Rund um die Parochialkirche

  • Naja, vielleicht ist es spießig, das ist ja Geschmacksache. Nur haben eben auch Spießer einen Daseinsanspruch. Andere finden bunt zusammengewürfelte Eurostandardkistennutzgärten ansprechend, wieder andere weiße Kieselhalden mit Grabbepflanzung.


    Und vermutlich könnte die Idee der Feder eines ein 10-jährigen Kindes entspringen. Eingedenk der lustlosen Freiraumgestaltung unserer Tage, trifft das aber eigentlich auf so ziemlich jede Fläche zu. Mir ist in letzter Zeit zumindest keine Garten,- oder Parkgestaltung bekannt, die flächendeckend Entzückung ausgelöst hätte.

  • ^^ Büsche gehen nicht, Bäume gehen nicht, Wege gehen nicht, Brunnen sind spießig. Wenn das alles so schlimm ist, dass du dich hier darüber wieder und wieder auslässt, dann muss es aber doch möglich sein, auf Bens Frage zu antworten. Wie also muss ein Garten sein, damit er dein Gütesiegel der Zier verdient? (Ich bin übrigens sicher, dass die Vorstellung vieler 10-Jähriger von einem schönen Garten wesentlich legitimer erscheint, als die Ideen so mancher crazy-ambitionierter, verkopfter Gartendesigner...)

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Das Gebäude hat viele architektonische Schwächen, aber den Ziergarten finde auch ich durchaus gelungen und angesichts der Tatsache, dass es davon nicht viele gibt in Berlin, freue ich mich daüber. Ich kann auch nicht bestätigen, dass er billig oder baumarktmäßig wirken würde. Man sollte auch berücksichtigen, dass sich dieser Hof genau gegenüber der Parochialkirche befindet, nur von einem schmalen Gehweg von ihr getrennt, neben dem Kirchhof und in einem von Zäunen geschützten Bereich. Was an einer verkehrsreichen Straße oder in Nachbarschaft zu modernen Bauten vermutlich kitschig wirken würde, wirkt hier, fand ich zumindest, durchaus lauschig.

  • Die Fassadengestaltung ist leider vollkommen unbeholfen. Die beiden als rustizierter Sockel zusammengefassten Geschosse harmonieren kein Stück.


    Die übliche Kritik an den Proportionen ... ja, ein Sockelgeschoss mit 2,40 Meter Deckenhöhe sieht besser aus als ein Sockelgeschoss mit 2,00 Metern Deckenhöhe. Niemand bezweifelt das!


    Leider vergessen die Kritiker immer wieder, daß stimmige Proportionen auch eine Frage des Geldes sind. Um eine stimmige Proportion zu erhalten, müsste das Sockelgeschoss mit einer überhohen Decke ausgestattet werden. Das kann aber niemend bezahlen, da ein überhohes Geschoss - aus wirtschaftlicher Sicht - eine Verschwendung von Fläche darstellt. Zu Zeiten des Jugendstils war das einfacher. Was die Geschosshöhen angeht, hat man damals noch nicht so effizient durchgerechnet wie heute. Heute spart man sich die "Über-Höhe" beim Sockelgeschoss, weil man die eingesparten Zentimenter bereits für's zweite Geschoss einsetzen kann. Die Folge ist, daß die Proportionen nicht mehr stimmen. Aber man kann dieses Vorgehen niemandem verübeln, weil Bauen kostet Geld. Viel Geld!

  • Lieber Architektur-Fan, alles, was du schreibst, ist nachvollziehbar. Daraus leite ich aber ab, dass sich das Muster der traditionellen Gliederung mit rustiziertem Sockel, den darüberliegenden Vollgeschossen, mit angedeutetem Attikageschoss und Dach eben nicht auf jede Baumasse übertragen lassen. Da hilft es nichts, das Ganze in die falsche Form zu pressen, und am Ende sieht's schauderhaft aus.


    Was man allerdings auch bei Altbauten findet, das ist manchmal eine Sockelzone, die nicht bündig mit einer Geschosshöhe endet, sondern ggf. mit einem Zwischensims. Durch solche tradierten Tricks lässt sich der Sockel proportional zum Ganzen weniger schmerzhaft gestalten, und man entfernt sich nicht mehr als nötig von einer klassisch-harmonischen Gliederung, an der man sich doch zu orientieren sucht.


    Na, und wenn alles nicht zusammen passt, ja dann sollte man vielleicht - von seinem Machwerk ausgehend - eine eigene, schlüssige und stilistisch freiere Architekturlösung entwickeln.

  • Ästhetisches Empfinden ist reine Gewohnheitssache

    Man hat hier immerhin versucht, das Dilemma zu lösen. Der Sockel besteht nämlich nicht mehr aus einem hohen, sondern aus zwei niedrigen Geschossen. Klar kann man jetzt einwenden, daß es keine befriedigende Lösung ist, daß der Sockel aus zwei niedrigen Geschossen besteht. Man kann aber auch sagen, daß man sich einfach an andere Proportionen gewöhnen muss. Ästhetisches Empfinden ist reine Gewohnheitssache!


    Ein Beispiel:
    Wir stören uns heute an Windkraftanlagen, weil wir glauben, daß solche Windkraftanlagen die Kultur-landschaft zerstören. Gleichzeitig glauben wir, daß alte Windmühlen, wie sie auf niederländischen Landschaftmalereien des 16 Jh. zu sehen sind, Teil der Kulturlanschaft seien.
    Die Wahrheit ist: Die Menschen im 16 Jh. haben ihre damaligen Windmühlen ebenfalls als störende Fremdkörper empfunden. Und heute empfinden wir solche alten Windmühlen als pittoresk.


    Ästethisches Empfinden ist eine Frage der Zeit. In spätestens zwei Generationen wird man falsch proportionierte Sockel als korrekt proportionierte Sockel empfinden.

  • Das Interessante ist, das Proportion in den Dingen überhaupt keine Frage des Geldes ist. Es lohnt sich in dieser Frage zu meditieren.


    Lieber Unbekannter,


    ich hatte das Glück, im Wintersemester 2018/19 Jahr der Vorlesung "Ästhetik der Landschaft" von Prof. Henne an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen beiwohnen zu dürfen.


    Es gibt Dutzende von Beispiele, wie sich die Wahrnehmung der Menschen zu Dingen, Naturräumen, Landschaften, Architektur usw. im Laufe der Zeit komplett gewandelt haben. Wenn du zu einer offenen Diskussion bereit bist, gebe ich dir gerne weitere Beispiele.


    Ästhetisches Empfinden kann sich in einem Zeitrahmen von zwei Generationen komplett verändern. Wer keine zwei Generationen warten möchte, wer diese Veränderung des ästethischen Empfindens nicht abwarten möchte, wenn also kürzere Zeiträume relevant sind, dann sind Proportionen sehr wohl eine Frage des Geldes.


  • Der Sockel best Ästhetisches Empfinden ist reine Gewohnheitssache!
    ...
    In spätestens zwei Generationen wird man falsch proportionierte Sockel als korrekt proportionierte Sockel empfinden.


    Nein, das glaube ich nicht.
    Es gibt ja zum Beispiel den "Goldenen Schnitt", der als optimal empfunden wird.
    Auch bei Autos / Oldtimern empfindet man die damals als falsch empfundenen Proportionen auch heute noch als daneben.
    Nur eben liebenswert daneben! ;)
    Die Veränderungen des Geschmacks wirken nur marginal.

  • Ästhetisches Empfinden ist reine Gewohnheitssache!


    Das ist ein radikaler Relativismus, demzufolge hier im Forum eigentlich nur noch ein Argument Geltung hätte: "Wart' mal ein paar Jahre, dann magst Du es auch!" Dagegen spricht: Der Städtebau der 60er und 70er-Jahre war seinerzeit anerkannt – heute empfinden ihn die meisten als scheußlich. Eine Gewohnheit ist nicht eingetreten, eher eine Entwöhnung.


    So einfach ist es also nicht. Gerade, wenn man historische Bauformen anschaut, sind Proportionen und Material extrem wichtig für die Wirkung. Hier wird der Barock zitiert, aber wegen der verfehlten Geschossaufteilung, der Styropor-Anmutung der Fassade und der Löcher in der Dachlandschaft (weniger wegen des Mangels an Stuck) geht die Sache nach hinten los. Man kann lange diskutieren, ob es so etwas wie "Schönheit des Objekts" gibt und wie weit die kulturelle Prägung reicht – dass alles schön ist, wenn man nur lange genug draufschaut, halte ich aber für falsch.


    (Klarstellung: Ich mache mir hier Argumente zueigen, die meist von "Historisten" kommen. Ich bin kein Historist, aber ich schätze historische Architektur. Gerade deshalb kann ich mit der Verballhornung historischer Vorbilder aus dem Hause Patzschke wenig anfangen. Eine weiterführende Debatte zum Thema Schönheit in der Architektur gab es Ende letzten Jahres auf dieser Seite zwischen Der Schüler und mir.)

  • Ist es nicht ziemlich paradox, zu behaupten, dass die Schönheit eines Gebäudes objektiv festzustellen sei, wenn man ein Gegenüber hat, dass genau dies abstreitet? Allein dass es Leute gibt, die die Gebäude, die hier viele als "falsch proportioniert" bezeichnen, als schön und ästhetisch empfinden, zeigt doch, dass man Schönheit nicht allein mit ein paar imaginären Schnörkellinien festlegen kann.

  • ^ Wer hat hier behauptet, man könne die Schönheit eines Gebäudes objektiv feststellen? Ich? Nö.


    Die Beiträge zum Thema "Frauen in der Architektur" habe ich aufgrund Off Topic in diesem Thread dorthin verschoben.
    Bato

  • Erweiterung Bürogebäude Klosterstraße 62

    An der Nordseite der Stralauer Straße zwischen Klosterstraße und Waisenstraße steht ein recht massiger Bürokomplex aus DDR-Zeiten, der vor einigen Jahren durch die Trockland Management GmbH gekauft worden ist. Die offizielle Adresse ist die Klosterstraße 62. Das Unternehmen hatte zunächst geplant, die beiden Bauteile abzureißen und in Anlehnung an die Nachbarbebauung den Blockrand wieder herzustellen. Die 2018 vorgestellten Entwürfe konnten das Baukollegium jedoch nicht überzeugen (Protokoll des Baukollegiums). Man ist damals mit einer recht hohen Grundstücksausnutzung ins Rennen gegangen, die ebenfalls abgelehnt worden war.

    Im Ergebnis hatte man sich letztlich entschieden, den Bestand zu erhalten und zu revitalisieren. 2021 soll nun mit der Erweiterung und teilweisen Umgestaltung die nächste Phase eingeläutet werden. Der westliche Gebäudeteil soll dabei grundsätzlich in seiner jetzigen Gestaltung erhalten bleiben, wobei insbesondere das Erdgeschoss zu den öffentlichen Flächen hin geöffnet werden soll. Über den östlichen Teil habe ich keine konkreten Informationen gefunden, sodass ich vermute, dass dieser in seiner Form und Gestalt zunächst erhalten bleibt.


    Die nachfolgenden beiden Renderings geben einen Vorgeschmack auf das zukünftige Äußere:


    k62_projects_big_1100rqksu.jpg


    k62_projects_big_1100bekq0.jpg

    Quelle: Trockland Management GmbH


    Im Vergleich zum ersten Rendering sieht man, dass die mit Meeressäugern gestaltete Erdgeschosszone bald passé sein wird. An der Fassade zur Klosterstraße wird zudem das oberste Geschoss in der Gestaltung der darunterliegenden Geschosse mit Fenstern versehen. Die Fenster im vierten Obergeschoss werden ebenfalls an die übliche Form angepasst. Darüber hinaus wird dem Gebäude auch ein Staffelgeschoss aufgesetzt.


    img_224107jrb.jpg


    Die Fassade in der Frontalen:


    img_2244c5k2e.jpg


    Die Stralauer Straße ist wirklich eine der trostlosesten Straßen in Berlin, die ich kenne. Die komplette Öffnung der Erdgeschosszone schafft hier sicherlich etwas Abhilfe.


    img_2247mgkcy.jpg


    Meines Erachtens ist aus städtebaulicher Sicht insbesondere der östliche Gebäudeteil zu hinterfragen. Abweisender kann man ein Haus kaum gestalten.

    Es bleibt zu hoffen, dass dieses Objekt in einem weiteren Bauabschnitt in absehbarer Zeit ebenfalls überarbeitet wird.


    img_2245akkbt.jpg


    img_22482akih.jpg


    Abschließend folgt noch ein Blick auf die rückwärtigen Flächen. Auf dem Hof, den man im Hintergrund erkennt, soll der angedachte Neubauflügel errichtet werden.


    img_2249ovke9.jpg

    Die abgebildeten Fotografien sind durch mich am 06.03.2021 aufgenommen worden und bei Gebrauch mit ©RianMa zu kennzeichnen. Vielen Dank.

  • Schade das man den Abriss nicht durchbekommen hat. Das Baukollegium ist keine Enabler sondern ein Verhinderer. Zumindest die Öffnung des EG ist zu begrüßen.

  • Klosterstraße 62:

    Die Fassade wirkt wie ein übler Schlag in die Magengrube. Immerhin ist das Gebäude so hässlich, dass es eine Ikone werden könnte.

  • Plumpe Hässlichkeit und Massstabslosikeit feiert man doch längst allerorten und hebt es mittels Denkmalschutz ins ikonische, der Erhalt dieser Grässlichkeit dürfte den Apologeten dieser Grobheiten doch sehr zu pass kommen - auf eine Hässliche unverdaubare Ecke mehr in der anvisisierten hübschen neuen Altstadt kommt’s nu auch nicht mehr an - das Vorhaben gerät so mehr und mehr zum Griff ins Klo - na wenigstens kann der Jugendstilbau wie gewohnt, neben diesem städtebaulich degenerierten Und empathielosem Krampf von Baumasse, glänzen.

  • < Sorry, aber das ist eine ziemlich unangemessene Wortwahl in Deinem Beitrag. Man könnte meinen, das Gebäude selbst hat Dir ein Leid zugefügt.

  • ^ Camondo, du siehst, welche negativen Emotionen diese Art von Architektur bei Menschen auslösen kann. Das ist ein Beleg dafür, dass diese Architektur nicht erfolgreich ist.

  • Die Ausführungsqualität der Fertigelemente ist schon schon recht ansehnlich. Man vergleiche sie nur mit der Grobschlächtigkeit der Platten im Nikolaiviertel. Hier aber erkennt man, dass die DDR wirtschaftlich noch besser da stand, als dieses und andere Gebäude aus diesen fein profilierten Platten montiert wurden. Mich erinnert's an die in den Details ebenfalls recht delikat geformte Platte in der Dorotheenstraße, die kürzlich abgerissen wurde oder an die filigranen Profile der Platte südlich der Universitätsbibliothek am Bebelplatz.

    Schaut euch mal die Präzision der Fugen an, das ganze ist bis heute tiptop. Davor habe ich Respekt. Im Nikolaiviertel dagegen tanzen die Fugen wie bei einem billigen Eisenbahn-Bausatz, wo nicht so richtig zusammen passen will, wenn man's zusammen klebt.


    Nur das hermetische Erdgeschoss verschärft leider den abweisenden Charakter der Verkehrsschneise. Die Durchfensterung im Rahmen des Umbaus ist zwar zu begrüßen, auch wenn ich mich mit vermeintlich schwebender, schwerer Baumasse immer schwer tue, weil sie keine statische Sicherheit vermittelt. Den Bau zum schützenswerten Heiligtum zu erklären, kann ich zwar nicht ernst nehmen. Wenn wir aber 10 Jahre vorspulen, sprich wenn ums Stadthaus allerhand Neubauten entstanden sind - ggf. auch welche in klassischerem Gewand - und wenn auch der zum Abbruch freigegebene Nachbar des Gebäudes durch frische Bauten ersetzt wurde, dann ist besonders eine Edelplatte sicher kein uninteressantes oder ilegitimes Zeugnis des 20. Jahrhunderts.

  • Das ist ein Beleg dafür, dass diese Architektur nicht erfolgreich ist.

    Ist das nicht ein bisschen verallgemeinert? Gerade mit dem geöffneten Erdgeschoss kann ich dem Entwurf viel abgewinnen. Gerade weil ich fürchte, dass die Gegend von Altbauten und Rekos oder Inspirationen aus der gleichen Schublade dominiert werden wird, halte ich das Gebäude für eine willkommende Abwechslung.


    Edit: Da hätte ich vielleicht Georges Henris Beitrag zuerst lesen sollen.


    Statt eines Beleges für Erfolglosigkeit ists wohl eher ein Beleg dafür, dass Geschmäcker verschieden sind.

  • ^ Friedward, wenn du die Bilder von RianMa anguckst, wirst du feststellen, dass die umliegenden Gebäude häufig Schrägdächer haben. Dieser kantige Kasten mit Flachdach fügt sich hier nicht ein. Der Übergang zum Jugenstilgebäude in der Klosterstraße ist geradezu brutal.


    Das Stadthaus ist hier die städtebauliche Dominate. Hinter dem Stadthaus benötigt man keinen zweiten Egoisten.