Ruhrstadtgeflüster

  • Zurück in die City, weg aus der Pampa

    Der Spiegel veröffentlichte am 06.11.2012 einen Artikel über den Leerstand bei Einfamilienhäusern, der mit Cuxhaven als Beispiel beginnt - dort sind bereits viele vorstädtische Einfamilienhäuser unverkäuflich. Es wird erwartet, dass dieser Trend bald bundesweit bemerkbar wird - 2025 soll es in NRW in abgelegenen Gebieten 71.000 unnütze WE geben, vor allem im Ruhrgebiet.


    Es ist absurd, dass trotz dieser Entwicklung weiterhin neue Baugebiete ausgewiesen werden - der Artikel erinnert die bekannte Wahrheit, die Kolonien auf der grünen Wiese waren schon immer für die Allgemeinheit wegen der überproportional hohen Infrastrukturkosten teuer gewesen. Diese Kosten steigen mit abnehmender Bevölkerung - und es kommen neue dazu wie das Spülen der wenig genutzten Kanalisation.


    Dass im Ruhrgebiet trotz bekannter Zusammenhänge besonders gerne weitere finanzielle Belastungen eingerichtet werden, ist nicht mal mehr fahrlässig - ob der Tatsachenbekanntheit muss man wohl von mutwilligen Aktionen gegen die eigene langfristige Finanzlage ausgehen, bloß damit ein paar Jahre ein paar Seelen mehr in der Bevölkerungsstatistik auftauchen.

  • Bau-Lcfr
    In Essen hat man jahrelang genau den von Dir geforderten Weg beschritten und aufgrund der sinkenden Bevölerkungszahlen keine oder nur noch wenige Neubaugebiete ausgewiesen. Die Folge waren hohe Wanderungsverluste gerade bei der so begehrten Mittelschicht. In Folge dessen hatte sich Essen zwischenzeitlich den Ruf erarbeitet, im Ruhrgebiet besonders schlecht dazustehen (als Beweis wurden die Wanderungsverluste angeführt).
    Inzwischen hat man die Vorgehensweise etwas revidiert und es wird wieder vermehrt neu gebaut. Die Wanderungsverluste gibt es auch nicht mehr.
    Du siehst also, die Sache ist in der Realität nicht so einfach. Viele Menschen ziehen eine sterile Neubausiedlung einer gewachsenen Wohnsiedlung mit charmanten 50er Jahre Häusern vor. Zumal da preislich meist kein nennenswerter Unterschied besteht.
    Ich glaube, nur eine ausreichende Neubautätigkeit auch bei sinkender Einwohnerzahl führt letztendlich zu einer Dynamik im Wohnungsmarkt, die für die Revitalisierung von alten Quartieren notwendig ist.

  • Ruhrgebiet: Neue alte Kennzeichen werden ausgegeben

    PM: "Der Kreis Recklinghausen hat die Nase vorn: Als erste Ausgabestelle in NRW startet das Straßenverkehrsamt im Vest mit der Vergabe der neuen alten Kennzeichen. Bürger können sich hier seit heute neben dem Autokennzeichen RE für Recklinghausen auch wieder CAS für Castrop-Rauxel und GLA für Gladbeck aholen. Bislang liegen 919 Reservierung für das Kennzeichen CAS vor, 561 für GLA.
    Möglich ist das, weil das Bundesverkehrsministerium viel füher als erwartet Grünes Licht für die Ausgabe gegeben hat. Ursprünglich war man im Landesverkehrsministerium davon ausgegangen, dass die Kennzeichen erst zu Beginn des neuen Jahres ausgegeben werden können.
    Der Ennepe-Ruhr-Kreis gibt die Kennzeichen WIT für Witten ab morgen heraus. Bisher haben hier rund 750 Bürger ihr WIT-Kennzeichen reserviert. Im Kreis Wesel müssen Autofahrer noch bis zum 3. Dezember auf DIN für Dinslaken und MO für Moers warten. Mehr als 8.000 Bürger haben sich bereits ihr Wunschkennzeichen reserviert.
    Im Kreis Wesel stellte sich zudem noch ein besonderes Problem: Rund 30 Autofahrer hatten sich die Kombination MO-RD reservieren lassen. Die sollte aber auf Bitten des Moerser Bürgerausschusses ausgeschlossen werden. Die betroffenen Autofahrer werden jetzt auf eine andere Buchstaben-Konstellation ausweichen müssen.
    Der Kreis Unna hat bereits Sonderöffnungszeiten für die Zulassungsstelle in Lünen veröffentlicht, zu denen jeweils sieben Kundenschalter für das LÜN-Kennzeichen öffnen. Der erste Termin ist Samstag, 24. November.
    Auch WAT für Wattenscheid und WAN für Wanne-Eickel sind bald zu haben. In Bochum können morgen die ersten Nummernschilder abgeholt werden."


    Quelle: idr

  • Ruhrgebiet: Bevölkerungsprognose für 2030

    PM: "2030 wird die Bevölkerung im Ruhrgebiet voraussichtlich von derzeit knapp 5,1 Millionen auf gut 4,7 Millionen Menschen schrumpfen. Das geht aus der Bevölkerungsprognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung hervor. Auch deutschlandweit sinken die Bevölkerungszahlen: auf 79,2 Millionen.
    Steigen wird hingegen die Zahl der alten Menschen: 2030 werden voraussichtlich mehr als 381.000 Männer und Frauen älter als 80 sein, 2012 sind es nur 303.000.
    Während trotz Bevölkerungsrückgangs die Zahl der Haushalte deutschlandweit steigt, rechnen die Wissenschaftler für die Metropole Ruhr 2030 mit weniger Privathaushalten: Den Vorhersagen zufolge sinkt ihre Zahl von 2,5 auf 2,4 Millionen."


    Quelle: idr
    Infos: www.raumbeobachtung.de
    zum Vergleich die Zahlen für Westfalen: 5% weniger Bürger/ 30% mehr Hochbetagte

  • Essen: Aus Katernberch wird Zollverein

    Die Politiker in der Bezirksvertretung VI machen sich dafür stark ihren Stadtbezirk VI = Katernberg/Schonnebeck/Stoppenberg in "Zollverein" umzubennen. Man erhofft sich dadurch vom positiven Kern der Marke "Zollverein" ein Scheibchen abzubekommen. Dies helfe bekanntlich bei der Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen; Image&Identität finden das auch ganz toll und überhaupt der Strukturwandel erst...

    [Quelle: http://waz.m.derwesten.de/dw/staedte/essen/aus-katernberg-schonnebeck-und-stoppenberg-wird-essens-stadtbezirk-zollverein-id7462178.html?service=mobile]


    Ob das Weltkulturerbe Zollverein ein positives Beispiel für den Strukturwandel im Ruhrgebiet ist lasse ich mal dahingestellt. Sicher nicht mehr oder weniger erfolgreich wie die Pyramiden von Gizeh. Auch diese stehen in der Wüste und sind einfach da; nicht mehr und nicht weniger. Alles andere ist Behauptung!


    Aber zurück zu Namensgebung und Imagetransfer: So was haben andere auch schon versucht. Vor genau 101 Jahren wurde die damalige Lotterstadt Rixdorf in Neukölln umbenannt. Allzusehr störten sich die Stadtväter an der Gleichsetzung Rixdorfs mit Phantasien von "Frohleben, Tanzfreude und lockeren Sitten". Neukölln hingegen, das stand für Historie und Nähe zur großen Schwesterstadt Berlin.
    Das Ergebnis ist bekannt! Neukölln steht heute bundesweit für "Frohleben, Tanzfreude und lockeren Sitten"; Rütli-Schule und Heinz Buschkowsky-Revier kamen im Laufe der Jahre hinzu.


    Die gentrifizierteren Teile von Neukölln versuchen sich mittlerweile unter dem Label Kreuzkölln vom ungeliebten Image des eigenen Stadtteils abzusetzen. Je nach Blickwinkel kann man hier von Begriffs-Kaperung bzw. -Fusion (mit) der Marke Kreuzberg sprechen. Einem Stadtteil der in weiten Teil auch nicht gerade als Synonym für bürgerliche(n) Solidität und Lebenswandel gelten kann und will.


    Spinnen wir den Gedanken für das Ruhrgebiet doch mal weiter:


    • Bochum ist dann nicht mehr Synonym für Opelkrise und Nokianiedergang, sondern heißt zukünftig einfach "Starlight-Express". Hinter dem Namen dieser überaus erfolgreichen Rollschuhblödelei lassen sich sicher noch weitere Strukturwandel-Fauxpas kaschieren.
    • Dortmunds soziale Schieflage und Neonaziproblematik verschwindet einfach hinter der schwarz-gelb leuchtenden Buchstabenkombination "BvB".
    • Gelsenkirchen, der Arbeitslosenspitzenreiter Westdeutschlands hört zukünftig auf das kryptische Kürzel "04". Is wat?
    • Deutschlands Schuldenhochburg Oberhausen wird zu "CENTRO" (Natürlich immer in GROß-geschrieben. Das erhöht den Wert der Wort-/Bildmarke beachtlich!). Noch Fragen?
    • Duisburg bleibt weiterhin Duisburg, aus Mangel an positiven Alternativen. Äh Moment; Airport-City-Düsseldorf-Nord geht auch!
    • Und Essen wird zu... Ja was eigentlich?
    • Ach ja, das Ruhrgebiet als Ganzes hört dann folgerichtig auf "das Land der klingenden Namen" und positioniert sich damit markenstrategisch irgendwo zwischen Auenland, Mordor und Mittelerde.


    Brave new world!

  • Inzwischen hat man die Vorgehensweise etwas revidiert und es wird wieder vermehrt neu gebaut. Die Wanderungsverluste gibt es auch nicht mehr.


    Über den Zusammenhang zwischen der Einwohnerdichte und den Infrastrukturkosten wurde im DAF recht viel geschrieben - alle diese Neubaugebiete, unterhalb gewisser Dichte bleibend, kosten mehr als die Einwohner an Steuern bringen (dazu gibt es Untersuchungen - soll ich diese raussuchen?). Zugespitzt verglichen - Wanderungsverluste könnte man auch vermeiden, würde man die Leute für das Wohnen in Essen bezahlen, nur eine lange Perspektive hat sowas nicht. Wenn man aber die Infrastruktur des verdünnten Wohnens massiv quersubventioniert, bezahlt man die Leute für das Wohnen irgendwie.


    In den meisten Großstädten gibt es Wanderungsgewinne, weil die Leute möglichst in die dortigen Innenstädte ziehen - eine Entwicklung, die die Infrastrukturkosten pro Einwohner schont. Im Ruhrgebiet verhunzt man möglichst die wenigen noch ansprechend aussehenden Innenstadt-Gegenden, dann kennt keine anderen Ideen als durch massive anhaltende Geldverpulverung (Geld, das man ohnehin nicht hat) die Einwohnerstatistiken zu beschönigen.


    Duisburg bleibt weiterhin Duisburg, aus Mangel an positiven Alternativen. Äh Moment; Airport-City-Düsseldorf-Nord geht auch!


    Wie hier bereits besprochen wurde, Duisburg betrachtet als Bedrohung eigener Souverenität, würde man nur den Nachbarn den Betrieb der U79 abgeben, die man sich nicht mehr leisten kann. Die Wikipedia erwähnt am Ende dieses Kapitels, was ich in einem WAZ-Artikel mit Details gefunden habe - die 700 Meter U-Bahn-Verlängerung zum Landschaftspark hätten mindestens 500 Millionen EUR kosten sollen - weit mehr, wenn der inmitten des Abschnitts vermutete Teersee tatsächlich existiert. So hinkt der Vergleich mit den Pyramiden in Gizeh, denn die Ägypter kämen nie auf die Idee, aus Prestigegründen eine U-Bahn zu den Pyramiden zu bauen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • #445 nikolas


    Ungeachtet dessen, ob Zollverein für einen positiven Strukturwandel im Revier steht, ist Zollverein ein Symbol und Identitätsfaktor. Diese Voraussetzung taugt m.E. dazu, in einer Imagekampagne Verwendung zu finden. Wie erfolgreich sie letztendlich würde, weiß man vorher nie und so ist auch im Falle Stadtbezirk in Essen nicht vorhersehbar, ob diese Umbenennung die Stadtteile im Essener Norden nach vorne bringt.


    Mit Identität und Imagefragen tat sich das Ruhrgebiet (naturgemäß, möchte ich sagen) schon immer schwer. Diese Aussage ist natürlich auch auf die Städte im Revier übertragbar. Beide Attribute waren immer stark von der Industriegeschichte abhängig. Ob Fußball oder Bier, hier fiele einem auf Anhieb Dortmund ein, die Hafenstadt am Niederrhein, Duisburg, Stahl und Bergbau in Essen, eng verbunden mit Krupp, ebenso in Bochum, in der daneben mit Opel ebenfalls ein "weißer" Industriezweig angesiedelt wurde. Die Wurzeln ihres Images, ihres Rufes verdanken diese Städte der Industrie. Was würde einem sonst einfallen, was das Zeug dazu hätte, eine erfolgsversprechende Imagekampagne zu starten? So kommt es beispielsweise nicht von ungefähr, dass die Kruppausstellung im Ruhrmuseum große Beachtung fand, weil die Menschen in der Stadt dieses Unternehmen wie kein anderes mit ihr verbinden, dass Zollverein in Essen gegenwertig ist und neben Villa Hügel und Margarethenhöhe zu den ersten Besucherzielen in der Stadt zählt.


    Aus der Industrie heraus erwuchs auch die Identität für die meist zugewanderten Bürger, bis heute. Der Stadtteil, die Siedlung, in dem die Menschen arbeiteten, zählte, während die übergeordnete Verwaltungseinheit Stadtmitte gegen die Region Ruhrgebiet, in der alle das gleiche Schicksal teilten, ersetzt wurde. Wie sollte sich da Urbanität in der Stadt/Innenstadt und eine Beziehung zu ihr entwickeln? Die nachfolgenden Generationen sind ihrem Stadtteil nach wie vor auch heimatverbunden, wenn auch nicht wie früher beruflich bedingt. Sie sehen sich aber vor allem als Teil des großen ganzen Ruhrgebiets ohne Stadtgrenzen.


    Es ist daher alles andere als einfach, Fragen zur Identität des Ruhrgebiets und seiner Städte zu beantworten respektive ein griffiges Image für die Städte zu finden, welches nichts mit dem Überbegriff Industrie zu tun hat. nikolas, du hast mit Berlin-Neukölln ein Beispiel genannt, wie dies trotz aller Bemühung, dem Stadtteil/Bezirk durch einen neuen Namen ein anderes Image zu geben, nicht gelang. Mich würde jetzt mal interessieren, welche Ideen du fürs Ruhrgebiet, respektive für einzelne Städte hast, nachdem deine Auflistung ja nicht ganz ernst gemeint war ;) und daher bestimmt nicht als realistische Grundlage für ein positives Image gedacht war.


    Viele Werbestrategen haben über viele Jahre mit viel Geld versucht, den Städten griffige Slogans und Images zu verpassen, aber so richtig erfolgreich war keiner. Ich sage es nur ungern, aber es gibt eine Ruhrstadt, die ihr Image unabhängig von der industriellen Vergangenheit gefunden hat, allerdings auch ein Stück ihrer ursprünglichen Identität eingebüßt hat. Oberhausen ist Centro und Centro ist Oberhausen. Der Übergang ist fließend. Das Centro ist d e r Imageträger der Stadt und assoziiert Freizeitangebot und Schopping. In Gelsenkirchen ist das anders. Dort ist die Stadt hinter einem Fußballverein verschwunden. Kaum jemand in Deutschland bringt den Club mit Gelsenkirchen in Verbindung und so mancher wird sich fragen, wo denn dieses Schalke liegt.

  • @ Turmbauer


    Meine Glosse war im Ganzen nicht ganz ernst gemeint!


    Mein Vorschlag ist ein ganz ein einfacher: Stärkere Diversität nach Innen, stärkere Homogenität nach Außen! Eine gemeinsame Ruhrstadt machts möglich!


    Homogenität:


    • 1 Ruhrstadt als zentraler Ansprechpartner nach Innen und Außen
    • 4 starke Oberzentren als Kristalisationspunkte (d.h. die Hellwegachse: DU, E, BO, DO), die nach Außen und Innen städtebaulich auch als solche wahrzunehmen sind.
    • Alles weitere hat sich dieser Konstante dann erst mal unterzuordnen.


    Diversität:


    • Stärken stärken! Nicht jeder Stadtteil einer zukünftigen Ruhrstadt kann und muss in Sachen Clusterbildung, Kultur, Bildung, Sport, Verwaltung alles vorrätig halten, sondern nur das, was er wirklich gut kann. Dies schärft eine Profilbildung nach Innen und erhöht die Standortwahrnehmung nach Außen. Beides wiederum verstärkt sich gegenseitig.
    • Nehmt den Ruhrgebietsgemeinden ihre 52 Bürgermeister weg! In Puncto Image geht da nach Außen nichts verloren. Nach Innen wird das eine Identitätsdebattenlawine und Selbstvergewisserungshysterie lostreten. Bislang konnten z.B. die Oberhauser sagen: "Wir sind eine Stadt, weil wir einen Oberbürgermeister haben." Das reichte! Ein Wattenscheider, ein Stiepeler, ein Werdener, ein Wanner und ein Eickler haben es dahingegen nicht mehr ganz so leicht. Da muss dann schon der Heimatverein, die Brauchtumspflege sowie die lokale Geschichtswerkstadt ran, um zu erklären was den Wanner vom Eickler unterscheidet und umgekehrt. All das hilft bei der Identitätsfindung.


    Meiner Meinung nach kommt das Ruhrgebiet an einer grundlegenden Verwaltungsstrukturreform einfach nicht vorbei. Erst das verschafft dann wieder finanzielle Spielräume. So lange fast alle 52 Ruhrgebietsgemeinden mit dem Rücken zur Wand stehen und der Strukturwandel weiter in diesem Tempo vor sich hin schleppt ist das mit der positiven Identitätskonstruktion ohnehin Essig. Dann gibt es halt weiterhin 52 kommunale Identitäten und alle sind irgendwie inferior, weil es einfach nicht so recht voran will. Nicht im großen Ganzen und eben auch nicht im Kleinen.


    Da hilft dann auch das beste Stadtmarketing nicht: "BE BOTTROP! A Great Place to Live. The new 'city of opportunities!" Wer soll das glauben?!

  • Mit Identität und Imagefragen tat sich das Ruhrgebiet (...) schon immer schwer.


    Als ich hier die Verhunzung der Innenstädte angesprochen habe, dachte ich bereits intensiv an diese Geschichte - neben dem Wahrzeichen der größten Revier-Stadt werden 08/15-Buden hingestellt, die den Blick ungefähr so "bereichern", wie eine Reihe der Dixi-Klos vor dem Kölner Dom. Ob OB oder der Gestaltungsbeirat weiß es jeder - und trotzdem findet sich keine Kraft, die die Verhunzung - wenn es nicht anders geht - komplett stoppen würde, indem einfach nichts errichtet wird. Bei städtischen Töchtern als Nutzer müsste es eigentlich ein Kinderspiel sein.


    Meine Vermutung ist, dass bei den Unmengen von Geld und Hilfen, die dem Ruhrgebiet seit Jahrzehnten geschoben werden, sämtliche (Un-)Verantwortliche verlernt haben, auf eigenen Füßen zu stehen und Verantwortung zu tragen. Wozu, wenn sowieso einer kommt, der die Rechnung begleicht? Genauso ist es beim Krieg auf Einkaufszentren, der ungefähr so konstruktiv ist wie globaler Nuklearkrieg - gewachsene Zentren werden alle pulverisiert, am Ende bleiben Kaufkraft-Ströme ähnlich auf Gemeinden verteilt wie vor dem Krieg. Vernünftige und verantwortungsbewußte Leute hätten längst aufgehört. Genauso beim Wetteifern, wer dem Nachbarn durch immense nachhaltige Kosten etwas vom Wanderungssaldo abjagt - wie bekannt ist, dass es ein Minusgeschäft ist, findet sich trotzdem immer wer, der behauptet, man müsse es tun. Genauso beim Austricksen der Regierungsbezirke, indem Ausgaben zu "Pflichtausgaben" umgemogelt werden, damit doch Geld ausgegeben werden kann, das man ohnehin nicht hat (deswegen sind ja die Ausgaben unter RB-Aufsicht).


    Was soll jetzt die gemeinsame Identität sein - das un-nachhaltige Leben auf fremde Kosten? "Ruhrstadt als zentraler Ansprechpartner nach Innen und Außen" - bloß damit man lauter nach noch mehr Geld rufen kann? Die krankhafte Identität des Nehmens muss besser verschwinden als gestärkt werden, denn gerade sie ist das Problem. Ich bin übrigens ein stolzer Düsseldorfer Büroangestellter, aufgewachsen in echter historischer Stadt, an Wochenenden am liebsten in Köln/Bonn oder weiter südlich unterwegs, nur schlafen (bei geringer Miete) tue ich hier. Als Identität genügt.

  • nikolas


    Ganz ernst genommen hatte ich das auch nicht und doch provozierte es mich zumindest in so weit, einen ausführlichen Kommentar zu diesem Thema zu schreiben. Es ist erlaubt, Funktionäre aus Politik, Wirtschaft oder der Werbebranche wegen ihren jahrelangen Bemühungen, dem Ruhrgebiet ein Image und eine Identität zugeben, auf den Prüfstand zu stellen und unterm Strich festzustellen, dass kaum eine Aktion zu einer Verbesserung geführt hat.


    Dein Vorschlag ist ein Wunsch, der dem Ruhrgebiet bei der Suche nach Identität helfen könnte, aber auch dabei, ernst genommen zu werden. Wie du richtig bemerkst, ist eine homogene Außendarstellung erfolgsversprechender als die bisherige Zerrissenheit. Zudem würden die von dir vorgeschlagenen vier Verwaltungseinheiten viele Probleme finanzieller Natur lösen und das Profil der Metropolregion Ruhr schärfen. Zu einer positiven Profilierung der einzelnen Ruhrstädte erachte ich es wie du als erforderlich, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, nicht alles haben zu wollen und wenn vorhanden, seine Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten.


    Der hier von @ Bau-Lcfr kritisierte Krieg der Einkaufszentren zwischen den Städten ist da eher kontraproduktiv und paradoxerweise ging er ausgerechnet aus jener Stadt hervor, die mit ihrem Einkaufs- und Freizeitpark heute als einzige der Ruhrstädte ein eindeutiges Profil besitzt. Dieser Umstand hat bis heute für Unruhe unter den Revierstädten gesorgt und ein Ende ist leider auch nicht in Sicht, da dies wie schon angesprochen zu spürbaren Veränderungen im Einzelhandel der Innenstädte führt und es andererseits zuvor ein paar Städte im Revier gab, die sich über das Profil Einkaufsstadt definierten und naturgemäß nicht daran interessiert sind, dieses aufzugeben.


    Die Angst, Kompetenzen, Eigenständigkeiten und Lokalkolorit zu verlieren, ist bekanntlich groß und wen wundert es da, dass der Vorstoß der Landesregierung, es den KFZ-Haltern zu ermöglichen, sich durch ein lokalbezogenes Kennzeichen abzugrenzen, derzeit auf fruchtbaren Boden fällt. Eine schöne Sache mögen die einen urteilen, andere sehen darin die Uneinigkeit des Reviers bestätigt. Wie dem auch sei - würden die Kommunen in anderen Punkten Einigkeit demonstrieren, wäre das mit Sicherheit keine Rede wert.


    Ich sehe leider in absehbarer Zeit nicht, dass sich die Landesregierung in Sachen kommunaler Neugliederung bemüht, was mich zu dem Schluss führt, dass neben der Vernunft der Stadtpolitiker andere Instrumente herangezogen werden müssen, um dem Ruhrgebiet innen wie außen mehr Identität zu verleihen und das Image aufzupolieren.

  • #449 Bau-Lcfr


    Dieses Bauprojekt an der Petrikirche ist mir bekannt und auch für mich ist nicht klar, warum diese Kuben davor gestellt werden anstatt historisch orientiert zu bauen. Die Vorväter der heutigen Dortmunder Stadtpolitiker haben doch gezeigt, dass historische Bausubstanz auch im Ruhrgebiet nicht fremd sein muss, als sie zwischen Reinholdi- und Marienkirche einen historischen Häuserblock wieder aufbauten. Dortmund hat damit quasi unter den großen Ruhrgebietsstädten ein Alleinstellungsmerkmal, aber leider keinen Trend gesetzt. Weder hier noch woanders hatte und hat man eine Liebe zur historischen Bauweise entwickelt und erkannt, wie wichtig historische Baudenkmäler und Einrichtungen für das Heimatgefühl und die Identitätsfindung sind. Daran krankt jede große Stadt im Revier. Das fängt mit großen Kirchen, die man von weither sehen kann an und geht über Rathäuser, Marktplätze, Hausbrauereien und Ratskeller. Letztere haben sich im Rheinland über viele viele Jahre zu Bürgerzentren entwickelt und sie stärken das Heimatgefühl. Im Ruhrgebiet sind solche Einrichtungen mit Ausnahme Dortmunds so gut wie nicht vorhanden. Die Innenstädte unterscheiden sich in ihrer Bauweise kaum voneinander und historische Alleinstellungsmerkmale als Orientierungspunkte für den lokalen Bezug sind selten.


    Auch im Rheinland ist in Sachen Wiederaufbau nicht alles glücklich gelaufen und die Innenstädte der großen Metropolen sind nicht minder verbaut, doch hat man sich dort auch das Stück Historie und Tradition bewahrt und nach den Zerstörungen des Weltkrieges die Altstädte teilweise wieder aufgebaut. Gleiches lässt sich auch in Münster, hier wurde der gesamte Prinzipalmarkt aus der Asche geholt, oder Mainz beobachten. Selbst Frankfurt hat sich mit seinem Römer der Rekonstruktion nicht ganz abgewandt und ist trotz Abrisswahn auch heutzutage wieder auf den Zug aufgesprungen. Warum ist das in den Revierstädten nicht möglich? Mir scheint, als habe man sich damit abgefunden. Das ist deshalb umso trauriger, als das Städte ja tatsächlich über eine lange Geschichte verfügen und Duisburg seit Jahrhunderten Hafenstadt, Essen Sitz der Fürstäbtissinen, und damit Standort einer elitären Uni für Frauen war und Dortmund alte Handelsstadt der Hanse.

    Ein weiteres Manko bez. Lebensqualität und Urbanität der Innenstädte im Revier sehe ich in einem fehlenden Flüsse. Damit fehlt auch ein Indikator fürs Heimatgefühl. Wie oft schon wurde der Rhein besungen und damit der Lokalstolz untermauert?! Überhaupt scheint diese Möglichkeit der Identitätsauslebung im Revier so gut wie nicht vorzukommen. Probat, aber nicht ganz ohne Wirkungen sind Songs, Fernsehserien und Filme aus der Region. Zwar oftmals klischeebehaftet, bringen sie doch direkt ein Stück Heimat ins Wohnzimmer oder den Partykeller.


    Die aufgezeigten Umstände machen die Suche nach einer Identität respektive die nach einem Image schwer und nicht selten kommen die Werbestrategen wieder zur Industrie, oder griffiger gesagt, zur Industriekultur. ;)

  • ^ Wenn man Wesel zum Ruhrgebiet zählt (der Kreis wollte austreten und wurde durch Erpressung mit drohender Rückzahlung revierbezogener Förderungen festgehalten), kann man auf den Wiederaufbau des historischen Rathauses hinweisen. In Duisburg ist der Wiederaufbau des Mercator-Hauses im Gespräch, was die Anzahl historischer Bürgerhäuser genau verdoppeln würde. Leider ist die Wahrscheinlichkeit vielleicht geringer als jene der Zerstörung weiterer Jugendstilhäuser, von welchen die Innenstadt eher zu wenige als zu viele hat.


    Sich damit abfinden? Es gibt so viele Untersuchungen, die die Bedeutung der Erlebnisse, des einmaligen Flairs beim Shoppen unterstreichen. Würden die Städte in dieser Hinsicht wetteifern, hätten wir was davon. Stattdessen wird die primitivste, plumpe Methode bevorzugt - irgendwo in der Pampa ein FOC hinklotzen und hoffen, dass nicht nur die eigene Innenstadt ausblutet, sondern auch die des Nachbarn. Mir scheint übrigens ein wenig (tragi)komisch, wie man während dieses totalen Krieges von gemeinsamen Identitäten der Todfeinde träumen kann. Ein Waffenstillstand ist unerreichbar.


    Es gibt noch den zweiten totalen Krieg - ohne Achtung auf jahrzehntelange Infrastrukturkosten und sonstige Siedlungsstruktur-Probleme jeden denkbar ungeeigneten Fleck der Reihenhausbebauung widmen und hoffen, dass ein paar Nachbarn umsiedeln. Es wird natürlich über unbezahlbare Infrastruktur gestöhnt, über leere Kassen, aber was soll's, schon immer ist die Kohle von Außerhalb gekommen. Auch hier gilt - besser, würde man mit möglichst attraktiven Innenstädten wetteifern, in die bei besseren Kosten pro Kopf gezogen wird.
    In Münchner Foren wurde kürzlich eine Umfrage zitiert, nach der die meisten Leute möglichst innerhalb des Mittleren Rings wohnen möchten - wenn sie sich weiter ansiedeln, dann notgedrungen. Eine City-Geschosswohnung ist begehrter als ein Reihenhaus in der Pampa. Auch das ist u.a. ein Ergebnis der einmaligen, Identität stiftenden Altstadt mit genügend Flair.

  • Oberhausen: Baubeginn für Christos Big Air Package im Gasometer

    PM: "Rund drei Fußballfelder Stoff und viereinhalb Kilometer Seile sind am 21.01.2012 am Gasometer Oberhausen angeliefert werden. Sie sind das "Baumaterial" für Christos Installation Big Air Package, die vom 16. März bis 30. Dezember zu sehen ist. In den kommenden Wochen werden die Einzelteile zur größten freitragenden Skulptur der Welt zusammengesetzt.

    14 Jahre nach der Abschlussinstallation "The Wall“ für die Internationale Bauausstellung Emscher Park kehrt Christo mit einem außergewöhnlichen Kunstprojekt nach Oberhausen zurück. Das "Big Air Package - Project for Gasometer Oberhausen, Germany“ wurde 2010 von dem Künstler konzipiert. Die Skulptur wird im Inneren des Industriedenkmals errichtet und besteht aus 20.350 Quadratmetern lichtdurchlässigem, speziell für diesen Zweck entworfenem Gewebe. Im aufgeblasenen Zustand erreicht die Hülle bei einem Gewicht von 5,3 Tonnen eine Höhe von über 90 Metern, einen Durchmesser von 50 Metern und ein Volumen von 177.000 Kubikmetern."

    Quelle: http://www.route-industriekult…ttnews%5BbackPid%5D=11090

  • Emscherkunst: Ai Weiwei errichtet Installation "Dragon Tail"

    PM: "Der chinesische Künstler Ai Weiwei errichtet im Sommer 2013 entlang der Emscher 1000 Zelte in Form eines Drachenschwanzes. Die Installation "Dragon Tail" ist Teil der Ausstellung Emscherkunst 2013 und findet unter anderem in den westfälischen Städten Bottrop und Gelsenkirchen statt. Entlang des Flusses wird Ai Weiwei so eine Zeltstadt errichten. In den individuell gestalteten Hütten können während der Ausstellung bis zu drei Menschen übernachten, um so der Emscherregion und der Kunst näher zu kommen. Auch nach der Ausstellung sollen die Zelte in der Region bleiben - auf Wunsch Ai Weiweis werden sie in einer Lotterie verlost.
    Der Chinese hat sich unter anderem als Bildhauer, Video- und Aktionskünstler einen Namen gemacht. Durch seine kritische Auseinandersetzung mit der chinesischen Kultur und dem Wirtschaftswachstum wurde er in seiner Heimat als Provokateur und Regimekritiker verfolgt. Aufsehen erregte er unter anderem bei der documenta12, wo er für sein Kunstprojekt "Fairytale" 1001 Chinesen nach Deutschland holte und stellvertretend für sie 1001 antike Stühle auf der Kunstschau verteilte.


    Sein Zeltprojekt ist Teil der Emscherkunst-Ausstellung vom 22. Juni bis zum 6. Oktober 2013. Sie lädt die Besucher ein, Kunst an ungewöhnlichen Orten im öffentlichen Raum zu entdecken."


    Quelle: http://www.westfalen-heute.de/mitteilung.php?30076
    Homepage der Emscherkunst 2013: http://www.emscherkunst.de/home.html

  • nikolas, Turmbauer:
    Als ehemaligem Bewohner des Ruhrgebiets (ich hab über 10 Jahre in Bochum gelebt, bin jetzt aber über 10 Jahre in Berlin) kommt mir aus der mittlerweile entstandenen Außenperspektive die Zersplitterung in über 50 Kommunen mit entsprechenden Folgen wie Einzelhandelsflächenkriege, Konkurrenz um Einwohner, inkohärenter und schlechter Nahverkehr u.ä. ebenfalls sehr anachronistisch vor, und ich denke der Schritt zu einer Ruhrstadt (vielleicht mit einer zeitweiligen "Big 4"-Lösung als Zwischenschritt) muß irgendwann so oder so vollzogen werden.
    Was mir aber bei der Diskussion vor allem auffällt, ist daß das Ende der Industriegesellschaft das Ruhrgebiet nach wie vor in eine schwere Identitätskrise zu stürzen scheint, und der Verlust des gesellschaftlichen Paradigmas, welches die heutige Ruhrstadt überhaupt erst hervorgebracht hat auch nach fast 50 Jahren Strukturwandel offenbar eine Mischung aus tiefer Wehmut und Ratlosigkeit auslöst.
    Strukturwandel, d.h. Rollenwechsel sind aber ein ständiger und auch anderswo stattfindender Transformationsprozeß städtischer Räume, es ist sozusagen als Curriculum Vitae Teil der Entwicklung jeder großen Stadt oder Stadtregion.
    Mir scheint, daß das Ruhrgebiet bis heute keine neue Rolle für sich in einer postindustriellen, vielleicht in absehbarer Zeit sogar Postkonsumgesellschaft identifiziert hat, daß es sich sogar seiner größten Ressource und seines größten Potenzials gar nicht wirklich bewußt ist, nämlich PLATZ.
    Ich denke, daß gerade die geringe Besiedlungsdichte, und die weiter zunehmenden Freiräume durch weitere Verluste der noch vorhandenen Industrie und zu erwartenden Bevölkerungsrückgänge Spielräume eröffnen, die langfristig (30-50 Jahre) eine ganz andere Art von Metropole hervorbringen können, eine dezentrale, wie ein Netzwerk organisierte, die Möglichkeit zu subsistenten Lebensweisen eröffnende Metropole.
    Um es etwas konkreter zu machen, ich denke das Ruhrgebiet hat die Möglichkeit den Weg von Detroit zu gehen, wo gerade in den Ruinen einer perforierten, geschrumpften Ex-Industrieregion eine Art neuer Typ urbaner Zivilisation entsteht, mit urbaner Landwirtschaft, Selbstversorgung, Netzwerken nachbarschaftlicher Organisation etc., welche auf Querdenker und schlaue Köpfe aus aller Welt enorm anziehend wirkt; das Ruhrgebiet ist gerade wegen seiner Stagnation im herkömmlichen Sinn praktisch der letzte große Metropolraum in Mittel- und Westeuropa, der noch genügend (auch ökonomische) Freiräume bietet, um auch eine größere Zuwanderung dieser Avantgarde der kreativen Klasse ohne Probleme aufzunehmen und Platz zum Experimentieren bietet, ohne sofort Gentrifizierungsprozesse und Verdrängung nach sich zu ziehen.
    Also lange Rede kurzer Sinn, bring some Flower Kids in...:D
    Und dann einfach wachsen lassen...

  • der Schritt zu einer Ruhrstadt (vielleicht mit einer zeitweiligen "Big 4"-Lösung als Zwischenschritt)


    Wenn ich mich nicht irre, Duisburg ist die einzige Nachbarstadt Düsseldorfs, die irgendwie eine Bevölkerungsschrumpfung schafft - die anderen profitieren von der Nähe der echten Metropole und gewinnen Einwohner hinzu. Dies zeigt die Anziehungskraft der drittgrößten dieser Big 4 - statt nach Krücken zu suchen, sollte man sich in den Städten der Rheinschiene (Duisburg, Mülheim, Kreis Wesel, Oberhausen) auf das nahe Zentrum mit richtiger Schwerkraft besinnen. In der Praxis pendelt man ohnehin nach Düsseldorf und Umgebung.


    Was die urbane Landwirtschaft im Ruhrgebiet angeht, kenne ich keine einzige Person, die nebenberuflich Hühner oder Ziegen züchten und eigenhändig zerlegen möchte. Diese Vision erinnert irgendwie an die Dritte Welt, wo in diversen Favelas tatsächlich Getier für Selbstversorgung gehalten wird. So tief sind wir noch nicht gesunken, zum Glück.

  • Duisburg ist die einzige Nachbarstadt Düsseldorfs, die irgendwie eine Bevölkerungsschrumpfung schafft


    Das ist nicht ganz richtig. Auch Krefeld und Mülheim haben in der Vergangenheit einen Bevölkerungsrückgang registriert (IT NRW 2000-2011 und IT NRW 2011-2012). Allerdings gehen die Einwohnerzahlen mittlerweile nicht mehr so stark zurück wie noch vor einigen Jahren. Seit einigen Jahren kann Mülheim mehr Zu- als Fortzüge vorweisen (siehe Kurzübersicht), auch Duisburg konnte 2011 erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Zu- als Fortzüge vorweisen. Noch reichen die Zuzüge nicht aus, das natürliche Saldo auszugleichen. Deswegen sollte es im Sinne der genannten Städte sein, die Strahlkraft Düsseldorfs zu nutzen, damit man in Zukunft, ähnlich wie Essen oder Dortmund, wieder Bevölkerungszuwächse vermelden kann.


    ...sollte man sich in den Städten der Rheinschiene (Duisburg, Mülheim, Kreis Wesel, Oberhausen) auf das nahe Zentrum mit richtiger Schwerkraft besinnen.


    In Duisburg will man das in Zukunft umsetzen. Seit letzter Woche werden in Duisburg die Zwischenergebnisse eines Planungsprozesses (Duisburg 2027) präsentiert, dessen Ergebnisse in den neuen Flächennutzungsplan einfließen sollen. In den Zwischenergebnissen ist eine starke Orientierung der südlichen und südwestlichen Stadtteile nach Düsseldorf vermerkt. Wenn ich es schaffe, dann schreibe ich am Wochenende einen Beitrag zu dem Thema, in dem ich die zentralen Ergebnisse zusammenstelle. Falls es nicht klappt dann übernächstes Wochenende.

  • Bau-Lcfr:

    Was die urbane Landwirtschaft im Ruhrgebiet angeht, kenne ich keine einzige Person, die nebenberuflich Hühner oder Ziegen züchten und eigenhändig zerlegen möchte.


    Man muß Hühner und Ziegen ja nicht gleich zerlegen, man kann sich ja auch erst mal mit Eiern und Milch begnügen...:D


    Diese Vision erinnert irgendwie an die Dritte Welt, wo in diversen Favelas tatsächlich Getier für Selbstversorgung gehalten wird. So tief sind wir noch nicht gesunken, zum Glück.


    Diese Vision ist aber gerade im Ruhrgebiet eigentlich auch eine alte Tradition. Wenn es irgendeinen städtebaulichen Archetyp gibt, der mit dem Ruhrgebiet in Verbindung gebracht wird und für dieses typisch ist sind es die Arbeitersiedlungen aus der Industrialisierungszeit, und in diesen Siedlungen war die Bewirtschaftung eines Gartens und das Halten einiger Nutztiere zur zumindest teilweisen Selbstversorgung ausdrücklich vorgesehen. Diese Lebensweise wurde von sehr vielen Bewohnern des Ruhrgebiets bis zum Siegeszug der ressourcen- und energieintensiven Konsumgesellschaft in den 60er/70er Jahren praktiziert, und ist erst seitdem in Vergessenheit geraten.
    Warum sollte das Ruhrgebiet eine alte Tradition nicht in einer zeitgemäßen Form neu entdecken?


    Hier ein paar generelle Infos zum Thema Urbane Landwirtschaft;


    Hier eine arte-Reportage über Urban Farming in Detroit, die auch den Community Building/Empowerment Aspekt dabei ganz gut rüberbringt,


    hier Infos über das Berliner Projekt Prinzessinnengarten, und


    hier noch ein Artikel zur vertikalen High-Tech Variante des Themas für hochverdichtete und unter Platznot leidenden Städte wie Singapur.


  • Ich habe in den Quellen gestöbert und fand diesen Teil mit der Ausrichtung auf die bestehenden Siedlungskerne und Infrastrukturen - man hätte hoffen können, dass zum Profitieren von der Nähe Düsseldorfs eine Nachverdichtung um die Haltestellen der U79 (die man erst mal erhalten muss) und der S1 beabsichtigt ist. Und natürlich in der Innenstadt.
    Kurz davor fand ich jedoch diesen RP-Artikel, wo eine Karte ein anderes Bild zeigt - möglichst entlang der Stadtgrenze bauen. Da die Duisburger Stadtwerke etwas Land in Düsseldorf-Wittlaer besitzen, wird um das Baurecht dort prozessiert - mit dem Hintergrund, dass die Düsseldorfer Stadtverwaltung über die Focussierung auf Zentren und Quartiere nicht nur redet, sondern diese auch lebt, wobei Wittlaer zu weit abseits liegt. Würde man in Duisburg das eigene Konzept ernst nehmen, gäbe es den in der RP beschriebenen Konflikt nicht.

  • ^^


    Bevor ich gleich zwei nahezu identische Beiträge erstelle, antworte ich gleichzeitig noch auf den Beitrag #650 im Düsseldorfer Thread Sonstige Projekte und Meldungen.


    Mit Hilfe von zwei Karten versuche ich die Ideen für den Flächennutzungsplan mal etwas näher zu erläutern und das von Bau-Lcfr dramatisch gezeichnete Bild etwas zu besänftigen:



    mE zeigt es ein schier unglaubliches Unvermögen, eine genügend attraktive City zu schaffen


    Zunächst einmal erkennt man über das gesamte Stadtgebiet verteilt 14 verschiedene Aktionsräume, wobei der 14. den Verlauf der sogenannten Logistikdiagonale markiert. Zentrales Element ist dabei die Stärkung des Zentrums, welches Impulse für die künftige Stadtentwicklung setzen soll (S. 33). Gleichzeitig sollen die innenstadtnahen Stadtteile Ruhrort mit der Verlängerung Laar/Beeckerwerth (Nr. 4*), Hochfeld mit Wanheimerort (Nr. 8 & 9*) und Neudorf (nördlicher Raum von Nr. 10*) ein Profil bekommen, was ihrer Lage gerecht wird. Kennzeichen sind eine Entwicklung hin zum Wasser, genauer gesagt hin zu Rhein und Ruhr, sowie eine Nutzungsmischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit.


    * die Zahl in der Klammer gibt Bezeichnung des räumlichen Handlungsschwerpunktes in der thematischen Karte wieder.


    Den Kern des Handlungsschwerpunktes 10 bildet die Entwicklung des ehemaligen Güterbahnhofes zwischen Wedau und Bissingheim. Der Karte ist zu entnehmen, dass sich die Wohnbebauung auf den südlichen Bereich konzentriert. Momentan führt eine Regionalbahnlinie mit zwei Haltepunkten am Planungsgebiet vorbei. Allerdings endet die Linie kurz dahinter am Haltepunkt Entenfang. Seit Jahren wird bekanntlich bereits über eine Verlängerung der Linie über Ratingen nach Düsseldorf diskutiert. Noch scheitert das Vorhaben an den zu hohen Kosten.


    Etwas genauer möchte ich noch auf den Handlungsschwerpunkt 11 eingehen, der auch im RP-Artikel zu sehen ist. Im Westen des Ovals befinden sich die beiden Ortsteile Mündelheim und Serm. Ziel ist es in den beiden Orten die dörflichen Siedlungsstrukturen zu erhalten und nur die Siedlungsränder neu zu gestalten. So sollen am östlichen Ortsrand von Mündelheim sowie am nördlichen Ortsrand von Serm neue Einfamilienhäuser entstehen, in der thematischen Karte durch die dunkelbraunen Flächen dargestellt. Ansonsten sollen vereinzelt Baulücken in den Ortschaften geschlossen werden. Schaut man sich die Freiraumkarte an, so erkennt man, dass der Großteil der landwirtschaftlichen Flächen als Kulturlandschaft erhalten bleiben soll. Nördlich von Mündelheim soll das bestehende Wäldchen aufgeforstet werden, rund um Serm ist die Renaturierung von Fließgewässern vorgesehen.
    Als nächstes erkennt man Richtung Mittelpunkt des Ovals durch braune Punkte markiert den Stadtteil Ungelsheim. Dieser Stadtteil soll nicht weiter verdichtet, sondern nur aufgewertet werden.


    man hätte hoffen können, dass zum Profitieren von der Nähe Düsseldorfs eine Nachverdichtung um die Haltestellen der U79 (die man erst mal erhalten muss) und der S1 beabsichtigt ist.


    Östlich von Ungelsheim erkennt man ein größeres Neubaugebiet für Mehrfamilienhäuser. Das Grundstück, heute eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, grenzt unmittelbar an die Haltestelle Kesselsberg der U79.
    Ganz im Osten des Schwerpunktes 11 liegen die Stadtteile Großenbaum und Rahm, die beide über einen S-Bahnhaltepunkt der Linie S1 verfügen. Unmittelbar am Rahmer See soll ein Gewerbegebiet aufgegeben und künftig in Wohnfläche umgewandelt werden. Ganz im Osten sollen wie in Mündelheim und Serm Grünflächen für Wohnbebauung aufgegeben werden.


    Kurz zusammengefasst: In Duisburg ist man sich schon bewusst, dass eine attraktive Innenstadt ein absoluter Gewinn für die weitere Stadtentwicklung ist, weswegen hier einige Schwerpunkte gesetzt werden. Eine starke Zersiedlung des Duisburger Südens findet nicht statt, der größere Teil des neuen Wohnraums wird auf Brachflächen bzw. momentanen Gewerbegebieten entstehen. Leider werden auch einige Grünflächen geopfert, im Gegenzug soll aber auch verankert werden, dass keine weitere Fläche versiegelt werden soll.


    Um abschließend noch einmal auf Wittlaer zu sprechen zu kommen. Das Handeln der Duisburger Stadtwerke hat in meinen Augen nichts mit dem Konzept Duisburg 2027 zu tun. Vielmehr müssen die Stadtwerke bis 2014 30 Millionen einsparen (Quelle: Der Westen vom 22.11.12). Ich kann mir daher gut vorstellen, dass hinter einem Verkauf der Flächen rund um das Wasserwerk vor allem finanzielle Gründe ausschlaggebend sind. Nichts desto trotzt wäre eine angemessene Kommunikation zwischen den Stadtwerken und der Stadt Düsseldorf anstelle der juristischen Auseinandersetzung wünschenswert gewesen.