Staatsbibliothek Unter den Linden

  • Ich bitte euch, 400 Millionen sind doch eigentlich ein Schnäppchen für etwas von dieser einschlagenden Bedeutung für die Kulturlandschaft. Kultur entsteht doch immer dort, wo der Mensch sich Wohlstand erarbeiten konnte und es ihm dadurch erlaubt ist, Zeit für Muße zu haben. Und während es dem einen gefällt, alles am heimigen PC zu erledigen, geht der andere in eine Bibliothek. Oder ein Theater.


    Ähnliche Frage, wozu in den Urlaub fliegen, wenn man um die Ecke Südfrüchte kaufen kann, ein Solarium steht, und man Blurays über exotische Länder ausleihen kann? Da bräuchte es noch nichtmal das "Tropical Island"....


    .... Wenn man wissenschaftlich zusammenarbeiten will, tut man es schon heute in 99% aller Fälle bestimmt nicht mehr in der Bibliothek.....


    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Leute gibt, die ihre wissenschaftliche Arbeit als intellektuelles Vergnügen empfinden, und dieses dann pikant würzen mit der Suche in solchen außergewöhnlichen Bibliotheken. Nur dort bekommt man das prickelnde Gefühl, etwas in die Hand zu bekommen was kein anderer in den letzten 20 Jahren angefasst hat. Schatzsuche. Im Internet ist das diesbezüglich kaum vorstellbar. Aber das wird jetzt off topic.

  • Unweit davon steht die Dudler-Bibliothek. Ansonsten dokumentieren die Baukosten nur den Wertverfall unseres Geldes - für den Preis ist dieser Glaskasten doch ein Witz. Das gilt auch für den Innenraum - wofür braucht es eigentlich noch Architekten, wenn am Ende doch der Rotstift die Entwürfe zu erstellen scheint? Auch dafür steht dieser Bau: die Bedeutungslosigkeit hiesiger Kultur am Beispiel Architektur.

  • Das ist doch nicht nur der Glaskubus. Da wurde nun 20 Jahre gearbeitet, ich finde dafür sind 400 Millionen doch kein Geld. Andernorts bekommt man dafür gerade mal eine Flughafenzufahrt oder 2 km U-Bahntunnel.

  • Oranien:

    Ich finde es ja auch gut. Weil es oft schöne Architektur gibt. Aber Sinn macht es keinen.


    Selbst wenn man keinen wissenschaftlichen Sinn darin sieht (obwohl ich glaube, dass du eher an technische Wissenschaften denkst als z.B. an Geschichte oder Kunstwissenschaft, für die "feste" Häuser vielleicht ne andere Bedeutung haben), gibt es immer noch den kleinsten gemeinsamen Nenner von Sinn. Du nennst es ja selber: Weil es oft schöne Architektur gibt. In einer reinen Versand-Welt würden Wellblech-Container oder Plattenbauten völlig ausreichen. Es ist doch gerade diese Sinnlichkeit, das Feiern des Schönen, des Uneffizienten, was Europa in meinen Augen lebenswert macht.

    Aber man muss sich den Luxus leisten können

    kann man angesichts der enormen deutschen Wirtschafts-Potenz schon mal bejahen... Wenn es dir wirtschaftlich gut geht, leistest du dir doch auch mal was außergewöhnliches, als immer nur für langweilige Vernunftsausgaben zu latzen :)


    Flusskrebs

    Auch dafür steht dieser Bau: die Bedeutungslosigkeit hiesiger Kultur am Beispiel Architektur


    Ich sehe eher die enorme Bedeutung, die der Kultur im Zentrum der Hauptstadt eingeräumt wird - Museumsinsel, Schloss, Stabi, Oper... Finde ich angemessen. Die Rotstiftfanaten fahren hier wenigstens auch mal eine Schlappe ein.

  • Digitalisierung von Werken


    Die Staatsbibliothek allein hat meines Wissens einen Bestand von rund 11 Millionen Büchern mit wahrscheinlich par Milliarden Seiten. Wie soll man das bitte alles in absehbarer Zeit digitalisieren?


    Außerdem kenne ich niemanden, der über längere Zeit an etwas geschrieben hat und nur auf ebooks, Laptops oder Ipads gestarrt hat. Für eine größere wissenschaftliche Arbeit sind über 100 Verweise eher die Regel als die Außnahme. Wenn man da permanent am hin und her klicken ist bekommt man sprichwörtlich einen an der Klatsche. Also in meinen Augen ist die Arbeit mit Büchern auch in Zukunft unerlässlich. Digitale Medien sind einer Ergänzung, kein Ersatz. Und vergessen wir auch mal nicht die blose Funktion der Wissenspeicherung. Die Datenträger und Formate mit denen wir heute Daten speichern sind in par Jahrzehnten vlt. völlig veraltet und dann geht der Zirkus von vorne los. Die Bücher kann auch in 100 Jahren noch jeder lesen. Ich denke trotz Fortschrittsglaube sollten wir gerade an dieser neuralgischen Stelle kein Risiko eingehen.

  • Oraniens Argumente sind ja ganz nachvollziehbar.
    Aber wenn er recht hätte, dann wären ja die Bibliotheken allesamt unbeliebt und würden nicht genutzt. Mir scheint aber das Gegenteil der Fall. So sind eben die Menschen, die sich noch in Bibliotheken aufhalten (mich eingeschlossen) zwar einerseits vielleicht modern mit Laptop und Co ausgerüstet, aber trotzdem Nutzer dieser schönen Institutionen.


    Auch ich bin E-Book-Leser und bin trotzdem gern Teil dieses "Rituals" zu einer Bibliothek zu fahren und mich mal zwei drei Stunden völlig auf echte Bücher zu konzentrieren, anstatt das nebenbei am PC wie mp3-Dateien zu konsumieren.

  • Die Staatsbibliothek allein hat meines Wissens einen Bestand von rund 11 Millionen Büchern mit wahrscheinlich par Milliarden Seiten. Wie soll man das bitte alles in absehbarer Zeit digitalisieren?
    ... Für eine größere wissenschaftliche Arbeit sind über 100 Verweise eher die Regel als die Außnahme. Wenn man da permanent am hin und her klicken ist bekommt man sprichwörtlich einen an der Klatsche. Also in meinen Augen ist die Arbeit mit Büchern auch in Zukunft unerlässlich. Digitale Medien sind einer Ergänzung, kein Ersatz. Und vergessen wir auch mal nicht die blose Funktion der Wissenspeicherung. Die Datenträger und Formate mit denen wir heute Daten speichern sind in par Jahrzehnten vlt. völlig veraltet und dann geht der Zirkus von vorne los. Die Bücher kann auch in 100 Jahren noch jeder lesen. Ich denke trotz Fortschrittsglaube sollten wir gerade an dieser neuralgischen Stelle kein Risiko eingehen.


    Das digitalisieren dauert gar nicht so lange ... schon 2011 & innerhalb kürzester Zeit hatte Google über 15 Millionen Bücher digitalisiert gehabt (Quelle ... ein interessanter Artikel im Übrigen).
    Im Internet haben sie nun sogar das Design des vollaoutomatischen Scanners freigegeben: Insgesamt sollen die Einzelteile für den Buchscanner rund 1500 US-Dollar kosten. Das Einscannen eines Buches mit 1000 Seiten, dauere etwas mehr als 90 Minuten und zur Einrichtung seien davor lediglich 40 Sekunden nötig (Quelle).


    Zu dem Punkt, dass man mit digitalen Medien nicht gut arbeiten kann, muss ich widersprechen. Es liegt zum einen an den Nutzern. Die heutige junge Generation wächst mit diesen auf und kann sehr gut damit umgehen. Es ist sogar so, dass man viel schneller arbeiten kann. Man denke nur mal an die Suchfunktionen und die Möglichkeit des Copy & Paste. Selbst in meinem früheren Jura-Studium (2002 bis 2007) war es schon so, dass ein überwiegender Teil der Studenten hauptsächlich mit Online-Bibliotheken und Tools gearbeitet hat und das obwohl sie dabei in der Bibliothek saßen. Förderlich für diese Entwicklung war auch, dass es nicht genügend Exemplare gab, der Zustand der Bücher teilweise auch miserabel war und mitunter die Bücher nicht am angegeben Ort zu finden waren. Um Kosten zu senken hatte die Uni-Leitung die Verwendung dieser Online-Mittel gefördert.


    Und was die Formate betrifft: Das ist nun wirklich das kleinste Problem und lässt sich durch entsprechende Software umformatieren oder sogar ohne endgültiges umformatieren dennoch darstellen (es ist Standard heute, dass man mit Bürosoftwareprogrammen Dateien anderen Formats öffnen kann).


    ABER: Auch ich bin ein Fan von Bibliotheken, obwohl ich nur einen in sehr geringen (Lern-)Nutzen sehe. Das liegt einfach daran, dass ich während längeren Lernphasen nicht die ganze Zeit nur daheim am Schreibtisch sitzen will/wollte ... es kommt hier der soziale Aspekt hinzu. Wenn ich einen Tag in der Bib verbracht hatte, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich (abgesehen vom Lernen) nichts gemacht hätte ... man hat das Gefühl dennoch/neben dem Lernen etwas erlebt zu haben. And that's it, in meinem Falle. Bei anderen ist es auch so, dass sie zu Hause leider nicht die passende Lernatmosphäre haben.

  • Ich bitte euch, 400 Millionen sind doch eigentlich ein Schnäppchen für etwas von dieser einschlagenden Bedeutung für die Kulturlandschaft.


    Was konkret ist jetzt die 'einschlagende Bedeutung für die Kulturlandschaft'? Die Staatsbibliothek und ihr Bestand existiert schon recht lange - daran ändert eine Renovierung überhaupt nichts. Insofern hält sich der Mehrwert tatsächlich in Grenzen. Vielleicht ist es hinterher etwas hübscher, aber auch hier kann man geteilter Meinung sein. Immerhin findet ein ganz erheblicher Eingriff in die Bausubstanz statt.

  • Man denke nur mal an die Suchfunktionen und die Möglichkeit des Copy & Paste.

    :lol:
    Ich finde eine Gesellschaft, die sich laut allgemeinem Konsens zur Wissensgesellschaft formieren möchte, tut gut daran, Bibliotheken, als Tempel des Wissens, auch architektonisch Bedeutung zu verleihen. So wie in der Vergangenheit Bahnhöfe als Kathedralen der Mobilität errichtet wurden, sollte sich der Wert des Wissens in sakralen Bauten physisch manifestieren.

  • ^
    Na, das hab' ich gar nicht bestritten! Mein Beitrag bezog sich nur auf die Funktion des Lernens etc. Die Quelle und die Verwertbarkeit von Wissen hat sich nun mal aufgrund neuer Medien gravierend geändert. Bibliotheken haben aufgrund dessen leider insofern an Bedeuting massiv verloren.


    ABER!!! Auch ich finde diese Bibliothek toll & prachtvoll und freue mich darüber, dass es sie gibt und dass sie saniert wurde (wobei 400Mio doch etwas zu viel ist ... möchte nicht wissen, wie viel Geld aufgrund mangelhafter Planung und Durchführung hier verbrannt wurde). Dass ich sogar eine Schwäche für Bibliotheken habe, zeigt auch etwas dieser Beitrag von mir.

  • Was konkret ist jetzt die 'einschlagende Bedeutung für die Kulturlandschaft'? ...... Immerhin findet ein ganz erheblicher Eingriff in die Bausubstanz statt.


    Die einschlagende Bedeutung ist, dass die Bibliothek nun wieder die Funktion erfüllt, für die Sie vor 100 Jahren erbaut wurde. Es gibt einen repräsentativen Lesesaal, die 20 Jahre Großbaustelle rücken einem Ende entgegen. Ich meine welche Bedeutung hätte die Elbphilharmonie für Hamburg, wenn sie nie in Benutzung geht? Bei einer Bibliothek ist der Bestand nur die halbe Miete, er muss ja auch zugänglich gemacht werden.


    Eingriff in die Bausubstanz? Für mich sieht das eher nach Rettung/Sicherung aus denn als architektonischer Fehlgriff. Sicher, gegen eine Reko des historischen Lesesaals hätte ich auch nichts gesagt, aber das Ergebnis kann sich doch sehen lassen! Ich wette, dass Menschen, die gerne in Bibliotheken gehen, sie lieben werden. Wer Bibliotheken nicht mag der bleibt daheim. Gibt schließlich auch Leute die lieben Filme, gehen aber nicht ins Kino.

  • Natürlich bieten Bibliotheken auch eBook-Dienste etc. an. Was dieses konkrete Projekt anbelangt, ist es hinsichtlich der Gestaltung eine Banalität, bei der anscheinend wieder mehr Gelder in die Hände der Baufirmen als in die Bibliothek selbst geflossen sind. Zumal in 2min Entfernung die Gebrüder Grimm Bibliothek liegt!


    Was die Kultur anbelangt, zeugt dieser Bau davon, dass wir keine haben - die manifestierte Einfalls- und Persönlichkeitslosikgeit.


    Über unseren Verstand sagt es aus, dass wir anscheinend keinen haben, da neben an bereits ein prächtiger Neubau zum selben Zweck entstanden ist.


    Angesichts dessen kann man über Berlin sagen, dass hier Kulturbanausen nahöstlichen Zuschnitts Öl-Scheich spielen - auf Kosten der Bevölkerung.

  • Die einschlagende Bedeutung ist, dass die Bibliothek nun wieder die Funktion erfüllt, für die Sie vor 100 Jahren erbaut wurde.


    Sie erfüllte diese Funktion auch schon vor der Sanierung... Es ist wohl unzweifelhaft eine bedeutsame Kulturstätte - allerdings stellt sich schon die Frage der Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen. Für den Betrag hätte man das Potsdamer Stadtschloss immerhin 3 mal neu bauen können. Und wir reden nicht etwa über eine Reko hier, sondern einen hässlichen modernistischen Fremdkörper inmitten der alten Bausubstanz.

  • Ich war bei beim Tag der offenen Tür im November und dort wurde klargestellt, dass die 400 Mio € die Gesamtkosten der Sanierung darstellen. Nur ca.70 Mio € sind für den zentralen Lesesaal aufgewendet worden. Der Rest wurde und wird für die Sanierung der von den meisten Forumsmitgliedern so geliebten wilhelminischen Architektur benötigt. Besonders teuer ist hierbei der Austausch der gesamten Pfahlgründung durch Betonpflähle, da die alte Holzgründung beim Bau des DDR-Welthandelszentums trocken lag. Im übrigen setzt der neue Leesesaal den Ursprungsentwurfsgedanken der preußischen Staatsbibliothek auf hervorragende Weise fort. Wenn alles fertig ist, wird die entstandende Raumfolge (Unter den Linden, Einfahrt, Innenhof, Eingang, Aufgang, Kuppelsaal, Leesesaal) großartig erfahrbar sein. Und es wird dann auch dreimal so beeindruckend wie ein Potsdamer Stadtschlossnachbau sein.

  • .... Für den Betrag hätte man das Potsdamer Stadtschloss immerhin 3 mal neu bauen können. .....


    Naja entschuldige, da ist mir aber die hochmoderne, offene Bibliothek doch irgendwie lieber als die Schlossreko in Berlins nobelstem Außenbezirk Potsdam, wo sich zurzeit Mäzene um Repräsentationsobjekte prügeln.


    Aus Sicht des Stadtbildes finde ich die Schlossreko in Potsdam sehr erfreulich. Aber sie gegen den Lesesaal der StaBi zu stellen ist irgendwie abwegig. Wenn ich den Fernsehbeitrag korrekt verstanden habe, hat man bis auf einige unglückliche DDR-Anbauten alles Originale erhalten. Das entspricht übrigens auch meinem Verständnis der Aufgabe einer Bibliothek. Und dass die wilhelminische Straßenfassade wieder hergerichtet wurde, und auf die derzeit so beliebte Vereinfachung oder Neuinterpretation verzichtet wurde, ist eine exzellente Entscheidung gewesen. Auf meiner Wunsch-Rekoliste für Berlin hätte der Lesesaal der StaBi recht weit unten gestanden.

  • Es wäre mir neu, dass die Straßenfassade jemals zur Diskussion stand. Da wurde nichts 'wiederhergerichtet', allenfalls ausgebessert. Was auch vollkommen in Ordnung ist.
    Die Kernfrage war und ist, welche umwerfend neuen Nutzungsmöglichkeiten durch die Sanierung möglich werden? Von daher ist der Vergleich mit anderen Großprojekten durchaus legitim. Und ja, meiner ganz persönlichen Meinung nach hätte Berlin in erster Linie massive stadtbildprägende Reparaturen nötig, als funktionelle Aufwertungen von Bestandsgebäuden - in einem solchen Ausmaß.

  • Laut wiki gab es seit den 1970ern kein Lesesaal dieser Größenordnung mehr. Desweiteren wurden "Freihandmagazin, Tresormagazine, Rara-Lesesaal und Öffentlichkeitsbereiche" seit 2003 saniert bzw. neu gebaut.

  • Genau.
    Tel33, deine Argumentation verstehe ich nicht so recht. Die StaBi hat jetzt wieder die Funktionalität, die eine Bibliothek dieser Größenordnung und Bedeutung haben sollte. Da gehört unbedingt dazu, was Hobbyist aufzählt.


    Dass es eine trotzallem kostenintensive Wiederherstellung von Funktionalität ist, ist klar. Nur eine Bibliothek ist Infrastruktur in der Wissensgesellschaft. Sie steht da auf einer Ebene mit einem ausgebautem Internet und einem funktionsfähigen Bahnhof. In das Ostkreuz wird ebenfalls schon seit Jahren kräftig investiert, aus gutem Grund. Berlin hat seit 2006 einen neuen HBF. Ist nicht so, dass die Stadt vorher per Bahn nicht erreichbar gewesen wäre.


    Für das Stadtbild spielt der Lesesaal eine untergeordnete Rolle, insofern ist sein heutiges Erscheinungsbild durchaus gelungen. Stadtbildreparatur steht dabei nicht im Vordergrund und ist auch gesellschaftlich eine ganz andere Baustelle.

  • Ein Lesesaal macht aber noch keine Bibliothek. Die Funktionen der Staatsbibliothek werden keineswegs erweitert - die gab es auch vorher schon und wird es weiterhin geben. An verschiedensten Standorten in der Stadt. Der Vergleich mit offenkundig fehlenden Strukturen ist also abwegig.