht wirklich viel vom Originaltreppenhaus erhalten. Wie kann man hier dem Architekten einen rücksichtslosen Umgang mit einer angeblichen historischen Bausubstanz vorwerfen?

  • Ich empfehle einen Besuch im PergamonMuseum, dort stehen antike Marmorköpfe auf im 18.-19. Jhdt erstellten Büsten aus farbigen Marmor.


    Natürlich gab es das. Dass die griechische Antike knallbunt war ist schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahunderts ruchbar gewesen, derweil wissenschaftlich nachgewiesen. Für die meisten humanistisch Gebildeten Deutschen ist der Anblick ungewohnt, nichtsdestotrotz entsprechen die Farbfassungen viel mehr den antiken Originalen als edle Kopien in weissem Marmor.


    Pars pro toto einemal ein http://www.welt.de/kultur/article2548590/So-schrill-und-bunt-waren-die-antiken-Goetter.htmlArtikel aus der WELT und der passende Wiki-Artikel.


    Der Wunsch nach Materialsichtigkeit ist ein Postulat der Moderne, der sowohl mit der Antike als auch mit dem 19. Jahrhundert nicht in Einklang zu bringen ist. Aber das schert Denkmalpfleger wenig: wir machen uns die, wie sie uns gefällt.


    P.S. Sich richtig komme ich noch nicht drüber hinweg, dass die Rekonstruktion von einm von 25 Innenräumen bei der instandsetzung eines eingetragenen Baudenkmals "Fundamentalismus" sein soll. Hätte ich die Komplettreko gefordert (wofür ja auch vieles gesprochen hätte...

  • ^das war ja gerade das Genie dieses Museumsbaues, die reiche Farbigkeit, die bis heute kein anderes Antikenmuseum hat. Es dominiert die von dir beschriebene nüchterne Präsentation der "Rohlinge" antiker Kunst. Nicht nur Figuren waren reichlich farbig bemalt, auch die komplette Architektur, man hat zB auch am Parthenon in Athen mit neuesten Methoden die letzten Farbpigmente einer einst knallig-bunten und flächendeckenden Bemalung gefunden (zB war der Giebel tiefblau) - aber der Bildungsbürger, nicht nur in Deutschland, würde sich wohl mit Grausen abwenden, wenn man ihm seine ach so geliebte Kunst der Antike, die er in Wahrheit also gar nicht wirklich richtig kennt, mit originaler Farbgebung restauriert vorführen würde.


    Nachträglich hat man in die durch Witterung verblichenen Rohlinge, die die westeuropäischen Archäologen dann später in den Stätten der Antike bargen, Gefasel von "ebenmäßiger Schönheit", "schlichter Eleganz" oder "klassische Ästhetik" reininterpretiert. Auf diesem komplett falschen Bild der bildenden Künste der Antike beruht ja im Grunde die ganze abendländische Rezeption der Antike und darauf basierend zB Renaissance und Klassizismus, auch die "Architektur der Moderne" im 20. Jh. ließ sich ja maßgeblich von der vermeintlichen Reduziertheit der sprichwörtlichen "spartanischen" (auch im antiken Sparta ging es farbig zu, wie man jetzt weiss..) Gestaltung der Antike inspirieren. Nur nicht vollständig, so mancher "moderne" Betonwürfel sähe in der Tat ansprechender raus, wenn man mit Farbigkeit nicht immer so sparsam umgehen würde. Eigentlich müsste das Architektur-Establishment das eigene Geschichtsbild komplett revidieren.



    Auf dieser Ausstellung hier zu dem Thema war ich seinerzeit selbst in Heidelberg, klein aber war sehr eindrücklich, das hat das hergebrachte Bild der Antike, was mir ja wie uns allen von Kind auf eingetrichtert wurde, komplett über den Haufen geworfen. Auf der Webseite, mit der die Ausstellung damals beworben wurde, sieht man ein paar anschauliche Beispiele:


    http://www.klassische-archaeol…htungen/bunteGoetter.html


    Das gilt zB für das alte Ägypten ganz genauso.


    ...was also ist die museale Präsentation der Antike wirklich wert, wenn sie eben genau das nicht macht, was man gemeinhin annimmt, nämlich Erbe früherer Kulturen bewahren und neu sichtbar machen und ausstellen, um uns Nachgeborenen zu zeigen, "wie es damals war". Das ist wohl ähnlich verzerrt, wie in "Demolition Man", wo in der Zukunft auf einem Oldie-Sender als typische Musik aus unserer Zeit lauter nervige Werbejingles für Spielzeug und Würstchen ausgestrahlt werden. Die Völker der Antike, mit einer Zeitmaschine in unsere Zeit befördert, würden sich wahrscheinlich kaputt lachen, wenn sie die Museumsinsel besuchten. Und: Fehler kann man machen, aber wenn die Forschung diese Fehler dann aufzeigt und man korrigiert sich immer noch nicht, dann läuft doch grundsätzlich was falsch.


    Ich hoffe, das ist jetzt substantiell genug und wird nicht einfach nur als "Fundamentalismus" vom Tisch gewischt. Die Nüchternheit des "Neuen Museum" wäre in meinen Augen für "moderne Kunst" als Rahmen wesentlich stimmiger, umgekehrt war vom Ursprungsbau doch viel erhalten, wenn ich hier noch lese, dass sogar die Originalpläne da waren und man die Haltung hat, dass auch Architektur bildende Kunst ist - na klar hätte ich mir da eine vollständige Restaurierung des Kunstwerks von Stüler gewünscht (was unterscheidet existentialistisch gesehen ein Museumsgebäude von einer Büste?) und na klar hätte ich mir auch gewünscht, dass die großen Sammlungen uns auch wirklich versuchen vorzustellen, wie die Antike tatsächlich war und nicht eine Fehlinterpretation der letzten 200 Jahre pflegen (zB kann man doch problemlos neben einem erhaltenen Original eine Kopie inkl. technisch analysierter Originalbemalung ausstellen, so sieht man die verbliebenen, archäologischen Reste des Originals und den Zustand, den das Werk in seiner Entstehungszeit hatte und zB den Alltag der Antike prägte). Das "Neue Museum" wie es jetzt ist festigt in meinen Augen flankierend das falsche Bild der Kunst der Antike, welches sich tief in unser kollektives Gedächtnis gegraben hat.

  • Zitat Konstantin

    Materialsichtigkeit ist ein Postulat der Moderne, der sowohl mit der Antike als auch mit dem 19. Jahrhundert nicht in Einklang zu bringen ist.


    Schon in der Antike gab es die von Ihnen kritisierte Materialsichtigkeit (z. B. Pantheon: Betonkuppel, Viadukte: sichtbare Ziegel). Im Mittelalter waren es Fachwerkhäuser, die ihre Tragkonstruktin (Holz) sichtbar ließen. Anfang des 19. Jhd. baute Schinkel mit der Bauakademie und der Friedrichswerdersche Kirche Gebäude, die als Vorbilder für das moderne Bauen gelten, die Wände etwa sind aus unverputztem Sichtziegel! Schinkel zeigt hier also bewusst das Material! Hierzu ein Zitat bei Wikipedia: "..gilt als das Bauwerk Schinkels, das am deutlichsten in die Zukunft weist und als Hauptwerk seines Technizismus anzusehen ist! Mit ihrer funktionalen Schlichtheit beeinflusste sie ganze Generationen von Architekten bis hin zum Bauhaus." Zitat Ende. Mitte des 19. Jdh. wurden des Weiteren Glas-Stahltempel errichtet, deren Materialsichtigkeit nicht zu überbieten war. Auch der Eiffelturm etwa versteckt die Konstruktion nicht, sondern zeigt sie bewusst! Es entspricht einfach nicht der Wahrheit, dass es den Wunsch nach Materialsichtigkeit nur in der Moderne gibt!

  • ^diese Entgegnung überzeugt nicht.


    Der Eiffelturm zeigt seine Materialität gerade nicht, er hat nicht nur gegen den Rost einen Anstrich bekommen und sein Erbauer, Eiffel, hat ihn ursprünglich sogar rot gestrichen, also auch nicht versucht einen "Stahl-Look" trotz Anstrich zu bewahren ("Materialsichtigkeit"). Auch ist seine Konstruktion nicht rein funktionaler Natur, einen reinen Funkturm hätte man weitaus sparsamer konstruiert, selbst mit den Aussichtsplattformen. Wer so baut: http://de.wikipedia.org/wiki/E…e:Paris_-_Eiffelturm9.jpg
    der legt nicht auf "Materialsichtigkeit" als Gestaltungselement wert, der sieht ein Baumaterial nur als "Rohstoff" für seine eigentliche Gestaltung. Auch die Konturen, die Eiffel bei Nacht durch die Beleuchtung hervorheben ließ, zeugen gerade nicht vom Motiv der "Materialsichtigkeit" als treibende Kraft: http://de.wikipedia.org/wiki/D…_at_night_cph_3b24446.jpg (Anno 1900!)


    Auch die Kuppel des Pantheon in Rom war reich bemalt! Und farbig! ("Ursprünglich war die Kuppel innen bemalt und jede Kassette trug einen bronzenen und evtl. vergoldeten Stern bzw. eine Rosette", Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Pantheon_%28Rom%29) - auch die Aquädukte, die wohl gemeint sind, waren zumindest in den Städten verputzt und gestaltet und nicht einfach im groben "Klinkerlook". Über die Jahrhunderte sind davon eben nur die Außenwände im Rohbauzustand übrig geblieben und vermitteln auch hier ein falsches Bild der Ästhetik der Antike, wie insgesamt der "Ruinenkult" insb. der deutschen "Romantik" ein sehr puristisch verfälschtes Bild der Antike (Sehnsuchtsort des deutschen Bildungsbürger seit Goethe) tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt hat.


    Es entspricht v. a. einfach nicht der Wahrheit, was für ein Bild von Bauen, bildender Kunst und Gestaltung der Antike bei uns vorherrscht, wie hier einmal mehr bewiesen wurde. Fränkisches Fachwerk ist im Übrigen ebenso wenig der Antike zuzurechnen, wie der Eiffelturm. Aber in der Tat hat erst die Architektur des 20. Jh. es zum Programm erhoben, die rohe und funktionale Bausubstanz zur Gestaltungsdominante zu machen. So wurden zB freilich gotische Kathedralen nicht ausgemalt, aber doch sehr, sehr reich verziert, fast nichts von den Steinmetzarbeiten dieser Kathedralen hat eine konstruktive oder sonstige Funktion, außer eben das menschliche Auge zu efreuen! Auch Schinkel hat nicht einfach eine Klinkerbox hingestellt, sondern mit Formen und Ornamentik gearbeitet.


    Es ist und bleibt ein Spezifikum des 20. Jh. rohes Material und Zweckmäßigkeit zur maßgeblichen Ästhetik zu erheben. Das Neue Museum macht seinem Namen alle Ehre, man sieht ihm eindeutig an, dass es zeitgenössisch ist und man wird sich in Zukunft schon über den Stilmix wundern. Aber da ist es ja nicht das einzige Gebäude in Berlin, vgl. Reichstagsgebäude.

    5 Mal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • Fränkisches Fachwerk ist im Übrigen ebenso wenig der Antike zuzurechnen, wie der Eiffelturm

    .
    Naja...wenn Sie richtig gelesen hätten, wären Ihnen bestimmt folgende Wörter aufgefallen: Mittelalter im Bezug auf Fachwerk; 19. Jhd. im Bezug auf Eiffelturm! Außerdem scheint es wohl nicht in Ihr Weltbild zu passen, dass Schinkel wegweisend für die Moderne des 20. Jhd. war. Zum Eiffelturm: Der erste Schutzanstrich erfolgte erst 2 Jahre nach Fertigstellung des Turmes, Ursrprünglich sollte er - weil er den Traditionalisten zu modern war - nach 2 Jahren wieder abgebaut werden. Der 1. Schutzanstrich erfolgte erst als beschlossen wurde, den Turm länger stehen zu lassen. Ohne Schutzanstrich wäre der Turm binnen weniger Jahre eingestürzt.

    fast nichts von den Steinmetzarbeiten dieser Kathedralen hat eine konstruktive oder sonstige Funktion


    Meinen Sie damit den Figurenschmuck!? Ansonsten würde ich mit Ihnen gerne mal eine gotische Kirche besichtigen und erläutern, dass fast jedes Bauteil in einer gotischen Kirche eine statische Funktion hat!

  • Jedes Bauteil hat in jedem Gebäude eine konstruktive Funktion, das ist ja die Definition eines Bauteiles. Aber ich kann eine tragende Säule einfach als langgezogenen Quader gestalten, funktional wie heutzutage nicht nur in der Tiefgarage sondern eigentlich überall.


    Hier würde ein zeitgenössischer Architekt jede Menge wegstreichen, um die Konstruktion an den Zeitgeschmack von "form follows function" anzupassen:


    http://de.wikipedia.org/wiki/D…tre_dame_interior_005.JPG


    Welche konstruktive Funktion hat es, die Mittelsäule mit Ornamenten auszustatten und mit großem Aufwand so zu behauen, dass sie aussieht, als wäre sie aus mehreren Röhren zusammmengesetzt? Usw.


    "Form follows function" ist pure Programmatik des 20. Jh. und so nirgendwo sonst in der Architekturgeschichte zu finden.

  • Die Schinkelschen Sichtklinker sprechen doch nicht dagegen. Klinkerfassaden gibt es durchgängig, hier ist kein Wandel zu verzeichnen.


    Über die Bemalungen des opus caementium hat Eisber berichtet. Und bei Fachwerkhäusern sind die Balken meist üppig bemalt gewesen, die Material zum Ausfachen ohnehin.


    Diese Beispiele, auch der rote Eiffelturm, zeigen wir fest das Verdikt der Materialsichtigkeit in den Köpfen der Zeitgenossen stecken. "Echt" soll es sein, "ehrlich" (und angeblich ist das das die Moderne). Absurd, man besichtige bitte den Taut-Anbau am Jagdschloß Glienicke mit Styropor-WDVS und fetten Profilen:



    Na, einerlei. Ich halte es nach wie vor für einen Verlust, den Stüler-Bau Neues Museum nicht nachempfinden zu können sondern auf ein Zerrbild angewiesen zu sein, das durch das weitere Fortschreiten der Zeit schon jetzt nicht mehr aktuell ist. Eines Tages, da bin ich mir sicher, werden wir an dem Bau die Schäden im Sandstein reparieren und den Putzer holen.

  • @Eisber


    Sorry das ist o.t. aber es ist mal wieder etwas von dir, dass ich in einem Architekturforum nicht unkommentiert lassen kann weil es so grundfalsch ist.


    Eine gotische Kathedrale ist DIE pure Konstruktion! Jedes Bauteil hat die Aufgabe den Schub der hohen Gewölbe entweder direkt in den Boden, wie bei den Bündelpfeilern, die du als Röhren bezeichnest, zu leiten (wobei jede einzelne dieser Säulen gebündelt zu einer größeren angeordnet ist, deswegen auch die Bezeichnung Bündelpfeiler. Da hat kein Steinmetz sich ein schickes Röhrendesign ausgedacht. Durch die aufwändigen Strebebögen die zusätzlich den Schub nach aussen leiten war es doch erst möglich die Wände fast völlig in Fenstern aufzulösen weil sie keine tragende Funktion mehr haben. DIE Innovation der gotischen Architektur!
    Vielleicht solltest du Architektur nicht immer nur unter dekorativen Gesichtspunkten betrachten!
    Ansonsten anempfehle ich dir einige Standardwerke über gotische Architektur.

  • ^ Der Versuch der Erklärung ist zwecklos! Man redet, bzw. schreibt gegen die Wand! ALLE Bauhistoriker und Architekten dieser Welt können bestätigen, dass Gotik Konstruktion pur ist (form follows function), können bestätigen, dass Schinkel modern war! Aber das, was die Fachwelt behauptet, spielt für einige hier natürlcih keine Rolle! Man will ja schließlich das Feindbild "Moderne" am leben halten!