Leipzig: Wilhelm-Leuschner-Platz + Areal an der Nonnenmühlgasse

  • Im Radio habe ich gehört, dass die Teile tatsächlich weiß sein sollen, nicht silbern.


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    Bild: Hansjoachim Wuthenow

    Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von ZILA Architekt.innen


    ...es werden völlig beliebige Elemente herausgegriffen, die auf so ziemlich jeder Demo zu finden sind, bspw. auch auf diesen:


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    Banner, Fahnen, Transparente... yeah,yeah,yeah. :nono:


    In Bezug auf den Wendepunkt 9. Oktober in Leipzig ist diese Auswahl besonders absurd, weil diese Demo eben gerade nicht durch die massenhafte Verwendung von Transparenten geprägt war.


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    Start am Nikolaikirchhof (auch alle weiteren Bilder vom 9. Oktober 1989)


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    Augustusplatz usw.


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    Auf diesen Bildern kann ich nichts entdecken, was in irgendeiner Form mit dem Entwurf für das Leipziger Freiheits-Denkmal zu tun haben könnte.



    ZILA-Architekten ist offenbar nicht bewusst, dass derartige Transparente erst später in größerem Umfang auf den Demos zu sehen waren, vorher fiel die Reaktion der Stasi so aus:


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    Das wesentliche Merkmal der Demo am 9. Oktober waren nicht Unmengen an Plakaten, sondern die große Anzahl an Menschen, die sich weitgehend unabhängig voneinander an diesem Tag zusammengefunden hatten und ihren Protest gegen den SED-Staat vor allem durch spontane Sprechchöre und Gesänge deutlich gemacht haben.


    Statt darauf in irgendeiner Form einzugehen, suggeriert dieser Entwurf, dass es sich um eine ganz gewöhnliche Demo gehandelt hat, bei der die Teilnehmer ungestört ihre Plakate vorbereitet und zur Demo transportiert haben, um sie dort präsentieren zu können...


    Dass das damals eben nicht so einfach möglich war und jederzeit die Gefahr bestand, dass die Demonstranten gewaltsam gestoppt werden, um nach chinesischem Vorbild "den Spuk ein für alle mal zu beenden", wird komplett ausgeblendet. Diese Ignoranz im Hinblick auf die Ereignisse am 9. Oktober und die Atmosphäre auf der Demonstration ist schwer erträglich und man fragt sich, was für ein Geschichtsbild hier vermittelt werden soll?


    Die ästhetischen Qualitäten des Entwurfs sind mindestens zweifelhaft, je nach Ausführung kann es auch an zum Trocknen aufgehängte weiße Wäsche auf einer Wiese erinnern... Sicher ist hingegen, dass - wie bereits angesprochen - dieses Denkmal sehr schnell von Idioten aller Art beklebt und beschmiert werden wird und die Stadt hier, wie auch an anderer Stelle, nicht in der Lage ist, dieses Problem zu lösen.


    Zusammengefasst: inhaltlich völlig beliebig bzw. unpassend, gestalterisch fragwürdig und mit erheblichen Folgekosten für Reinigung usw.

    aber ansonsten ganz klar der neue "Eiffelturm" für Leipzig. :59:


    Der 2. Platz scheint wenigstens ästhetische Qualität anzubieten


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    © Hansjoachim Wuthenow


    ...und wenn sich unter den übrigen Entwürfen nicht doch noch etwas besonders gelungenes findet, wäre es wohl am besten, diese Farce zu beenden und die verbliebenen Millionen für die Unterstützung von Geschädigten des DDR-Regimes zu verwenden.


    Frohen Feiertag!



    PS: ich möchte nur mal wissen, warum bei directupload manche Bilder sinnfrei verdreht werden... :nono:

  • ^vor dem Hintergrund scheint der Entwurf noch absurder. Eine Erinnerungstafel für einen Bruchteil des Geldes hätte es sicher auch getan. Diese Gebilde werden in Kürze sicher nebst Schmierereien und Pinkelecken sicher auch von Vögeln mit ihren Hinterlassenschaften verziert. Mich erinnert das ein wenig auch an diese Baulücke am Lindenauer Markt mit den vielen Schildern. In meinen Augen auch eine absolute Geldverschwendung.
    Man kann hier nur noch mit dem Kopf schütteln.

  • Ich finde die stählernen Transparente im Entwurf eigentlich ganz hübsch und kann mir vorstellen, dass sich bei verschiedenem Licht interessante Perspektiven drauf ergeben. Die Parkplatz-Schilder am Lindenauer Markt ("Stattpark") fand ich übrigens auch super. Die regten wirklich zum Nachdenken an und waren sehr bekannt.


    Trotzdem bin ich auch der Meinung, dass die selbstgesteckten Ziele mit diesem Denkmal nicht erreicht werden:

    • an die entscheidenden Demonstrationen in Leipzig zu erinnern
      • falscher Ort
      • falsche Symbolik
    • zum Nachdenken über die deutsche Einheit anzuregen ("Freiheits- und Einheitsdenkmal")
    • ein intuitiv verständliches Denkmal zu errichten
    • ein europaweit beachtetes Denkmal zu errichten
    • die Kritik durch einen rundum überzeugenden Entwurf und ein anderes Verfahren kleinzuhalten

    Wenn drei dieser hohen Ziele erreichbar wären, wäre das schon ein großer Erfolg. Ich vermute jedoch, dass sie alle verfehlt werden. Vielleicht fällt die Kritik wegen allgemeiner Ermüdung leiser aus und auch, weil der Entwurf gefälliger ist als im ersten Anlauf. Aber ich kann es verstehen, sollten sich Leute, die damals mitgelaufen sind, veräppelt fühlen. Und die sind sehr stolz auf 1989 und werden sich bestimmt zu Wort melden, auch wenn das - offiziell klargestellt - nicht gewünscht ist.

  • Mir gefällt keiner der eingereichten Entwürfe - auch wenn ich mich nicht berufen fühle, darüber zu entscheiden. Als die Mauer fiel, saß ich in meiner Studentenbude in Hannover vor dem Fernseher.


    Bei den Transparenten des Siegerentwurfs kann man vermutlich jeden Tag diverse Parolen übermalen und das Denkmal berücksichtigt nicht die Masse der Menschen, die sich damals auf die Straße getraut haben.

  • Ich finde den Siegerentwurf null innovativ ja geradezu einfallslos und hatte eher mit einem verkopften Konzept gerechnet (mir aber nicht gewünscht, bitte nicht falsch verstehen). Da stehen also nun 50 übergroße Bannerimitate mitten in der zukünftigen Grünanlage und verstellen nun noch mehr die Sichtachse zur Stadtbibliothek. Schade auch um die (Liege)Wiese wenn es denn so kommt. Ich kann mir vorstellen, dass man dieses monochrome Sammelsurium an gleichen Installationen in Verbindung mit den Bäumen und Sträuchern recht schnell als Störquellen empfindet. Gut möglich, dass irgendwann mal die Diskussion aufkommt die Anzahl zu reduzieren.

  • Ich kann mich der Kritik nur anschließen. Dieser Entwurf ist komplett banal und vorbei an dem, was es zeigen soll. Auf den Demos sah man kaum Flaggen, Fahnen und sonstige Banner.

    Es wäre besser, dieses Theater zu beenden und auf weitere Geldverschwendung dafür zu verzichten.


    Die angesprochene Sache mit der Zerstörung und Verschmutzung ist sicher sehr sehr relevant...

  • Hier noch ein Beitrag im Deutschlandfunk Kultur.

    Zweiter Anlauf: Neuer Entwurf für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig (deutschlandfunkkultur.de)


    Zusätzlich zu den Bannern werden noch Datumsangaben aus Aluminium in den Boden eingelassen, welche für Wegmarken der Revolution stehen. Nur Daten ohne Erläuterung?


    Platz 2 sei eine "in den Boden abgesenkte Schale aus spiegelnder Keramik und Metall, die den Sternenhimmel reflektieren soll". Das ist größtmöglicher Unsinn. Platz 3 sei "ein "dreidimensionaler, begehbarer Schriftzug".


    Der Juryvorsitzende Kjetil Thorsen wird mit folgenden Worten zitiert:

    "Wir sind nicht mehr damit zufrieden, dass große, monumentale Werke, Einzelwerke, die nur auf sich schauen, symbolisch da stehen, sondern wir wollen assoziative Werke, wir wollen Werke, die uns irgendwie berühren, um uns selbst weiterzuentwickeln oder über Geschichte, Zukunft zu überlegen.


    Das ist mal wieder typisch Architekturjury, die "nur auf sich schaut".

    Sorry, aber ein authentischer, greifbarer, aber auch monumentaler Ort wie die Nikolaikirche oder das Brandenburger Tor leistet dieses assoziative Moment unendlich besser. Ich verstehe diese immer wieder geäußerte Abschätzigkeit nicht, die Nikolaikirche sei ja "nur" ein Leipziger Ort, nichts mit der internationalen Strahlkraft, die man sich durch die Installation wünscht. Mit Verlauf, Musikliebhaber kommen wegen der Thomaskirche und dem Bachfest nach Leipzig und nicht wegen dem Bachdenkmal. Und gleiches gilt für Nikolaikirche und Lichtfest, welche die 5-Mio.-Installation an Anziehungskraft hundertfach ausstechen.


    Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr ärgere ich mich. Obwohl mir der Entwurf aus ästhetischer Sicht, wie gesagt, ganz gut gefällt.

  • Ich muss unwillkürlich an das neue "Luther-Melanchthon-Denkmal" denken. Da kam auch Stuss raus, aber mit genau gegenteiliger Begründung. Mehr Reduktion und einfach nur dastehend geht da kaum.


    Vielleicht sollte es Leipzig einfach lassen. Denkmale sind offensichtlich zu schwer für die Stadt.

  • Für mich ist am Siegerentwurf eigentlich nur spannend, ob CHEMIE, Lok oder eine vom Fußball gänzlich unabhängige Graffiti-Gruppe die Hoheit über die Banner erlangen werden. Dem Ordnungsamt und den Malern vor RB räume ich nur Außenseiterchancen ein.

  • ^ Es ist vlt. auch einkalkuliert bzw. sogar gewünscht, dass sich Leute darauf verewigen allerdings wird das Ganze sehr schnell sehr schäbig aussehen, wir kennen ja den Hang zur Dekoration in der Stadt. Ich möchte mir jedenfalls die leise Hoffnung bewahren, dass der Stadtrat hier sein Veto einlegt damit der Bannerwald nicht umgesetzt wird. Bei Platz 2 (evtl. auch 3) als mögliche Alternative würde ich gerne ein paar Visus sehen. Mir erschließt sich zwar die Sache mit dem Sternenhimmel nicht aber das ist jetzt ist in dieser "Notlage" auch egal. Evtl. fügt dieser sich ja besser ein (und ja, ich weiß es gibt die Vorgabe, dass nur der Siegerentwurf umgesetzt werden soll aber evtl. kommt man aus diesem Passus irgendwie raus bevor man sich ganz blamiert und gar nichts umsetzt).

  • Persönliche Meinungen sollten hintan bleiben, hier möchte ich sie doch einmal äußern. Mein Favorit beim ersten Wettbewerb war ein sehr witziger Entwurf, der leider unter ferner liefen landete.


    Dieser Bestand aus einem klassischen aber leeren Denkmalsockel mit versteckter Treppe auf welchen sich jeder stellen konnte. Frei nach dem Motto "Ich bin das Volk", ja wer auch sonst ... , ringsum eine kleine sockelrahmende Wiese, fürs Betrachten und Fotografieren.


    Die Montagsdemos waren auch fröhliche Ereignisse, zumindest mir hats Spass gemacht. Bestätigen kann ich daher auch, dass es bis zur "Wende" kaum Banner und Plakate gab. Erst nachdem die "Wende" geschafft war kamen dort komische (*) aber auch witzige (#) Forderungen auf wie: "Wir sind das Volk ich bin Volker" (#), "Deutschland einig Vaterland " (*) und die Reaktion darauf "Deutschland in den Grenzen von 1254!"(#).


    Vielleicht ist es auch das, was allen anderen Entwürfen fehlt, etwas Ironie und Spass am Gedenken.

  • Ich kann nicht verstehen, dass sowohl Jury als auch die Stadt nicht selbst drauf kommen, was mit den Bannern und Transparenten passieren wird. Das lädt doch quasi zum besprühen ein. Dann stehen 50 bunte Banner auf dem Leuschner :rolleyes:

  • In der Pressekonferenz wurde viel darüber diskutiert, dass diese Banner nicht weiß bleiben werden. Sie sollen (auch durch die dünnen Stangen) die Fragilität der Demokratie zeigen. An jedem 9.10. könnte man (war ein Vorschlag) die Banner reinigen und wieder Platz schaffen für gewollte oder ungewollte Kritzeleien. Tatsächlich ist noch nicht genau geklärt, ob und wie regelmäßig gesäubert werden und wie genau dieses Denkmal aussehen soll. Auch weil es sich ja nicht im "Todholz" befindet, sondern mit dem und in den künftigen Park wachsen wird.


    Ich bin ehrlich: mir gefällt es immer besser. Die Kritik versteh ich natürlich trotzdem. Insbesondere, dass am 9.10.1989 Transparente o.ä. rar waren sehe ich. Und dennoch, es gab sie! Das berühmte Foto vom 4.9.1989 vor der Nikolaikirche ging damals um die Welt.

    Die Kritik versiegt vor allem beim Titel des Denkmals: "Freiheit- und Einheitsdenkmal". Nicht "Denkmal des 9.Oktober 1989". Es geht also um die gegenwärtige Freiheit und die Einheit. In einem Land das immer polarisiertere Debatten führt, finde ich gerade die Gegenwärtigkeit und die Zukunftsrichtung des Denkmals gelungen. Es schreibt keine Meinung vor. Und es bleibt eben nicht in der Vergangenheit stecken und zeigt bloß wie's war, sondern zeigt, was dadurch im jetzt erreicht wurde. Was damals nicht ging, ist heute möglich: Bürger können sich treffen und Plakate und Transparente malen, Demos vorbereiten und durchführen. Es geht eben nicht darum in der Vergangenheit rumzudümpeln, sondern Geschichte als Ausgangspunkt zur eigenen Mündigkeit zu verstehen.

    Mir scheint das Dümpeln eine sehr Deutsche Tugend zu sein, die auch ein sehr Deutsches Wort hat - Erinnerungskultur. Ja, eine Lehre des WK2, doch was nützt die Geschichte, wenn sie keine Le(h/)erstellen für die Gegenwart und vor allem die Zukunft lässt? Gerade diese weißen Transparente laden doch dazu ein, seine eigenen demokratischen Meinungen darauf zu projizieren. Sorry, aber es wäre SCHRECKLICH, würde man den Menschen auch noch die Demokratie vorkauen und da Parolen drauf schreiben. Der partizipative Ansatz ist 10x gelunger als eine Wippe und 100x besser ein stein- oder bronzegewordenes Denkmal.


    Demokratie ist dynamisch, Demokratie ist fragil. Wir müssen in einer Demokratie damit leben, dass Leute dieses Denkmal bekleben und beschmieren. Umgedreht sind wir als Zivilgesellschaft dazu aufgefordert, das Denkmal (ich übertreibe jetzt maßlos) zu "beschützen". Jeder der sich ein 2. Völki o.Ä. vorgestellt hat, hat mMn. ein seltsames Demokratieverständnis. Ich find sehr spannend, dass auf der einen Seite der Straße des 18.Oktober das Völki mit seiner imperialistischen Kolossigkeit steht. Auf der anderen Seite (Windmühlenstraße umbenennen in Straße des 9.Oktober?) das Freiheitsdenkmal mit seiner demokratischen Fragilität. Eine Straße, zwei Pole und 200 Jahre europäischer, deutscher und Leipziger Geschichte.

  • Was für eine Farce!


    Für Menschen, wie meine Oma oder meine Eltern, die 1989 im Herbst auf dem Innenstadtring demonstriert haben, ist das ein Schlag ins Gesicht. Ganz abgesehen davon sind die Unterschiede zwischen Ost und West bis heute immens. Ein Einheitsdenkmal kann man bauen, wenn es eine Einheit gibt. Vorher ist das ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in der DDR geboren sind und deswegen heute immer noch benachteiligt werden.


    Zudem sollten über ein solches Projekt nur gebürtige DDR-Bürger entscheiden die '89 auf dem Ring waren!

  • Viele Entwürfe kann man beim schnellen Überfliegen der LVZ-Bildergalerie nicht verstehen. Es scheint sich aber abzuzeichnen, dass sich viele Teilnehmer einer zentralen Vorgabe entzogen haben:


    "eine Bildsprache, die für die Leipziger Stadtgesellschaft und ihre Gäste heute wie in Zukunft verständlich ist."


    Viele Entwürfe sind auch von auffallender Hässlichkeit. In dieser Hinsicht scheint der Sieger das kleinere Übel zu sein.


    Über das Völkerschlachtdenkmal kann man denken, was man will: aber fast jeder kennt es. Rund 300.000 Menschen besuchen es jährlich und setzen sich damit auch mit dem historischen Ereignis auseinander. Die Größe des Denkmals gibt intuitiv eine Vorstellung von der Bedeutung der Völkerschlacht. Es wird auch vielfältig genutzt. Die Initiative zum Bau ging von einem Verein aus und es wurde viel dafür gespendet, ebenso für die Sanierung.


    Das alles wird man über die Cocktailfähnchen nicht sagen können. Ich finde den Entwurf kümmerlich, überhaupt die ganze Herangehensweise. MIt 5 Millionen kann man kein Völkerschlachtdenkmal bauen, schon klar. Mit dem Geld kann man aber das bestehende, großartige Denkmal Nikolaikirchhof oder auch die Runde Ecke ertüchtigen.

  • "eine Bildsprache, die für die Leipziger Stadtgesellschaft und ihre Gäste heute wie in Zukunft verständlich ist."

    Seit Warhol und Beuys wissen wir, dass alles Kunst sein kann. Drapiere den Ort statt der Banner mit überdimensionalen Bananen wird sich der Künstler und die Jury schon irgendeine Herleitung zu DDR, Freiheit und Einheit zusammenschustern. Ich persönliche schaue daher - und das mag man zurecht als eindimensional kritisieren - vordergründig auf die stadtbildästhetische Komponente, die Erklärung ist erstmal nachrangig. Soweit ist es leider schon gekommen denn spannende (überraschende) Kunst im öffentlichen Raum, die diesen auch noch ästhetisch aufwertet ist gold wert und wird normalerweise auch überregional wahrgenommen. Für eine derartige oder gar internationale Wahrnehmung reichen simple Banner-Repliken leider nicht aus.

    Mit dem Geld kann man aber das bestehende, großartige Denkmal Nikolaikirchhof oder auch die Runde Ecke ertüchtigen.

    Für den Nikolaikirchhof gibt es Pläne von der Kulturstiftung - hier wären die Mios gut angelegt.

  • Nunja, Warhol und Beys wären als Inspirationsquelle für das Denkmal denkbar ungeeignet.


    Weil ja im Vorfeld - natürlich ganz ohne jede Hybris - vom Eiffelturm geschrieben wurde, fällt mir eine wirklich großartige Architekturskulptur ein, die tatsächlich, wie der Eiffelturm, nur temporär zu sehen sein sollte. Doch die Bürger Veronas wollten den Kometen nicht hergeben, sodass er seit bald 40 Jahren jährlich zu Weihnachten installiert wird. Und ich finde, er hat nicht das geringste seiner Frische eingebüßt. So ein freches, fröhliches, zeichenhaftes, fotogenes, auch monumentales Denkmal hätte ich mit Freude begrüßt:


    La storia della Stella Cometa di piazza Bra a Verona | L'Arena (larena.it)


    (Leider nur als Link, habe kein gemeinfreies Bild gefunden)


    Die Pläne der Kulturstiftung kenne ich und es ist mir ein Rätsel, warum sie ignoriert werden. Neubau ist eben attraktiver für die Selbstverwirklichung als das Bestehende zu pflegen.

  • Ich stelle mal folgende These in den Raum: Es ist kein Entwurf für ein Einheits- und/oder Freiheits-Denkmal vorstellbar, der auf allgemeine Zustimmung stieße. Weder in Leipzig noch in Berlin, wo die Debatte ja auch neu geführt wird.


    Zwei Gründe: Erstens ist die Symbolik klassischer Denkmäler der Neuzeit heute verbraucht und nicht zu retten. Zu DDR-Zeiten hätte man zwei, drei heroische Figuren als Verkörperungen "des Volkes" genommen und auf einen Sockel gestellt – geht heute gar nicht mehr. Die Abstraktionen, die heutige Entwürfe anbieten, funktionieren aber auch nicht. Zweitens, weil das zu erinnernde Ereignis politisch zu umstritten ist, als dass man sich auf eine ästhetisch-symbolische Interpretation einigen könnte. Aus beiden Gründen bleibt es immer bei "I Gitt, hässlich" als Reaktion, während tragfähige Gegenvorschläge ausbleiben.


    Ich bin von dem Siegerentwurf nicht begeistert, kann aber auch die Abscheu nicht nachvollziehen. Rundlings Kritik führt meines Erachtens in die Irre: Bei den frühen Montagsdemos gab es kaum Transpis, das stimmt. Damals fürchteten die Leute noch die "Chinesische Lösung". Für die späteren Demos (aus der kurzen Ära Krenz und danach des Runden Tisches) waren Spruchbänder und Schilder mit wütenden, oft aber auch witzigen Parolen ein zentraler Bestandteil. Insofern passt der Entwurf schon. Ästhetisch lässt er allerdings zu wünschen übrig.