Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei

  • Mit Bewunderung und auch ein bisschen Neid sehe ich auf Frankfurt und seine Bestrebung die Altstadt zu rekonstruieren, bzw. behutsam weiterzuentwickeln. Man sieht, dass sich die Bürger für ihre Stadt interessieren und erkannt haben, dass die Moderne die Wunden der Zeit nicht heilen konnte. Was nun passiert ist das Ergebnis eines beispiellosen Versagens "zukunftsweisender Architektur" und die Rückbesinnung auf die Wurzeln der europäischen Stadt. Diese Erkenntnisse würde ich mir auch für Stuttgart wünschen, welches im Irrglauben seiner Fortschrittlichkeit immer noch bereit ist, den in der Nachkriegszeit angerichteten Schaden zu belassen oder weiter zu verschlimmern. Von Frankfurt kann man lernen.

  • Einerseits möchte man einigermassen bezahlbaren Wohnraum und andererseits ausgefallene Architektur... Für mich ist es keine langweilige Architektur, sondern ein solides Projekt, in dem ich sehr gerne wohnen würde.


    Für mich ist die Architektur einfalllos und langweilig. Sprunghafte Verbesserung könnte man bereits durch verschiedene Putzfarben erzielen, was im Vergleich zum Entwurf nichts kostet.


    Wozu braucht man 225 Stellplätze für 140 Wohnungen? Im Viertel wird U-Bahn gebaut.

  • n_Prt: Der U-Bahn-Bau im Europaviertel wird frühestens im nächsten Jahr beginnen. Bei typischen Bauzeiten in Frankfurt wird also etwa 2017 dort eine U-Bahn fahren. Bis dahin ist das Europaviertel ÖPNV-mäßig Ende der Welt.


    Außerdem ist ein gutes ÖPNV-Angebot kein Grund, kein Auto besitzen zu wollen - wenn das dann wenig gefahren wird ist eine Garage um so wichtiger.


    Dazu kommt, dass sich in dem beschriebenen Block ein Supermarkt liegt, der neben der zu Fuß kommenden Kundschaft auch Autofahrer bedient, die ca. 50 Kundenparkplätze brauchen.


    Bietet ein Supermarkt in der Nähe diese Kundenparkplätze nicht an, zeigt die Erfahrung, dass die Kunden tendenziell eher einen weiter entfernten Laden aufsuchen, den sie mit dem Auto anfahren können, als dass sie größere Einkäufe und Getränke mit Rentnershopper oder Sackkarre zu Fuß nach Hause bringen.


    Wenn dann noch weitere Besucherparkplätze im öffentlichen Teil der Tiefgarage vorhanden sind, werden auch die Kunden der sich im Viertel hoffentlich ansiedelnden Ärzte, Anwälte und anderer kleinerer Betriebe dort unterkommen.


    Oberflächenparkplätze in einem neuen Stadtviertel sollten die absolute Ausnahme darstellen. Hier ist das ehemalige Schlachthofgelände ein Beispiel dafür, wie es nicht gehen sollte: Es liegt nah genug an Alt-Sachsenhausen, dass es systematisch zugestellt wird - in der öffentlichen Tiefgarage ist jedoch immer Platz.

  • Xalinai: Das hat weniger mit Kundenfreundlichkeit zu tun, das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben...


    Wozu braucht man 225 Stellplätze für 140 Wohnungen? Im Viertel wird U-Bahn gebaut.


    In Frankfurt gibt es eine "Satzung über die Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge und Garagen sowie von Abstellplätzen für Fahrräder", kurz Stellplatzsatzung. Dort ist geregelt wieviele Stellplätze für welche Nutzung eines Gebäudes erforderlich sind. Pro Wohnung wird ein Stellplatz gefordert, pro 30 qm Verkaufsfläche ein weiterer. Der Überschuss beträgt 85 Stellplätze, also ist von rund 2.500 qm Verkaufsfläche auszugehen.


    Es gibt die Möglichkeit sich dieser Pflicht zu entziehen, dann muss pro nicht vorhandenen Stellplatz eine Gebühr an die Stadt gezahlt werden, die sogenannte Stellplatzablöse. Dies dürfte insbesondere bei Bürogebäuden / Hochhäusern der Fall sein, weil man sonst theoretisch eine fast genauso tiefe Tiefgarage bauen müsste wie das Gebäude hoch ist. Die Einnahmen aus der Stellplatzablöse werden von der Stadt zur Finanzierung des ÖPNVs genutzt.


    Meiner Meinung nach ist diese Regelung überarbeitungsbedürftig. So werden Unternehmen, die an ihren Bürostandorten Maßnahmen zur Förderung des ÖPNV oder Radverkehrs ergreifen (z.B. RMV-Jobtickets, Fahrradabstellplätze+Duschen, etc...) oder ihren Mitarbeitern Wohnungen in fußläufiger Entfernung anbieten können, durch die Stellplatzablöse bestraft. Es müsste aber eigentlich eine Belohnung in welcher Form auch immer stattfinden.

  • Durch die Novellierung der hessischen Bauordnung zum 3. Dezember 2010 ist die Grundlage für die Stellplatzordnung weggefallen. Somit wird es in Zukunft auch keine Stellplatzablöse mehr geben.


    Für die Stadt Frankfurt bedeutet dies nun einen neunen Finanztopf für den Ausbau des ÖPNV zu finden, da aus dem Topf etliche Projekte finanziert worden sind. (Ausbau Angebot, Zuschüsse für Umbau von Haltestellen etc.)

  • Torben: Wenn ohne Ablöse nach der Stellplatzsatzung vorgegangen worden wäre, hätten die 85 Parkplätze nur für 1275m² Verkaufsfläche gereicht, da nicht Ziffer 3.1 sondern 3.2 (1 Stellpatz pro 15m²) zu beachten gewesen wäre.


    Da Rewe keine Neueröffnungen unter 1200m² mehr machen will, ist der Rest absehbar. Und ich glaube auch nicht, dass nach der Stellplatzsatzung im Wohnungsbereich heute mehr als Mangelverwaltung erreicht würde.


    Die Notwendigkeit von ausreichend Stellplätzen für den Geschäftsbetrieb ist mit dem Wegfall der Verordnung wieder der hauptsächliche Antrieb geworden.

  • Meiner Meinung nach ist diese Regelung überarbeitungsbedürftig.


    Eine verbreitete Meinung, viele Gegenargumente wurden im Artikel Stellplatzverordnung zusammengefasst. Besonders brisant ist, dass das Gesetz auf die Reichsgaragenordnung Hitlers aus dem Jahr 1939 zurückgeht. Heute ist diese Verordnung genauso absurd und überholt wie die meisten anderen Gesetze Hitlers.


    Durch die Novellierung der hessischen Bauordnung zum 3. Dezember 2010 ist die Grundlage für die Stellplatzordnung weggefallen. Somit wird es in Zukunft auch keine Stellplatzablöse mehr geben. Für die Stadt Frankfurt bedeutet dies nun einen neuen Finanztopf für den Ausbau des ÖPNV zu finden


    Ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Ich denke, dass die Verordnung die notwendige Stadtverdichtung verhinderte, weil dadurch öfter teure Tiefgaragen notwendig wären. Ohne sie können mehr Büros und Wohnungen am ÖPNV-Netz gebaut werden, was unter dem Strich dem ÖPNV zusätzliche Kunden bringt.


    Außerdem ist ein gutes ÖPNV-Angebot kein Grund, kein Auto besitzen zu wollen - wenn das dann wenig gefahren wird ist eine Garage um so wichtiger.


    Doch, in Berlin besitzt die Hälfte der Haushalte kein Auto. In Frankfurt sind es weniger, aber solche gibt es auch.


    http://www.atmosphere.mpg.de/e…it_und_ohne_Auto_7gm.html


    Der REWE-Markt wird bestimmt die Bewohner umliegender Häuser bedienen, die 200-300m zu Fuß zurücklegen können.


    Gestaltung wie diese verhindert mehr Dichte auch, die Häuser werden als Wohnkasernen empfunden. Sie ist noch übler als die selten gelungenen Neubauten im Ruhrgebiet. Würde man die Balkone oder andere Teile von jedem der vier Häuser in einer anderen Farbe verputzen, könnte man individuellere Adressen schaffen. In einer Siedlung südlich des Mains gelang es, obwohl die Baukosten bestimmt nicht merklich gestiegen sind.

    Einmal editiert, zuletzt von n_Prt ()

  • Wenn man bedenkt, dass in Berlin 21% der Bürger unter 65 Hartz IV beziehen und dies den Maximalwert unter den dt Großstädten darstellt, dann ist diese Stadt für einen derartigen Vergleich eine schlechte Messlatte. Gottseidank ist das Wohlstandsniveau in Frankfurt deutlich höher und mithin auch die Möglichkeit der Haushalte sich ein Auto zu leisten.

  • n_Prt: Niemand behauptet, dass die Kunden keine 300m laufen können. Aber sie wollen es nicht. Und wenn der Kunde erst einmal im Auto sitzt, dann wird, ohne Parkmöglichkeit, daraus statt 300m hin und zurück eben 3 km zu dem Laden mit Parkplatz gefahren.


    Dazu kommt: Kunden mit Auto bringen mehr Umsatz pro Einkauf.


    Das Sterben der kleinen Läden in den 70er/80er-Jahren hatte genau diese Ursache und erst die neueste Generation von Neubauten kompensiert sowohl die fehlende Verkaufs-Fläche als auch die fehlende Parkfläche bei den Nahversorgern im Wohngebiet.


    Anders gesagt: Ohne das Einzugsgebiet, das ein Laden mit Parkplatz zusätzlich erschließt (in Stadtlagen typisch 1,5 km Radius statt max. 500m, neunfache Fläche) ist er vermutlich nicht wirtschaftlich zu betreiben, also bekämen die Fußgänger alleine keinen Laden. Man kann auch nicht neun Läden mit jeweils 150m² aufmachen - die hätten jeder Einzelne kein vernünftiges Angebot und horrende Kosten, da viel mehr Personal und Verkehrsfläche im Laden benötigt würde. (Hurra, Arbeitsplätze!! - Aber wer will schon für den Standard-Industriejoghurt 1,20€ zahlen)


    Die verringerung der Bebauungsdichte durch die Schaffung von Stellplätzen ist im Übrigen nur dann richtig, wenn man wie anno Schnee die Stellplätze oberirdisch rund um die und zwischen den Häusern anlegt. Wenn die Parkplätze für die Bewohner in Tiefgaragen untergebracht werden, kann man die Fahrzeuge von 5-6 Wohn-Etagen problemlos unter der bebauten Fläche abstellen. Nur bei sehr kleinen Wohnungen oder höherer Bebauung muss mit mehreren TG-Etagen oder TG unter Grünanlagen gearbeitet werden.
    Siehe dazu auch das von Dir bereits zitierte Schlachthofviertel: Sämtliche Wohnblocks sind mit Tiefgaragen versehen (2 Etagen).

  • Wie zu bauen sei

    Ein interessantes Gespräch mit Architekt Christoph Mäckler findet sich heute in der Frankfurter Rundschau.


    Prof. Mäckler vertritt die Ansicht, dass sich das Reihenhaus und damit Neubausiedlungen wie am Riedberg überlebt haben. Diese Art zu bauen sei nicht ökologisch, verbrauche zu viel Fläche und sei für die Stadt zu teuer. Statt dessen empfiehlt er städtische Blockbebauungen, mit vier- bis fünfgeschossigen Häusern und begrünten Höfen. Hier waren allerdings seine Kollegen schon vor ungefähr 90 Jahren der Auffassung, dass sich wiederum diese besonders in der Gründerzeit verbreitete Bauweise überlebt habe. Die Folgen sind bekannt.

  • So sehr ich Herrn Mäckler schätze, aber das ist doch Unsinn. Es ist nun mal bekannte Tatsache, dass der Deutsche am liebsten sein eigenes Häuschen haben möchte. Darauf spart so mancher sein ganzes Leben lang. Man sieht es ja auch gerade am Beispiel Riedberg. Kaum gebaut und schon verkauft. Warum will man den Leuten immer das wegnehmen, was sie am liebsten haben. Immer mit dem Argument der Ökologie und dem lieben Geld, weil`s politisch so schön korrekt ist (gibt`s noch zahllose andere Beispiele dafür).


    Offenbar gibt es immer weniger Menschen denen bewußt ist, dass alles was im Leben Spaß macht und schön ist auch gleichzeitig teuer und meistens sogar unsinnig ist. Aber es macht das Leben lebenswert. Also lasst den Menschen ihre Häuser und gut isses.

  • Da lehnt sich der Gude aber ganz schön aus dem Fenster raus, wenn man bedenkt wo er selbst wohnt, und zwar in Kronberg im Taunus in der Sommerresidenz einer Frankfurter Industriellenfamilie aus dem 19. Jahrhundert (Quelle)... ob das besser ist als ein Reihenhaus??? :cool:

  • Auf dem Niveau sollte man nicht argumentieren bzw. sich begeben. Wenn man mal überprüft, wie Architekten wohnen, so wird man schnell feststellen, dass ganz viele, sagen wir mal „Stars der Szene“, die die klaren Formen, Funktionalismus und ähnliches Blabla propagieren, und gegen Ornament, Hexenhäuschen und Hessenpark wettern, ausgerechnet in irgendwelchen Villen des Historismus zu Hause sind.

  • Außerdem ist die Entfernung kein Problem, wenn man sich den V8 eines modenesischen Herstellers zu Nutze machen kann. So ein dreizackiger Quattroporte ist nun mal schneller und damit ökonomischer als der subaruvistafarbene Vieltürer mit dem sich Herr Meiermüllerschulze vom Riedberg ins Büro fahren lässt.

  • dass ganz viele, sagen wir mal „Stars der Szene“, die die klaren Formen, Funktionalismus und ähnliches Blabla propagieren, und gegen Ornament, Hexenhäuschen und Hessenpark wettern, ausgerechnet in irgendwelchen Villen des Historismus zu Hause sind.



    Also DA würde mich ja mal so eine Handvoll Beispiele interessieren. (Abgesehen davon, dass das argumentatorisch überhaupt nichts miteinander zu tun hat, es gibt schliesslich die verschiedensten Gründe bei jedem von uns für die persönliche Wohnsituation)


    Im Übrigen finde ich die Kritik an der vermeintlichen Diskrepanz zwischen Städtebaulichen Zielsetzungen und eigener Wohnsituation verfehlt. Mäckler spricht doch hier niemandem das Recht ab, nach dem Reihenhäuschen zu streben, oder im Taunus zu wohnen. Dort gibt auch genügend Angebot, um derartige Nachfrage zu befriedigen.

    Hier geht es aber darum, wie Städtebau in Frankfurt, also dem Nukleus des RheinMainGebietes aussehen sollte. Das ist schon ein Unterschied!

    1. Schaut man sich mal das RheinMaingebiet insgesamt an, dann muss man doch festellen, dass im Vergleich zu manch anderen Großstädten +Umland das Verhältnis zwischen urbanem Kern und suburbanem Gürtel sowieso schon stark zugunsten von Letzerem ausfällt.

    2. Stelle ich mal die Behauptung, das Reihenhaus sei halt von "den Menschen" gewollt in Frage! Es findet eben nicht umsonst gerade ein gewaltiger "Backlash" in Richtung Stadt statt. Das bedeutet, dass die urbanen Qualtäten der Stadt eben gerade als Gegenmodell zum Reihenhaus wieder mehr geschätzt werden. Und das Makeup dieser "Stadt" besteht durchaus aus den von Mäckler beschriebenen Zutaten. Es ist ja nicht umsonst so, dass auf Vierteln wie Nordend, Ostend, usw. .also den Vierteln, die aus Geschosswohnungsbau im Blockrand bei Durchmischung der Nutzung und Sozialstruktur derzeit der grösste Druck liegt!

    Wenn Mäckler sagt, dass diese Nachfrage eine klare Aufforderung darstellt, innerhalb der Stadtgrenzen mit entsprechendem Angebot darauf zu reagieren, dann hat er natürlich völlig recht.

  • Dass die Leute, wenn man sie fragt, in der Mehrzahl das freistehende Einfamilienhaus im Grünen haben wollen ist eine Sache.


    Dass im städtischen Umfeld eine Blockbebauung - man kann ja aus der zu dichten Bebauung und den zugestellten Hinterhöfen lernen - das sinnvollste ist, ist eine andere.


    Das Reihenhäuschen ist ein Kompromiss und zwar kein guter, da es tatsächlich sehr viel Grundfläche pro Wohneinheit vebraucht, und dadurch auch die Bewohnerdichte der Stadtteile reduziert, so dass die Erschließung durch hochwertigen Nahverkehr ineffizient wird. Dabei ist die Illusion der Freiheit des Hausbesitzers meist nur von kurzer Dauer, wenn sich herausstellt, dass die als Wohneigentumsanlage mit Teilungserklärung gebaute Reihenhaussiedlung die einzelnen Eigentümer genauso so eng bindet, wie die Teileigentümer des Appartmentblocks.


    Der Frankfurter Speckgürtel wird sich in den kommenden Jahrzehnten noch ganz heftig wundern, wenn steigende Energiekosten sowohl den individuellen, aber auch den öffentlichen Transport deutlich verteuern, so dass die "splendid Isolation", aus der man heute bequem, jederzeit und preiswert in die nahegelegene Großstadt fahren konnte, (wieder) zur wirklichen Isolation auf dem Kaff wird.


    Das wird auch die extrem ausgewalzten Flächenstädte wie München treffen, in denen die Bewohnerdichte nur an wenigen Stellen das Niveau typischer Frankfurter Stadtgebierte wie Nordend, Bockenheim oder Bornheim erreicht.

  • Kann ich nur voll zustimmen: Städebauliche Dichte ist nicht nur in der individuellen Abwägung als Lebensumfeld ein konkurrenzfähiges Konzept, sondern sollte auch gesellschaftlich als die bessere Alternative zum Sprawl gewollt sein.

    Ich halte übrigens auch die immer wieder gehörte Aussage, in Frankfurt sei die Bebauung von noch vorhandenen Freiflächen, oder Grünflächen zu verhindern, weil ein überholtes Paradigma, für unsinnig.

    Natürlich muss es innerhalb einer Stadt entsprechende Grünflächen, Parks geben. Aber die Welt hört nicht an den Frankfurter Stadtgrenzen auf. Und wenn Frankfurt bis an seine Stadtgrenzen "zugebaut" ist, dann ist das allemal besser, als die dreifach zersiedelte Fläche im Speckgürtel.

    Xalinai, deine Bemerkung in Bezug auf München wundert mich allerdings etwas. München weist eine für deutsche Verhältnisse ausgesprochen hohe Einwohnerdichte auf.

  • Also DA würde mich ja mal so eine Handvoll Beispiele interessieren. (Abgesehen davon, dass das argumentatorisch überhaupt nichts miteinander zu tun hat, es gibt schliesslich die verschiedensten Gründe bei jedem von uns für die persönliche Wohnsituation)


    Eventuell hätte ich „Büro haben in“ und „Wohnen“ schreiben sollen, da letzteres natürlich weit schwieriger herauszubekommen ist, aber du kannst ja mal gucken, wo Namen wie Coop Himmelb(l)au, Daniel Libeskind oder Zaha Hadid ihre Büros v. a. in Europa verteilt haben. Über die Jahre habe ich von Deutschland auch eine größere Bildsammlung zusammengetragen, aber wie gesagt, auf dem Niveau will ich eigentlich nicht anfangen. Ich verstand meinen Beitrag eigentlich auch als Statement dagegen, hier Zusammenhänge zu suchen. Ich wohne übrigens auch in 'ner Platte. Plump aus finanziellen Gründen.


    Ansonsten gilt mein voller Respekt Mäckler, weil er hier offen den Ideen der Charta von Athen abschwört, die trotz ihres offensichtlichen Scheiterns bis heute lebendig ist und ja im Grunde auch solche Neubauprojekte wie das Europaviertel oder am Riedberg in ihrer Disposition im wesentlichen bestimmt. Die Hybris dessen kann man aktuell im Europaviertel sehen, wo die daraus abgeleitete freie, eben nicht im Blockrand organisierte Bebauung sich rückwärtig teilweise ähnlich nahe auf die Pelle rückt wie in irgendeinem zugebauten Hinterhof in Berlin.


    Leider mangelt es aufgrund der Verdammung und Tabuisierung des gründerzeitlichen Städtebaus vor allem in der Nachkriegszeit wohl nicht zuletzt aus ideologischen Gründen (noch) am Mut einer praktischen Umsetzung. Das einzige Beispiel dieser Art dürften die wohlbekannten Townhouses am Friedrichswerder in Berlin darstellen, wobei das natürlich mit geschlossener Blockrandbebauung auch eher wenig zu tun hat.


    Im Übrigen kannte auch die Gründerzeit schon den halboffenen Blockrand als luxuriöses Mittelmaß zwischer geschlossenem Blockrand und offener Villenbebauung.

  • Beim Europaviertel steckt doch keine Ideologie dahinter, RMA. Es wird schlicht nach den Anforderungen der potentiellen Käufer gebaut. Ist das verwerflich? Für die Akteure jedenfalls wäre es verheerend, wenn sie dies nicht tun würden. Denn deren Marge ist geringer als annimmst, da macht ein Nachgeben im Preis nicht selten aus einer möglichen schwarzen Zahl eine rote.


    Nachfrage besteht nach hoch gelegenen Wohnungen mit Ausblick - aber bitte keine Dachschrägen. Daher oft Staffelgeschosse bzw. Penthouses und fast immer Flachdächer. Nachfrage besteht nach Gartenanteilen - aber bitte nicht so, dass jeder ungehindert durch die offen stehende Terrassentür in die Wohnung gelangen kann. Also wird gemauert was das Zeug hält. Und natürlich sollen es kleine Einheiten sein, am besten freistehend, mit Fenstern und Balkons nach möglichst allen Seiten. Daher Solitäre. Im Europaviertel orientieren sich diese aber eben doch oft am Blockrand, wie das aktuelle Beispiel "Central & Park" aus dem westlichen Teil zeigt. Ist nicht das das "luxuriöse Mittelmaß"?

  • Ich habe nicht geschrieben, dass es verwerflich ist. Aber hätte man im Europaviertel mit geschlossener Blockrandbebauung nicht eine viel größere Ausbeute erzielen können, was die BGFs angeht? Dieses „Kistengestelle“, um einzelne Baukörper bei größter Nähe verzweifelt irgendwie ansatzweise einer (wohl vor allem bezüglich der Ausleuchtung) Gleichberechtigung zuzuführen wirkt auf mich irgendwie unbeholfen. Illusionen habe ich übrigens keine, dass man vor 150 Jahren, als man die Gründerzeitviertel aus dem Boden stampfte, auch nicht mit Gedankengut der Wohlfahrt, sondern bereits knallharten kapitalistischen Interessen jonglierte. Freilich auf einem handwerklichen Niveau, das man heute mit dem Rastertunnelmikroskop suchen kann, aber das ist eine andere Geschichte.


    Und deine Kritik an den Ansprüchen ist natürlich berechtigt. Aber ein bisschen sollte Bauen auch erzieherisch wirken. Denn wer im Altbau in Bornheim, Nordend oder Sachsenhausen wohnt, muss ja auch damit leben, sich einen Hinterhof mit Grünflächen oder etwaige rückwärtige Balkons mit den Nachbarn teilen zu müssen. Nur weil die „Architektursprache“ der heutigen Zeit ohne Rücksicht auf irgendwelche ästhetischen „Hindernisse“ den von dir beschriebenen Egoismen Genüge tun kann, heißt ja nicht, dass es nicht auch anders ginge bzw. solche Wohnungen unverkäuflich wären. Im Umkehrschluss müssten dann ja gerade die Gründerzeitviertel mit ihren fiesen Dachschrägen und offenen Vor- oder Hinterhöfen leer stehen.


    Das von dir gezeigte Beispiel Central & Park erinnert in der Konfiguration in der Tat an eine offene Villenbebauung der Gründerzeit. Allerdings wissen wir beide auch, dass hier der Übergang zu Punktwohnhochhäusern im Grün fließend sein kann. Meine Kritik am Europaviertel richtete sich auch eher an das, was man dort im Osten sehen kann (da hatte ich aber auch schonmal was zu geschrieben).

    Einmal editiert, zuletzt von RMA ()