Leipzig: Stadtleben

  • In dem reißerischen Welt-Artikel in #378 tut der Autor so, als seien Eingemeindungen in Ostdeutschland eine neue Erkenntnis und das Bevölkerungswachstum eine Mogelpackung. Derweil bezieht sich die Dynamik beim Bevölkerungswachstum in Leipzig nur auf die letzten 5 bis 10 Jahre und nicht auf 1990. Die Eingemeindungswelle in der Messestadt hingegen war schon im Jahr 2000 abgeschlossen.


    Verglichen mit 1930 hat Leipzig auf der Stadtfläche von damals um die 30 Prozent an Einwohner verloren. Das dürfte für eine deutsche Stadt dieser Größenordnung einmalig sein. Deshalb bei aller Wachstumsdynamik und Jubelmeldung in der Presse hier öfter der Hinweis, dass Leipzig im Prinzip nur das aufholt, was es in den letzten Jahrzehnten eingebüßt hat.

  • Mit der größten Eingemeindung 1999 waren es etwa 60.000 Menschen, die dadurch dazu kamen. Viele von ihnen waren in den Jahren zuvor aus Leipzig in die neu errichteten Reihenhaussiedlungen in den Randgemeinden gezogen.


    Nach etwa 10 Jahren mit Bevölkerungsverlusten von jährlich zwischen 1 und 4 % gab es weitere 10 Jahre mit einer stabilen Entwicklung oder leichten Gewinnen bis zu 1 %. Über 2 % Wachstum jährlich sind es erst seit 2012.


    Recht übersichtlich aufbereitet (nur der untere Teil braucht dringend eine Überarbeitung):
    http://de.wikipedia.org/wiki/E…erentwicklung_von_Leipzig


    Die Zahlen der Stadt aus dem Ordnungsamt/Einwohnerregister


    2005: + 3.692
    2006: + 5.436
    2007: + 3.020
    2008: + 4.610
    2009: + 3.158
    2010: + 3.216
    2011: + 9.063
    2012: + 10.702
    2013: + 10.808
    2014: + 12.523


    http://www.leipzig.de/fileadmi…ericht_Leipzig_2014_4.pdf


  • Verglichen mit 1930 hat Leipzig auf der Stadtfläche von damals um die 30 Prozent an Einwohner verloren. Das dürfte für eine deutsche Stadt dieser Größenordnung einmalig sein. Deshalb bei aller Wachstumsdynamik und Jubelmeldung in der Presse hier öfter der Hinweis, dass Leipzig im Prinzip nur das aufholt, was es in den letzten Jahrzehnten eingebüßt hat.


    LE mon hist. hat ja glaube ich schon mal die Wohnsituation Anfang der 1930er geschildert. Absolute Wohnungsknappheit und Überbelegung. In Chemnitz sah es ähnlich wenn nicht noch schlimmer aus, 360.000 Menschen in den damaligen Grenzen. Die Zahl dürfte sich heute mindestens halbiert haben. In den viel zu engen Pariser Stadtgrenzen wohnten Anfang der 1920er 3 Millionen, heute sind es noch knapp 2 Millionen. Dafür ist die Metropolregion stark angeschwollen.
    Also dass die Kernstädte gegnüber vor 70-80 Jahren stark an Einwohnern eingebüßt haben, ist glaube ich weder ein ostdeutsches noch gesamtdeutsches Phänomen sondern überall zu beobachten.

  • ^ Ja, früher hatten die Leute viel weniger Wohnraum zur Verfügung als heute. Das habe ich schon berücksichtigt. Nicht berücksichtigt in meiner Pi-mal-Daumen-Rechnung habe ich die Großwohnsiedlungen Grünau und Neu-Paunsdorf. Also dürfte der Einwohnerverlust in Leipzig auf der Stadtfläche von 1930 größer sein als 30 Prozent.


    Im Gegenzug zur Wohnraumknappheit von damals werden heute vormals anders genutzte Flächen (aktuell hinterm Bayerischen Bahnhof, am Lindenauer Hafen oder westlich der Gleisanlagen am Hbf) sowie einst industriell genutzte Gebäude (Buntgarnwerke etc. siehe Old-Industry-Thread) für Wohnzwecke vorgesehen bzw. umgenutzt. Eine Wohnraumverknappung bei 700.000 Einwohnern oder mehr in der Kernstadt mangels geeigneter Fläche dürfte wohl ausscheiden.

  • ^
    Die Verknappung (wenn auch auf noch "entspanntem" Niveau) in den citynahen Gebieten sieht man schon jetzt, zumindest wenn man die abgelegenen Teile wie Grünau außen vor lässt.
    Das Hauptproblem wird bleiben, dass viele Leute in die gleichen Stadtteile wollen, wo der Platz aber begrenzt ist. Und auch, dass die Bauwirtschaft mit den neu auf den Markt kommenden WE vermutlich dem Zuzug hinterher rennt, sollte es bei ca. 10.000 pro Jahr bleiben.


    Wie man am Lindenauer Hafen sieht, die Stadt hat alles vorbereitet, das Interesse ist bisher aber bei Bauträgern, Genossenschaften (eine sprang wieder ab) und anderen gering. Das "kerngebiet" ist einfach hipper (von Volkmarsdorf bis Lindenau und Eutritzsch/Gohlis bis Marienbrunn und Stötteritz).

  • Ich habe mal versucht zusammenzustellen,


    a) wieviele Einwohner_innen Ende 2014 in den Ortsteilen lebten, die bis 1945 das Stadtgebiet bildeten: 385.890,
    b) wieviele Einwohner_innen in den überwiegend durch Massenwohnungsbau der zweiten Hälfte des 20. Jh. geprägten Ortsteilen lebten: 86.441,
    c) wieviele Einwohner_innen in den Ortsteilen lebten, die nach 1990 eingemeindet wurden und mit Ausnahmen wie etwa Böhlitz-Ehrenberg überwiegend von dörflichen Strukturen und/oder Einfamilienhaussiedlungen geprägt sind: 79.539.


    Methodisch ist das zwar nicht ganz sauber, aber besser geht es im Moment offenbar nicht.


    Für die, die es genau wissen oder nachprüfen wollen:


    a)
    00 Zentrum: 1748
    01 Zentrum-Ost: 4123
    02 Zentrum-Südost: 11893
    03 Zentrum-Süd: 12324
    04 Zentrum-West : 10318
    05 Zentrum-Nordwest: 10320
    06 Zentrum-Nord: 8424
    10 Schönefeld-Abtnaundorf: 11483
    12 Mockau-Süd: 4356
    13 Mockau-Nord: 10734
    14 Thekla: 5619 - Am 1. März 1930 wurde Thekla mit 2.300 Einwohnern in die Stadt Leipzig eingemeindet.
    20 Neustadt-Neuschönefeld: 10982
    21 Volkmarsdorf: 9937
    22 Anger-Crottendorf: 10551
    23 Sellerhausen-Stünz: 8198
    30 Reudnitz-Thonberg: 19922
    31 Stötteritz: 15664
    32 Probstheida: 6153
    33 Meusdorf: 3418
    40 Südvorstadt: 24355
    41 Connewitz: 18177
    42 Marienbrunn: 6027
    44 Dölitz-Dösen: 4549
    50 Schleußig: 12596
    51 Plagwitz: 14637
    52 Kleinzschocher : 9168
    53 Großzschocher : 8987
    54 Knautkleeberg-Knauthain: 5355
    70 Lindenau: 7274
    71 Altlindenau: 15556
    72 Neulindenau: 6438
    73 Leutzsch: 9742
    80 Möckern: 13435
    81 Wahren: 6691
    90 Gohlis-Süd: 17838
    91 Gohlis-Mitte: 15819
    93 Eutritzsch: 13079


    b) überwiegend durch Massenwohnungsbau der zweiten Hälfte des 20. Jh. geprägte Ortsteile
    11 Schönefeld-Ost: 9150
    24 Paunsdorf: 13744
    43 Lößnig: 11021
    60 Schönau: 4280
    61 Grünau-Ost: 7472
    62 Grünau-Mitte: 12092
    64 Lausen-Grünau: 12156
    65 Grünau-Nord: 7970
    93 Gohlis-Nord: 8556


    c) Ortsteile, die nach 1990 eingemeindet wurden und mit Ausnahmen wie etwa Böhlitz-Ehrenberg überwiegend von dörflichen Strukturen und/oder Einfamilienhaussiedlungen geprägt sind:

    15 Plaußig-Portitz (1930/1995): 2596
    25 Heiterblick (bebaut überwiegend nach 1990, Kiebitzmark): 3665
    26 Mölkau (1999): 5872
    27 Engelsdorf (1999): 9032
    28 Baalsdorf (1999): 1766
    29 Althen-Kleinpösna (1999): 2140
    34 Liebertwolkwitz (1999): 5240
    35 Holzhausen (1999): 6278
    55 Hartmannsdorf-Knautnaundorf (1999): 1333
    63 Grünau-Siedlung (neu bebaut nach 1990): 3812
    66 Miltitz (1999): 1901
    74 Böhlitz-Ehrenberg (1999): 10129
    75 Burghausen-Rückmarsdorf (2000): 4828
    82 Lützschena-Stahmeln (1999): 3914
    83 Lindenthal (1999): 6334
    94 Seehausen (1997): 2232
    95 Wiederitzsch (1999): 8467

  • Ich habe irgendwie eine durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Leipzig in den 1930er Jahren von 12 m² im Kopf, finde die Quelle aber im Moment nicht. Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten wäre das schon recht üppig.


    Eine in München zwischen 1904 und 1907 durchgeführte Wohnungserhebung erbrachte eine Durchschnittszahl von 3 m² Wohnfläche pro Person. In einer Schrift des sozialdemokratischen Vereins wird 1908 über „ein förmliches Wohnungs-Elend“ geklagt. Beispielhaft wird angeführt, dass im Westend in den Räumen von ehemals elf planmäßig hergestellten Wohnungen 56 Parteien mit insgesamt 171 Personen hausten. In der oberen Au teilten sich sieben Haushaltungen mit zusammen 22 Kindern die nach dem Bebauungsplan für eine Familie bestimmten Räume (http://www.muenchen.info/soz/p…100_jahre_festschrift.pdf ).


    Noch einmal München:
    Typische Drei-Raum-Wohnung des Kleinwohnungsbaus aus dem Jahr 1909. Hier ein Beispiel des Vereins zur Verbesserung des Wohnungswesens in München. Vorgesehen sind diese Wohnungen für bis zu sechsköpfige Familien. Die Wohnung entspricht zeitgemäßem Standard: die Küche ist nicht mehr zugleich Schlafraum, eine Gasbeleuchtung ist installiert, am Spülstein gibt es fließend Wasser und sogar eine eigene Toilette ist in die Wohnung integriert. Wohnfläche: ca. 59,6 qm
    (http://e12.anm.biz/rw_e12v/VdW…_Bayern_100_Jahre_web.pdf ).
    --> pro Person ca. 10 m²


    „Große“ Kleinstwohnung aus dem Jahr 1928. Die Wohnungsnot verschärft sich in der Zwischenkriegszeit, die Wohnreformer senken die schon erreichten Standards und Kleinstwohnungen werden entworfen; hier eine Musterwohnung der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit in Bau- und Wohnungswesen. Trotz der Enge ist ein separates Bad eingebaut. Vorgesehen ist die Wohnung für eine fünfköpfige Familie, sie
    könne hier „wenn auch nicht üppig, so doch immerhin besser als etwa in Untermiete wohnen.“ Wohnfläche: 45,52 qm (ebd.)
    --> pro Person ca. 9 m²


    Reichsgrundsätze für den Kleinwohnungsbau vom 10. Januar 1931
    Größe der Wohnfläche
    Die Wohnfläche der Wohnungen soll 32 bis 45 qm betragen und bei Wohnungen, die für Familien mit Kindern bestimmt sind, 60 qm nicht überschreiten. Eine mäßige Erhöhung der Wohnfläche kann ausnahmsweise zugelassen werden, insbesondere für Einfamilienhäuser, wenn die Zahl der Kinder oder zwingende Gründe es nötig machen.


    Am 8. März 1946 wurde vom Alliierten Kontrollrat das Kontrollratsgesetz Nr. 18 erlassen (Wohnungsgesetz, Housing Law). Diese Gesetz ordnete bei allen Gemeinden und Kreisen die Einrichtung besonderer Wohnungsämter und Wohnungsausschüssen an, deren Aufgabe es war, den vorhandenen Wohnraum zu erfassen und gerecht zu verteilen. Dabei wurde als Richtwert eine Wohnfläche von 4 qm pro Person veranschlagt. Kinder von 1 bis 14 Jahren konnte die Hälfte beanspruchen, Kinder unter einem Jahr blieben unberücksichtigt.


    Aber gehen wir für 1930 mal mit 12 m² pro Person ziemlich hoch rein mal 718.000 Personen: 8.616.000 m² Wohnraum.


    Und im Vergleich 2014 mit 42,5 m² pro Person mal 386.000 Personen: 16.405.000 m² Wohnraum.


    Insgesamt in Leipzig laut Zensus:
    Durchschnittliche Wohnfläche je Wohnung: 69,1 m² x 330.703 Wohnungen im Jahr 2013: 22.851.577 m² Wohnfläche in Leipzig

  • Schönen guten Tag


    Danke erst einmal für die vielen Informationen zur Stadtentwicklung und Architektur in der Stadt. Angesichts der Zahlendebatte hier versuch ich mich selbst mal einzubringen.


    Leider hab ich keine Zahlen von 1930, allerdings lag die Wohnfläche Leipzigs 1961 bei 12,35 Millionen m² in 201.000 Wohnungen. Da es vorm 2. WK noch einmal 25.000 mehr waren kann man vermutlich von mehr als 14 Mio m² für 1930 ausgehen, insbesondere weil die zerstörten Wohnungen in den wohlhabenden Gegenden der Ost, West, Süd und Nordvorstadt und nicht in den Arbeitervierteln lagen und dementsprechend groß waren. 12m² Wohnfläche pro Einwohner sind meiner Ansicht nach zu gering angesetzt. Zwar wurde an vielen der in der Zwischenkriegszeit errichteten Wohnungen tatsächlich an Fläche und Deckenhöhe gespart. Die Wohnverhältnisse insbesondere der späten Kaiserzeit werden jedoch meiner Meinung nach heute massiv unterschätzt. So existierten 1915 in Leipzig 161.000 Wohnungen für 625.000 Einwohner, so dass sich vier Personen eine Wohnung teilten. Die durchschnittliche Raumzahl ohne Küche pro Wohnung lag bei 4,5. Allerdings war nur etwa die Hälfte der Räume beheizbar.

  • Hallo Hintz und vielen Dank für die wertvollen Informationen. Ich hätte nur eine Bitte: Kannst Du die Quelle für diese sehr konkreten Zahlen anführen?


    ... insbesondere weil die zerstörten Wohnungen in den wohlhabenden Gegenden der Ost, West, Süd und Nordvorstadt und nicht in den Arbeitervierteln lagen und dementsprechend groß waren. 12m² Wohnfläche pro Einwohner sind meiner Ansicht nach zu gering angesetzt. ... Die Wohnverhältnisse insbesondere der späten Kaiserzeit werden jedoch meiner Meinung nach heute massiv unterschätzt. So existierten 1915 in Leipzig 161.000 Wohnungen für 625.000 Einwohner, so dass sich vier Personen eine Wohnung teilten.


    Da bin ich wiederum skeptisch, weil es immer mal wieder Angaben zu den Wohnungsbelegungen in den ausgedehnten Arbeitervierteln in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt und immer wieder Klagen in den Bauakten wegen Überbelegung. Es gab (illegale) Kellerwohnungen, wenn auch mit nur 1,5 % deutlich seltener als in anderen deutschen Großstädten, und massiv Untervermietung und Schlafgänger. Mitte der 1880er Jahre wurden in 366,2 von 1000 Haushalten "Aftermieter und Schlafleute" aufgenommen, deutlich mehr als in anderen Städten, etwa München (275,1), Breslau (236,0), Dresden (231,9), Berlin (229,6), Frankfurt am Main (207,6) oder Hamburg (197,5). Leipzig besaß zu dieser Zeit zwar viele große Wohnungen, die aber sehr dicht bewohnt waren. 1885 wohnten in einer Wohnung in Leipzig durchschnittlich 5,14 Bewohner_innen, wiederum deutlich mehr als in Frankfurt am Main (4,74), Hamburg (4,54), Köln (4,32), Hamburg-Altona (4,26), Breslau (4,24), Magdeburg (4,22), Berlin (4,21), Dresden (4,06) und München (4,03). Angaben nach:


    Ernst Hasse: Wohnungsstatistik. In: Die Stadt Leipzig in hygienischer Beziehung. Festschrift für die Theilnehmer der XVII. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. Leipzig 1891, S. 89-101, hier S. 92.


    zitiert nach:


    Christoph Kühn: Stadterweiterung und hygienischer Städtebau in Leipzig. Zu den administrativen Wurzeln einer Wohnreform um 1900. In: Wohnen in der Großstadt 1900-1939. Wohnsituation und Modernisierung im europäischen Vergleich. Hrsg. von Alena Janatková und Hanna Kozinska-Witt. Stuttgart 2006, S. 135-150.
    https://books.google.de/books?id=tpWhAiDoXXkC&pg=PA135


    Hier z.B. auch die eindrucksvolle Schilderung der Zustände in einer 1908 wegen Überfüllung und Bewohnen nicht genehmigter Räume geschlossenen Wohnung im Seitengebäude des Grundstücks Schenkendorfstraße 21.


    In den Anfangsjahren der Weimarer Republik gab es als Folge der reduzierten und 1917 ganz zum Erliegen gekommenen Bautätigkeit während der Kriegsjahre einen Fehlbestand von mehr als 13.000 Wohnungen.


    Die im Krieg stärker zerstörten Gegenden der Ost-, West-, Süd- und Nordvorstadt bestanden ja nicht nur aus den großbürgerlichen Vierteln wie Musik- und Waldstraßenviertel, sondern auch aus den vor- und frühgründerzeitlichen Vorstädten mit einer extrem dichten und kleinteiligen Bebauung. Neulich wurden hier Fotos vom Naundörfchen gezeigt, in der Seepiepe sah es an vielen Stellen nicht groß anders aus.


    Die übliche Wohnung in einem Zweispänner aus den Baujahren ca. 1880-1916 ist 60 bis 70 m² groß. Selbst wenn sich die Belegung auf durchschnittlich 4 Personen pro Wohnung (zählen hier Kinder als volle Personen?) reduziert hätte, wären das immer noch 15 bis 17,5 m² pro Person.

  • Die Welt: "Das Märchen von blühenden ostdeutschen Städten"

    Die Welt schreibt in einem Artikel vom 04.03.2015 u.a. darüber, dass entgegen der landläufigen Meinung, Leipzig hätte einen Bevölkerungszuwachs, die Stadt seit 1990 4,6 % der Bevölkerung verloren hat, wenn man die Eingemeindungen, die die Fläche Leipzigs verdoppelt haben, außen vor lässt.
    Hier der Link
    http://www.welt.de/wirtschaft/…stdeutschen-Staedten.html
    (Scheint so, wir müssen alle noch was für die Erhöhung der Geburtenrate tun...)

  • Vor wenigen Minuten erschien auf der Website des Tagesspiegels, 7.3.2015, ein Kommentar von Ralf Schönball


    Schrumpfende Kieze
    Berlin: Innenstadt verliert an Bevölkerung
    http://www.tagesspiegel.de/ber…evoelkerung/11471102.html


    In manchen Innenstadtgebieten von Berlin leben immer weniger Menschen. Selbst Kreuzberg hat heute etwa 5000 weniger Einwohner_innen als 1993. Weniger Menschen als vor gut 20 Jahren leben in Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf, geschrumpft sind außerdem auch Schöneberg, Wilmersdorf und Charlottenburg.


    Als zwei wesentliche Gründe werden zum einen die Abwanderung in die Suburbia (Kleinmachnow hinter Zehlendorf oder auch Teltow, der „Vorort“ von Lichterfelde) in den 1990er Jahren genannt und zum anderen der gewachsene Wohnflächenverbrauch pro Kopf. Sibyll Klotz (Grüne), die Stadträtin für Stadtentwicklung in Tempelhof-Schöneberg sagt, die durchschnittliche Wohnungsgröße sei „extrem gewachsen“ und liege bei fast 50 Quadratmeter pro Kopf.


    Sie hält die simple Gleichung des Bausenators – überall bauen zu jedem Preis – auch so grundlegend falsch: „Uns fehlen Wohnungen für Menschen mit geringen Einkünften.“ Alle redeten über die wachsende Stadt, aber niemand mehr über die soziale. Der Stadtsoziologe Andrej Holm pflichtet ihr bei: "Es gibt keine Wohnungsnot in Berlin, jedenfalls nicht für diejenigen, die zehn Euro je Quadratmeter bezahlen können“. Pech nur, dass sehr viele das nicht können: Minijobber, Alleinerziehende, Krankenschwestern, ein Heer von Geringverdienern, dem es an 120.000 „leistbaren Wohnungen“ fehlt.


    Aber Berlin ist ja sowieso ganz anders.

  • Hallo Le Mon. hist.


    Die Zahlen entstammen dem Buch Daten und Fakten zur Leipziger Stadtgeschichte (Universitätsbuchverlag), die sich wiederum auf die Statistischen Jahrbücher Leipzigs aus der jeweiligen Zeit beziehen. Diese sind auch in der Bibliothek des Stadtgeschichtlichen Museums zu finden – in der Zwischenkriegszeit fehlen allerdings einige Jahrgänge. Die Kaiserzeit ist ausgesprochen akribisch dokumentiert, nicht nur was die Einwohnerzahlen angeht, auch Bautätigkeit, Elektrifizierung, KFZ-Dichte, selbst der Milchverbrauch wurden aufgeschlüsselt. Besonders akribisch wurde der Leerstand erfasst.
    Allerdings wurden die Wohnungsgrößen nicht nach m² bemessen, sondern nach der Raumzahl, was auch den damaligen Vermietungsmodalitäten entsprach. Hier mal die Statistik fürs Jahr 1914, so das weder der I. Weltkrieg noch die Eingemeindung von Schönefeld und Mockau hineinspielen. Anders als ich zuvor gepostet habe, wird die Küche ebenfalls als Raum aufgeführt:


    1Raum 2 3 4 5 6 7 8 9 10 (+) gesamt
    1679 2448 23823 61992 31223 14300 7001 3709 1993 3454 151.622
    1,11% 1,61% 15,71% 40,89% 20,59% 9,43% 4,62% 2,45% 1,31% 2,28%



    Bei 625.000 ergeben sich durchschnittlich 4,12 Personen (Kinder inklusive) und 4,66 Räume pro Wohnung.



    Generell ist das Thema natürlich sehr viel komplexer und die Verteilung in der Realität eine andere gewesen, inklusive der von dir genannten negativen Beispiele. Allerdings lassen sich in Städten mit angespanntem Mietmarkt auch heute noch interessante Mietangebote finden. Schlafgänger gab es in Leipzig tatsächlich sehr viele, wenngleich – ohne das ich jetzt Zahlen präsentieren kann, deren Zahl kontinuierlich sank. Gleiches galt im frühen 20. Jahhundert für die Geburtenrate in den Großstädten. Für Leipzig stellte sich dies so dar:


    Jahr Einwohnerzahl Geburten Geburtenrate


    1875 127.000 4317 34,0
    1900 456.000 15485 34,0
    1914 625.000 12816 20,5
    1930 718.000 9476 13,2
    2014 550.000 6241 11,4


    Im Gegensatz zu anderen Städten war die Zahl der Wohnungen im vorgründerzeitlichen Segment (Naundörchen, Gerber,- Matthäiviertel, Seedorfstraße, Johannisgasse) nur noch recht spärlich vorhanden und kann für die Gesamtwohnfläche der Stadt meiner Meinung nach vernachlässigt werden. Insbesondere weil dies durch Gegenden, in denen Villen errichtet wurden (die nicht selten mehr als 400m² umfassten) mehr als ausgeglichen wurde. Auch glaube ich nicht das 60-70m² als Durchschnittswert für einen normalen Gründerzeitler ausreichen, zumindest nicht bei zweizügig errichteten Bauten.


    Ohnehin kann ich mir nicht vorstellen, wie es zu einer Beinaheverdopplung des Wohnraums gekommen sein soll. Sicher sind einige neue Gebäude an Stellen entstanden an denen zuvor keine standen, auch einige höhere Wohngebäude sind auf dem Gebiet von 1930 entstanden, Dachgeschosse ausgebaut bzw. einst anders genutzte Gebäude fürs Wohnen umgenutzt worden. Andererseits existieren noch immer zahlreiche Lücken in der Stadt und ehemalige Wohngebäude werden heute gewerblich genutzt. Meiner Meinung nach dürfte der damals zur Verfügung stehende Wohnraum in den Stadtgrenzen von 1930 nur unwesentlich kleiner sein, als der heutige.

  • So ganz langsam scheint auch in weiteren Teilen der Stadtverwaltung durchzudringen, dass die Geschichte mit dem Bevölkerungszuwachs nicht schon morgen wieder vorbei ist und dass sich Politik und Verwaltung auf sich ändernde Verhältnisse einstellen müssen:


    LVZ, 9.3.2015
    Die Stadt der Zukunft
    Von Jens Rometsch


    Rometsch war offenbar dabei, als Stadtplanungsamtsleiter Jochem Lunebach bei einem Forum der Architektenkammer erklärte, "wie Leipzig künftig mit über 600000 Einwohnern klarkommen könnte (sic!)". Hier die Ankündigung der Veranstaltung:


    Einladung zum Kammergruppenabend
    der Kammergruppen Leipzig und Westsachsen
    am 4. März 2015, 19:00 Uhr,
    in der Aula der Alten Nikolaischule
    Anschrift: Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig


    Thema : Stadtplanung und Stadtentwicklung


    - Planen und Bauen in der Stadt Leipzig
    - aktuelle Entwicklungen im Stadtzentrum Leipzig
    - Tendenzen, Ziele und Ergebnisse beim Stadtumbau
    - zukünftige Planungen für das Stadtgebiet Leipzig
    - Umgang mit »noch nicht entwickelten« Flächen in Leipzig

    Referent : Jochem Lunebach, Leiter des Stadtplanungsamtes Leipzig
    https://www.aksachsen.org/index.php?id=8219


    Der Fakt, dass Leipzig unter allen Großstädten in Deutschland nun schon das dritte Jahr in Folge am stärksten gewachsen sei, erfordere ein Umdenken auf vielen Gebieten. Zunächst verwies Lunebach auf die hier bereits mehrfach erwähnte Schwarmstadt-Theorie aus den Reihen des Forschungsinstituts Empirica. Leipzig sei zurzeit die Schwarmstadt Nummer 1 in Deutschland, ziehe nicht mehr nur Studenten, sondern Arbeitskräfte aus allen Bundesländern an.


    Offenbar um es plastischer zu mache und um die Dimension zu verdeutlichen rechnete er das derzeitige Wachstum Leipzig auf auf die Größe Berlins um. Dies würde einer Zuwanderung von 100.000 Menschen pro Jahr entsprechen. Erinnert wurde desweiteren an die von manchen in der Stadt belächelte Bevölkerungsvoraussage von 2013, in der für das Jahr 2030 zwischen 570.000 und 630.000 Einwohner_innen prognostiziert wurden. "Falls das aktuelle Wachstum ungebremst anhält, würden wir in 15 Jahren sogar weit über 700000 liegen."


    In dem letzten zehn Jahren sind im Nordraum Leipzig (vom Flughafen bis Paunsdorf) 38.000 Jobs entstanden. Auch dies sei ein Rekord und in dieser Dichte in Deutschland einmal. Allerdings sind nicht alle hervorragend bezahlt. Leipzig zählt zu den drei ärmsten Großstädten, die Einkommen sind für einen Ballungsraum extrem niedrig. Lunebach fordert, die Stadt "müsse sich wirtschaftlich breiter aufstellen". "Den Automobilstädten wie Wolfsburg und Rüsselsheim ging es immer mal sehr gut und immer mal sehr schlecht."


    Er macht einen Nord-Süd-Konflikt innerhalb der Stadt aus. Im Nordraum konzentriert sich das wirtschaftliche Wachstum. Allein das Gelände des BMW-Werks ist so groß, dass die Ortsfläche von Plaußig zweimal hineinpasst. Zurzeit "reifen" Bebauungspläne für große Gewerbeflächen bei Porsche, in Stahmeln und am Flughafen. Während sich die Stadtverwaltung freut, im Nordraum in nächster Zukunft jeden Investorenwunsch erfüllen zu können, regt sich in den dortigen Ortschaftsräten mehr und mehr Unmut ob der einseitigen Perspektive. Offensichtlich sieht man sich gegenüber dem Südraum benachteilig, "wo Landschaft und Erholung gedeihen". Lunebach: "Im Norden noch mal 700 Hektar für Industrie zu entwickeln - wie seit 2005 geschehen - wird nicht mehr gehen." Nun sollen Regularien greifen, etwa bei Neuansiedlungen reine Lagerflächen ausgeschlossen und eine Job-Mindestzahl verlangt werden. Auch soll der Südraum, so z.B. der A38, als Wirtschaftsstandort entwickelt werden. [War da nicht dieser Tage von einem neuen RB-Stadion an der A38 die Rede?]


    Im Sommer wird mit der Arbeit an einem neuen Stadtentwicklungskonzept unter dem Motto "Leipzig weiter denken" begonnen. Der Prozeß der Fortschreibung dürfte etwa zwei Jahre dauern. Es wird das aktuell noch gültige Konzept aus dem Jahr 2009 ablösen, in dem als ein Schwerpunkt die Wiederbelebung der Magistralen wie Georg-Schumann- und Georg-Schwarz-Straße definiert worden war. Künftig sollen die Erfordernisse einer stark wachsenden Stadt im Fokus stehen. Allerdings will die Kommunde den Teilplan Einzelhandel nicht ändern, da sie diesen als Erfolg ansieht. Rometsch verweist darauf, dass ein Discounter bereits sieben Gerichtsverfahren gegen die Konzentration des Handels auf bestimmte Stadtteilzentren führt. Bei der Fortschreibung des Entwicklungskonzepts sollen neue Formen der Bürgerbeteiligung im gerade frisch renovierten Stadtbüro am Markt und per Internet ausprobiert werden.


    Lunebach erinnerte daran, dass die Stadt von 1989 bis 2014 innerhalb des Rings verdichtet wurde. Auch in Teilen der Gründerzeitviertel - vor allem im Süden - wurden Kriegslücken bebaut. Die Stadtplaner_innen sehen nun, dass sich (logischerweise) der Schwerpunkt an den City-Rand verschiebt, also außerhalb des Ringes liegt. "Keine andere deutsche Großstadt hat citynah so viele Flächen frei", sagt Lunebach. Konkret benannt wird dabei der Wilhelm-Leuschner-Platz, aber auch die ausgedehnten Flächen nahe dem Hauptbahnhof. So sei die Hoffnung für das Hotel Astoria noch nicht verloren. Schon "beschlossene Sache" sind weitere Bauten an der Wintergartenstraße und der Sitz der Sächsischen Aufbaubank an der Gerberstraße. 2014 lief ein Wettbewerb für eine Wohnbebauung auf der Brachfläche des Krystallpalastes. Den Matthäikirchhof wolle die Stadtverwaltung jedoch bewusst liegenlassen, um Reserven für fernere Tage zu haben. Dann kommt Lunebach ins Sp.... Träumen: "Dort könnte ich mir den Landtag für ein künftiges Bundesland Mitteldeutschland oder den Sitz für einen Dax-Konzern vorstellen."


    Hier in den letzten Tagen auch schon angesprochen wurde die Debatte um den Erhalt von Brachflächen. Der Bau mehrgeschossiger Wohnhäuser auf Kriegslücken und sonstigen Brachen sei "ein noch junger Trend". Es mehren sich nun Bürger_innenstimmen, die fordern, die Freiflächen als grüne Farbtupfer erhalten wollen. Laut Lunebach müssen da Kompromisse her, "auch wenn nicht jeder Fan der historischen Stadtstruktur begeistert sein wird". Konkret genannt wird der Parkbogen Ost, der wichtig für die Lebensqualität sei. Das massenhafte Umwandeln alter Industrie- in Wohnanlagen müsse so gesteuert werden, dass genug Raum für Gewerbetreibende und Kreative bleibt. "Wir überlegen, einige Fabriken von einer Wohnnutzung auszuschließen." Lunebach hob den Umbau des ehemaligen Werks Motor in Gohlis (?, doch eher in Möckern) hervor, weil dies die erste Wohnsiedlung Leipzigs werde, die mehr Energie abgibt als sie selbst verbraucht.


    Der Stadtplanungsamtsleiter nannte es eine "Ressourcen-Verschwendung", dass selbst in der Innenstadt (wie an der Gohliser Straße) alle neuen Kitas als Flachbauten errichtet werden. In anderen Städten würden solche Einrichtungen in den Erdgeschosses großer Häuser integriert. "Allerdings haben sie dann oft nur 50 bis 70 Plätze. In Leipzig sind es derzeit viel mehr." Erschwert werde ein platzsparendes Bauen auch durch sächsische Vorschriften. Konkret scheiterte der Plan für eine Kita im Dachgeschoss der "Höfe am Brühl" am Veto des Landesjugendamtes. Ein positives Gegenbeispiel wurde eine geplante Kita an der Haydnstraße in einem Fünfgeschosser genannt. Auch sollten Turnhallen bald über Supermärkte oder Schulen gestapelt werden.


    Im Hinblich auf die preisgünstigen Mieten äußerte Lunebach die Überzeugung, Leipzig werde weiter eine Spreizung, aber keine Explosion der Wohnungsmieten erleben, weil in der Stadt sehr viel Bauland existiert. Den Widerspruch zwischen hohen Neubaukosten und den derzeit für viele Haushalte bezahlbaren Mieten um die 5 Euro kalt thematisierte er anscheinend nicht. Im Juni soll eine Expert_innenkommission über Ideen beraten, Investor_innen künftig stärker an den Folgekosten ihrer Projekte für die Allgemeinheit zu beteiligen (neue Straßen, Parks, Schulen). Allein für den Bau eines Gymnasiums wären zwei Hektar Land und etwa 25 Millionen Euro nötig. Einen Teil des Wertzuwachses von Grundstücken durch Wohnbebauungen möchte die Stadt künftig durch eine "sozialgerechte Bodenordnung" abschöpfen.

  • ^ So langsam scheint es sich ja in der Stadt herumzusprechen, dass das Bevölkerungswachstum in Leipzig keine Eintagsfliege sein wird.


    Vor zwei Tagen kramte Spiegel Online eine illustre Studie von 2010 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) hervor, die die Bevölkerungsentwicklung für alle Kreise bis 2030 prognostiziert. Diese Prognose, die uns Spon lauwarm wieder auftischt, als sei sie aktueller denn je, gehört eigentlich längst geschreddert. Die prognostizierten Zahlen für Leipzig, die man hier abrufen kann, divergieren 4 Jahre nach Erstellen dieser Studie schon um ca. 50.000 Einwohner (ohne Zensusbereinigung). Um die prognostizierte Zahl von 513.300 Einwohnern bis 2030 zu erreichen, müsste Leipzig über 50.000 Einwohner (ohne Zensusbereinigung) bis dahin verlieren. Derweil sieht es allerdings so aus, dass allein bis 2020 schon 50.000 Einwohner neu hinzukommen werden.


    Das gleiche gilt für Frankfurt am Main (das, ausgehend von 2010, angeblich bis 2030 um 1,3 Prozent schrumpfen soll - sic!) und die meisten anderen Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland. Tut sich die Frage auf, welche Absichten und Interessen hinter diesen "falschen" Prognosen, nach denen sich unter anderem auch der Bedarf bei Infrastruktur und Städtebau ausrichtet, eigentlich stecken. Ich meine, hinter den Studien stehen studierte Leute vom Fach und keine Hobbystatistiker wie wir hier im DAF. Wieso wird der Bevölkerung entgegen der aktuellen Entwicklung prophezeit, dass Deutschland weiter schrumpft? Soll damit die Akzeptanz in der Bevölkerung in Hinblick auf die aktuelle Zuwanderungs- und Asyldebatte erhöht werden?

  • Solche Hintergedanken würde ich nicht unterstellen wollen.


    Die 2010 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) erstellte Raumordnungsprognose 2030 ist wahrscheinlich nur die am einfachsten zugängliche Studie mit schönen bunten Karten ( http://www.bbsr.bund.de/BBSR/D…uebersicht.html?nn=444934 ). Und deshalb wird sie auch immer wieder gern herangezogen und das ja nicht nur vom SPIEGEL, ungeachtet der Tatsache, dass sie in ziemlich vielen Großstädten weit daneben haut, wie die Realprobe 2015 zeigt.


    Im Frühjahr 2015 erschien die Raumordnungsprognose 2035.
    (Quelle: http://www.dr-winkler.org/cont…dnungsprognose-2030_2035/ )
    Aber die kenne ich noch nicht.


    Dieser Tage ging der neue Online-Atlas Inkar "auf Sendung": http://www.inkar.de
    Leider hatte ich noch keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Auf dem ersten Blick sah es so aus, als müßte man da länger rumspielen, bis man bunte Karten erhält.


    MZ, 9.3.2015
    Bevölkerung
    Großstädte wachsen, ländliche Regionen altern
    http://www.mz-web.de/politik/b…rn,20642162,30077438.html


    MDR, 9.3.2015
    INKAR-Abfrage
    Neuer Online-Atlas erlaubt statistische Analyse
    http://www.mdr.de/nachrichten/regionalatlas106.html


    Die Abwanderung in die Großstädte oder vielmehr in die Schwarmstädte geht nur viel schneller als selbst von unseren obersten Prognostiker_innen erwartet. Dasselbe ungläubige Staunen kennt man ja auch von den kommunalen Statistiker_innen, nicht nur in Leipzig, oder den Kamenzer_innen.


    Natürliche Bevölkerungsentwicklungen lassen sich immer viel besser prognostizieren als Wanderungsbewegungen. Die Gesamtbevölkerung wird schrumpfen, sofern nicht eine 180°-Grad-Wendung zu einer tatsächlichen Einwanderungspolitik und eine auch politisch und gesellschaftlich unterfütterte Willkommenskultur jenseits der bloßen Lippenbekenntnisse zum Tragen kommen und diese Entwicklung abmildern.


    Insofern ist die in dem SPIEGEL-Artikel beschriebene Entwicklung insgesamt sicherlich nicht falsch. Nur geht offenbar das Leerlaufen und Überaltern der ländlichen Regionen noch schneller und drastischer vonstatten als erwartet. Auch die Migrant_innen ziehen freiwillig kaum in den Harz, ins Saarland oder die Oberpfalz.


    PS: Gerade sah ich, dass die Verfasserin des verlinkten Blog-Beitrages Christina Elmer auf Hinweise zu den abweichenden Zahlen etwa in Leipzig und Ulm reagierte:


    "Liebe Beide, in der Tat kann es sein, dass die Prognose nicht mit der allerjüngsten Entwicklung in einigen Regionen übereinstimmt – u.a. auch weil sie von 2010 ausgeht. Aber es ist die aktuellste ihrer Art, daher haben wir die Zahlen verwendet. Mehr zur Methodik können Sie beim BBSR nachlesen, dessen Website oben verlinkt ist. Beste Grüße, C. Elmer."


    PPS:
    Hier noch mal die lange Zahlenreihe aus dem "Deutschland-Atlas 2030" mit der Realprobe bis 2012 für
    - Leipzig: http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=364102
    - Halle: http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=364290
    - Chemnitz: http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=364307


    Vergleich der Ende 2012 veröffentlichten, aber schon 2009 einsetzenden Prognosen des BBSR für die Einwohnerzahlen der größten deutschen Städte Ende 2011 mit den realen Zahlen Ende 2011:


    Stadt: Prognose - Realprobe - Differenz
    Berlin: 3.446.000 - 3.501.900 - 55.900
    Hamburg: 1.784.300 - 1.798.836 - 14.536
    München: 1.348.300 - 1.378.176 - 29.876
    Köln: 1.002.300 - 1.017.155 - 14.855
    Frankfurt/Main: 673.100 - 691.518 - 18.418
    Stuttgart: 603.700 - 613.392 - 9.692
    Düsseldorf: 588.300 - 592.393 - 4.093
    Dortmund: 577.700 - 580.956 - 3.256
    Essen: 571.100 - 573.468 - 2.368
    Bremen: 547.700 - 548.319 - 619


    Leipzig: 520.300 - 531.809 - 11.509


    Das BBSR liegt mit seinen Prognosen immer unter den realen Zahlen, aber in Leipzig (und Frankfurt) liegt man relativ zur Bevölkerungszahl am weitesten daneben.


    2015 sieht das noch mal ärger aus trotz Zensuslücke.

  • Erzgebirgskreis:
    2011 - prognostiziert; 363.800; real: 363.741
    2013 - prognostiziert: 355.800, real: 351.309
    2030 - prognostiziert: 291.700 (-19,02 %)


    Mittelsachsen:
    2013 - prognostiziert: 317.200, real: 314.591


    Vogtlandkreis:
    2013 - prognostiziert: 237.000, real: 233.970


    Landkreis Bautzen:
    2013 - prognostiziert: 310.700, real: 308.350


    Landkreis Görlitz:
    2011 - prognostiziert; 273.100; real: 273 511
    2013 - prognostiziert: 266.000, real: 262.168
    2030 - prognostiziert: 214.200 (-21,57 %)

    Landkreis Meißen:
    2013 - prognostiziert: 247.500, real: 243.716


    Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge:
    2013 - prognostiziert: 248.400, real: 245.939


    Landkreis Leipzig:
    2013 - prognostiziert: 263.100, real: 257.596


    Landkreis Nordsachsen:
    2013 - prognostiziert: 201.300, real: 197.346


    Und die 14 größten Städte 2013:


    Stadt: Prognose - Realprobe - Differenz - Zensusabweichung * -1 - Abweichung Stand 2013 von Prognose
    Berlin: 3455900 - 3421829 - -34071 - +179391 - + 145320
    Hamburg: 1796700 - 1746342 - -50358 - +82833 - + 32475
    München: 1370500 - 1407836 - +37336 - + 10870 - + 48206
    Köln: 1008200 - 1034175 - +25975
    Frankfurt/Main: 677600 - 701350 - +23750 - ca. 19.000 - + 42750
    Stuttgart: 607600 - 604297 - -3303 - + 22681 - + 19378
    Düsseldorf: 591700 - 598686 - +6986
    Dortmund: 575000 - 575944 - + 944
    Essen: 566700 - 569884 - + 3184
    Bremen: 548500 - 548547 - + 47
    Leipzig: 521600 - 531562 - + 9962 - + 21454 - + 31416
    Dresden: 523800 - 530754 - + 6954 - + 11854 - + 18808


    Aber so kann man eigentlich nicht vergleichen, weil die Zensuslücke überall dazukommt, aber sehr unterschiedlich ausfällt.
    PS: Daher fett gedruckt der Versuch, die Zensuslücke rauszurechnen.


    Zensusabweichung: https://www.destatis.de/DE/Pre…df?__blob=publicationFile

  • Die Damen und Herren bei der Wirtschaftswoche haben es geschafft, aus http://www.inkar.de/ die Grafiken zur Bevölkerungsentwicklung herauszukitzeln. Mir ist das noch nicht gelungen.


    http://www.wiwo.de/politik/deu…p=false&p=2&a=false#image


    Mit ein bißchen Rumfummeln und dem Ausschalten von Popup-Blockern ist es mir doch gelungen. Aber der Knaller ist das nicht:


    "Zeitbezug: 2011-2012
    Datengrundlage: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes des Bundes und der Länder; Eurostat Regio Datenbank, (Stichtag 01.01.des jeweiligen Jahres)"

  • ^ Danke für den Link! Diese Aufstellung zeigt ebenso wie Deine ^^Auflistung der sächsischen Landkreise, auf wessen Kosten das Wachstum der drei sächsischen Großstädte zu einem nicht unerheblichen Teil geht, hinzu kommt sicherlich in Leipzig im Besonderen, aber auch in Dresden eine nicht unerhebliche Zuwanderung von außerhalb.


    Die relative Stabilität des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist auch nur so zu erklären, dass südlich und südwestlich von Dresden in Größenordnungen Eigenheim-Trabantenansiedlungen entstanden sind, die trotz Nichtzugehörigkeit zur Stadt Dresden doch eng mit dieser verwoben sind und damit vom Wachstum der Kernstadt profitieren, alle anderen derartigen Ansiedlungen namentlich im Norden, Westen und Nordosten wurden bereits vor Jahren "einverleibt", zur gleichen Zeit, als sich Leipzig an Böhlitz-Ehrenberg, Engelsdorf oder Liebertwolkwitz gütlich tat.


    Interessant ist für mich persönlich auch der doch recht hohe Bevölkerungsverlust im Landkreis Meißen, obwohl dessen größte Stadt Radebeul aus ähnlichen Gründen ein starkes Wachstum erlebt. Ich finde dies insofern sehr interessant, da ich in Riesa, also genau auf halbem Wege zwischen den beiden Großstädten, tätig bin und trotz des vor wenigen Jahren vorhergesagten Einbruchs der Schülerzahlen an unserem Hause sogar wieder Zuwächse zu verzeichnen sind. Offensichtlich gibt es selbst hier wieder/noch (?) Kinder in größerem Maße als vor Jahren noch gedacht...