Wilhelm-Leuschner-Platz + Areal an der Nonnenmühlgasse

  • Von oben gesehen bin ich immer wieder aufs Neue erstaunt, wie orgiastisch der sozialistische Städtebau über Leipzig hergefallen ist.

    Wenn Du das orgiastisch nennst frage ich mich was dann in Ost-Berlin, Dresden oder Chemnitz vonstatten ging. Wir können froh sein, dass die DDR ökonomisch gar nicht in der Lage war ihre Planungen umzusetzen. Legt man z.B. den Generalbebauungsplan von 1970 für Leipzig zugrunde ist das was wir heute an DDR im Stadtbild sehen noch nicht mal ein dezentes Vorspiel.

  • ^ oder auch Magdeburg.



    Tatsächlich aber hat die DDR in Leipzig einige sehr teure Bauten errichtet und der Stadt auch ein Gesicht bis 1990 gegeben - Oper, Ringbebauung, Uni-Riese, Drittes Gewandhaus. Hotel Westin (obwohl von Japan bezahlt) - aber Leipzig ist nie eine sozialistische Stadt im städtebaulichen Sinne geworden. Selbst die Zerstörung der Universitätskirche oder Ansätze wie 18. Oktober und Bayerischer Platz haben die Stadt nicht völlig verändert. Die Viertel wie Kolonnadenviertel und Seeburgviertel waren eher Kriegszerstörung und fehlendem Wohnungen geschuldet. Es wurden sogar Pre-DDR Planungen ausgeführt.


    Warum das so war liegt sicher an der Struktur der Kriegszerstörung. Aber der DDR-Führung war auch bewusst, dass die Stadt in der wirtschaftlichen Struktur der DDR ein sehr wichtiger Faktor war.



    ^ beim Generalbebauungsplan von 1970 bin ich mir nicht ganz sicher, ob hier auch ein Stück weit eine Utopie dargestellt wurde die wissentlich nie eine Realisierung geschafft hätte. So wie die anderen nie verwirklichten "Ideen".

  • Von oben gesehen bin ich immer wieder aufs Neue erstaunt, wie orgiastisch der sozialistische Städtebau über Leipzig hergefallen ist. Von der Rooftop-Bar des Felix am Augustusplatz bietet sich ein ähnlicher Blick. Und daran wird am Leuschner nahtlos angeknüpft, wo ein Solitär neben den nächsten gebaut wird. Kleinteiligkeit, filigrane Vernetzungen, abwechslungsreiche Fassaden sehen wir dort leider nicht. Dabei braucht es ein solches Umfeld, damit Großbauten überhaupt erst wirken können.

    Das kann ich tatsächlich so nicht teilen. Die grundsätzliche Frage ist ja auch erstmal, ob die Großbauten eine markante Positionierung brauchen oder man hier gezielt den Ansatz dekonstruiert. Tatsächlich fällt das vor allem auch bei den Bauten rund um den WLP auf. Die Ringbebauung führt ja das Europahaus fort und wird mit dem Hochhaus am WLP und der Kirche Trinitatis fortgesetzt.


    Die Bauten in der Windmühlenstraße sind sicher auch damals schon eine unzureichende Umsetzung gewesen. Da hier eigentlich primär der kriegszerstörte Blockrand geschlossen wird und der Ansatz zu einer sozialistischen Viale kaum Wirkung zeigt. Wenn nun noch die Blockränder in der Grünewald- und später mal in der Windmühlenstraße geschlossen werden und die überbreiten Straßen durch Begrünung und breitere Fußwegbereiche "entschärft" werden, dann muss man in 50 Jahren wohl mal genau hinschauen, um den sozialistischen Charakter erkennen zu können. Das Gegenteil wäre bei einer kleinteiligen Bebauung der Fall. Diese hätte auch - und da nehme ich die Brücke nach Dresden auf - die Gefahr eines Eklektizismus und einer Asynchronität. Was auch so gar nicht zu Leipzig passt. Also auch eine Entscheidung der Stadt bzw. Stadtgesellschaft.

  • Und zum Altbau am Goerdelerring: Wenn sich eine Sanierung plus Kaufpreis für einen Privaten lohnt, warum soll sich eine Sanierung des eigenen Gebäudes dann nicht für die Stadt lohnen? Dass die Kosten dafür nicht aufgebracht werden können, glaube ich nicht. An dieser prominenten, aber auch lauten Stelle und in diesem kostbaren Gebäude sollten nicht unbedingt Wohnungen sein, und was sonst würde ein Privater dort unterbringen?


    Wenn es immer an den Kosten liegen soll, dann sind evtl. private Nutzer die bessere Wahl. Aber stimmt schon, an dieser Stelle könnte man auch das geplanten Jüdische Museum unterbringen. Inklusive einem integrierten Neubau davor. Als Bindeglied zwischen Brühl und dem Waldstraßenviertel, hätte der Standort auch eine inhaltliche Bedeutung in Bezug auf die ehemaligen beiden jüdischen Viertel der Stadt.

  • Hotel Westin (obwohl von Japan bezahlt)

    Von Japan entwickelt und gebaut.


    ^ beim Generalbebauungsplan von 1970 bin ich mir nicht ganz sicher, ob hier auch ein Stück weit eine Utopie dargestellt wurde die wissentlich nie eine Realisierung geschafft hätte. So wie die anderen nie verwirklichten "Ideen".

    Der GBP wurde 1968-69 erarbeitet und war quasi die Kulmination der Vision einer "sozialistische Stadt", der die Entwicklung Leipzigs bis mind. zum Jahr 2000 bestimmen sollte. Für dessen Erarbeitung wurde 1967 extra das Büro bzw. die Stelle des Chefarchitekten (damals Horst Siegel) eingerichtet. Spätestens 1976 waren die Planungen obsolet da nach der Entmachtung von Ulbricht ein Umschwenken der DDR-Baupolitik auf den typisierten Wohnungsneubau vorzugsweise in Großwohnsiedlungen stattfand.

  • Ob das Europahaus oder St. Tetris als Teil des Leipziger Rings Vorzeigebeispiele brillanten Städtebaus sind, lasse ich mal dahingestellt. Wir hatten das Konzept der Ringkrone ja schonmal diskutiert, im Strang zum Matthäikirchhof. Hinter diesen beiden Gebäuden sind jeweils furchtbare, unternutzte Stadträume in bester Lage. Genau das, was ich als städtebauliche und architektonische Tugenden genannt habe, fehlt dort ganz offensichtlich.


    Und ich trete auch dafür ein, dass kleinteilige Konzepte und Wiederaufnahme von vormodernen Bautraditionen nicht "asynchron" (gemeint ist wohl anachronistisch?) sind, sondern zeitlos und funktional. Und das zeigt sich ja auch in Dresden, wo jene wenigen Stadträume, wo man so geplant hat, einfach gut funktionieren. In Leipzig hat man vergleichsweise oft traditionell geplant und konnte weitestgehend auf einen bewahrten Stadtgrundriss aufbauen, deshalb funktioniert die Stadt auch so gut. Und deshalb, weil ich Leipzig so wahrnehme und der Sozialismus zwar Teilbereiche stark überformt hat, jedoch die städtische Identität nicht in so einer Weise kapern konnte wie etwa in Magdeburg, deshalb bin ich dann erstaunt, dass sich aus erhöhter Perspektive ein etwas anderes Bild bietet. Von oben gesehen fallen die DDR-Bauten aufgrund ihrer Dominanz eben stark ins Auge. Natürlich gab es in dieser Zeit ein paar tolle Prestigebauten, aber ich bin doch eher froh über jedes Projekt, das die DDR nicht umsetzen konnte. Was zu Leipzig passt, und was man in dieser Stadt haben möchte, darüber haben wir offenbar grundverschiedene Wahrnehmungen.


    Das Gebäude ist nicht für die Nutzung als Museum geeignet, das kann jeder live feststellen. Auch wenn ein jüdisches Museum ggf. eher dort denkbar wäre als das Naturkundemuseum. Für eine ehemalige Schule könnte ich mir besser eine Nutzung wie Probenräume, Ateliers etc. vorstellen. Für ein jüdisches Museum findet sich ganz bestimmt ein Haus mit jüdischer Geschichte, am besten im Verbund mit anderen Publikumsmagneten.

  • Wird die Grünfläche neben der Kirche noch geschlossen? Sonst bestehen in drei Richtungen Grünanlagen und große Straßentrassen, womit eine Anbindung der entstehenden Bebauung an die Reststadt erschwert wird. Es entsteht ein großer Leerplatz in der Richtung, wo sich alleinig in der Nähe des Gesamtvorhabens eine geschlossene Bebauung anschließt.


    Ansonsten freue ich mich über die Bebauung. Der leere Platz ist mir schon 2008/2009 zu Studienzeiten unangenehm aufgefallen. Die Investoren haben zunächst die schönen, erhaltenen Viertel entwickelt, statt hier oder auch in Dresden den Postplatz oder in Berlin den Alexanderplatz mit würdiger Bebauung zu entwickeln.

  • Ich hatte es schon geahnt (und gehofft): es wird eng für das Denkmal auf dem sog. "Platz der Friedlichen Revolution".


    Die CDU findet den Entwurf misslungen, die AfD sowieso, Linke und BSW fordern einen Bürgerentscheid. Diese drei Fraktionen haben zusammen 44 Sitze, 35 Stimmen reichen für ein Unentschieden, 36 für eine Mehrheit der 70 Sitze.


    Die Linke-Fraktionsvorsitzende Riekewald hat zu Protokoll gegeben, mit BSW und CDU könne sich die Linke „gut vorstellen, dass wir da gemeinsam ins Gespräch kommen“. Die drei hätten zusammen 32 Sitze.


    Die SPD kann sich den Erstplatzierten, aber auch den zweiten Platz ("Lichtermeer") vorstellen. Die Grünen unterstützen Platz 1 vorbehaltslos. Interessant wären ja noch die Positionen der anderen Stadträte, aber zu denen hat die LVZ offenbar keine Kontakte.

  • Man kann von dem Entwurf halten was man will (ich persönlich bin auch kein Fan - von gar keinem der Entwürfe). Aber ich denke, so etwas kann man gut und gerne doch wenigstens einmal die Bürger entscheiden lassen.

  • Ob das Europahaus oder St. Tetris als Teil des Leipziger Rings Vorzeigebeispiele brillanten Städtebaus sind, lasse ich mal dahingestellt. [...] Hinter diesen beiden Gebäuden sind jeweils furchtbare, unternutzte Stadträume in bester Lage. Genau das, was ich als städtebauliche und architektonische Tugenden genannt habe, fehlt dort ganz offensichtlich.


    Und ich trete auch dafür ein, dass kleinteilige Konzepte und Wiederaufnahme von vormodernen Bautraditionen nicht "asynchron" (gemeint ist wohl anachronistisch?) sind, sondern zeitlos und funktional. Und das zeigt sich ja auch in Dresden, wo jene wenigen Stadträume, wo man so geplant hat, einfach gut funktionieren. In Leipzig hat man vergleichsweise oft traditionell geplant und konnte weitestgehend auf einen bewahrten Stadtgrundriss aufbauen, deshalb funktioniert die Stadt auch so gut. [...] Was zu Leipzig passt, und was man in dieser Stadt haben möchte, darüber haben wir offenbar grundverschiedene Wahrnehmungen.

    [...]


    Ja gut, ich hatte ja nicht behauptet, dass das Europahaus und St. Trinitatis "Vorzeigebeispiele" seien. Obwohl ich sie gute Beispiele finde. Und hinter diesen beiden Gebäuden? Beim Europahaus wurde die Johannisgasse nach dem WK2 durch den DDR-Riegel Radisson geschlossen. Normalerweise führte der Blockrand bis zur Ringstraße. Das hat also nichts mit dem Europahaus und seiner Position zu tun. Beim Neubau von St. Trinitatis befindet sich bekanntlich ja noch eine Baustelle...


    Ja natürlich war hier anachronistisch gemeint und nicht asynchron - ein Schelm die Autokorrektur. Danke für den Hinweis! Der Anachronismus wäre für mich auch nicht eine vorstellbare kleinteilige Bebauung. Sondern eine die Schaffung einer Situation die es dort mindestens 150 Jahre nicht mehr gab. Und worauf sich Straßenverlauf und Blockränder nicht mehr beziehen sowie die Nutzung jene Kleinteiligkeit nicht rechtfertigt. Also mit der Unterbringung von Institutsbauten, öffentlichen Einrichtungen und Mensa etc. pp. wäre eine Kleinteiligkeit auf die Fassaden anzuwenden. Dahinter braucht es ja die Flächen.


    Ich denke die neuen Blockränder und die Frequenz an Personen werden dem Gebiet schon einmal wesentlich mehr Leben verleihen. Die Straßenflucht und Baumbestand in der Grünewaldstraße, vielleicht endlich mal eine Handlungsgrundlage für die Windmühlenstraße bilden. Eines der aufgeheizten Gebiete im öffentlichen Raum in der Kernstadt.

  • die Nutzung jene Kleinteiligkeit nicht rechtfertigt

    Jetzt hast du meinen Gedanken fast verstanden. Das Problem liegt bereits darin, dass es kaum Kleinteiligkeit der Nutzungen gibt. Man ordnet lauter Großstrukturen, noch dazu mehrere ähnliche Nutzungen, nebeneinander an. Zwei Forschungsinstitute, eine Fakultät, eine VHS und eine Musikschule. Natürlich werden dort viele Menschen verkehren. Ich sehe aber schon ein bisschen die Gefahr, dass die Stimmung auf dem östlichen Leuschner dem Biocampus auf der Technischen Messe (Institutsgebäude, Stadtarchiv, Hit-Markt) ähneln wird.


    Die LBW-Wohnungen werden auch Großgebäude sein, deren Bewohner sämtliche Bedarfe in der nahen Innenstadt abdecken können. Dass von denen allzu viel Lebendigkeit ausgeht, erwarte ich eigentlich nicht, die werden dort nur wohnen. Eine richtig gut gemachte Markthalle (woran ich nicht glaube) könnte der einzige für die Allgemeinheit interessante Anziehungspunkt mit Wirkung auf den Platz werden. Für VHS und Musikschule ist der Platz nur Transitraum. Das Naturkundemuseum wird unter der Erde liegen und auch nur geringe Wirkung auf die Bespielung des Platzes haben.


    Das alles bezieht sich auf den Ostteil. Im Westteil wird das mit den kleinteiligen Nutzungsmöglichkeiten im "Ökotopia" vermutlich anders sein. Hier bekommt auch das Museum eine pädagogisch nutzbare Freifläche. Aber das ist eben nur der halbe Platz. Auf dem Osten des Leuschners erwarte ich sehr wenig städtebauliche Kommunikation und Vernetzung.


    Als Trostplaster müssten die Großkubaturen zumindest architektonisch stark gegliedert werden. Nicht unbedingt durch mehrere Fassadenabschnitte, sondern durch detaillierte und abwechslungsreiche Fassadengestaltung. Da aber kaum ein Architekt dazu in der Lage und die Bauwirtschaft überhaupt nicht darauf eingestellt ist, bekommen wir weitgehend monotone Fassaden an lauter sehr großen Gebäuden. Diese Gebäude werden also nicht nur funktionell selbstbezogen sein, sondern auch noch ästhetisch abschreckend wirken. St. Tetris hat in dieser Hinsicht schonmal vorgelegt und Leibniz-Institut und Global Hub schicken sich an, nachzuziehen.