München - Stadt ohne Vision?

  • München - Stadt ohne Vision?

    München ist die drittgrößte Stadt Deutschlands und in puncto Wirtschaftskraft eine der stärksten Regionen in Europa. Das Bevölkerungswachstum der Regio München ist eines der höchsten in Deutschland. Städteplanerisch und Architektonisch scheint sich in München aber kaum etwas zu tun. Das ist nicht nur meine Feststellung, sondern auch die von vielen anderen Forennutzern hier. Gebaut wird hier im Normallfall immer so billig wie möglich, so unspektakulär wie nötig. Bei heutigen Neubaugebieten in München scheint man nichts aus den Fehlern der 60er, 70er und 80er gelernt zu haben. Wenn man sich heute Freiham oder Riem anschaut, kann man sich denken, dass es dort in 25 Jahren wie in Neuperlach aussehen wird. Ich kenne keine andere Stadt in dieser Größenordnung in der so wenig Wert auf langfristige Stadtplanung und -entwicklung gelegt wird, wie in München.


    Abseits der historischen Altstadt und einigen Prachtstraßen in München hat die Stadt nichts zu bieten. Bis auf sehr wenige Ausnahmen sind die meisten Neubauten seit der Nachkriegszeit charakterlos und ersetzbar. Für innovative, interessante Bauwerke scheint man in München keinen Mut/kein Interesse zu haben. Verglichen mit Städten wie Hamburg oder Wien, die beide nicht viel größer als München sind, ist das eine sehr, sehr traurige Bilanz.


    Was meint ihr? Habt ihr auch diesen Eindruck?

  • Da traust du dich aber was, dieses Thema aufzumachen! :lach:
    Hier steckt sehr viel Konfliktpotential drin. Aber gut.....


    1. In München ist alles so knapp, v.a. Wohnraum, dass man selbst mit grottigster Stangenware garantiert gut zahlende Abnehmer findet. Why change a winning horse?


    2. Denkmalschutz bedeutet in München einen Sch*** (Entschuldigung) gegenüber Investoreninteressen. Ich saß ein Jahr an der Quelle, um das zuverlässig beurteilen zu können. Nicht denkmalgeschütze Altbauten sind in neuen Renditegegenden dem Tod geweiht, v.a. Industriebauten, Werkshallen usw. aus der Gründerzeit, aber auch wertige 1950er gehen verloren (die wie in jeder Stadt Kreative anziehen sollten)! München verliert so nach und nach das Gedächtnis...


    3. Die engagierte Bürgerschaft und der Prominentenpool (also die Tonangeber jeder Stadt) werden seit 20 Jahren immer mehr gegen Yuppies und Prolls ausgewechselt, denen Ästhetik meist fremd ist, während viele Künstler wegziehen. Kulturell gesehen und als Hotspot hat München seinen Zenit leider längst überschritten.


    4. Sehr subjektiv empfunden: Scheinbar hat München keinen rechten Stolz auf seine Vergangenheit, sondern will partout modern wirken. Diesen Fehler machen sonst Provinzstädte. Was München natürlich nicht ist. Man zeigt aber zu penetrant, dass man als Metropole gesehen werden will - es fehlt eine gewisse Lässigkeit an der Isar. Man gibt sich gerne italienisch, ist aber im Grunde so verdammt deutsch, nörgelnd und immer rumvergleichend, wie es kaum andere hinkriegen ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Baukunst ()

  • 4. Sehr subjektiv empfunden: Scheinbar hat München keinen rechten Stolz auf seine Vergangenheit, sondern will partout modern wirken. Diesen Fehler machen sonst Provinzstädte. Was München natürlich nicht ist. Man zeigt aber zu penetrant, dass man als Metropole gesehen werden will - es fehlt eine gewisse Lässigkeit an der Isar. Man gibt sich gerne italienisch, ist aber im Grunde so verdammt deutsch, nörgelnd und immer rumvergleichend, wie es kaum andere hinkriegen


    Aber wirklich modern ist man dann doch wieder nicht. Der typische Münchner Nörgler findet alles in Richtung Hochhaus/Wolkenkratzer ganz verwerflich.


    In München wird eben das billigste und zweckmäßigste gebaut, ohne dass man einen besonderen Anspruch an Zukunftsvision oder Ästhetik hat.

  • Wir führen eine solche Diskussion schon.


    http://www.deutsches-architekt…rum/showthread.php?t=7649


    Meine Signatur ist auch schon mehr als 5 Jahre alt. :D München ist ein ziemlich hoffnungsloser Fall - zumindest solange die Dinge einfach so weiter laufen und auch die politische Führung eine Konstante darstellt. Ein Wandel wird sich mit den führenden Kräften in München nicht machen lassen, da man stets fürchtet sich Konkurrenz nach München zu holen und selbst einen Teil des Einflusses abgeben muss.

  • Passt scho - passt nicht!

    Christian Meyer kommentiert das Aus für die dritte Startbahn in der SZ mit einem bitter-bösen Essay: Hauptstadt der Selbstgefälligkeit - Warum München die Zukunft hinter sich hat.
    Neben der erfolgreichen Verhinderung des Flughafenausbaus, der 2. Stammstrecke sowie des Konzerthausneubaus bekommt auch die allgegenwärtige "mittelmäßige Investorenarchitektur" in München und die NIMBY-Allüren seiner Bewohner ihr Fett ab. Ein Rundumschlag der sich gewaschen hat. Lest selbst: http://www.sueddeutsche.de/mue…hinter-sich-hat-1.1390233


    M.E. ein bishen zu dick aufgetragen, aber in der Sache richtig. Ließt sich v.a. gut!

  • Selbstgefälligkeit und Mittelmaß

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    M.E. ein bishen zu dick aufgetragen, aber in der Sache richtig. Ließt sich v.a. gut![/QUOTE]


    Der Artikel enthält selbst einen ordentlichen Schuss der kritisierten Selbstgefälligkeit:


    "Viele Besucher sind immer wieder höchst erstaunt, dass es in München einen Fluss gibt, in dem die Menschen baden."


    Das Hauptproblem der Architektur in München, der "Triumph des Mittelmaß", wird aber auf den Punkt gebracht:


    "Offenbar reicht die Kraft in München nur für das Gewohnte, das Gleichförmige, das Glanzlose."

  • Noch eine interessante Statistik zur Wachstumsdiskussion!



    Wirklich erstaunlich, dass vor 100 Jahren München noch die 47. größte Stadt der Welt war. Und das obwohl es weit ab der wachstumsstarken Zentren des Bergbaus und der Schwerindustrie lag. Heute rangiert München je nach Definition im Bereich zwischen der 200. und 300. größten Stadt der Welt. Erstaunlich auch, wie stark auch manch europäische Stadt einwohnerbezogen München abgehängt hat: Madrid, Mailand, Barcelona, Neapel... Allesamt Städte die heute gut doppelt so groß sind!

  • Habe etwas rumüberlegt, mich dann aber für diesen Thread entschieden, um dieses AZ-Interview zu posten (ich glaub es wurde wirklich noch nirgends hier gepostet, oder?): Andreas Hild, einer der Architekten, die das Stadtbild der letzten 20 Jahre besonders nachhaltig geprägt haben, spricht von "Bevölkerungsschwund", dem "großen Knall am Marienplatz" und insgesamt der Tatsache dass für architektonische "Experimente" weder Raum und Mittel, noch Bedarf vorhanden seien.


    http://www.abendzeitung-muench…87-a158-336342a0a2ee.html


    Kein Wunder, dass unsere Stadt immer langweiliger wird, wenn solche Leute in den Fachgremien hocken. Das ist mehr als nur konservativ. Diese Haltung ist absolut weltfremd, denn sie ignoriert wichtige Realitäten, die längst in unserer Region angekommen sind und mit denen man sich unbedingt auseinandersetzen müsste! :Nieder:

  • Isek: Die Statistik ist ganz interessant.


    Deine Interpretation würde ich aber noch ergänzen: Ein Drittel der Städte, welche oben aufgelistet sind, sind heute kleiner als München. Zum Teil durch Einwohnerschwund oder auch durch wahnsinniges Wachstum der Stadt München.
    Mailand ist sicher nicht doppelt so groß wie München. Wenn überhaupt etwas größer durch dessen Metropolregion.
    Und Neapel größer als München??? Nein, sicher nicht...


    Und Barcelona ist an Sozialelend und Drogenghettos nicht mehr zu überbieten. Aber das kommt halt davon, wenn man am Stadtrand nur 10 stöckige Mietskasernen errichtet.....




    Ihr schreibt hier, dass es euch auf die Nerven geht, wenn der Münchner rumnörgelt, aber was macht ihr denn hier, bitte...:)


    In anderen Städten ist es doch auch nicht anders. Berlin mal ausgenommen. Aber dementsprechend sieht es auch aus. Total zerissen und überbaut.
    Ich habe 4 Jahre lang in Berlin gelebt und weiß von was ich spreche.


    Hochhäuser sind unter der Bevölkerung in München sehr wohl erwünscht. Es besteht eben seitens der bescheuerten Stadtpolitik, die an Dummheit nicht mehr zu überbieten ist, anscheindend kein Bedarf.


    Maturion: dann kennst du München aber herzlich wenig...Ich kenne keine Stadt die außerhalb der Altstadt noch soviel Schönes zu bieten hat...Berlin: tote Hose...Hamburg: eintönig ohne Ende...Köln: Autobahnen und Leverkusen...Frankfurt: Industrie...
    Ok, Wien ist da München voraus...


    Was die Stadtplanung angeht, finde ich die Messestadt ganz ok, sie ist eben nur noch nicht fertig, wodurch überall hässliche Baulücken entstehen, die das Viertel zerschneiden...
    Warum aber nicht schneller in Freiman gebaut wird um dem Wohnwahnsinn endlich mal ein Ende zu bereiten, weiß nur der liebe Gott...


    Es dauert einfach viel zu lange bis Wohnprojekte umgesetzt werden...

  • Frankfurt hat ausserhalb der Innenstadt keine Schönen Dinge zu bieten?
    Du kennst Frankfurt ebenso wenig wie wohl alle anderen genannten Städte.
    Frankfurt ist ausserhalb der Hochhaus City, absolut gemütlich, hat sehr viel Altbausubstanz mit tradionellem und lebenswertem Flair.
    Und ich kann auch sagen, dass ich in allen anderen genanten Städten ebenso schöne Flecken kenne. Und wenn man am Innenstadtrand von München unterwegs ist, habe ich auch schon viele häßlich Dinge gesehen.
    Also bitte fair bleiben und vor allem auf dem Boden der Tatsachen.
    Übrigens Frankfurt ist keine Industrie Stadt, sondern ein Dienstleistungszentrum.


  • Ich habe 4 Jahre lang in Berlin gelebt und weiß von was ich spreche.


    Ich habe bisher 28 Jahre in Berlin gelebt und weiß es viel besser.




    Ich kenne keine Stadt die außerhalb der Altstadt noch soviel Schönes zu bieten hat...Berlin: tote Hose...Hamburg: eintönig ohne Ende...Köln: Autobahnen und Leverkusen...Frankfurt: Industrie...


    Glaubst du das jetzt wirklich? Verwechselst du nicht weiß-blau-bräsigen Lokalpatriotismus mit... nun ja... Fakten?

  • Maturion: dann kennst du München aber herzlich wenig...Ich kenne keine Stadt die außerhalb der Altstadt noch soviel Schönes zu bieten hat...Berlin: tote Hose...


    In Berlin gehören ja gerade die ehemaligen Vorstädte Alt-Berlins zu den heute schönsten und vitalsten Stadtteilen (z.B. Prenzlauer Berg als grösstes zusammenhängendes Gründerzeitviertel Europas, Kultur und Nachtleben in Friedrichshain und Kreuzberg).


    Sollten aber die heutigen Randbezirke gemeint sein: Kulturdenkmäler von Spandau über das nahe Potsdam bis nach Köpenick, überall Subzentren mit Gastronomie und kleinen Läden, alte und vitale Stadt- oder Dorfkerne, der Berliner Speckgürtel mit seinen berühmten Villengegenden. Das noch garniert mit der Berliner Seenplatte als grösstes Naherholungs- und Wassersportgebiet Deutschlands.

  • Ich glaube auch geschrieben zu haben: "außerhalb der Altstadt".


    Gut wahrscheinlich etwas missverständlich ausgedrückt.


    Auf jeden Fall ist von den Außenbezirken die Rede. Und nicht von Altbauvierteln außerhalb des Stadtkerns.


    Und da hat meiner Meinung nach Frankfurt, Köln, Hamburg und Berlin, einfach nichts Schönes oder Gemütliches. Das sind meine Eindrücke.


    München hat ebenfalls seine hässlichen Stellen, klar.


    Aber gut, dass das Geschmackssache ist.

  • ^ Was Altstadt für Dich bedeutet, weiß ich nicht. Die "Altstadt" Frankfurts reicht - wenn man ganz ganz großzügig ist - bis zu den Wallanlagen. Von mindestens den beliebten und teuren Stadtteilen Nordend, Westend, Bornheim und Sachsenhausen scheinst Du noch nie etwas gehört geschweige denn gesehen zu haben. Von der Höchster Altstadt, Alt-Nied, Bergen et cetera auch nicht. Deinen Eindruck magst Du gewonnen haben, als Du von Osten aus die Hanauer Landstraße in die Stadt gefahren bist und Deine Fahrt anschließend nach Westen auf der Mainzer Landstraße bis zur A5 fortgesetzt hast ;)


    Aber zurück zu den Visionen Münchens. Am Hauptbahnhof gibt es meiner Meinung nach die Chance nach einer solchen. Münchener, geht auf die Barrikaden gegen einen Glas-/Beton-Klotz, wie ihn die Bahn sich zur Zeit dort gut vorstellen kann! Der Platz hat Besseres verdient.

  • Also aus meiner Sicht, als Aussenstehender, sit das was die Bahn am bf plant für die Lage und die verkehrliche Bedeutung deutlich zu mickrig. Naja, wenn man gerne viel Autoverkehr vor der Haustüre hat, mag einem das als Klotz erscheinen. Mir erscheints in Relation zu dem, was da sein müsste, als Krümel.
    Obs dann Glas und Beton ist, oder Sndstein und Schiefer, oder was auch immer, ist für meine Interessenlage zweitrangig, das sollen die Architekten entscheiden und designen.
    Wenn man auf die Hauptbanhofparzelle 1,5 Mio m² nur gestapelt bekommt wenn das ganze aussieht wie Neuschwanstein - dann solls mir recht sein, dann rolle ich persönlich Neu-Bahnstein nen roten Teppich aus.

  • Seltsames Image

    Was ich fragen wollte :
    Wenn man liest in : Broschüren der Stadt , Tourismushefte , Reiseführer , Plakate auf Reisemessen oder Immobilienmessen , stösst man auf folgende
    Eigenschaften der Stadt :


    -Millionendorf
    -Weltstadt mit Herz
    -Beschaulich
    -frei von Industrie
    -frei von Hochhäusern
    -Bewahrung von dörflichem Charme


    usw.


    So und nach ca. 20 - 30 Jahren geringer Veränderung setzt jetzt nach den
    50er und 60er Jahren wieder eine neue dynamische Entwicklung ein .


    Neue Situation : Dieser Boom läuft jetzt extrem dem jahrelang geworbenen Image zuwieder !
    Ich denke damit haben sehr viele Leute in allen Schichten ein enormes Problem !

  • ^^ Zwischen dem letzten Wort des Satzes und dem Satzzeichen kommt kein Leerzeichen. Das Gleiche gilt für Kommas, Doppelpunkte etc. wohingegen nach dem Trennstrich ein Leerzeichen gesetzt werden muss. Diese einfachen Regeln werden schon von Grundschülern verstanden.


    Zum Thema:
    München ist in der Innenstadt tatsächlich sehr beschaulich im Vergleich zu Städten gleicher Größe, insofern sind die Brochüren hier wahrheitsgemäß. Ich schätze, dass dieses Bild sich auch noch viele Jahrzehnte halten wird, denn die momentane Veränderung ist bei weitem nicht so stark dass sie das Stadtbild völlig umkrempelt (zum Glück?).

  • necrokatz: warum so übergenau?


    Und zum Glück (!!!) ändert sich das Stadtbild in der City nicht.


    Außenrum (also alles außerhalb des Altstadtrings) kann man dagegen ruhig mehr gewagte Gebäude bauen.


    Hochhäuser bitte aber nur außerhalb des Mittlerenrings.

  • Hm. Interessanter Ansatz, das Thema Tourismus-Werbung, da hatte ich kürzlich auch mal drüber nachgedacht, als die neue Tourismus-Amt-Chefin vorgestellt wurde. Also das mit der "beschaulichen Innenstadt" - was auch immer damit gemeint ist, ich sag mal lieber "kompakte Altstadt" ist ja nicht München-spezifisch. Wien, Amsterdam, Barcelona, ja selbst Mailand, haben alle recht kompakt gebaute und guterhaltene Altstädte. Trotzdem schaffen sie es ein modernes und urbanes Image zu kommunizieren. Das hat die Region in früheren Zeiten übrigens auch geschafft, zuletzt Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre. Ich denke die Traditionen unserer Stadt (Augustinerbier, Oktoberfest, Viktualienmarkt, Weissbier, Chinesischer Turm, Glockenspiel, Donisl, Hofbräuhaus, Karl Valentin, Kocherlball, Weisswurstfrühstück, Brezn, undundundundund......) sind ein schönes Asset und stehen einem modernen Image nicht im Wege. Bin mal gespannt, ob die neue Tourismusbeauftragte da was ändern wird. Und natürlich müssen dann auch Taten folgen, wie spannende Architektur, wegweisende Infrastrukturprojekte (der Transrapid wäre perfekt gewesen) und neue kulturelle Veranstaltungen, die dann auch entsprechend kommuniziert werden.