Ruhrstadtgeflüster

  • Nick

    Was heißt denn belegbar? In einer Diskussion muss es doch auch möglich sein, eigene Erfahrungen mitzuteilen, ohne das man sie anhand von Audio-Files beweisen kann, oder? Wir sind doch hier nicht vor Gericht!


    Schade, dass du das Ruhrgebiet nicht magst. Zumal du - ob du willst oder nicht - ein Bewohner dieser Gegend bist. Und dabei ist es völlig egal, ob Dortmund FÜR DICH im Ruhrgebiet liegt oder nicht.
    POlitisch, rechtlich und historisch ist Dortmund eine wichtige Stütze des Ruhrgebiets. Und das ist auch gut so - würden die allermeisten Dortmunder jetzt wohl sagen.


    Kleiner Tipp: Bielefeld und Münster sind anerkannte Westfalen-Metropolen, die nciht im Ruhrgebiet liegen. Vielleicht eine Alternative für dich? ;)

  • Das Freizeitverhalten der Ruhrstadtbewohner

    Nachdem sich die Diskussion hier immer mehr versteift, folgt nun ein kleiner thematischer Tapetenwechsel. ;)


    Quelle:
    Pressedownloads - Metropole Ruhr

    PM:
    "Im Grünen und am Wasser, mit Wandern und Rad fahren verbringen die Menschen im Ruhrgebiet gerne ihre Freizeit. Zu den beliebtesten Orten in der Metropole Ruhr gehören das Ruhrtal mit dem Baldeneysee in Essen und dem Kemnader Stausee in Bochum/Witten, gefolgt vom Dortmunder Westfalenpark und der Essener Gruga.
    Dies ist ein Ergebnis der Umfrage "Lebenswelten von Frauen und Männern an der Ruhr", die der Regionalverband Ruhr (RVR) für eine gleichnamige Publikation in Auftrag gegeben hat.
    42 Prozent der Befragten sagen, dass Naturorte wie Parks, Stauseen und Wälder zu ihren Lieblingsorten in der Metropole Ruhr gehören. 23 Prozent sind lieber in der Stadt unterwegs. Weitere beliebte Orte sind die Einkaufszentren (9 Prozent), die großen Stadien (5 Prozent) und Kulturstätten wie Theater, Museen, Konzerthäuser (4 Prozent).
    Wesentliche Faktoren für ein positives Bild der Region sind nach Ansicht der Befragten: die gute Verkehrsanbindung (74 Prozent), die Industriekultur (67 Prozent), das vielfältige Freizeitangebot (63 Prozent) und die Naherholungsqualität (62 Prozent). Dies führt u.a. zu einer generell hohen Zufriedenheit der Menschen mit ihrem täglichen Umfeld.
    HINWEIS AN DIE REDAKTIONEN: Die ausführliche Pressemitteilung finden Sie unter www.rvr-online.de/presse/aktuelles/presseinfo.php?p=7,0,0. Weitere Ergebnisse der Studie können unter http://www.rvr-online.de/presse/aktuelles/galerie.php?p=7,0,2 heruntergeladen werden."


    Quelle: Presseverteiler Regionalverband Ruhrgebiet
    siehe hierzu auch: Sensationelle Studie: Auch Ruhris mögen die Natur » ruhrbarone [ein bissiger Kommentar zur Studie bei den Ruhrbaronen]

  • Muss mich einmal selber zitieren:


    Übrigens bleibe ich dabei: Das Ruhrgebiet ist nur Ballast für Dortmund. Es ist leider so wie es ist: Alles was westlich von Dortmund kommt ist hässlich und trostlos. Den einzigen Vorwurf den ich Dortmund mache, ist die erschreckend schlechte Öffentlichkeitsarbeit. Aber da hoffe ich auf Besserung in den nächsten Jahren. Das Ruhrgebiet ist eine Amsammlung von Looserstädten mit denen kein Blumentopf zu holen ist. Auf so eine Hilfe kann die einzig viel versprechende Stadt im Pott sehr gut verzichten.


    Die Aussagen stimmen natürlich so nicht! Tut mir leid, habe mich, wie Turmbauer schon angemerkt hat, aus der Reserve locken lassen.

  • Sorry aber das ist einfach nicht richtig so, Mühlheim, der Duisburger und der Essener Süden sind deutlich reicher und ansehnlicher als Dortmund. Strukturell liegt das Problem in der Schiene rund um die A42. Dortmund hat zudem das Glück ein wenig Abseits, des Rests vom Ruhrgebiets zu liegen und kann somit als Hauptzentrum für Westfalen agieren. Während der Niederrhein von Düsseldorf, Duisburg und teilweise Essen bedient wird.

  • #300


    nikolas, irgendwie führt der RVR-Link nicht zur gewünschten Seite. Habe mir erlaubt, diesen [url=http://www.rvr-online.de/presse/aktuelles/presseinfo.php?p=7,0,0]hier[/url] noch mal einzustellen. ;)


    Zu Einzelheiten der Befragung geht es hier...


    Quelle: rvr-online

    2 Mal editiert, zuletzt von Turmbauer ()

  • Bürgermeister fürs Ruhrgebiet


    Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski fordert
    eine städteübergreifende politische Führung für das ganze Revier.
    Zur demokratischen Legitimation könne außerdem
    ein direkt gewähltes „Ruhr-Parlament” eingerichtet werden.


    Das direkt gewählte Ruhr-Parlament müsse durch eine „zweite Kammer” ergänzt werden,
    in die Bürgermeister und Landräte entsandt werden.
    Ein Veto-Recht könne zudem verhindern, dass die großen Städte die Dinge allein unter sich ausmachen.


    Die Koordination für regionale Bereiche wie beispielsweise Verkehrsinfrastruktur, Nahverkehr, Kultur, Exzellenz-Initiativen
    und Flächenentwicklung könne beim Regionalverband Ruhr (RVR) angesiedelt werden.
    Dazu müsse er jedoch reformiert werden


    Die Städte sollen aber nicht aufgelöst werden, da Menschen ein hohes Identitätsbedürfnis mit ihrer eigenen Stadt haben.


    Viel mehr geht es darum, gemeinsam Dinge zu organisieren, die von großer Bedeutung für die ganze Region sind.


    Quelle: WAZ

  • Kooperation im Ruhrgebiet: RVR begrüßt Position Baraboskis

    PM: Mehr Kooperation der Kommunen bei Verkehr, Kultur oder Flächenentwicklung, ein Regionalverband Ruhr mit direkt gewähltem Ruhr-Parlament und einem Revier-OB an der Spitze – Forderungen von Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski, die der stellvertretende Regionaldirektor des Regionalverbandes Ruhr (RVR), Dr. Thomas Rommelspacher, ausdrücklich begrüßt.
    "Meine Zeitungslektüre heute morgen begann mit einer erfreulichen Überraschung", so Rommelspacher. "Mit der Erklärung des Gelsenkirchener Oberbürgermeisters haben wir jetzt eine ganz große Koalition für einen starken Ballungsraum Ruhr. Nach den vielen erfolgreichen regionalen Einzelinitiativen war es an der Zeit, über eine verlässliche Klammer nachzudenken. Oberbürgermeister Baranowski hat das getan, und der RVR wird ihn dabei unterstützen."


    Quelle: Presseverteiler RVR


    Es wird debattiert:
    Grüne greifen Baranowski wegen Ruhstadt an - ruhrbarone
    Baranowski will Revier-Oberbürgermeister - ruhrbarone
    Konkurrenz für SPD-Chefin Kraft | RP ONLINE
    Baranowskis Revier-Regent wird heftig diskutiert - DerWesten

  • Bevölkerungszahlen für 2008

    NRW und vorallem das Ruhrgebiet verlieren immer mehr Einwohner.
    Hier ein paar Daten zu den vier größten Städten des Ruhrgebiets. Stand. 31.12.2008


    Duisburg: 2007-496 665 Einwohner / 2008-494 048 Einwohner


    Essen: 2007-582 140 Einwohner / 2008-579 759 Einwohner


    Bochum: 2007-381 542 Einwohner / 2008-378 596 Einwohner


    Dortmund: 2007-586 909 Einwohner / 2008-584 412 Einwohner


    Mit 995 420 Einwohnern ist Köln die größte Stadt in NRW , die nur knapp unterhalb der Millionengrenze liegt,
    gefolgt von Dortmund (584.412), Düsseldorf (584.217) und Essen (579.759).
    Die Einzigen Großstädte, die an Einwohnern zulegen sind Düsseldorf un Münster.
    Sehr wahrscheinlich wird 2009 Düsseldorf die zweitgrößte Stadt in NRW sein, gefolgt von Dortmund und Essen.


    Quellen: Ruhrnachrichten / ITNRW

  • Stimmt...Bonn gewinnt auch Einwohner dazu.
    Wenn sich nichts an der Entwicklung verändert, wird Bonn wahrscheinlich
    in 50 Jahren sogar Bochum überholen.

  • Der Streit um die längere Einwohnerliste

    Da es langsam zu allgemein wird, werde ich darauf hier antworten. Das Problem ist nicht nur in Dortmund akut, sondern auch in Bochum wie auch in jeder anderen Stadt des Ruhrgebiets: Die ausufernde flächenintensive Siedlungsstruktur, die am ehesten an Los Angeles erinnert. Sie generiert die gleichen Verkehrsprobleme, die vor ein paar Wochen in der WAZ in diesem und in diesem Artikel thematisiert wurden. Wie sollte man in höchstens 10 Minuten eine Haltestelle erreichen können, die alle 10 Minuten befahren ist, wenn dichter ÖV dichte Baustrukturen braucht?


    Immer wieder heißt es, die Träume nach Häuschen und Garagen, möglichst in der Natur, die möglichst billig mit inflationär ausgewiesenen EFH-Siedlungen zu befriedigen gilt, damit die Leute bloß nicht in die Nachbargemeinde ziehen, die Gleiches tut. (Eufemistisch gesagt: "Offensive Baulandpolitik"; Fachbezeichnung: Zersiedelung.) So wie auch hier im Forum öfters zu hurralokalpatriotischen Streitigkeiten kommt (die der Vision einer Ruhrstadt geradezu widersprechen), so agiert auch die Kommunalpolitik - sich gegenseitig den Boden unter den Füßen weggraben im Streit, wer die längere Einwohnerliste hat. Auch wenn die Fachwelt längst überzeugt ist, dass solche Praxis selbst für die so agierende Gemeinde langfristig ein Verlustgeschäft ist, die Vernunft kann leider nicht einkehren.

  • Ja die ganzen Prognosen zur wachsenden Einwohnerzahl Bonns stehen.


    Bei Wiki ist aber auch der Punkt mit den wenigen freien Flächen verzeichnet, und die wenigen werden hier zu gern für Bürokomplexe reserviert.


    Bonn ist allein durch Siebengebirge, Rhein und auf der anderen Seite den Kottenforst geografisch ziemlich begrenzt in seinen Möglichkeiten.


    Im letzten Jahr stieg auch die Einwohnerzahl Bonns um gerade mal 100 Leutchen.



    Und nun zu den Zukunftspotentialen der Ruhrstädte => http://www.hwwi.org/fileadmin/…2008-05-30_PI_Staedte.pdf


    Da belegt Dortmund immerhin den Top-Ten Platz und schneidet gerade im Demografieindex hervorragend ab!
    Bei Bochum und Gelsenkirchen gibt die Studie jedenfalls den eher emotionalen Aussagen von Nick Recht ;)


    Aber scheint ja in Dortmund einiges zu entstehen...oder es liegt nur an der regen Aktivität der Mitglieder hier?!?

  • Aber scheint ja in Dortmund einiges zu entstehen...oder es liegt nur an der regen Aktivität der Mitglieder hier?!?



    Es stimmt schon...in Dortmund tut sich viel zur Zeit, doch auch in anderen
    Ruhrgebietsstädten sind viele Projekte im Gange.
    Doch wie du schon richtig vermutet hast gibt es viel weniger Mitglieder aus diesen Städten.
    Es entsteht dann der Eindruck, als ob dort viel weniger los ist.


    In Essen, Duisburg, Bochum aber auch in Gelsenkirchen und Oberhausen gibt es grosse Stadtentwicklungsprojekte über die man diskutieren könnte, doch
    es fehlen Mitglieder mit Fachkenntnissen aus diesen Städten hier im Forum.


    Ich bin z.B schon seit zwei Jahren hier im Forum vorallem im Bochum Thread aktiv und versuche soweit es geht die Bochumer Bauprojekte am leben zu halten.
    Doch das Interesse scheint nicht so gross zu sein, so dass ich oft schon fast
    Selbstgespräche führen muss.


    Also ihr Bochumer...nicht nur lesen, sondern anmelden und aktiv das Forum mitgestalten !!!



    Das gleiche betrift die Stadt Duisburg.
    Es ist so eine grosse Stadt mit vielen tollen Projekten, doch es fehlen einfach
    Mitglieder damit eine Diskussion in Gange kommt.



    Nun aber zurück zum Thema.
    Also in Bochum hat man das Problem jetzt wohl erkannt und versucht mehr Bauland für Wohnbebauung
    zur Verfügung zu stellen oder alten Wohnbestand zu modernisieren.
    Doch dadurch kann man den Trend nicht umkehren, höchstens verlangsamen.
    Um eine Kehrwende herbeizuführen muss sich die Stadt wirtschaftlich weiterentwickeln.
    Vielleicht geliengt das ja mit hilfe des neuen Gsundheitscampus NRW und der Ruhr-Universität.
    Man erhofft sich nämlich, dass sich dadurch Firmen besonders aus dem Gesundheitsbereich ansiedeln werden.

    4 Mal editiert, zuletzt von Kostik ()

  • Cost of Sprawl

    Also in Bochum hat man das Problem jetzt wohl erkannt und versucht mehr Bauland für Wohnbebauung zur Verfügung zur stellen oder alten Wohnbestand zu modernisieren. Doch dadurch kann man den Trend nicht umkehren, höchstens verlangsamen. Um eine Kehrwende herbeizuführen muss sich die Stadt wirtschaftlich weiterentwickeln.


    Siehe dazu etwas weiter darüber wie auch unter anderen in dieser Untersuchung. Wenn die Folgekosten (von den Straßen und der Wasserversorgung über Kindergarten und Schulen bis zu allen anderen) der extensiven Flächenpolitik die zusätzlichen Einnahmen übersteigen (wenn denn jemand überhaupt aus Dortmund oder Gelsenkirchen abgeworben wird und nicht innerhalb der Stadtgrenzen umzieht), welchen realen Sinn hat sie? Keinen. Es geht einzig und alleine darum, mit den Nachbarn um die Einwohnerzahl zu wetteifern. (Die verlinkte Untersuchung nimmt ortstypische Neubaugebiete als Beispiele, was die Statistiken der Großstädte verbessert - was im Ruhrgebiet an EFH-Siedlungen oft neu ausgewiesen wird, wäre eher für kleinere Gemeinden ortstypisch, daher bitte auf die Spalten rechts schauen.)


    Gegen die Aufwertung der innenstädtischen Flächen ist nichts einzuwenden. Wie stark müsste sich jedoch die Wirtschaft des Ruhrgebiets entwickeln, damit die Leute nicht nur bleiben, sondern noch dazu ziehen? Bisher haben sich die vermeintlichen Retter im Strukturwandel wie Opel und Nokia als Problemfälle erwiesen. Ich glaube nicht, dass ich nach 40 Jahren des ewigen Strukturwandels noch sich selbst tragende florierende Landschaften erlebe. An die bestenfalls stagnierende Einwohnerzahlen sollte man sich gewöhnen.

  • Ich habe als ehemaliger Bochumer die Diskussion hier ein wenig verfolgt und möchte auch ein paar Anmerkungen dazu machen...
    Ich glaube, das (Rhein-)Ruhrgebiet ist in der Tat eine Art europäischer Bruder der Region um Los Angeles, allerdings auch mit einigen gravierenden Unterschieden:
    Das Ruhrgebiet ist ein altindustrieller Raum, also eher eine Art "Rust Belt LA";
    Es ist wirklich absolut polyzentrisch, d.h. es gibt tatsächlich kein einziges seiner Teilzentren, welches in Anspruch nehmen könnte, Nukleus eines übergeordneten Zentrums für die ganze Region zu sein;
    Es ist eine schrumpfende Region, wobei die Ursache der Schrumpfung natürlich mit seiner seit Jahrzehnten erodierenden ökonomischen Basis zusammenhängt, wobei trotz aller Erfolge des Strukturwandels im Saldo das Neue das Alte quantitativ nicht aufwiegen kann, mittlerweile sind bereits die ältesten Erfolge des Strukturwandels davon bedroht obsolet zu werden (z.B. Opel in Bochum);
    daher befindet sich das Ruhrgebiet im Moment in einer eigenartigen Übergangsphase, die sich einerseits in einem immer noch vorhandenen Hurrapatriotismus der alten Teilstadtidentitäten festmacht (auf kommunaler Ebene mit gegenseitigem niederkonkurrieren , aber unübersehbar auch hier im Forum), andererseits scheint das Bewußtsein zu wachsen, daß ein Verlassen der alten Identitäten und ein Prozeß der Metropolenwerdung unumgänglich ist, um die Probleme der Zukunft zu meistern...
    Dieser Prozeß ist natürlich dadurch besonders erschwert, gerade weil ein Zentrum, auf das eine Ruhrmetropole ihre Potenz fokussieren könnte fehlt.
    Ich denke, daß auf mittlere bis lange Sicht eine Kommunalreform mit dem Ziel der Bildung einer Metropolregion Ruhr unumgänglich ist, wobei die große Herausforderung darin besteht, die einzelnen Zentren des Ruhrgebiets zu entwickeln (ökonomisch, kulturell, in Richtung Nachhaltigkeit), und dabei dennoch ein Bewußtsein entstehen zu lassen, daß Alle Teil der selben großen, großen Stadt sind, die aber eine Stadt eines sehr eigenwilligen Typs ist, die entsteht aus kleinen Siedlungen, die sich beziehen auf einen Stadtteil, der wiederum Teil eines größeren Stadtteils ist, der ein Teil von DuisburgEssenBochumDortmundetc. ist, die jeweils ihre ganz bestimmte Partitur im Klang der großen Ruhrstadt spielen, weil sie ein großes Geflecht ist, wie ein riesiges Netzwerk mit tausend Knoten, aber einer flachen Hierachie...
    Die große Ruhrstadt als komplexes Netzwerkgeflecht, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile, die aber auch weiter sein dürfen, aber konzertiert, nicht als wilde Konkurrenz...
    Ich denke in diese Richtung muß es gehen.
    Dazu gehört aber auch, den prinzipalen Charakter der großen Ruhrstadt zu erkennen und zu akzeptieren: Sie ist keine europäische Stadt, und sie wird es niemals sein...
    Natürlich müssen Siedlungstätigkeit und Nahverkehr effizienter und nachhaltiger organisiert werden, natürlich müssen die übelsten Auswüchse der Zersiedlung behandelt werden, aber die Ruhrstadt ist ihrem grundsätzlichen Wesen nach nicht wirklich europäisch, sie ist eher ein Stück Amerika mitten in Mittelwesteuropa, entstanden innerhalb weniger Jahrzehnte praktisch aus dem Nichts, getrieben durch brutales Wachstum, das fast alles was da vorher war einebnete, und bevölkert von Menschen, die praktisch ALLE als Migranten kamen, um ihr Glück zu machen...
    Das hört sich für mich wirklich eher wie eine amerikanische denn wie eine europäische Geschichte an...
    Und ich denke, daß kann und muß die Basis für die Entwicklung der Zukunft sein: die Ruhrstadt muß Menschen anziehen, Menschen die herkommen, weil sie dort etwas finden, was sie anderswo nicht finden können...
    Ihr werdet jetzt sagen "Was soll das sein, Jobs ja wohl nicht", und das stimmt, aber die Ruhrstadt hat etwas anderes, was in ParisMadridLondonStockholmMailandKopenhagenetc immer knapper und teurer wird:
    PLATZ!
    Wenn ich mir anschaue, wie in Berlin zur Zeit ein alternatives Projekt nach dem anderen gekegelt wird, weil die Brachen, Nischen, Freiräume immer enger werden, weil der globale Immobilienmarkt jetzt auch hier zuschlägt, und dabei sind sie doch schon alle nach B geflüchtet, weil in den oben genannten Metropolen der Platz noch enger, das Leben und die Mieten noch teurer sind, dann stellt man sich schon die Frage, wo kann man denn noch hingehen?
    Wo gibt es denn noch PLATZ?
    Na?
    Nutzt das Kulturhauptstadtjahr, um so vielen Freaks aus so vielen Ländern wie möglich zu zeigen (die meisten von denen wissen nämlich gar nicht, daß es die Ruhrstadt gibt), daß es da so ein deutsches LA mit viel viel Platz gibt und Menschen, die es gewohnt sind mit Neuankömmlingen umzugehen!
    Die Ruhrstadt hat ganz viel von dem, was solche Pioniere brauchen und schätzen, nur daß sie eben bisher nichts von ihr wissen, und das muß sich ändern!
    Wenn man Herrn Florida glauben darf, kommt dann der Rest ja eh ganz von allein...
    P.S.:
    Es gibt jetzt hier am Rosenthaler Platz (Megatouriviertel, Easyjetset ohne ende) einen Imbiß, der die "Echte" von Dönninghaus quasi als Ruhrpottimportspezialität verkauft...:D

  • Nette Rede fürs Ruhrgebiet, sicherlich mit vielen Wahrheiten. Nur leider von einem Exilbochumer und nicht von einem Berliner o. Ä.. Wenn nicht mal die Leute in Deutschland wissen welche Vorzüge das Ruhrgebiet hat, wie sollen diese dann international Wirkung zeigen.
    Ich denke es ist nicht ganz so einfach wie du sagst. Der Pott ist schon eher eine Mischung aus europäischen Städten und industrieller Zersiedelung wie man sie über all auf der Welt findet. In LA natürlich aber durchaus auch in England.


    Im Kulturhauptstadtjahr ist es in der Tat äußerst wichtig die einfachen Vorzüge wie z.B. die vielen Innerstädtischen Freiflächen oder die gute Infrastruktur zu verkaufen und nicht jedem Besucher irgendwas von neuen Medien und Kreativwirtschaft zu erzählen. Das ist alles nett, bringt aber substanzielle vermutlich eher wenig. Und dann sind da natürlich die Menschen, die, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig zerfleischen oder jammern weil die Situation im Pott so schlecht ist, wirklich sehr sehr offen sind und Fremde ohne große Berührungsprobleme integrieren können.
    Wenn so etwas mal jemand wüsste ...

  • die einzelnen Zentren des Ruhrgebiets zu entwickeln (ökonomisch, kulturell, in Richtung Nachhaltigkeit)


    Die Vermeidung der Zersiedlung gehört nun mal zur Nachhaltigkeit - ich hoffe, dass man hier nicht eine Grundsatzdebatte dazu führen muss? Entschuldigung, aber mir ist ein Rätsel, wie man dann auch noch damit prahlen möchte, man sei ein besonders übel zersiedeltes Gebiet. Die Siedlungsstruktur von LA wird in Europa meistens als abschreckendes Beispiel genannt.


    Auch irgendwo in diesem Forum habe ich schon mal gelesen, dass höhere Immobilienpreise vorwiegend ein Zeichen der Attraktivität einer Metropole sind - niedrig sind sie dort, wo kaum jemand leben möchte. Paris oder Madrid sind sehr dicht bebaut, aber haben trotzdem unzählige schöne Ecken. Eine gesichtslose LEG-Siedlung oder Reihen der Häuser mit frei stehenden Garagen Modell Fertigbaukiste bedrücken mich mehr als enge Gassen spanischer Innenstädte. Es ist kaum ein Spaziergang möglich, bei dem man im Ruhrgebiet nicht am Rande einer mehrspurigen Straße oder Stadtautobahn landen würde.

  • Aleon:
    Das mit dem "amerikanischen" Charakter des Ruhrgebiets war sicher auch ein wenig provokativ formuliert, aber überleg mal: Berlin gab es vor 200 Jahren schon, München auch, Hamburg auch usw....
    Nur das Ruhrgebiet ist als Ballungsraum innerhalb weniger Jahrzehnte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts praktisch aus dem Nichts entstanden, vorher war da nur ein Ackerland mit einigen relativ unbedeutenden Ackerbürgerstädtchen, es ist also historisch betrachtet die mit Abstand jüngste Metropole Deutschlands und vielleicht sogar Europas...
    Und du hast Recht: wenn das mit den Vorteilen der Ruhrstadt mal jemand wüßte...
    Schon Heinrich Böll schrieb 1958 in seinem einführenden Essay zu Chargesheimers legendärem Fotobuch "Im Ruhrgebiet": "Das Ruhrgebiet ist noch nicht entdeckt."
    Das Thema ist also auch leider nicht neu; interessant ist, daß Böll im weiteren Verlauf das damals erst etwa 100 Jahre alte Ruhrgebiet mit seiner Geburtsstadt Köln ein Jahrhundert nach ihrer Gründung vergleicht, und zu dem Schluß kommt, daß auch das von Huren und Soldaten bevölkerte Militärlager Colonia in diesem Stadium noch weit von seiner späteren Größe entfernt war...:D
    Deswegen halte ich es ja auch für nötig, sich zusammenzuschließen und sich auf die globale Landkarte zu setzen;
    wenn irgendwelche Bürokraten was von Kreativwirtschaft erzählen bringt das in meinen Augen nur einen Bruchteil von dem was es bringen würde, wenn auch nur die Hälfte der globalen Kreativboheme, die gerade Berlin belagert wie ein Schwarm Fliegen den Sch...haufen überhaupt wissen würde, was es für Möglichkeiten in der Ruhrstadt gibt und sich stattdessen dort zumindest mal zeitweise niederlassen würde...
    Diese Leute wissen in der Regel selbst dann schon am Besten, was man aus diesem oder jenem Raum machen kann ohne daß ihnen ein altgedienter Kommunalbeamter was von neuen Medien erzählt; aber das Ruhrgebiet würde damit in das Netzwerk einer hochmobilen und hochqualifizierten globalen Klasse von Wissensverarbeitern und -entwicklern eingebunden, welches bislang weitgehend am Ruhrgebiet vorbeiläuft...
    Deswegen ist 2010 ja auch eine Gelegenheit, den Spot mal auf die Ruhrstadt zu richten, und das Beste wäre, wenn man die ganz normalen Leute dort in den Mittelpunkt einer Kampagne stellen würde, denn sie sind die besten Botschafter, und nicht irgendwelche Verwaltungsschnarcher, die ihre Phrasen ablassen...
    Le-Wel:
    Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, was der Inhalt deiner Kritik ist...
    Natürlich müssen die ganzen Sachen, die jetzt schlecht laufen verbessert werden, vor allem die Qualität des Nah-und Regionalverkehrs, aber die grundsätzliche Siedlungsstruktur des Ruhrgebiets ist doch nun mal nicht zu ändern, oder soll man etwa alles abreißen und neu bauen?
    Um überhaupt verdichten zu können, müßte es doch ein effektives Wachstum an Bevölkerung geben, und dazu muß man Menschen anlocken...
    Und da trifft es sich doch gut, daß gerade Leute, die von der neueren Regionalforschung als wichtiger Katalysator wirtschaftlicher Entwicklung angesehen werden zumindest in ihrem Pionierstadium niedrige Lebenshaltungskosten und bezahlbaren PLATZ im weitesten Sinne suchen und benötigen...
    Insofern bedeuten die niedrigen Immobilien- und Lebenshaltungskosten im Ruhrgebiet, die natürlich die Folge seiner wirtschaftlichen Schrumpfung und des daraus resultierenden Überangebots an Platz sind neben der Integrationsfähigkeit seiner Menschen eine seiner wichtigsten Ressourcen für einen Wiederaufstieg...
    Solche Leute gehen nicht nach München oder Stuttgart, weil diese Städte ihnen ökonomisch gar nicht die Luft zum Atmen lassen...
    Und mal sehen, wo Stuttgart in 15 Jahren ist, wenn seine alte Autoindustrie an die Wand gefahren ist und die erwachsen gewordenen Pioniere eines anderen Wirtschaftsmodells ihre Geschäfte woanders machen...

    Einmal editiert, zuletzt von Urbanist ()

  • Das mit dem "amerikanischen" Charakter des Ruhrgebiets war sicher auch ein wenig provokativ formuliert, aber überleg mal: Berlin gab es vor 200 Jahren schon, München auch, Hamburg auch usw....


    Das mag manche überraschen, aber Duisburg, Essen und Dortmund gab es früher als Berlin oder München. Im Mittelalter war Dortmund mit einigen Tsd. Einwohnern eine bedeutende Stadt. Die spätere rasante Entwicklung während der Industrialisierung gab es genauso wie in jeder Großstadt Europas. Interessant übrigens: Liste der größten deutschen Städte.


    ... wenn auch nur die Hälfte der globalen Kreativboheme, die gerade Berlin belagert wie ein Schwarm Fliegen den Sch...haufen überhaupt wissen würde, was es für Möglichkeiten in der Ruhrstadt gibt und sich stattdessen dort zumindest mal zeitweise niederlassen würde...


    Zum Beispiel ich habe mich vor zwei Jahrzehnten niederlassen, was ich jedes Jahr mehr bedauere - trotz der billigen Wohnung. Vielleicht sollte ich irgendwann (wie die im Ruhrgebiet aufgewachsene Cousine) nach Düsseldorf ziehen. Wollen wir jedoch diese Diskussion auf Städtebauliches beschränken.


    Natürlich müssen die ganzen Sachen, die jetzt schlecht laufen verbessert werden, vor allem die Qualität des Nah-und Regionalverkehrs, aber die grundsätzliche Siedlungsstruktur des Ruhrgebiets ist doch nun mal nicht zu ändern, oder soll man etwa alles abreißen und neu bauen?


    Danke für das Zugeben, dass es schlecht läuft - zuletzt wolltest Du diese ganze Misere mit Stolz zeigen. Zuerst sollten die Städte aufhören, ständig neue Einfamilienhaussiedlungen auszuweisen - einige Beiträge oben habe ich eine Untersuchung verlinkt, wie kostspielig (für die kommunale Infrastruktur) solche Bauweise ist. Wenn man Pleite ist, darf man kein Geld rauswerfen. Gleiches gilt für ständig neue Gewerbegebiete auf der Grünen Wiese, wo sich zu oft Firmen niederlassen, die auch innenstädtische Büros beziehen könnten.


    Die Existenz mehreren Zentren wäre nicht grundschlecht, wenn man sich auf diese Zentren konzentrieren würde. Stattdessen wird munter die gesamte Fläche zwischen den Knotenpunkten zersiedelt und große Flächen außerhalb auch noch.

  • Le-Wel:
    Natürlich ist mir bewußt, daß die Zentren entlang des Hellwegs auch schon vor der Industrialisierung existierten, aber das was wir heute als Ruhrgebiet bezeichnen ist meiner Ansicht nach schon eine quantitativ und qualitativ neue Stadtlandschaft, die die alten Städte überformt hat und als metropolitaner Raum mit seiner spezifischen Struktur und Bevölkerung höchstens seit 100-150 Jahren existiert...
    Vor 1850 gab es den Begriff Ruhrgebiet als Bezeichnung für einen Ballungsraum nicht, man sprach höchstens vom Ruhrland, analog zu Landschaftsbezeichnungen wie Sauerland etc.; im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde von der Obrigkeit gerne der Begriff "Rheinisch-Westfälisches Industriegebiet" verwandt, der in seiner Gequältheit zeigt, daß man daß Neue, was dort in Entstehen begriffen war nicht recht einordnen konnte. Sehr schön ist auch der Begriff "Ruhrkohlenbezirk", wie er im Namen des SVR 1920 auftaucht...
    Ich halte es auch für falsch, neue Wohn- und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese auszuweisen (diese "New Park" Sache halte ich auch für unnötig, allein der Name ist unglaublich schwachsinnig), aber daß die Ruhrstadt auch in fernerer Zukunft einen eher dezentralen Charakter mit vergleichsweise geringen Dichten haben wird halte ich für eine Tatsache, die nicht zu ändern ist, und die auch ihre Qualitäten haben kann (nicht im vor- sondern im nachstädtischen Sinn)...
    Es hat vor ein paar Jahren ein recht interessantes Forschungsprojekt unter Federführung der Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund mit Zukunftsszenarien für die zukünftige Entwicklung des Ruhrbiets gegeben, Städteregion Ruhr 2030;
    darin sind neben leider vielen Verrenkungen, die Notwendigkeit einer administrativen Ruhrstadt zu verneinen (was wohl auf politischen Druck der ebenfalls mitwirkenden Kommunen zurückzuführen ist) auch einige interessante Szenarien zu nachstädtischen Lebenswelten im Ruhrgebiet zu finden...
    Zitat: Flach Wohnen und lang leben: Die Großstadt ist nicht mehr modern - das umstrittene Postulat des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright, das er im Kontext seiner Utopie vom guten Leben in einer Broadacre City formuliert hat, ist in der Wirklichkeit - zwischen Dortmund und Duisburg - längst und auf eine neue Art angekommen. Die Städteregion Ruhr ist eine der großen Metropolregionen, die - wenn auch nicht ganz freiwillig - die modernen Eigenschaften des Nicht-Mehr-Großstädtischen am ehesten erkannt und weiterentwickelt haben. Hier kann man, von Autobahnen, U-Bahn-Linien, Magnetbahntrassen und Flugkorridoren umgeben, auf ideale Weise ein vorstädtisches (oder besser: nachstädtisches) Leben in großzügigen Cottages mit weitläufigen Gärten führen, Pferde und Hühner halten, Schafe und Truthähne züchten. [...]
    Unités - Wohnen im Großen und Ganzen: Die Pentimenti der Städteregion Ruhr: Seine Vergangenheit, seine historischen Zukunftsentwürfe haben nicht nur dieses beträchtliche Reservoir an Brachflächen und Zwischenräumen hervorgebracht, das nun irgendwo zwischen der Alten Stadt und dem Alten Land neu besiedelt werden kann. Die Städteregion ist darüber hinaus voll von baulichen Großformen, wirklich großen Gebäuden, die ihre ursprünglichen Bestimmungen längst verloren haben (Maschinenhallen, Wassertürme, Kraftwerke, Gasometer, aber auch Bürotürme, Kirchen, Hallenbäder und Kaufhäuser). Sie sind manchmal Landmarken und Symbole des Städtischen, ohne die das Ruhrgebiet für viele nicht mehr begreifbar ist; manchmal sind sie aber auch einfach nur groß, monströs. [...]
    Aber eben auch als herausfordernde, spannende Objekte z.B. für neues Wohnen denkbar, muß man an dieser Stelle ergänzen...
    Hört sich gewiß ein wenig akademisch an, aber die Ruhrstadt hat eine Menge Potential für die Zukunft, nur daß diese nicht nach europäischer Stadt im herkömmlichen Sinn aussehen wird...

    2 Mal editiert, zuletzt von Urbanist ()