Potsdam: Wiederaufbau der Garnisonkirche (Bauthread)

  • @ Dunning-Kruger


    Das von der Stadt in die Stiftung eingebrachte Grundstück ist mit dieser Einbringung zum Stiftungsvermögen geworden und befindet sich damit nicht mehr im Besitz der Stadt! Die Stadt Potsdam ist dadurch in die Stiftung eingetreten und hat ihr Stimmrecht bekommen. Zwar kann die Stadt Potsdam durch den Bürgerentscheid gezwungen werden für die Auflösung und Rückabwicklung der Stiftung zu stimmen (was eine Rückübertragung des Grundstückes einschlösse), einen Rechtsanspruch gibt es dafür aber nicht und die Mehrheitsverhältnisse stehen eher gegen eine Auflösung der Stiftung.


    An eine Stiftung übertragenes Vermögen ist wie ein Geschenk, auf dessen Rückgabe man ja auch nur unter sehr engen Voraussetzungen klagen kann. Dies wäre nur bei "groben Undank" oder wenn etwa das Vermögen dem Stiftungszweck zuwider verwendet würde, der Fall. Davon kann hier allerdings ja keine Rede sein.

  • libero: Klar geht es nicht vordergründig um (un-)tote Katzen. Aber es ging auch darum wie begründet es ist, wenn Klarenbach erst selbst tief unter der Gürtellinie beleidigt - im Kindergarten würde man sagen: "Der hat angefangen" ;) - dann aber gleich auf beleidigt tut, wenn etwas zurückkommt (und dass Necro sich dann gerne in so was einschaltet wissen wir alle). Diesbezüglich muss man wohl feststellen, dass jeder solche Dinge anders einordnet und ggf. entweder belustigt oder aber betroffen darauf reagiert.


    Aber primär sollte es in diesem Thread ja nicht um einen Kindergarten gehen (auch wenn es mW sogar mal den Vorschlag gab, das Grundstück für einen zu nutzen) und auch die Argumente für und wieder sind nun mE weitgehend durch. Wie beim Berliner Stadtschloss gibt es mE irgendwann einen Zeitpunkt, wo nahezu alles gesagt ist und man einfach abwarten muss, wie es am Ende tatsächlich kommt. Heute wird zunächst die Abstimmung stattfinden, um zu sehen ob die anwesenden Stadtverordneten mehrheitlich das Begehren annehmen oder ablehnen. Zumindest der Bürgermeister wird dabei nach eigener Aussage nicht taktisch abstimmen, sondern gemäß Kooperationsvertrag gegen das Begehren stimmen. Aber da man weder weiß inwiefern sich andere diesem Beispiel anschließen, noch alle Abstimmungsberechtigte in der Stadt sind, kann bei so knappen Mehrheitsverhältnissen noch alles passieren. So oder so bleiben aber die letzten beiden Sätze des folgenden Artikels gültig:
    http://www.morgenpost.de/print…-will-Garnisonkirche.html

  • Nur um Legendenbildungen vorzubeugen: Ich kann nicht erkennen, dass ich andere Nutzer beleidigt und beispielsweise als "rechtskonservative Militaristen" bezeichnet hätte. Der offenbar inkriminierte Satz lautet tatsächlich:


    Deshalb war die Garnisonkirche eine Kultstätte des rechtskonservativen Militarismus.


    Mit diesem Satz wird kein Nutzer angegriffen, weder direkt noch indirekt. Daher sind die hier vorgetragenen Vorwürfe ziemlich absurd. Im übrigen halte ich diesen Satz nach wie vor für richtig.

  • Die Garnisonkirche diente von Anfang an vor allem einem Zweck: Der Verherrlichung des Krieges. ... Deshalb war die Garnisonkirche eine Kultstätte des rechtskonservativen Militarismus.


    Angesichts dieses Missverhältnisses habe ich schon den Eindruck, dass es der Wiederaufbau ein revisionistisches Projekt ist, das den alten Ungeist nach Potsdam zurückbringen soll.


    Die Tatsache, dass diese Zerstörung mit einem Krieg zusammenhing, der auch von der Garnisonkirche seinen Ausgang genommen hat, wird völlig ignoriert, die Ursache und Wirkung wird vertauscht.


    ^^@Legendenbildung: Natürlich diffamierst Du Befürworter des Wiederaufbaus als Befürworter des revisionistischen Aufbaus einer Kultstätte für Militarismus, Verherrlichung des Krieges und der Wiederbelebung des rechtskonservativen Militarimus genauso wie du die Ideologie der SED für dich vereinnahmst, weil Du die Zerstörung (Sprengung) der Kirche als "Ergebnis" des Krieges dargestellt hast, wie es seinerszeit Walter Ulbricht himself argumentativ entsprechend hergeleitet haben dürfte (Ulbricht hat persönlich die Sprengung vorangestrieben und der Beschluss derselben war für DDR-Verhältnisse ausnahmsweise mal nicht einstimmig).


    Wie gesagt: Die Keule schwingst Du in einem Lauf (, der anscheinend weder von Ochs noch Esel aufgehalten wird - man möge milde diesen Querverweis richten).


    Edit: Ein Zitat aus Argumentation von Jan85 dupliziert. In der Tat ergänzen sich dieser und der zeitgleich erstellte nächste Post.

    7 Mal editiert, zuletzt von libero ()

  • QED

    Oh bitte, ich hatte gehofft das Thema endlich abhaken zu können. Aber um der "Legendenbildung" vorzubeugen, muss ich darauf hinweisen, dass man nie (auch nicht sich selbst) aus dem Zusammenhang gerissen zitieren sollte, um eine Behauptung zu belegen. Ich hatte eigentlich gehofft, dass dieser "Ungeist" der Vergangenheit angehört, aber leider scheint dem nicht so zu sein. Libero hat ja nicht ohne Grund den ganzen Beitrag verlinkt - vgl.: http://www.deutsches-architekt…hp?p=434797&postcount=181 Jetzt zu behaupten, der hier isoliert zitierten Satz verweise weder direkt noch indirekt auf die Befürworter der Bebauung ist allenfalls Selbsttrug - es verfängt einfach nicht mehr. Darf ich mal zitieren? Danke!


    Ich will auf die Argumente der Garnisonkirchenbefürworter eingehen. [Anm.: Bezug auf das hier und jetzt, die Relevanz für die jetzige Debatte]
    Erst einmal würde ich [...] zustimmen, [...] dass man die Garnisonkirche nicht auf einen Tag reduzieren sollte. [...] Allerdings bin ich der Meinung, dass die übrige Geschichte der Garnisonkirche auch nicht gerade positiv ist. Die Garnisonkirche diente von Anfang an vor allem einem Zweck: Der Verherrlichung des Krieges. [Anm.: keinerlei zeitliche Relativierung] [...] Deshalb war die Garnisonkirche eine Kultstätte des rechtskonservativen Militarismus [Anm.: Relativierung durch Nutzung des Präteritum].


    [...]


    Vor dem Hintergrund dieser Geschichte finde ich es schon seltsam, wenn sich Bürger für den Wiederaufbau ausgerechnet dieser Kirche engagieren. [Anm.: erneuter und noch klarerer Bezug zwischen eigener negativer Geschichtsdeutung und heutigen Befürwortern] Einige behaupten zwar, dass sie vor allem von der Liebe zu schönen alten Gebäuden geleitet würden. Nur stelle ich mir dann die Frage, warum sie sich nicht für die Sanierung der vielen verkommenen und einsturzbedrohten Baudenkmäler in Potsdam engagieren, [...]. Angesichts dieses Missverhältnisses habe ich schon den Eindruck, dass es der Wiederaufbau ein revisionistisches Projekt ist, das den alten Ungeist nach Potsdam zurückbringen soll. [Anm.: Bezug klar und eindeutig weiter ausgeführt]


    Anschließend wird dann noch einigen Befürwortern "doch ein sehr seltsames Geschichtsverständnis" unterstellt, eine einseitige Auseinandersetzung mit eben jener Geschichte beklagt bzw. Geschichtsklitterung unterstellt. Natürlich liegt es mir gänzlich fern, diesen Vorwurf zurückzuwerfen ;) Wie schon das Argumentieren und Zitieren ist auch die Welt- und Geschichtsdeutung des werten Users unfehlbar und über alle Zweifel (oder unqualifizierten Einwände) erhaben.


    Edit: Libero war schneller, aber wir ergänzen uns ja eher. Neben der Umdeutung der Sprengung in eine unausweichliche Folge des Krieges ist u.a. auch die Deutung des Tages von Potsdam "interessant".

  • Auf dem Weg zum Bürgerentscheid geht es mit kleinen Schritten voran. Heute melden die Potsdamer Neuesten Nachrichten, dass sich die Rathauskooperation auf eine Ablehnung des Bürgerbegehrens verständigt hätte. Damit wäre der Weg zum Bürgerentscheid frei.


    Streit gibt es allerdings noch über den Termin. Laut PNN gibt es in der Rathauskooperation Überlegungen, den Termin nicht auf den Termin der Landtagswahl am 14. September zu legen. Von dieser Lösung wird eine geringere Beteiligung erhofft. Allerdings ist das Zeitfenster für einen solchen Termin knapp, weil der Bürgerentscheid bis spätestens 30. September durchgeführt werden muss. Außerdem würde ein gesonderter Bürgerentscheid zusätzliche Kosten verursachen. Bei einer Kopplung mit der Landtagswahl würde der Entscheid nur 45.000 Euro kosten, bei einer gesonderten Abstimmung wären 120.000 Euro fällig.


    Der Artikel ist noch nicht im Netz verfügbar.

  • Artikel, die heute darüber berichten, gibt es diverse - wenn auch nicht mit allen von Klarenbach genannten Infos. Z. B. im RBB und der Mopo.


    Bei dieser Gelegenheit würde ich mir wünschen, dass das teils unter der Gürtellinie liegende Niveau einiger "Anti-Klarenbach-Beiträge" wieder etwas steigen würde. Die bisweilen peinlichen Pöbeleien gegen ihn sind teilweise unter aller Kanone. Es gibt nun einmal Argumente für und gegen den Wiederaufbau der Kirche und man kann dafür oder dagegen sein. Man kann gegenüber Klarenbachs Argumenten eine andere Ansicht haben und diese dann auch schreiben, aber bitte sachlich und ohne persönliche Angriffe. Solche kann man in Klarenbachs Beiträgen m. E. nicht finden. Ich habe den Eindruck, manche hier wollen unbedingt den Wiederaufbau und sehen jeden, der eine andere Meinung hat, als ihren persönlichen Staatsfeind Nr. 1.


    Und übrigens: Mir persönlich liegt die Garnisonkirche zwar nicht extrem am Herzen, aus städtbaulichen Gründen wäre der Wiederaufbau für mich aber durchaus wünschenswert. Ich halte es aber nicht für ein besonders vordringliches Projekt und kann auch viele Gegenargumente nachvollziehen. Und ich teile auch nicht alle Ansichten von K.

    Einmal editiert, zuletzt von Backstein () aus folgendem Grund: tf

  • Selbst wenn man der Ansicht ist, dass das Vorläufergebäude irgendwas militaristisches hatte, dann könnte man es als Ironie der Geschichte und späten Triumph betrachten, wenn das Nachfolgegebäude sowohl namentlich (Heilig-Kreuz) und auch gestalterisch (Verzicht auf jeglichen "Militärschmuck" aus der Zeit als Garnisonskirche des Vorgängerbaus) einen klaren Bruch mit diesem Teil der Vorgeschichte vollzieht. Das ist bzgl. Antimilitarismus ein sogar ein "Mehr" im Vergleich mit einer Verbannung dieses Gebäudes in geschichtliche Dokumentation, wo sozusagen "das letzte Wort" die militärische Nutzung hatte.


    Im Übrigen ist die Argumentation auch dahingehend nicht überzeugend, weil Deutschland nun einmal der Nachfolgestaat des Deutschen Reiches ist. Jeder Stein war einmal Teil des "Nazireiches" und auch die Menschen. Ein Geschichtsverständnis, was dazu führt, dass sich die Deutschen gegen "sich selbst" richten, zieht nicht nur nicht die richtigen Schlüsse aus der Geschichte (nämlich auf der Motivebene)), sondern es gewährt jenem Ungeist, der eine gesamte Gesellschaft, eine ganze Kultur und einen ganzen geschichtlichen Kontext in seinen Dienst stellen wollte ("Drittes Reich", Darstellung des Faschismus als eine Art "logischen Endpunkt"/"Höhepunkt" der dt. Geschichte etc., so haben die Nazis das ja dargestellt), einen späten Triumph.


    Wir müssen uns unser geschichtliches Erbe zurückholen und dürfen die Umdeutung durch die Nazis, damals wie heute durch deren ewiggestrige Erben, nicht weiter dulden. In diesem Sinne bin ich gerade aus historischen Erwägungen für eine Rekonstruktion. Den Triumph, unser Denken auf alle Zeit und in allen Generationen geprägt zu haben (und einem nur die Wahl zu lassen entweder ein verschämtes Verhältnis zur eigenen deutschen Identität zu entwickeln oder sich in eine rechte Ecke stellen zu lassen), will ich den "Braunen" einfach nicht geben. "Rechte" haben nicht die Deutungshoheit über deutsche Identität! Und die beste Methode, alten Ungeist endgültig zu verdrängen, ist ihm seine Zeichen, seine Symbolik und seine Narrative aus den Händen zu reißen.


    Der logische Endpunkt der deutschen Geschichte ist das moderne, heutige Deutschland. Es ist wieder so föderal, wie es eigentlich immer war (Bismarck erfand den Schmähbegriff "Kleinstaaterei" dafür ja nicht ohne Grund). Es wieder so multikulturell, wie es eigentlich immer war (kein anderer Staat in Europa ist durch die Jahrhunderte und Jahrtausende so durch Migrationsbewegungen geprägt worden!). Und eine baulich sichtbare Wiederanknüpfung an die Zeit vor dem Zivilisationsbruch der Jahre 1933-1945, unter demonstrativem Bruch mit militaristischen Traditionen, entreißt den Ewiggestrigen hier punktuell ihre Deutungshoheit über unsere Geschichte, die sie so gerne für sich reklamieren - wenn auch auf destruktive und negative Weise.


    Ich bin stolzer Deutscher, gerade weil wir diese Zeit überwunden haben, ich sehe die Nazizeit nicht als "historischen Unfall" den man nun vergessen kann, sondern natürlich als ein wichtiges historisches Erbe - was mich aber als heutiger Deutscher nicht nach den Maßstäben der Jahre 1933-1945 definiert, sondern dessen ÜBERWINDUNG mich definiert. Entnazifizierung und Marshallplan hin oder her, hätten die Deutschen nichts aus dieser Geschichte gelernt und den, ja durchaus langwierigen Prozess, hin zu einer pluralen Gesellschaft nach der FDGO nicht internalisiert, dann wäre das trotzdem gescheitert. Wir sehen ja überall in der Welt, auch gegenwärtig, dass künstliches, oktroyiertes "nation building" durch wohlmeinende "Demokratenlehrer" nicht funktioniert. Und ich bin stolz, dass wir diesen Weg weitergehen. Gleichberechtigung von Homosexuellen, Multikulti längst keine Debatte mehr sondern demografische Realität, Vertiefung der europäischen Einigung, so klein-klein das im Alltag auch erscheinen mag. Aber das sind Dinge auf die ich stolz bin und so sehr ich nachvollziehen kann, dass meine 68er Eltern-Generation bis heute mit ihrer Identität hadert, so sehr reklamiere ich für meine Generation, dass wir diese Dinge neu diskutieren, einen neuen Konsens bilden und auch unser Verhältnis zur Geschichte, zu Architektur und zu Städtebau, aber auch zu Religion, neu bewerten.


    Das reklamiert JEDE Generation für sich, das habt auch "ihr" damals für euch reklamiert, und das reklamieren wir für uns. Ich kenne niemand in meiner Altersgruppe persönlich, der das anders sieht. Und ich bin übrigens homosexuell, habe einen Migrationshintergrund und auch noch Sinti-Vorfahren. Ich habe bestimmt kein Interesse irgendwas am braunen Erbe toll zu finden. Und gerade weil das heutige Deutschland soviel anders ist, genau darum will ich es bewahren und schätzen. So wie die Weimarer Republik v.a. aus Mangel an Befürwortern scheiterte, so ist auch die FDGO, das GG und die zeitgenössische BRD nicht in Stein gemeiselt und unsere Freiheiten kein Naturgesetz und ich will verdammt sein, wenn nochmal eine freiheitliche Demokratie zu Scherben zerfällt, weil ihr erneut die Befürworter (mit Herzblut!) fehlen.


    Ich will die Deutungshoheit über das, was Deutschland ausmacht, den Gestrigen entreißen. Dazu gehört auch das kulturelle Erbe. Und dazu gehört es, denen nicht in die Hände zu spielen, indem man dieses Projekt in eine militaristische o. ä. Ecke rückt. Damit spielt man denen genau in die Hände, die jubeln innerlich, das ist das, was sie hören wollen, das gibt denen Genugtuung. Und die versage ich ihnen! So sehe ich die Frage historischer Rekonstruktionen: ja, bitte! Und zwar zu unseren heutigen Bedingungen und mit unseren heutigen Vorzeichen. Und genau das will das geplante und öffentlich bekannte Projekt in Potsdam doch auch. Es geht nicht um Restauration einer Zeit, die sich irgendwie materiell in Gebäuden manifestiert, sondern um kunsthistorische Rekonstruktion. Und anstatt militärischer Nutzung werden dort evangelische Friedensgebete stattfinden. Welchen größeren historischen Triumph über die militaristische Vergangenheit kann es den noch geben?

  • Vielen Dank für diesen substantiell fundierten und gleichzeitig mutigen Beitrag.
    Und ich ergänze es mit meinen Worten:
    "Nicht die Steine sind es, sondern die Menschen!"
    Darum bitte gibt Potsdam eines seiner Wahrzeichen zurück.

  • Dunning-Kruger
    Soweit ich weiß ist die Stiftung bereits im Besitz des Grundstückes. Somit müsste die Stadt den Verkauf gerichtlich rückgängig machen. Dies geht nur mit triftigen Gründen, die meiner Einschätzung nach nicht ansatzweise existieren.
    Ich vermute mal, dass Grundstück wurde mit der Bedingung verkauft, dass innerhalb einer bestimmten Zeit mit dem Bau angefangen werden muss. Wenn diese Zeit überschritten ist, ohne dass sich etwas getan hat kann die Stadt das Grundstück zurück fordern.
    Das dürfte aber in den nächsten zehn Jahren noch nicht der Fall sein, also besteht vermutlich keinerlei Zeitdruck momentan.


    Edit: Oh, wurde schon alles beantwortet, ich hab übersehen, dass es schon eine weitere Seite hier gab.

  • Wir haben in Deutschland zigtausende von Gebäuden ob Kirchenbauten, Klöster, Wohnbauten, öffentliche Gebäude etc. aus vergangenen Jahrhunderten.
    Die meisten werden gepflegt, die renovierungsbedürftig sind, werden auch früher oder später wieder renoviert, abgerissen werden die wenigsten davon.
    Das ist Teil unseres kulturellen Erbes, weil es eben originäre Gebäude sind und diese zu pflegen liegt uns allen am Herzen.


    Die Frage ist doch, ob es für die Pflege dieses Erbes notwendig ist, zusätzlich zu diesen bestehenden Erbe, Kopien von nicht mehr existierenden Gebäuden wieder zu errichten und da gehen die Meinungen eben weit auseinander.


    Ich halte es für bedenklich, wenn wie es in Potsdam und anderswo der Fall ist, nur noch Rekonstruktionen aus einer ganz bestimmten Epoche angestrebt werden, dies zeigt eine - meiner Meinung nach - übertriebene Verklärung der Vergangenheit vernachlässigt Gegenwart und Zukunft. Potsdam ist auf dem besten Weg ein 'Disneyland' zu werden.
    Architektur sollte doch nicht auf's kopieren von früheren Gebäuden reduziert sein, sondern gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln das ist jedenfalls mein Verständnis davon.
    Historische Symbole haben wir mehr als genug ob für Frieden, Versöhnung, Geschichte usw. usw, wozu braucht man eine Garnisionskirche für 40 Millionen, die auch noch zu großen Teil von Steuergeldern finanziert werden soll, das ist für mich nicht plausibel nachvollziehbar.
    Was will uns der Wiederaufbau dieser Kirche vermitteln, das nicht sowieso allen bewusst ist. Das wir die Vergangenheit überwunden haben? Dass wir für Frieden sind? Das haben wir schon tausendmal demonstriert, dazu bedarf es keiner aus öffentlichen Mitteln finanzierten Garnisionskirche.


    Potsdam hat ein so großes historischen Erbe auf das die Stadt stolz sein kann und es auch bewahren soll, aber warum muss man dann jetzt mit aller Gewalt eine Stadt wie vor 200 Jahren wiederherstellen, das verstehe ich einfach nicht.


    Wer nun aus ästhetischen Gründen für eine historisches Stadtbild plädiert, der vernachlässigt, dass Gegenwartsarchitektur diesen Anspruch genauso erhebt und - je nach Standpunkt des Betrachters mehr oder weniger - einlöst.

  • ^^^ (bezieht sich auf Beitrag 310) Vielleicht könnten die Stiftungsgegener ja noch mit einer "Rückforderung wegen Verarmung" (§ 528 BGB) kommen - immerhin wird ja argumentiert, dass wegen Übertragung dieses innerstädtischen Grundstückes der Stadt Potsdam nun das Geld für Schulen und Kindergärten fehlt, während bei einem millionenschweren Grundstücksverkauf ja diese Einrichtungen finanziell viel besser unterstützt werden könnten.


    An sich wäre die Frist, in der solch eine Rückforderung gestellt werden könnte, wohl noch nicht abgelaufen...


    Dummerweise ist die Stadt Potsdam nun nicht im wirklichen Sinne "verarmt", obwohl die finanzielle Lage sicherlich in Teilen angespannt ist. Zudem war die finanzielle Lage der Stadt Potsdam zum Zeitpunkt der Schenkung auch nicht besser als heute. Damit wäre eine solche Klage wohl aussichtslos.:Heuler:


    Aber vielleicht könnte man ja im Gegenzug die Stadtratsmitglieder wegen Untreue verklagen - schließlich haben sie mit der Einbringung des Grundstücks in die Stiftung einem Vermögensgeschäft zum Nachteil der Stadt Potsdam zugestimmt.:D


    ...diese Ausführungen waren natürlich nicht ganz ernst gemeint.;)


    Zusammengefasst kann man wohl sagen, dass eine Rückübertragung und Auflösung der Stiftung auf dem Klageweg aussichtslos ist - und freiwillig wird da auch nix geschehen - ich fürchte allerdings, dies ist den meisten Befürwortern des Bürgerentscheids nicht bewusst, oder man ignoriert es gleich ganz. Bei vielen wird wohl die Einstellung "Hauptsache dagegen" herrschen. Das Hauptproblem ist nun, wie stark ist diese Einstellung wirklich in Potsdams Bevölkerung vertreten. Und darin liegt auch die Krux, ob man solch einen Entscheid nun wirklich durchführt.


    Wenn der Stadtrat nun nur einfach hingeht, das Bürgerbegehren annimmt, eine Stiftungssitzung beantragt, wobei dann die Abstimmung auf Auflösung der Stifung wie erwartet negativ ausfällt, werden die Wiederaufbaugegner behaupten, man hätte nur getrickst um den Bürgerentscheid zu verhindern.


    Führt man den Bürgerentscheid durch und der Antrag wird abgeschmettert oder fällt wegen mangelnder Beteiligung durch, wäre es im Grunde die klarste Lösung - alllerdings dürfte die mangelnde Beteiligung auch nicht durch einen ungüstigen Termin für den Entscheid zustande kommen - dies wäre wieder Wasser auf den Mühlen der Gegner.


    Würde der Bürgerentscheid erfolgreich durch gehen, würde sich die Stiftung wahrscheinlich auch nicht auflösen, aber vermutlich würde der Wiederaufbau für die nächsten 10 Jahre erstmal zurückgestellt, weil die evangelische Kirche wahrscheinlich dies Projekt nicht gegen die Mehrheit der Potsdamer Bevölkerung durchziehen würde.


    Das Grundstück würde dann erstmal nicht bebaut.

  • Die Frage ist doch nicht die "Notwendigkeit" einer Rekonstruktion. Die besteht sicher nicht. Es geht doch eher um Identitätsstiftung. Hier prallen nun ganz offensichtlich Welten aufeinander. Manch einer führt den Kampf der Gerechten gegen alles, was Tradition, Verwurzelung, generell das Eigene angeht. Andere wünschen sich genau dieses. Es gibt hier im Forum sicher auch viele, die eine ausgeprägte Ungerechtigkeit gegenüber Preußen und seiner Geschichte empfinden. Manche wollen einfach nur Ästhetik. Es gibt Menschen (ich nehme mich mal als Beispiel), denen das gouvernantenhafte Gehabe zeitgeistiger Gesinnungswächter (Gaucho Dance anyone ?) einfach nur noch extrem auf den Sack geht. Positionen für und wider die Rekonstruktion gibt es reichlich und man wird den meisten mit Phrasen bzw. Euphemismen wie "Disneyland" oder "Gegenwart und Zukunft" sicher nicht gerecht. Letztlich verbirgt sicher hinter Debatten wie dieser die (aufgrund sehr ungleicher Machtverhältnisse) auf großer Bühne nicht geführte Debatte um die Identität, Verwurzelung, bürgerlichen Stolz und Gestaltungswillen gegen Egalitarismus, die sinnstiftende Rolle der Religion in einer, wenn überhaupt noch, höchstens kulturchristlichen Gesellschaft usw. usf. Geschulten Agitatoren wie Klarenbach ist die Katalysatorwirkung von Bauwerken wie diesem (wenn auch lokal begrenzt) durchaus klar, woraus sich auch seine große Agresson speisen dürfte.

  • Über den Sinn oder Unsinn von Rekonstruktionen wurde hier und an anderer Stelle ausführlich diskutiert. An Beispielen wie der Dresdner Frauenkirche oder des Berliner Stadtschlosses lässt sich eindrucksvoll beweisen, dass rekonstruierte Bauwerke das Stadtbild bereichern und mit dem Baufortschritt auch die Spendenbereitschaft steigt. Für die Garnisonkirche jedenfalls wurden bisher insgesamt rund 20 Millionen Euro an Spenden gesammelt respektive zugesagt, womit der erste Bauabschnitt in Form des Turms schon zur Hälfte finanziert ist. Die dazugehörige Baugenehmigung hat die Stadt Potsdam bereits letzten Juli erteilt. Tatsache ist, dass auch ein möglicher Bürgerentscheid den Wiederaufbau nicht verhindern kann, weil ein Antrag zur Auflösung der Stiftung im elfköpfigen Kuratorium nie und nimmer eine Mehrheit finden wird. Entweder scheint dies den Gegnern nicht bewusst zu sein oder sie wollen die Unterzeichner des Bürgerbegehrens mit Absicht in die Irre führen. Unabhängig davon kann ich allen nur die folgende Internetseite empfehlen, auf der sämtliche Fragen zur Kirche, ihrem Wiederaufbau sowie ihrer zukünftigen Nutzung als internationales Friedens- und Versöhnungszentrum beantwortet werden: http://garnisonkirche-potsdam.org/?page_id=6055

  • Die Frage ist doch nicht die "Notwendigkeit" einer Rekonstruktion. Die besteht sicher nicht. Es geht doch eher um Identitätsstiftung. Hier prallen nun ganz offensichtlich Welten aufeinander. Manch einer führt den Kampf der Gerechten gegen alles, was Tradition, Verwurzelung, generell das Eigene angeht.


    Es geht um ein Gebäude das lange vor meiner Geburt (und der der meisten anderen hier abgerissen wurde). Da mit Verwurzelung oder "eigenes" zu argumentieren ist kreativ. Und von wegen "identitätsstiftend" - die Religiösen stehen ja nicht mal zu ihren Ansichten sondern verstecken sich hinter erfundenen Gottheiten denen sie angeblich dienen und hörig sind. Dein Wille geschehe, dein Reich komme ....


    Wie Eisber es schafft Religion positiv mit Gleichberechtigung für Frauen und Homosexuelle zu verbinden ist mir rätselhaft.


    Das "Stolz" Gerede passt auch nicht zur Religiosität. Religion fordert eigentlich Demut gegenüber der "Schöpfung" und sieht Stolz als Sünde. Und sich etwas stolz an die Brust heften zu wollen zu dem man selbst nichts oder nahezu nichts beigetragen hat ist ohnehin merkwürdig.



    .... woraus sich auch seine große Agresson speisen dürfte.


    Jaja.

  • @ Chandler,


    nur um das klar zu stellen, ich bin keinesfalls religiös, ja ich bin als typischer Ossi gar ohne jeden Kontakt zu Religion aufgewachsen. Nichtsdestoweniger lässt sich wohl kaum verleugnen, daß das Christentum, welches über Jahrhunderte das Bewusstsein der Menschen hierzulande wesentlich geprägt hat, heute kaum noch eine identitätsstiftende Rolle spielt. Welche Rolle dies sein könnte, auch darum wird bei der Garnisionskirche gestritten. Daß Identität, Verwurzelung und das Eigene grundsätzlich eine Sache des Vererbens, der Kontinuität ist (von der wir alle in Europa bis heute enorm profitieren), lässt sich wohl kaum verleugnen und hat mit Kreativität nichts zu tun. Dementgegen steht dann der radikale Bruch, dessen brutale Auswirkungen wir nun schon zur genüge erlebt haben.
    Im übrigen verrührst du hier einzelne Aspekte des Für und Wider, die ich angeführt habe (Religion, Bürgerstolz etc.) zu einem zusammenhanglosen Gebilde, weshalb mir nicht so ganz klar ist, worauf du eigentlich hinaus willst.

  • Snirtje Bra
    Ein Kirchturm steht halt für Religion. Für was denn sonst?
    Tradition ist logischerweise das Gegenteil von etwas "Eigenem". Dazu müsste man eher etwas Neues machen und sich emanzipieren vom Alten.


    Mit "kreativ" meinte ich, dass es einfallsreich, seltsam, unverständlich usw. ist bei nicht vorhandenen Gebäuden so zu tun und zu argumentieren als wären sie die ganze Zeit da gewesen und erst letzte Woche abgerissen worden. So wie vor langer Zeit Verstorbene in alten Häusern herumspuken.;-)

    4 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • ... Und anstatt militärischer Nutzung werden dort evangelische Friedensgebete stattfinden. Welchen größeren historischen Triumph über die militaristische Vergangenheit kann es den noch geben?


    Du blendest mal wieder einige Dinge völlig aus, ob aus Unkenntnis oder bewusst lasse ich mal aussen vor. Ich möchte nur auf die meiner Meinung nach gravierendsten eingehen. Es war die evangelische Kirche die massiv mit dem Nationalsozialismus paktierte und kolaborierte. Vielleicht sollte man die Kirche allein aus diesem Grund wieder aufbauen und dann dort keine Gebete abhalten wie Du es dir wünscht sondern dort einen Ort schaffen um diese dunkle Seite der evangelischen Kirche Deutschlands einmal näher zu beleuchten. Kein Ort würde sich besser dazu eignen.
    Irgendwo in deinem Diskurs kommt noch diese schöne Stelle: Ich zitiere:
    >Gleichberechtigung von Homosexuellen, Multikulti längst keine Debatte mehr sondern demografische Realität, Vertiefung der europäischen Einigung, so klein-klein das im Alltag auch erscheinen mag. Aber das sind Dinge auf die ich stolz bin..<
    Das ist mit Verlaub völliger Mumpitz. Alle Studien der letzten Jahre zeigen eindeutig, dass die Gewalt gegen Homosexuelle und Multikulti enorm zugenommen hat und die gesellschaftliche Akzeptanz gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen verheerend abgenommen hat. Da sind mir verschrobene Alt-68er tausendmal lieber mit ihrem Resthumanismus als diese jungen erfolgreichen konservativen Einkindfamilien mit ihrem spiessigen Ansichten über Familie und Gesellschaft. Und vor den Scherben der tiefergehenden europäischen Einigung stehen wir ja gerade. Wie heisst der Elfenbeinturm in dem du lebst? Vielleicht wäre eine weitere Möglichkeit für eine zukünftige Nutzung des Gebäudes, ein Zentrum für Friedensforschung oder eine Einrichtung zur Erforschung der humanistischen Strömungen Preussens unter Friedrich II.

    4 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Jetzt mal ehrlich, die Kritik richtet sich doch primär dagegen, dass es eine Reko ist. Ob das Gebäude wieder als Kirche genutzt wird oder als H&M-Filiale bzw. ob es sich bei der Reko nun um eine Kirche oder ein anderes Gebäude dieser Zeit (oder auch später) ohne milit., nazsoz. oder kirchl. Hintergrund, wie eben den ganzen anderen Häuschen, die im Rahmen der Umgestaltung der Potsdamer Innenstadt wieder entstehen sollen/werden, ist dabei zweitrangig. Es bietet nur mehr Angriffsfläche. Sonst ginge es eben um bezahlbaren Wohnraum o.ä.

  • Ben
    Ehrlich gesagt hätte ich weniger Probleme damit wenn H&M-Filiale eine Filiale in Form der alten Kiche bauen wollte als bei einer Reko als staatlich-religiöses Projekt. 100 Millionen sind aber recht teuer um es für Einzelhandel oder "bezahlbare" Wohnungen zu nutzen. ;)