Götzen einer links-totalitären Ideologie
Dass Marx und Engels zu "Götzen" gemacht wurden (was leider stimmt), ist kaum deren Schuld. Marx war ein großer Sozialphilosoph und hat mehr von der Logik der kapitalistischen Gesellschaft begriffen, als Marxisten (!) und Wirtschaftsliberale je verstehen werden. "Das Kapital" gehört ohne jede Frage zu den wichtigsten Werken der modernen Geistesgeschichte – in eine Liga mit Adam Smith' "Wealth of Nations" oder Charles Darwins "Origin of Species". Auch kluge Freunde des Kapitalismus erkennen das an. Engels war als Theoretiker weniger versiert, dafür aber ein herausragender kritischer Publizist: Wenn man "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" liest, schnürt es einem bis heute den Hals zu: Die Verhältnisse, die er schildert, entsprechen ziemlich genau jenen, unter denen heutzutage in Bangladesch oder Kambodscha die Klamotten für H&M und KiK produziert werden. Ein Denkmal für Marx und Engels finde ich deshalb angemessen. Dass es ein Denkmal aus der Zeit der "Götzenverehrung" ist, verleiht ihm Spannung: Der erbärmlich-ärmliche Autoritarismus der DDR hatte nichts zu tun mit Marxens Traum von einer "freien Assoziation freier Menschen"; dass die DDR sich auf Marx berufen konnte, zeigt, dass die Kritik des Falschen noch lange nicht das Richtige hervorbringt.
Und wer war Kaiser Wilhelm? Ein Typ, der das Glück hatte, als Sohn einer herrschenden Dynastie unter Führung eines klugen Politikers (Bismarck) zum Kaiser zu werden. Und das Pech, in einer Zeit zu leben, in der Königen und Kaisern realiter kaum noch mehr als eine symbolische Bedeutung zukam, weil der Komplexitätsgrad der Gesellschaft die aus dem Absolutismus überlieferte Herrscherfunktion längst hatte obsolet werden lassen. Stünde das Kaiser-Wilhelm-Denkmal noch, sollte man es stehen lassen – Ausdruck einer vergangenen Epoche, deren Hang zu Pomp und Pathos man staunend belächeln kann. Eine ganz andere Symbolik hätte es, den Kaiser wieder auf's Pferd zu setzen. In Koblenz hat man das bekanntlich getan, und ich finde es abstoßend. In Berlin fände ich es unerträglich.
Die neue Volte zurück zur Wippe halte ich für amüsant bis albern: Das Ding wird so, wie es geplant ist, nicht funktionieren. Es wird ein ewiges Ärgernis bleiben. Und vielleicht ist es ja genau deshalb doch eine ganz passende Metapher für die deutsche Nation?