Wilhelm-Leuschner-Platz + Areal an der Nonnenmühlgasse

  • Ein nicht zu lösendes Problem bei der Sache ist die mangelnde Akzeptanz des Denkmals und insbesondere des Standortes Wilhelm-Leuschner-Platz. In den letzten Jahren nach dem ersten Desaster, war das Ziel, dieses Denkmal in der Stadtgesellschaft zu verankern. Meines Erachtens ist das nicht geschehen und die Mehrheit der Leipzigerinnen und Leipziger wünscht eine adäquate Gestaltung des Nikolaikirchhofes (Erklärungstafeln, ein sicher begehbares Pflaster und einiges mehr).


    Schade, dass es nun so kommen wird. Es sei den der Rat stellt sich im letzten Moment noch dagegen.

  • Erstens ist die Symbolik klassischer Denkmäler der Neuzeit heute verbraucht und nicht zu retten. [...] Die Abstraktionen, die heutige Entwürfe anbieten, funktionieren aber auch nicht.

    Ja und nein. Klassische Denkmale darf und soll es weiterhin geben und ich finde sie auch nicht verbraucht. Ein ganz und gar klassisches Beispiel ist das jüngst eingeweihte Grabmal für Caspar David Friedrich in Dresden. Das hat sehr viel Zuspruch gefunden. Auch die Figuren am Burgplatz erregen Aufmerksamkeit. Häufiger sieht man Leute nach oben schauen, die sich Mühe geben, den Bezug zu verstehen. Auch der "Jahrhundertschritt" von Mattheuer ist ein eher klassisches Denkmal, obwohl gar nicht als solches konzipiert, und sehr bekannt und beliebt.


    Mir fallen eigentlich fast nur klassische, ältere Denkmäler ein, wenn ich im Gedächtnis eigentlich nach gelungenen abstrakten Beispielen suche, obwohl ich das Gefühl habe, mir sollte etwas einfallen. Irgendein modernes Konzept wird mich doch bestimmt mal überzeugt haben. Aber immer wieder biege ich gedanklich zu missratenen Exemplaren ein: das Goerdeler-Denkmal? Das Goldene Ei? Die Synagogen-Gedenkstätte? Die Panzerketten in Leipzig oder Dresden? Alles bestenfalls unbeachtet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin? Wohl das beste, was bei der Unmöglichkeit der Aufgabe herauskommen konnte. Aber gerade wegen dieser Unmöglichkeit auch irgendwie sehr daneben.


    Die Stolpersteine sind umstritten, funktionieren nach meiner Wahrnehmung aber hervorragend, weil sie eine sehr persönliche Nähe zur Geschichte herstellen. Dadurch repräsentieren sie durchaus eine modernisierte Auffassung von Denkmal. Andererseits folgen sie auch einem traditionellem Konzept, dem der Gedenktafel, nur eben am Boden.


    Hat jemand gelungene Beispiele für vollkommen abstrakte Denkmäler? Das für die unterdrückte 1956-er Revolution in Budapest kenne ich nur von Fotos, finde es aber beeindruckend und aussagekräftig:

    GA Budapest | STAHL STATT STALIN (ga-budapest.net)

    Abstrakt Denkmal Für Freiheitskämpfer In Budapest, Ungarn Lizenzfreie Fotos, Bilder und Stock Fotografie. Image 40905591. (123rf.com)


    Zweitens, weil das zu erinnernde Ereignis politisch zu umstritten ist, als dass man sich auf eine ästhetisch-symbolische Interpretation einigen könnte.

    Das wiederum glaube ich nicht. Natürlich ist ein politisches und nah zurückliegendes Groß-Thema wie 1989 und Deutsche Einheit schwierig und provoziert daher eher Kritik.


    Die Denkmäler auf dem Nikolaikirchhof, vor allem die Säule, sind meines Wissens aber sehr gemocht und unumstritten. Übrigens wurde sie, das wusste ich auch noch nicht, zu zwei Dritteln aus Spenden finanziert. Spenden einzuwerben, ist meines Erachtens ein geeignetes Mittel, um herauszufinden, wie gut eine Idee in der Bevölkerung ankommt.


    Wenn man sich von der Vorstellung löst, dass nur ein nutzloses Etwas ein Denkmal sein kann, lässt sich auch das umgebaute Reichstagsgebäude als Denkmal der deutschen Einheit verstehen, mitsamt der Verhüllung durch Jean-Claude und Christo. Und zwar als eines, das heute unumstritten ist, trotz damaliger Diskussionen.


    Bei den frühen Montagsdemos gab es kaum Transpis, das stimmt. Damals fürchteten die Leute noch die "Chinesische Lösung". Für die späteren Demos (aus der kurzen Ära Krenz und danach des Runden Tisches) waren Spruchbänder und Schilder mit wütenden, oft aber auch witzigen Parolen ein zentraler Bestandteil.

    Ja, aber bei den späteren Demos hatte man auch nichts mehr zu riskieren. Der ungeheure Mut der ersten Demonstranten ist denkmalwürdig!


    Würde man die Transparente einfach als Denkmal für Meinungsfreiheit deklarieren, wären weder der Standort Leuschnerplatz, noch der falsche historische Bezug, noch die mangelnde Monumentalität problematisch. Aber als Denkmal für 1989 geht das einfach nicht.

  • Über das Völkerschlachtdenkmal kann man denken, was man will: aber fast jeder kennt es. Rund 300.000 Menschen besuchen es jährlich und setzen sich damit auch mit dem historischen Ereignis auseinander. Die Größe des Denkmals gibt intuitiv eine Vorstellung von der Bedeutung der Völkerschlacht. Die Initiative zum Bau ging von einem Verein aus und es wurde viel dafür gespendet, ebenso für die Sanierung.


    Das alles wird man über die Cocktailfähnchen nicht sagen können.

    Mit dem Geld kann man aber das bestehende, großartige Denkmal Nikolaikirchhof oder auch die Runde Ecke ertüchtigen.

    Das klingt mir doch sehr nach: "Heute ist in 25 Jahren die schönste Zeit...". Das Völki war in seiner Zeit nicht unumstritten. Vom Erbauer bis zur Idee. Es gibt einen spannenden Artikel von Joseph Roth (aus den 1920er meine ich) zum Denkmal. Sein Fazit: eine "gewalttätige Sinnlosigkeit" und "historisierender Alpdruck". Vielleicht wird die Äußerung "Cocktailfähnchen" in 100 Jahren auch belustigt zitiert.

    Auch wenn es nicht ums Völki geht, ist es doch eine gute Referenz und auch wenn ich es beeindruckend finde, ist es ein negativ Beispiel für demokratische Denkmäler (außerdem möchte ich auch ein paar Sachen richtig stellen). 300'000 Menschen besuchen es. Schön! Und nu? Die Größe gibt mitnichten Eindruck von der Bedeutung der Schlacht, sondern lediglich einen Eindruck davon, was die Menschen als bedeutend empfanden, oder schlimmer noch was man wichtig machen wollte. Viel wichtiger und international bekannter ist Waterloo und mit 90'000 Toten nah an Leipzig. Ihr kennt sicherlich alle das große Waterloo-Denkmal? Nein?

    Wie viele davon sehen also dieses Kriegsdenkmal kritisch und als deutsche Übertreibung der eigenen Geschichte? (Immerhin verkörpert es als "Ruhmesmal für das deutsche Volk" die Lüge, dass die deutschen Truppen Napoleon geschlagen hätten). Was lehrt es uns über Demokratie? Clemens Thieme hat über die Gestaltung des Koloss' fast alleine entschieden. Der Verein wurde von Thieme für sein Denkmalsprojekt angestoßen und hat lediglich die Mittel eingetrieben. Die völkische Idee kommt mMn. obendrein noch klar hervor (die Figuren "Volkskraft", "Opferbereitschaft", ...) Und es bedient einfachste Mechanismen: Groß, einfache Formsprache, massiger Eindruck durch Granit. Bisschen Kirchenatmosphäre hier, tolle Aussicht dort. Diese plumpe Überzeugungskraft des Völki funktioniert natürlich bis heute. Und ja es ist eine architektonische Meisterleitung und natürlich beeindruckend. Doch weder finde ich das schön noch ansatzweise erstrebenswert für eine Demokratie. Im Gegenteil, eigentlich sollte genau das die Lehre aus solchen Denkmälern sein: Seid kritisch mit Denkmälern, vor allem (!) wenn sie groß sind. Das nehmen wohl die wenigsten der 300'000 Besucher mit nach Hause. Wohl im Gegenteil eher mit einem "Früher war alles größer und besser"-Gefühl.

    Und genau das hat die Ausschreibung des Freiheits- und Einheitsdenkmal auch mit der Festsetzung der Mittel von 5 Mio zu verhindern gewusst. Man kann sich sicher um die politische Idee des Völki und der Personen Thieme, Schmitz und Co streiten, doch unstrittig ist, dass es Projektionsfläche für beide Diktaturen bot. Ganz ohne Änderung der Bausubstanz. Da wird mit dem Freiheitsdenkmal definitiv anders sein. Schon jetzt sehen wir, wie die "Freien Sachsen" und andere rechte Gruppen die Montagsdemo erinnerungspolitisch für sich nutzen. Ihre Schilder lassen wohl aber keinen Platz für Meinungsfreiheit und freie Denkanstöße.

    Ich möchte auch nicht in die Haltung kommen den Entwurf zu verteidigen, da ich selbst ambivalent dazu bin. Doch ich finde, die Art und Weiße ("Cocktailfähnchen" und "ein Schlag ins Gesicht") der Diskussion etwas sehr aufgebracht. Ich frage mich, was die Erwartung war?

    An die Verteidiger der Nikolaisäule: Sie ist ein eindeutig christlicher Verweis und daher unzureichend. Denn auch wenn die Nikolaikirche eine wichtige Rolle gespielt hat, kann sie nicht pars pro toto für die Gänze der friedlichen Revolution stehen und wohl auch nicht für ein "Freiheits- und Einheitsdenkmal".

    Aber immer wieder biege ich gedanklich zu missratenen Exemplaren ein: das Goerdeler-Denkmal? Das Goldene Ei? Die Synagogen-Gedenkstätte? Die Panzerketten in Leipzig oder Dresden? Alles bestenfalls unbeachtet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin?

    Ich widerspreche vehement (Das Ei mal ausgenommen).

  • Der Entwurf "Banner, Fahne & Transparente" törnt auf den ersten Blick enorm ab. Ernüchterung liest sich ja hier auch aus vielen Kommentaren heraus. Ich habe ein paar Tage gebraucht, um am tiefsten Punkt der Enttäuschung einen Stimmungswandel hinzubekommen: es muss Teil der Strategie der beteiligten Architekten & Künstler sein, mit so wenig Versprechen wie möglich anzufangen, um für das weitere Verfahren das Momentum auf der eigenen Seite zu behalten.


    Mit dem ersten Wohlwollen kamen Erinnerungen an Christos Projekt "The Gates", das 2005 im New Yorker Central Park umgesetzt wurde.


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    https://en.wikipedia.org/wiki/…s#/media/File:Gates_f.jpg



    Bekommen wir so etwas? Als wehende Fahnen und Transparente mit Windschlitzen??



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    https://en.wikipedia.org/wiki/…k_City_LCCN2011633978.jpg



    Von Bannern gesäumte Wege, die sich auch in andere Leipziger Gegenden verlaufen können?



    Wie herrlich, wenn es wahr würde, und das das himmlische Kind die Einladung annähme...

  • 2030? 🤣


    Quelle honte !


    Zum Glück bin ich regelmäßig in Städten wie Dijon, Narbonne oder auch Béziers und kann in den dortigen Markthallen regionale Produkte kaufen und Einkaufskultur genießen.


    Leipzigs Innenstadt ist immer mehr verzichtbar. Leider. Um meine Heimatstadt tut es mir nur noch leid... Vor allem wenn man aus Frankreich zurück kommt, spürt man das sehr heftig.


    Da passt es vollkommen ins Bild, die hiesige Markthalle weiter zu verzögern... Und mal ehrlich. Bis 2030 findet man auch Gründe, den Baubeginn auf 2040 oder später zu schieben...


    Meine Generation wird es nicht mehr erleben, dass Leipzig wieder eine Markthalle bekommt!

  • Das Datum hatten wir schon im April diskutiert.


    Es wird doch daran gearbeitet, die erhoffte Einkaufskultur zu stärken, insofern verstehe ich die Kritik nicht so ganz. Was machen die genannten französischen Städte denn besser, außer dass ihre Markthallen vielleicht nicht zerstört wurden und keine sozialistische Diktatur zu bewältigen war? Dresden hat seit etlichen Jahren eine Markthalle, die interessantere Einkaufsstadt ist es trotzdem nicht.


    Immerhin gibt es nun ein in Teilen noch etwas vages Bauherren-, Betreiber- und Finanzierungskonzept. Das komplette Gebäude soll in städtischer Regie gebaut und wohl auch betrieben werden. Für ersteres ist das Kulturreferat verantwortlich, das mir schon jetzt mit einigen seiner Aufgaben überfordert scheint. Auch Dienberg hat in dessen Richtung schon Kritik geäußert, weil es nicht mit der Konzeption für das "Forum für Freiheit und Bürgerrechte" vorankommt. Umgesetzt wird laut Vorlage der komplette Bau dann von der LWB.


    Betreiber sollen dann sein: LWB (Wohnungen), LGH Leipziger Gewerbehof GmbH (Musik- und Volkshochschule) und Marktamt (Markthalle). Für letzteres käme auch eine private Firma infrage.


    Ein Architekturwettbewerb soll nächstes Jahr abgehalten werden. An die versprochene "herausragende Architektur" glaube ich ohnehin erst, wenn ich sie vor mir sehe, in dieser Gesamtkonstellation aber noch weniger.


    Der Stadtrat muss diesem Vorgehen zustimmen. Ich würde mir durchaus wünschen, dass die Wirtschaftlichkeit und die erzielten Effekte hinterfragt werden. Wenn man sich aber entscheidet, das ganze durchzuziehen, dann gehen keine halben Sachen. Dann muss wirklich rangeklotzt werden.

  • ^^


    In Dresden sieht die Markthalle auf Bildern eigentlich wie ein Rewe aus, der in ein Industriegebäude gezogen ist.

  • Vielen Dank für diesen qualifizierten Kommentar!


    Die Dresdener Markthalle ist kein Industriegebäude, sondern seit ihrer Erbauung 1899 eine Markthalle. Der architektonische Glanz der Bauzeit wurde durch Restaurierungen und Rekonstruktionen auch für unsere Zeit bewahrt. Von einst 229 Händlern ist deren Zahl auf heute nur noch 16 geschrumpft. Dennoch könnte sich Leipzig mehr als glücklich schätzen, eine solche Markthalle zu haben!


    Besitzer, Betreiber und wirtschaftlicher Kern der Halle ist der Dresdner Konsum. Das wird in Leipzig wohl ganz ähnlich laufen, zumindest war es so im Gespräch. Die obere Etage wird für ein Fitnessstudio und für Antikmärkte genutzt. In Leipzig werden dort VHS und Musikhochschule angesiedelt sein.


    Wenn konkrete Ideen vorhanden sind, wie man in Leipzig die Architektur und Nutzungen von Markthallen wie in Dijon, Narbonne oder auch Béziers etablieren kann, gern her damit! Ich vermute, der Leipziger Bedarf an derartigem ist durch u. a. Macis, Gourmetage und Wochenmärkte bereits gedeckt. Und zu einem Flair wie 1890, das ganz wesentlich Kunden und damit Händler anzieht (siehe Macis, Gourmetage), sind Wettbewerbsbüros und Architekturjurys auch 2025 nicht in der Lage, sorry.

  • Zunächst der Hinweis auf die Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge ab morgen im Hansahaus,

    Ende ist bereits am 15.11., die Modelle sind auch vor Ort.


    Zum "Lichtfest" waren sie bereits in der Uni zu besichtigen:


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    Der Andrang war überschaubar, den gelegentlich abgegebenen Kommentaren nach hielt sich auch die Begeisterung der Besucher in Grenzen...


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    Hier noch einige Bilder und Erklärungen zum 1. Platz:


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    größeres Bild Text zum Entwurf


    Benjamin Hossbach (Wettbewerbsbüro):

    "Alle 32 Entwürfe waren brilliant. Das Jurygericht war geflasht."

    :drink:


    Während Berlin mit ner billigen Wippe abgespeist wurde, hätte in Leipzig eine Rutschbahn für Spaß bei Groß und Klein sorgen können:


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    ...oder auch:


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    Ein Stuhlkreis! ...denn: Die Demonstranten sind im Kreis gegangen und waren danach so müde, dass sie sich erstmal setzen mussten.


    Die kürzeste Verbindung zwischen Halloween und Einheitsparty:


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    Eine 7 Meter dicke Kugel aus...


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    (2 Praktikant_Innen bei der Erstellung des Modells. Bildquelle Hectonichus)


    Die Kugel erinnert eindrücklich daran, wie sich 70.000 Menschen zusammenfanden,

    um den Mist der letzten 40 Jahre aus der Stadt und dem ganzen Land hinaus zu rollen...

    Brilliant!


    Bei einem weiteren Modell ist auch an eine Ablagestelle für Mumien gedacht...


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    ...oder Selfies vor ein paar Betonblöcken:


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    ...jetzt bin ich auch geflasht! :cool:


    Ein Probebanner wurde wohl schon versuchsweise auf dem Leuschnerplatz aufgestellt.


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  • Ein Probebanner wurde wohl schon versuchsweise auf dem Leuschnerplatz aufgestellt.


    lf89snpa.jpg

    Spannend ist doch, dass die Vorderseite nicht beklebt ist... ?

    M.A.n. scheint es also Unterschiede zu geben, was beklebt wird und was nicht. Wenn ich an Leipziger Straßenschildern, Erinnerungstafeln und Denkmälern vorbeilaufe, habe ich nicht das Gefühl, dass die von oben bis unten beklebt, beschrieben und besprüht sind. Ich glaube, hier wird wieder mal heißer gekocht als gegessen. Sicherlich werden Leute die Flächen bekritzeln, ich bin nicht naiv. Aber es wird sicherlich nicht wie die Rückseite eines Straßenschildes aussehen... find ich nen recht "populistischen" Vergleich.

  • Ich war beim Lichtfest auch eine ganze Weile im Paulinum und habe mehrere Leute aktiv angesprochen. Es war niemand, niemand in Reichweite, der den Siegerentwurf überzeugend gefunden hätte (oder auch einen anderen). Zufällig habe ich auch die Leute von der durchführenden Stiftung Friedliche Revolution belauscht, wie sie sich darüber unterhalten haben, dass sie auch "fast nur negative Rückmeldungen" erhalten hätten. Sie wirkten erschöpft und ratlos. Man redete sich Mut zu, dass man ja nicht wisse, welche Haltung jene Besucher hätten, die sich nicht geäußert hätten, vielleicht würden von denen einige die Sache positiver sehen. Ich bin mit den Stiftungs-Menschen dann auch noch ins Gespräch gekommen und habe meinen Eindruck bestätigt bekommen. Thomas Dienberg und Landeskonservator Alf Furkert sind gemeinsam durch die Ausstellung gegangen und Dienberg meinte, das demokratische Lager im Stadtrat müsse jetzt einfach mal zusammenhalten (oder so ähnlich). Vielleicht verläuft der Unsinn doch noch im Sande, es wäre vernünftig.

  • wobei man konstatieren muss, dass die Ablehnung bei vielen Leipzigern darauf fußt, dass der Leuschnerplatz als Standort als unpassend empfunden wird. Egal, wie ein Denkmalkonzept auch immer aussieht.

  • Ganz treffend drückt der Dok-Film "Gut Ding will Weile haben" die Sache aus. Die Initiatoren der Nikolaisäule diskutieren Themen und Meinung, die hier im Forum wenig zum Tragen kommen. Sie sagen, bei diesem Freiheits- und Einheitsdenkmal geht es nicht in erster Linie um den Herbst 89, sondern um die Selbstermächtigung als demokratisches Element. Das darzustellen, dass es den Zeitzeugen gefällt, sei beinahe unmöglich. Wir seien zu nah an den Ereignissen dran. Und der Deutsche meckert ja eh immer gern.

    Weiter heißt es im Gespräch der Beiden, die selbst Zeitzeugen sind, dass genau diese Zeitzeugen das "Problem" beim Prozess seien, da sie denken sie hätten besondere Rechte im demokratischen Prozess der Denkmalsgestaltung, weil sie im Herbst 89 dabei waren. Darüber sind sie sich uneins und diskutieren über diese These auch. Aber ich denke da ist durchaus was Wahres dran.

    Es erinnert mich an das berühmte Zitat von Claude Lanzmann: Zeitzeugen sind zugleich Fluch und Segen der Geschichtsschreibung.


    Auch wenn ich mich wiederhole. Clemens Thieme hatte all diese Probleme nicht mit dem Völkerschlachtdenkmal. Zudem: Heute beschwert sich niemand, dass die Straße-des-18.-Oktobers kein Schauplatz des Datums und dass auf dem Areal des Völki gar nicht das Schlachtfeld war. Vom "Albdruck" ist keine Rede mehr.


    Mich nervt das Rumgemecker allmählich. Hier ein Bild von der Rückseite eines Straßenschildes, da der Vergleich mit Cocktailfahnen. Beim Herbst 89 gabs ja angeblich keine Transparente. Der demokratische Bürgerentscheid zum Standort wird als "Farce" bezeichnet. Und hier im Forum vom Unsinn gesprochen...

    Oder doch eine "gewalttätige Sinnlosigkeit"? Wirklich konstruktiv sind hier kaum Beiträge. Man will das Denkmal einfach "nicht mögen". Und nun baut man sich darum eine nicht sehr stichhaltige Beweislage. Ja gut und nun? Hilft ja auch niemanden weiter, sich die Wahrheit zurechtzurücken, während die Neuen Rechten (mit wöchentlichen Montagsdemos) sich die Erinnerungskultur politisch längt angeeignet haben.

    Neutrale, ausgewogene, ich möchte fast sagen demokratische Recherche fehlt leider in der aktuellen Diskussion ums Denkmal - auch in diesem Forum. Schade eigentlich.

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  • Das neue Denkmal bezieht sich nun einmal auf 89, da darf es dann nicht wundern, wenn die Zeitzeugen sich zu Wort melden und das auch mit emotionaler Involviertheit. Das indirekt als "Fluch" zu bezeichnen, ist arg. Ich habe es schon geschrieben: wäre es einfach ein "Denkmal für die Meinungsfreiheit", würden die Kosten immer noch kritisiert werden, die städtebauliche Einordnung und das Design diskutiert werden, aber inhaltlich würde es kaum jemanden jucken.


    Beim Nikolaikirchhof stimmten Ort, Symbolik, künstlerischer Entwurf und Entstehungsgeschichte. Die Bevölkerung war zu Spenden aufgerufen und spendete auch. Dein in #843 erhobener Einwand, die Nikolaisäule sei "ein eindeutig christlicher Verweis und daher unzureichend", ist vollkommen konstruiert. Damit hat doch niemand ein Problem, und das wäre auch extrem albern, schließlich spielten die Kirchen in der DDR eine entscheidende, vielleicht sogar die wichtigste Rolle.


    Hingegen gab und gibt es beim neuen Denkmal viele grundsätzliche Fragen, Zweifel, die bewusst übergangen werden. Damit fängt man sich dann eben andauernde Kritik ein.

    bei diesem Freiheits- und Einheitsdenkmal geht es nicht in erster Linie um den Herbst 89, sondern um die Selbstermächtigung als demokratisches Element

    Das wäre glaubwürdiger, wenn es einen "Bottom-up"-Prozess für dieses Denkmal gäbe. Ich sehe nur politische Beschlüsse mit dem hauptsächlichen Motiv, in einer unsinnigen Konkurrenz zu Berlin etwas für Leipzig herauszuschlagen. Gleichzeitig wird behauptet, es gehe nicht um Leipzig, sondern um den ganzen Osten und ganz Europa oder sogar um die ganze Welt. Man veranstaltet dies und das und freut sich über die tollen Beteiligungsmöglichkeiten mit dem Charakter von Feigenblättern. Wenn dann bei der Ausstellung im Paulinum viele Leute ihre grundsätzliche Ablehnung auf die Zettel schreiben, die für einen anderen Zweck dort lagen, und in die Box der Stiftung einwerfen, wird das mit dem Satz "das ändert nichts mehr" quittiert. Vielleicht ist es bei diesem Thema wirklich mal an der Zeit für Selbstermächtigung.

  • Dein in #843 erhobener Einwand, die Nikolaisäule sei "ein eindeutig christlicher Verweis und daher unzureichend", ist vollkommen konstruiert

    Zitat Stadt Leipzig: "Ausgehend von den Friedensgebeten in der Nikolaikirche eroberte 1989 der Protest den öffentlichen Raum. Eine mit Palmwedeln gekrönte Säule aus dem Kirchenschiff ist auf dem Platz nachgebildet worden. Das Projekt des Leipziger Künstlers Andreas Stötzner trägt den Gedanken des Aufbruchs symbolisch aus der Kirche hinaus."

    Ich weiß nicht, ob ich hier etwas "konstruiere". Ich dachte immer Kirchen wären christliche Orte... In dem von Dir erwähnten #843 spreche ich auch ganz klar von der Bedeutung der Kirche! Und sie findet in dieser Säule einen angemessenen Ausdruck.


    ABER: Die Protestwelle 1989/90 in der DDR wurde von den Bildern des Leipziger Rings beeinflusst und kam nicht in erster Linie von den örtlichen Kirchen (bspw. in Aue und Schwerin) und schon gar nicht allein von DER einen Nikolaikirche. "Ausgehend" heißt eben nicht "die Revolution". Weder hat die Nikolaikirche die Montagsgebete erfunden, noch war sie die einzige Kirche in Leipzig oder in der DDR, die ihren Raum für politischen Protest angeboten hat. Ich bleibe dabei: Die Nikolaikirche ist kein Denkmal für die Friedliche Revolution. Sie ist ein Denkmal für die Rolle der Kirchen in der Wendezeit 1989/90, aber kein Freiheits- und Einheitsdenkmal.


    Es heißt ja auch (auch hier wiederhole ich mich) nicht "Denkmal des 9. Oktober". Dass mir die Worte im Munde verdreht werden, steht symbolisch für den Charakter der gesamten Diskussion: Aus "Das erinnert mich an ein Zitat von ... dass Zeitzeugen Fluch und Segen der Geschichtsschreibung seien" wird "Du bezeichnest Zeitzeugen von 89 indirekt als Fluch", naja! So viel zum Thema Framing und "sich seine Wahrheit zurechtrücken".


    Wie viel Bottom-up ist genug? Reichen Bürgerentscheid und Vermittlung durch die Denkmalwerkstatt nicht aus? Sollen die Bürger zu Architekten werden und das Denkmal selbst entwerfen? Deine Kritik ist insofern richtig, als es auf den ersten Blick einen Widerspruch zwischen dem Standort Leipzig und dem Anspruch der Reichweite gibt. Ist die Wippe "vor" dem abgerissenen Palast der Republik repräsentativ für die Wiedervereinigung? Nein, denn es fehlt gänzlich der Charakter, dass die Bevölkerung die SED mit Füßen abgewählt hat.


    Denn auf den zweiten Blick merkt man, dass die Selbstermächtigung der Leipziger (Stichwort: Freiheit) genauso eine europaweite Ausstrahlung verdient hat wie der Mauerfall in Berlin (Stichwort: Einheit). Berlin steht eben nicht für dieses Momentum des Risikos für die Freiheit am 9.10. auf die Straße zu geben (die meisten kamen von zu Hause, nicht aus der Nikolaikirche). Berlin steht eben für das des Einreißens der Mauer am 9.11. als Schritt zur Einheit. Das sind zwei unterschiedliche Perspektiven der beiden Freiheits- und Einheitsdenkmäler auf die Ereignisse innerhalb eines Monats. Der Standort Leipzig erzählt im europäischen Kontext etwas anderes als Berlin. Insofern unterscheidet sich das Einheitsdenkmal vom Freiheitsdenkmal. Erst kam die Freiheit, dann die Einheit.


    Mag sein, dass Leipzig ursprünglich "eifersüchtig" auf Berlin war. Keine Ahnung, wie haltbar das ist, wenn mehrere ostdeutsche Politiker sich 2007-2008 dafür eingesetzt haben und knapp 80 Prozent der Leipziger und 70 Prozent bundesweit das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal am Standort Leipzig befürworten (Tagesspiegel, 2018). Vielleicht täuscht mich mein konstruierender Blick, aber klingt so, als wäre das Denkmal nicht nur aus einer "unsinnigen Konkurrenz zu Berlin" entstanden, sondern drückt Wünsche der Bürger aus. Aber, was weiß ich schon...

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  • Webcam pic von gestern - beim Leibniz ist die Bodenplatte zur Hälfte fertig, und auch beim benachbarten Global Hub scheinen die Tiefbauarbeiten voranzuschreiten:


    xdzlurm9.jpg

    ©ifl


    Ein Luftbild vom MDR Tower hat die L-IZ am Start.