Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Mir wäre bei der derzeit sehr wankelmütigen Lage eigentlich am liebsten, man ließe den Bau der Ostfassade vorläufig ganz aus.
    Lieber eine temporäre bauliche Lücke an der Ostseite, als irgendein dekonstruktivistischer Schnellschuss, der garantiert in die Hose ginge (ebenso wie eine moderne Kuppel über dem Portal, wir sprechen hier ja nicht vom Reichstag).


    Man sollte es nachfolgenden Generationen auf jeden Fall ermöglichen, das Schloss irgendwann in seiner ursprünglichen Form möglichst komplett wiederherzustellen. Sprich: Historisch korrekte Raumaufteilungen/Grundrisse und die Ermöglichung der Rekonstruktion aller Fassaden und Kuppeln (auch der kleinen).


    Wenn man sich jetzt dazu entschließt, irgendeine gewagte Symbiose aus barocker und moderner Bau"kunst" (das in Anführungszeichen gilt im Groben nur für ersteres) zu schaffen, sehe ich schwarz für künftige deutsche Rekonstruktionen. Der Ruf solcher Projektvorhaben könnte allzu schnell dahin sein und man fängt wieder im ganz großen Stil an, sowas populistisch als "Disneyland" und "Kitsch" zu verteufeln und zu verhindern. So eine Situation muss gerade im derzeitigen rekonstruktionsfreundlichen Klima um jeden Preis verhindert werden! Auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass es noch reichlich gelungene Rekonstruktionen vorzuweisen gibt - das Schloss könnte eine der prestigeträchtigsten und wichtigsten überhaupt werden!


    Zumal so ein architektonischer Zwitter einfach nur scheiße aussehen würde.


    (Womit ich selbstredend nicht die ursprüngliche zwitterartige Fassung meine)

  • Zumal so ein architektonischer Zwitter einfach nur scheiße aussehen würde.


    Das Beispiel dazu steht leider mit der Rekonstruktion der Kommandantur direkt gegenüber. Dabei hat sich Bertelsmann für denjenigen Entwurf entschieden, der am wenigsten mit dem historischen Gebäude korrespondiert und die Glasfassade auf der Rückseite will kaum überzeugen.
    Man wünscht sich da mehr Mut für das Schloß, mehr Mut keinem selbst definiertem Zeitgeist hinterherzurennen.

  • ^Zumal laut einem etwas älteren SPIEGEL-Bericht in der Fassade schon einige Risse aufgetaucht sind. Beim Schloss-Wiederaufbau sollen diese fehler ausgeschlossen werden. Aber die Hauptsache ist, dass die Fassade auf der Ostseite nicht so grauenvoll wird wie in dem Link von erbsenzähler dargestellt (Danke übrigens). Da kann es einem ja nur kalt den Rücken runterlaufen. Wäre da so ein Reminiszenzbezug wie ihn Chipperfield am Neuen Museum jetzt umsetzt da nicht besser. Ich meine ja nur, dass da behutsamer rangegangen werden sollte. Auf dem bereits erwähnten Link sah es ja ähnlich gräßlich aus wie der Anbau am Neuen Rathaus am Braunschweiger Bohlweg, und meine Meinung über den habe ich ja wohl oft genug zum Besten gegeben, oder!?

  • Das Beispiel dazu steht leider mit der Rekonstruktion der Kommandantur direkt gegenüber. Dabei hat sich Bertelsmann für denjenigen Entwurf entschieden, der am wenigsten mit dem historischen Gebäude korrespondiert und die Glasfassade auf der Rückseite will kaum überzeugen.
    Man wünscht sich da mehr Mut für das Schloß, mehr Mut keinem selbst definiertem Zeitgeist hinterherzurennen.


    Also wer sich noch über die Ausführung der Kommandantur beschwert, dem ist nicht mehr zu helfen! Bertelsmann hat sich hier entschieden, ein baulich nicht gerade besonderes, Gebäude der Gründerzeit originalgetreu anhand nur weniger Fotos zu rekonstruiren. Da wird man ihnen doch nicht auch noch vorwerfen wollen, dass sie das Gebäude an Ihre Bedürfnisse anpassen. Ausserdem hatte das Gebäude, im Original, auch einen U- förmigen Grundriss, der nun eben durch einen, wie ich finde, sehr dezenten Wintergarten gefüllt wird!

  • Bertelsmann hat sich hier entschieden, ein baulich nicht gerade besonderes, Gebäude der Gründerzeit originalgetreu anhand nur weniger Fotos zu rekonstruiren.


    Das stimmt so leider nicht. Die Rekonstruktion war Auflage des Senats zur Vergabe des Grundstücks mitsamt der prestigeträchtigen Adresse "Unter den Linden 1". Andernfalls wäre es nicht dazu gekommen, daß ein Kommerzunternemen seine Repräsentanz neben Kronprinzenpalais, Zeughaus, deutscher Staatsoper, Schloßbrücke usw. gebaut hätte.
    Die Entscheidung zu Gunsten des am wenigsten traditionellen und das Innere der Kommandantur karikierenden Entwurfs entspricht auch nicht meiner Interpretation, sondern ist vielmehr einfach Endresultat des Auswahlverfahrens und des gewollten Kontrasts. Die anderen Entwürfe konnten oder können auf der Internetpräsenz von Bertelsmann eingesehen werden.
    Was bei der Ausführung des Baus stört, ist, daß es sich leider nicht um eine Überdachung des Ursprungshofes oder einen Wintergarten handelt, sondern daß hinter der Glasfassade sofort der Bruch mit der rekonstruierten Fassade - auch durch die fehlenden Innenhoffenster - ersichtlich wird und das Ganze fassadistisch wird.
    Hierbei handelt es sich auch um eine Schauseite, die dem zur Zeit in der Revitalisierung begriffenen Schinkelplatz und der Bauakademie zugewandt ist.

  • ...in der Fassade schon einige Risse aufgetaucht sind...


    Wie wäre es mit Dehnungsfugen in der Fassade?;)


    ...man sollte ehrlich sein und das Schloß in seiner städtebaulich/historischen Gesamtheit erlebbar machen...


    Das wird man doch ohnehin nicht. Die Fassaden des Schlosses haben auch früher nur das Innere widergespiegelt, und waren nie das Kernstück des Schlosses. Man kann ohne die Innenräume kein Gebäude wieder erlebbar machen, weil man Ornament zu Dekor degradiert und das dann mit dem Schloss an sich kaum noch etwas zu tun hat. Versaiiles wäre auch in keiner Form, auch nicht städtebaulich erlebbar, wenn man einfach das Schlafzimmer des Königs ausbauen würde, es verlöre sogar den größten Teil seiner baulichen Aussage.
    Ich glaube auch nicht, dass die Ost-Fassade so besonders schlimm werden würde, wenn Chipperfield die gestalten würde.

  • Die Fassaden des Schlosses haben auch früher nur das Innere widergespiegelt, und waren nie das Kernstück des Schlosses.


    Das Schloss wurde im Inneren fortwährend verändert. Jedesmal wenn ein neuer Herrscher den Thron bestieg, wurden ganze Raumfolgen nach seinen Vorstellungen umgestaltet/neu geschaffen. Auch die Barockfassade war anfangs nur Mantel um einen Renaissancebau, daher trifft eine unumstößlichen Verbindung von Außen und Innen keineswegs zu.
    Eine Innenrekonstruiktion ist natürlich wünschens- und erstrebenswert, ist aber weit weniger Bestandteil des öffentlichen Stadtraumes als das Äußere.
    Es wird auch vom Förderverein angestrebt, die dominanten Innenräume in bloßer Kubatur wiederzuerrichten und diese zu späterer Zeit zu rekonstruieren. Das Gedankenspiel, das umgekehrt zu machen - die Fassade nackt und Innen Paradezimmer - zeigt dabei vielleicht auf, daß es dabei eine Prioritätenstaffelung Außen-Innen gibt und geben muß.

  • Dass das Gebäude mehrfach umgebaut wurde sit schon klar, man kann in der Fassade dennoch relativ genau erkennen, wo welche Art von Räumen untergebracht wurde. Fassaden wurden damals so konzipiert, dass sie dem gebildeten Bürger von damals Geschichten über das innere erzählen. Von außen kann man erkennen, wo die Bildergalerie war, was Schlosskapelle ist etc. Das die barocken Fassaden ein bloßer Mantel um das Renaissance-Schloss waren stimmt so nicht, wurden Barock und Renaissance zur damailgen Zeit als eine Einheit, als "ächte antiche Baukunst", in vielen Ländern werden beide Epochen auch zusammen als z.B. l' âge classique bezeichnet. Zur damailgen Zeit wäre es nimandem in den Sinn gekommen Inneres und Äußeres als getrennte (auch im stilistischen Sinn) Einheiten zu betrachten. Nach den damalig gültigen Regeln hätte man die Fassade auch anders konzipiert, wenn man das Innnere nicht hätte sichtbar machen wollen.

  • Schlafzimmerblick

    Man kann ohne die Innenräume kein Gebäude wieder erlebbar machen, weil man Ornament zu Dekor degradiert und das dann mit dem Schloss an sich kaum noch etwas zu tun hat. Versaiiles wäre auch in keiner Form, auch nicht städtebaulich erlebbar, wenn man einfach das Schlafzimmer des Königs ausbauen würde, es verlöre sogar den größten Teil seiner baulichen Aussage.

    Mag ja sein. Der französische König war ja auch ein dekadenter Geselle, der sich von einer Schar entmachteter Adliger beim Aufstehen und Ankleiden hofieren liess. Das Schlafzimmer des Sonnenkönigs war tatsächlich der wichtigste Ort im absolutistischen Frankreich.


    Für das Preussentum ist der Blick ins königliche Schlafzimmer jedoch mehr als irrelevant. Ein Exerzierplatz, ein Museum, ein Zeughaus oder vielleicht eine Bibliothek können erlebbar machen, worum es bei der ganzen Sache wirklich ging. Sicher wäre es schön, wenn mehr von der Inneneinrichtung erhalten wäre, diese Nachzubilden ist aber nicht notwendig um den Geist dieses Schlosses erlebbar zu machen, denn der manifestiert sich in einer moralischen Haltung und erschöpft sich nicht in Möbeln.


    Ein Humboldt-Forum, das diesen Namen verdient, ist ein mehr als würdiger Inhalt für eine Schlossrekonstruktion, die kein Original sein kann und deswegen auch kein Original sein muss. Einzige Kritik, die ich an dem Konzept erheben würde (abgesehen von modernen Kuppeln und Fassaden :nono:), ist das es sich wieder um eine Museum für außereuropäische Kultur handelt. Was Berlin aber noch fehlt und was wunderbar ins Stadtschloss gepasst hätte, wäre ein Museum für preussische Geschichte.

  • Was Berlin aber noch fehlt und was wunderbar ins Stadtschloss gepasst hätte, wäre ein Museum für preussische Geschichte.

    Wie wahr!
    Hierin läge die eigentliche Aufgabe der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz", die sich hingegen eher in der Distanzierung zu Preußen gefällt.

  • @ Guderian,
    Richtiger Ansatz!
    Da zudem Preußen mittlerweile durch die Arbeiten von Christopher Clark in einem viel positiveren Licht gesehen wird als in den siebzigern ist das durchaus vernünftig!

  • Christopher Clark hat als Australier den Vorteil, fern von westrheinischer Antipreussen und brittischer Antideutschen Propaganda aufgewachsen zu sein. Gelesen haben ich den 800 Seiten Schinken aber noch nicht. Ich kenn nur Joachim Fernau Sprechen wir über Preussen. Das gibts für Lesefaule auch als Hörbuch. :D


    Scheinbar muss man aber schon froh sein, wenn man am Ende überhaupt ein Stadtschloss bekommt. David Chipperfield - es war doch richtig, ihn den König Midas des Sichtbeton zu nennen - stellt die Schlossfassade schon [url=http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,524840,00.html]wieder in Frage[/url]. Stattdessen wünscht er sich "einen modernen Bau in alten Proportionen". Typisch Architekt beschwert er sich darüber, das ihm der Bauherr Auflagen macht: "Leider hat sich der Bundestag längst festgelegt auf die Rekonstruktion." Chipperfield hält dies für eine unzulässige "Einmischung": "Das ist das eigentliche Ärgernis." - Achtung Ironie: Ich find's auch schrecklich, das der Bundestag nicht einfach das Geld rüberreicht und die Klappe hält. - Ihn störe, "dass da quasi ein biblisches Gebot erlassen wurde, das alle weiteren Diskussionen abwürgen soll". Normalerweise hätten Architektur-Jurys in Deutschland "eine gewisse Autonomie".


    Wobei sich mir die Frage aufdrängt: Wer kam eigentlich auf die Schnapsidee, ausgerechnet einen betongläubigen Britten in die Jury zur Rekonstruktion des Stadtschlosses zu setzen? Der Mann mag bei irgendwem ein angesehner zeitgenössischer Architekt sein. Aber von der historischen Mitte Berlins muss man den Kerl doch irgendwie fernhalten können. Die Museumsinsel, die Linden und Chipperfield passen zusammen wie Vanille Pudding und Ketchup.


    Warum werden ausgerechnet Chipperfield immer wieder die historischen Orte Berlins anvertraut? :maddown:

  • Unglaublich, diese Arroganz.


    Wer kam eigentlich auf die Schnapsidee, ausgerechnet einen betongläubigen Britten in die Jury zur Rekonstruktion des Stadtschlosses zu setzen?


    Genau das frage ich mich auch. Wofür braucht man hier überhaupt eine Jury? Einfach das Schloss rekonstruieren und das war's. Dafür braucht man keine Modernisten, die im Endeffekt eh nur alles versauen.

  • Aha, in dem Artikel beschwert er sich auch darüber, daß die Deutschen noch zehn weitere Jahre planen sollen, bis sie den Schloßplatz bebauen, und daß es uns immer zu schnell ginge, weil wir die Baulücke weghaben wollen.


    Ich weiß ja nicht, aber das deutsche Baurecht braucht doch immer recht lange... In GB geht doch alles viel flotter, oder täusche ich mich? Vielleicht einfach verletzter Architektenstolz...


    Wozu gibt es eigentlich ne Jury, wenn das Schloß eh eine Dreiviertel-Reko wird?

  • ^^ Weil der Architekturwettbewerb natürlich auch die Gestaltung des Schlossinneren vorsieht. Und darüber muss ja eben auch entschieden werden. Außerdem: Eine komplette Rekonstruktion auch der Innenräume würde dann die Baukosten auf jeden Fall weit über die Milliarde treiben, die wiedereum niemand bereit ist zu zahlen.

  • Warum Architekturwettbewerbe

    Nun, es ist wichtig eine Raumgestaltung zu entwickeln, die der heutigen Nutzung entspricht. Die vor dem Krieg kleinteilige Raumaufteilung mit Amtsstuben und Büros ist heute eher weniger Sinnvoll. Es braucht große Ausstellungsräume für die künftige Nutzung, unter anderem, als Museum. Dafür müssen natürlich neue Pläne angefertigt werden. Selbstverständlich wird der berühmte Schlüterhof in diese Pläne zu integrieren sein, sowie architektonisch wertvolle Raumfolgen, deren Ausgestaltung jedoch jahrzehnte dauern kann. Ein großer Teil der Nutzfläche war jedoch wenig "prunkvoll" und architektonisch wenig interessant. Ich kann verstehen, dass viele sich einen detailgetruen Rückbau wünschen, darüber hinaus sollten wir uns aber auch vor Augen halten, das Der Wiederaufbau als Humboldforum an sich, ein kleines Wunder dar stellt. Und zum Glück wird es kein so peinliches "Schopping-Schloss" wie in Braunschweig. Ich habe vertrauen in die Architekten und freue mich auf die Fertigstellung auch wenn sie erst 2030 gefeiert werden kann!

  • ... freue mich auf die Fertigstellung auch wenn sie erst 2030 gefeiert werden kann!


    Das glaube ich auch, denn man wird sich doch nicht gleich mit den Siegerentwürfen zufrieden geben.


    Und wie Chipperfield schon sagte:

    "Um zu einem vernünftigen Ergebnis" für das historisch bedeutende Areal zu kommen, hätte man sich "weitere zehn Jahre Zeit nehmen sollen".


    Auf eine weitere konstruktive Architekturdebatte mit glücklichem Abschluss für die Schlossbefürworter! :cheers: