Stadt der Moderne - Stadt im Umbruch

  • Es ist wohl kaum bekannt aber bei dem Gebäude an der Ritterstraße handelt es sich um das Millitärgerichtsgebäude von Chemnitz. Zumindest das EG ist davon noch erhalten. Die oberen Geschosse sind nach 45 neu gebaut worden. Gegenüber lag eine bekannte Chemnitzer Kasserne.

  • Essay von Klaus Gregor Eichhorn und Hartwig Albiro zum 5. März

    Die aktuell wieder aufflammende Debatte um den richtigen Umgang mit der alljaehrlichen Neonazi-Demonstration am 5. März (Chemnitzer Morgenpost, 31. Januar 2012, CDU zerfleischt sich wegen Demo. Es geht um den Umgang mit der Veranstaltung zum 5. März. http://www.sz-online.de/Nachri…en_Demo/articleid-2976564 ) zog bereits im letzten Jahr sehr weite Kreise. In der FP erschienen in diesem Zusammenhang im Vorjahr zwei interessante Essays, zum einen des Chemnitzer Filmemachers Klaus Gregor Eichhorn und zum anderen des früheren Chef des Schauspielhauses Hartwig Albiro, in denen auch insgesamt auf das gesellschaftliche Klima in der Stadt eingegangen wurde:


    Freie Presse vom 24.03.2011
    Essay des Chemnitzers Klaus Gregor Eichhorn zum 5. März: Die kritische Masse
    http://www.freiepresse.de/LOKA…-Masse-artikel7620885.php


    Freie Presse vom 06.05.2011
    Essay des Chemnitzers Hartwig Albiro zum 5. März: Die kollektive Befreiung
    Nach Essay von Klaus-Gregor Eichhorn hat nun der frühere Chef des Schauspielhauses eine Erwiderung verfasst
    http://www.freiepresse.de/LOKA…reiung-artikel7652187.php


    So heisst es etwa bei Eichhorn: "Denn so sehr Demokratie ein Subjekt benötigt - den Einzelnen oder eine Gruppe - so sehr braucht sie auch ein Objekt: Etwas, worum es geht. Zum Beispiel ein Grundrecht oder ein Allee alter Bäume oder eben eine Stadt.


    Den Chemnitzern wurde ihr Objekt, ihre Stadt, immer und immer wieder weggenommen bzw. haben sie es sich wegnehmen lassen: Angefangen bei einer protzigen und blutleeren Innenstadtbebauung im Sinne einer rein betriebswirtschaftlichen Logik (deren logische Folge schließende Geschäfte und noch deutlich vor Acht leer gefegte Straßen sind), über das Wegknicken der gesamten Stadtregierung gegenüber "Erlöser"-Investoren wie aktuell am Johannisplatz, bis hin zum sozio-kulturellen Kahlschlag an Graswurzel-Projekten wie dem Splash!, dem Voxxx, dem Haus Einheit, dem Experimentellen Karree an der Reitbahnstraße sowie den verschiedenen Brühl-Initiativen, hat die Stadtverwaltung in der Vergangenheit fast immer nur ein Signal ausgesendet: Wir "hier oben" können es besser als ihr "da unten". Allzu zögerliche Versuche von Basisdemokratie verliefen zumeist technokratisch und in keinster Weise "ergebnisoffen" - wer soll sich daran beteiligen ?


    Viel zu wenige der Verantwortlichen verstehen, dass eine demokratische Stadtverwaltung nicht primär das Richtige tun, sondern vielmehr das Richtige zulassen muss."


    Am Ende seines Essays geht er weit ueber die konkrete Frage nach dem Umgang mit den Neonazis am 5. März hinaus:


    "Demokratie setzt immer einen Akt der kritischen Selbstbefreiung voraus. Die kann zwar jeder nur für sich erreichen, möglich gemacht wird sie aber erst in einem ausreichend großen und bewegten Umfeld - es benötigt eine kritische Masse, damit sich die einzelnen Teilchen verändern können und ihre Energie auf die stumme Masse überspringt. Das zu organisieren und zuzulassen muss Aufgabe der Politik in dieser Stadt sein.


    Wir brauchen in Chemnitz endlich ein Viertel, an dem sich die engagierten Bürger und vor allem die Jungen in dieser Stadt ohne Blockade und Bevormundung treffen und ihre Energien bündeln können, anstatt sich immer wieder zu verlaufen. Sowohl Bau- als auch Oberbürgermeisterin liegt zum Beispiel ein tragfähiges, aus den Reihen junger Chemnitzer kommendes Konzept für den Brühl vor - werden sie es diesmal zulassen ?"


    Hartwig Albiro widerspricht Eichhorn bei dessen Charakterisierung des Phlegmas der Chemnitzer_innen, stoesst aber ebenfalls zum Schluss in das gleiche Horn:


    "Eines muss angemerkt werden. Ein klares Ja zu Eichhorns Forderung nach dem "Kreativen Viertel". Ein großer Verlust ist der den kommerziellen Interessen geopferte Versuch des Experimentellen Karrees. Die Wunden der Amputation von Voxxx und Splash sind kaum vernarbt. Zarte Pflanzen keimen. Das Weltecho. Das Exil im Schauspielhaus. Der Garten "Bunte Erde" an der Mehringstraße. Die Jugendherberge am Getreidemarkt. Aber auch das ist Zersplitterung. Die Stadt braucht dringend den Humus der alternativen Äußerung in der Großfläche. Keine staatlich-städtische Düngung - aber auch keine Behinderung des Wildwuchses. Ein Konzept für den Brühl liegt vor, so Eichhorn. Gibt es bald die öffentliche Debatte? Dann könnte Chemnitz beweisen, das es mehr ist als die Stadt der Rentner und der Volksmusik-Liebhaber."

  • Die lang erwarteten kleinteiligen statistischen Daten zu den einzelnen Chemnitzer Stadtteilen liefert die Anlage 3 der Neuabgrenzung "Stadtumbaugebiet Chemnitz" (Link). Dort findet man für jeden Teilbereich der Stadt Daten wie Einwohnerentwicklungen, Leerstand, Wohnungsbestände etc.


    Sehr interessant finde ich bspw., dass die Einwohnerverluste im Sonnenberg (und in Bernsdorf) sich größtenteils auf den von Platten geprägten Bereich konzentrieren. Im Yorckgebiet fällt der jetzt schon überwiegende Anteil der Sterbeüberschüsse auf. Im Heckertgebiet wird überall von starken Nachfragerückgängen gesprochen. Besonders der Stadtteil Morgenleite mit großen Leerständen und starken Sterbeüberschüssen sticht dabei heraus, aber auch in Hutholz sind die Zahlen - speziell zum natürlichen Saldo - bedenklich. Die besten Zahlen weist erwartungsgemäß der Kaßberg auf.

  • Ich habe die Gebietspässe noch nicht mal gelesen und kann schon über die Kritik daran berichten. Die Freie Presse fasst heute zusammen, dass sich das Gros der "Maßnahmeschwerpunkte" auf bereits bekannte Projekte bezieht (Johannsiplatz, Umbau der Stadthalle zum Kongress- und Tagungszentrum, Jugendherberge am Getreidemarkt). Wegen des langen Bearbeitungsprozesses würden auch bereits abgeschlossene Projekte wie die Brücke Hartmannstraße oder die Rekonstruktion des Agricolagymnasiums in dem Papier auftauchen.


    Ortschaftsrat Falk Ulbrich (CDU) aus Einsiedel findet die Anmerkungen zum Stadtteil - Vom Hochwasserschutz bis zum Ausbau des Chemnitzer Modells - nicht berücksichtigt und zieht das Fazit "Viel Papier, wenig Inhalt.". Das fertig sanierte Freibad stünde als Sanierungsaufgabe drin, Aussagen zur Turnhalle der Grundschule würden fehlen. Der Grünaer Ortsvorsteher wundert sich über die konstatierten "erheblichen Lücken in der Nahversorgung".

  • Die lang erwarteten kleinteiligen statistischen Daten zu den einzelnen Chemnitzer Stadtteilen liefert die Anlage 3 der Neuabgrenzung "Stadtumbaugebiet Chemnitz" (Link). Dort findet man für jeden Teilbereich der Stadt Daten wie Einwohnerentwicklungen, Leerstand, Wohnungsbestände etc.


    Sehr interessant finde ich bspw., dass die Einwohnerverluste im Sonnenberg (und in Bernsdorf) sich größtenteils auf den von Platten geprägten Bereich konzentrieren. Im Yorckgebiet fällt der jetzt schon überwiegende Anteil der Sterbeüberschüsse auf. Im Heckertgebiet wird überall von starken Nachfragerückgängen gesprochen. Besonders der Stadtteil Morgenleite mit großen Leerständen und starken Sterbeüberschüssen sticht dabei heraus, aber auch in Hutholz sind die Zahlen - speziell zum natürlichen Saldo - bedenklich. Die besten Zahlen weist erwartungsgemäß der Kaßberg auf.


    Sehr interessant. Es ist an vielen Stellen von Rückbau/Teilrückbau von industriellen Wohnbauten und von Sicherungsmaßnahmen am Gründerzeitbestand die Rede.

  • Die Freie Presse berichtet heute dass die Häuser in der Zeile an der Leipziger Straße 101 bis 111 nun doch stehen bleiben sollen. Baubürgermeisterin Petra Wesseler begründete die Entscheidung in einer Antwort auf eine FDP-Ratsanfrage damit, dass der Abbruch von Altbauten in geschlossener Straßenrandbebauung nicht mehr bezuschusst werde. Stattdessen hofft die Stadt nun auf Fördermittel für Sanierungsvorhaben, die sie beim Freistaat beantragt hat. Zudem gebe es für einzelne Gebäude in der Zeile Kaufinteressenten, die Häuser und Wohnungen sanieren wollen.


    Es stehe fest, dass die gesamte Straßenflucht der Karreebebauung an der Leipziger Straße 101 bis 113 nicht vom Neubau der Straßenbahntrasse Richtung Limbach-Oberfrohna betroffen ist. Das Schienenprojekt solle in der Leipziger Straße stadtauswärts rechterhand geführt werden, so Wesseler. Ein Erhalt der Häuser stehe den Plänen für den Neubau der Straßenbahntrasse also nicht entgegen.


    Link zum Artikel

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  • Drei der Gebäude sollen noch ab diesem Jahr saniert werden. Vorbereitende Arbeiten laufen schon.

  • Von der geplanten Privatisierung der TLG ( http://www.deutsches-architekt…d.php?p=330504#post330504 ) sind auch eine Reihe von Gewerbeflächen und Wohnhäuser in Chemnitz betroffen, u.a. ein denkmalgeschütztes, freistehendes Geschäftshaus (Gebäude 3) als Bestandteil der einstigen „Wandererwerke“ (Kulturdenkmal, Baujahr ca. 1943) und Wohnkomplexe in Reichenbrand und im Flemminggebiet.
    http://www.tlg.de/kombisuche/?1557_page=1#searchresult

  • Dass in den früheren Aldi-Markt in Ebersdorf ein Edeka einziehen soll, wäre hier im Forum nicht weiter erwähnenswert. Allerdings ist für die Errichtung eines Parkplatzes laut heutiger Freier Presse auch der Abriss des Volkshauses (Frankenberger Straße 228, Luftbild) geplant. Auch wenn ich das Gebäude jetzt nicht wirklich vor Augen habe, scheint mir der Verlust eines leer und einzeln stehenden Gebäudes in einer sowieso aufgelockerten Bebauung an einer vielbefahrenen Straße eher kein gravierender Verlust zu sein.

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    - dem stimme ich durchaus zu! Das Gebäude befindet sich in einem eher maroden Zustand, obwohl der türkisgrün-gestrichene Erdgeschossbereich darüber hinweg täuschen möchte. :lach:


    Und für das andere Objekt, in das Edeka gern einziehen möchte, ist dies auf jeden Fall besser, als langjähriger Leerstand. :daumen:

  • Nachdem die Stadt den Abrissantrag für den Kulturpalast aus Denkmalschutzgründen abgelehnt hat und die die Landesdirektion das bestätigt hat, versucht der Eigentümer Oliver Kreider jetzt vor Gericht den Abriss durchzusetzen (Link). Zusätzlich ist ein Verfahren anhängig, weil die Stadt eine Notsicherung des Daches fordert. Wenn beide Verfahren im Sinne der Stadt entschieden werden sollten, dürfte das die Zukunftsperspektive des Kulturpalastes entscheidend verbessern. Weitere Informationen findet man auch unter stadtbild-chemnitz.de.

  • Die Denkmalschutzentscheidungen zeigen offenbar jetzt schon Wirkung: Der Eigentümer bietet laut SZ-online den Kulturpalast der Stadt für unter 500.000 Euro zum Kauf an. Bis Ende Mai hat die Stadt Zeit zur Entscheidung. Das klingt sehr gut, zum Kaufpreis wird sich das Liegenschaftsamt sicher eine Meinung bilden können und gegebenenfalls diesen noch weiter drücken.

  • In der Freien Presse ist heute ein bemerkenswertes Interview mit Peter Naujokat, bis 2005 GGG-Geschäftsführer:



    Leider eine sehr späte Erkenntnis...

  • In Bezug auf das Thema Infrastrukturkosten und Stadtumbau ist Herr Naujokat ganz klar im Irrtum. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden (IÖR) haben 2008 in einer Studie den Zusammenhang von Stadtumbaustrategie und Infrastrukturkosten untersucht. Sie haben dazu schrumpfende Städte untersucht, die einen Rückbau von außen nach innen betrieben haben und diese mit Städten verglichen, die trotz Schrumpfung eine Expansion der Siedlungsfläche betrieben haben. Das Ergebnis war, dass beide Stadtgruppen kaum Unterschiede in der Infrastrukturkostenentwicklung zu verzeichnen hatten. Damit ist die oft publizierte Legende, nach der ein Rückbau von außen nach innen zu kostengünstigeren Infrastrukturnetzen führen würde, widerlegt.


    http://www2.ioer.de/recherche/…t_infrastrukturkosten.pdf


    Ansonsten gibt es immer mehr Studien, die den ökologischen Wert der Plattenbauten belegen. Die Technische Universität Berlin hat 2011 den Energieverbrauch in sanierten Plattenbauten im Wohngebiet Berlin - Frankfurter Allee Süd mit dem Energieverbrauch sanierter Gründerzeithäuser in dem benachbarten Kaskelkiez untersucht. Das Ergebnis war, dass die Plattenbauten weniger als die Hälfte an Energie verbraucht haben als Gründerzeitbauten. Konkret verbrauchten die Plattenbauten 87 kWh pro qm pro Jahr, während die Gründerzeitbauten 200 kWh pro qm pro Jahr verbrauchten. Hier ist der Link (Beitrag ab S. 55):


    http://www.urbenergy.eu/filead…evelopment_WP3_manual.pdf

    Diese Ergebnisse bestätigen ältere Untersuchungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.


    Auch aufgrund dieser Studien werden derzeit in Berlin mehr Plattenbauten als je zuvor saniert. Gab es vor zehn Jahren noch Pläne, 10000 Plattenbauwohnungen abzureißen, so hat man diese Pläne nach dem Abriss von rund 4400 Wohnungen aufgegeben. Mittlerweile werden auch Abrisskandidaten saniert und gut vermietet. Heute werden diese Abrisse schmerzlich bereut. Ich denke, diese Trends werden auch um Chemnitz keinen Bogen machen.

  • Die Studie greift selbstverständlich viel zu kurz als das so eine dahergefledderte Schlussfolgerung wirklich irgendeinen Bestand haben könnte. Außer Acht gelassen wird zum Beispiel der gesamte private "Transitverkehr" vom Kern zur Randstadt, der überproportional große Anteil der Grünflächen und deren Pflege plus sozialer Segregation gerade im Chemnitzer Heckertgebiet.


    Deine Begeisterung für die Platte in Ehren aber am energieffizientesten ist es wohl die gesamte Einwohnerschaft von Kleinstädten in einem Hochhaus zu sammeln. Fakt ist die Menschen sind trotzdem weggezogen und ziehen immer noch weg. Eine Trendwende ist diesbezüglich in Chemnitz noch lange nicht in Sicht. Und wenn, dann geschieht das derzeit nicht, weil man die Platte plötzlich als Öko Wunder entdeckt sondern, weil wie in Berlin der Wohnraum schneller knapp wird als ursprünglich geplant und es naheliegt zu sanieren statt abzureissen und neuzubauen.

  • Die Freie Presse berichtet heute ebenfalls über den Stand der juristischen Auseinandersetzungen zum Kulturpalast. Dort wird geschrieben, dass die Anwältin des Eigentümers zur geforderten Summe für einen Verkauf an die Stadt sagt, dass diese "nicht sehr viel höher" sei als der Einkaufspreis, den die Firma 2008 bezahlt habe, und dass dieser bei 260.000 Euro lag. Gleichzeitig wird die Ablehnung des Kaufangebotes durch die Stadt vermeldet, da diese keine Verwendung für den Kulturpalast habe, womit die derzeit ruhende Klage gegen das Abrissverbot wieder in den Fokus des Eigentümers rücke.

  • Über eher wenig bekannte Folgen des Wohnungsleerstandes berichtet die Freie Presse vom 8.5.2012. Demnach werden Mietshäuser auf dem Sonnenberg, in denen ein hoher Wohnungsleerstand herrscht, zunehmend von Einbrechern heimgesucht. Vor allem Buntmetalldiebe würden die Häuser heimsuchen, in manche Häuser sei schon mehr als zehn Mal eingebrochen worden.


    Betroffen wären dabei vor allem Häuser, die Privateigentümern gehören. Diese würden über das gresamte Bundesgebiet verstreut leben und hätten nur wenig Interesse an der Instandhaltung und Sicherung ihrer Gebäude.


    Hier ist der Link:
    http://www.freiepresse.de/LOKA…stellt-artikel7981622.php

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