Lübeck
Einleitung
Wo soll man anfangen? Ich habe mich bisher kaum bis wenig mit Lübeck beschäftigt und kam somit relativ „unbeleckt“ in diese Stadt. Natürlich hat man als kunstgeschichtlich Interessierter die Bilder der Palmsonntagsnacht 1942 im Kopf und man weiß, dass neben bedeutsamer profaner Bebauung vor allem mit der Marienkirche ein Gebäude vom Rang des Kölner Domes zumindest in der Ausstattung weitgehend verloren ist. Wenn man zudem noch gerade aus dem perfekt erhaltenen Lüneburg anreist, ist die Erwartungshaltung natürlich hoch, umso mehr war ich erstaunt, wie sehr diese dann noch übertroffen wurde, anstatt, wie erwartet, enttäuscht zu werden.
Schon nach einem Straßenzug weiß man, ja, das war die Hauptstadt der Hanse. Und ja, das war eine reiche Großstadt des Mittelalters in Deutschland, wie es sie wohl kein zweites Mal mehr gibt. Denn selbst in Handwerkerstraßen übertreffen die Gebäudehöhen schon die der Hauptstraßen einer auch nicht kleinen Stadt wie Lüneburg. Und die Dominanten der Kirchtürme über vielen dieser Straßenzüge führen für mich zu den großartigsten Veduten einer deutschen Stadt, die ich überhaupt jemals zu Gesicht bekommen habe. Das Niveau bewegt sich hier auf dem von Gent oder Brügge mit ihren stadtbildbestimmenden Belforten.
Natürlich kann man nun entgegnen: ja, aber, die nahezu vollständig verlorenen Straßenzüge v.a. der Alf- oder Fischstraße mit ihren etwas größeren und prächtigeren Gebäuden und dem Westwerk der Marienkirche im Hintergrund waren noch viel großartiger, doch irgendwie fiel und fällt es mir anbetrachts der Tatsache, dass immer noch 70 Prozent – gefühlt mehr – dieser grandiosen Stadt vorhanden sind, schwer, sich dauerhaft zu grämen.
Und auch wenn mich jetzt mancher einer steinigen mag, viele Bauten und sogar Straßenzüge aus der direkten Nachkriegszeit finde ich persönlich gar nicht mal so übel, beispielsweise den östlichen Abschnitt der Mengstraße ab Schüsselbuden, den anschließende Teil der Breiten Straße oder auch die Nordseite der Holstenstraße. Durchgängige Verwendung von rotem Backstein, ordentliche Dächer und vernünftige Fensterformate fallen nicht nur positiv auf, sondern zeigen auch, wie leicht altstadtgerechte Architektur hier eigentlich ist. Geschmacklosigkeiten haben nach meinem Empfinden wie so oft erst die Wirtschaftswunderjahre (1960er ff.) verbrochen, zu nennen wäre v.a. das Kaufhaus an der Holstenstraße, die gnadenlos in die weitgehend erhaltenen Züge der Großen Peters- und der Marlesgrube hinein gerammten Parkhäuser sowie eine jüngere Neubauten, die im Folgenden an der passenden Stelle angesprochen werden.
Beim 1942 zerstörten „Kaufmanns-“, manchmal auch, da Keimzelle der Stadt, als „Gründerviertel“ bezeichneten Gebiet zwischen Mengstraße, Schüsselbuden, Holstenstraße und Trave ist das Glas in meinen Augen noch immer halbvoll. Hier steht einfach furchtbar ödes oder gar nichts, aber was dort gebaut wurde, wurde offenbar nicht besonders tief gegründet, wie jetzt laufende Ausgrabungen zeigen, ist ähnlich wie in Dresden vor 20 Jahren im Boden noch viel vorhanden. Sehr von Vorteil ist auch, dass dort das alte Straßennetz mit größtenteils altem Pflaster überdauert hat.
Anmerkungen & Technisches
Soviel meine Eindrücke, falls überhaupt jemand bis hierhin gelesen hat. Die nachfolgende Bilderschau, die an einem für die Jahreszeit vom Wetter her nahezu perfekten 5. September 2010 entstand, soll diese nun etwas untermauern. Sie erhebt wie immer keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Dafür ist die Stadt auch viel zu weitläufig und die Zahl alleine der denkmalgeschützten Häuser viel zu groß – offiziell deutlich über 1.000, zusammen mit denen, von denen nur noch die Fassade vorhanden oder aus anderen Gründen (noch) kein Denkmalschutz existiert, dürfte eine reelle Zahl zwischen 1.500 bis 2000 liegen. Vor 1942 waren es sicher deutlich über 2.500. Leider ruht die Arbeit an einer Denkmaltopografie für die Stadt schon seit längerem aus Personalmangel.
Die Kommentare habe ich daher nach bestem Wissen und Gewissen mit Google Maps, Bing Maps, Wikipedia und diversen Kunstführern recherchiert. Eine große Hilfe war mir vor allem das Buch „Weltkulturerbe Lübeck. Denkmalgeschützte Häuser.“ von Klaus J. Groth aus dem Jahr 1999, das eine Art stichwortartige Denkmaltopografie auf Basis der damaligen 200 Aktenordner (!) des Landesamtes für Denkmalpflege zu Lübeck darstellt und bereits vor 11 Jahren über 1.000 Objekte umfasste. Bei einigen Gelegenheiten habe ich auf historische Vergleichsbilder vor 1942 von Bildindex.de oder Wikipedia verlinkt.
Die Fotos entstanden wie so oft mit der Canon EOS 1Ds Mark II und dem Canon EF 24-70mm 2.8 L USM. Dem sehr Aufmerksamen fällt vielleicht auf, dass ich bei ein paar Bildern die topografische Zusammengehörigkeit über die reale Chronologie gestellt habe. Bei den Abendaufnahmen half neben dem Stativ Manfrotto 055 PROB mit dem Drei-Wege-Kopf Manfrotto 329RC4 vor allem APH-Forumsmitglied Weingeist als Kameraassistent. Dafür sei ihm neben der generellen Hilfe als Ortskundiger an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt. Das gute Wetter erlaubte, die nun folgenden Bilder zwischen 10,6 und 13,5 Megapixeln und somit größtenteils nahezu in der nativen Auflösung der Kamera auszuarbeiten.
Übersichtskarte
Anbei eine aus Satellitenbildern (Quelle: Google Maps) zusammengestückelte Übersichtskarte:
Grün hinterlegt grob die kriegsversehrten Gebiete (nach eigener Einschätzung / Ermessen), in blauen Pfeilen die von mir eingeschlagene Route, die verdeutlicht, dass dies trotz der sehr zahlreichen Bilder noch lange nicht alles war, was man in Lübeck sehen kann.
Fotos & Kommentar
Wir nähern uns der Stadt von Norden, vor uns befindet sich das Burgtor, eines von noch zwei erhaltenen der ursprünglich vier mittelalterlichen Stadttore. Die Brücke, auf der wir stehen, ist jedoch keinesfalls ein historischer Übergang. Ursprünglich war das Land, das heute Brücke ist, der einzige trockene Zugang zum einem Werder, also einer Halbinsel, auf der sich heute die Altstadt befindet. Östlich floss, vereinfacht dargestellt, die Wakenitz, westlich die Trave. Bereits im Mittelalter machte man sich diese als Kanäle zunutze, um z.B. Salz aus Lüneburg hierher zu verschiffen, wovon noch heute die alten Salzspeicher am Holstentor zeugen.
Doch erst der Bau des Elbe-Lübeck-Kanal 1896–1900 machte Lübeck zur Stadt auf einer Insel. Die Landzuge vor dem Burgtor wurde durchstoßen und durch diese Brücke ersetzt, die Wakenitz durch den sogenannten Falkendamm im Osten „ausgesperrt“. Die Trave trennt sich seitdem südlich der Stadt in den westlichen Altarm, auch „Stadttrave“ genannt, und eine östlichen „Kanaltrave“ im ehemaligen Wakenitzbett, um sich an unserer Stelle wieder zu vereinigen.
Treten wir durch das Burgtor, so bekommen wir nach Süden einen ersten Eindruck der Großen Burgstraße.
Der Blick zurück führt uns noch einmal zum Burgtor. Ein Reisender des Mittelalters hatte eine ähnliche Ansicht, zumindest ab 1444, damals ersetzte nämlich Stadtbaumeister Nicolas Peck einen romanischen Vorgängerbau mit diesem spätgotischen Schmuckstück. Allerdings ist das jetzt zu sehende Tor nur der innerste von einst drei hintereinander gelagerten Bauten, der noch erhalten ist. Auch war ursprünglich nur die Durchfahrt unter dem Turm vorhanden, die anderen drei kamen erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts hinzu, um dem zunehmenden Verkehr Rechnung zu tragen.
Die rechts zu sehende Nr. 7 im Kern aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die neoklassizistische Fassade von 1919.
An das Burgtor schließt auf der Westseite der Großen Burgstraße der ehemalige Marstall an (Nr. 2), der sich auf ältestem Lübecker Boden befindet. Der außerhalb gelegene, von Slawen im 8. Jahrhundert gegründete und namensgebende Ort Liubice („die Liebliche“) ist nämlich nicht die Keimzelle der Stadt. Die Burg Bucu auf der heutigen Altstadtinsel, im Bereich des hinter der Großen Burgstraße gelegenen, aber bis auf das Gebiet des Marstalls reichenden Burgklosters, muss vielmehr als diese angesehen werden. Auch sie entstand wahrscheinlich schon Anfang des 9. Jahrhunderts, an ihrer Stelle gründete Adolf II. von Schauenburg und Holstein 1143 die Stadt. In ungebrochener Folge entwickelte sie sich wohl nach einem Brand im Jahre 1157 und der anschließenden Neugründung durch Heinrich den Löwen, denn schon 1160 erhielt sie Stadtrechte, das Zeitalter der Hanse begann.
Zurück zum Marstall: er besteht aus einer ganzen Gebäudegruppe verschiedenster Epochen, die sich hinter dem hier zu sehenden Torbau um einen kleinen Innenhof gruppieren. Die meisten Bauten dort aus dem frühen 19. Jahrhundert, die älteste Substanz noch aus dem frühen 13. Jahrhundert. Im Bild rechts ein noch aus dem 14. Jahrhundert stammender gotischer Teilbau mit Treppengiebeln und dem typischen Wechsel zwischen glasierten und unglasierten Backsteinen, links im Bild die aus der Übergangszeit von Gotik und Renaissance des 16. Jahrhunderts...
...stammende Tordurchfahrt, die im hier zu sehenden Detail doch stark an Alt-Braunschweiger Schnitzereien erinnert. Die Balkenköpfe unter anderem mit Dudelsackbläser, Beckenschläger, Bürger und Bettler, bei einigen glaubt man gar, die Jungs und Mädels bei Pixar seien davon für ihren Helden Shrek inspiriert worden. Kulturhistorisch unzweifelhaft wertvoll, da derartig frühe Schnitzereien der niederdeutschen Manier und dieser Güte seit dem Zweiten Weltkrieg äußerst rar geworden sind.
An der anderen Seite des Burgtors das ehemalige Zöllnerhaus (Nr. 5), erbaut 1571 mit Veränderungen im 18. Jahrhundert. Ein klassischer Vertreter der Backsteinrenaissance mit mit Terrakottenfries, das in wechselnder Folge den lübischen Adler, das lübische Wappenschild sowie die mecklenburgischen Greifen zeigt.
Blick nach Osten in die Kaiserstraße – ja, die heißt wirklich so. Straßen dieses Namens waren also nicht überall Boulevards, zumal sie schon 1438 „plates Caesaris“ hieß. Gut erkennbar das einzige hier unter Denkmalschutz stehende Doppelhaus Nr. 6–8 mit abgetreppten Zwerchgiebel, erbaut 1575 mit vielen späteren Veränderungen.
Weiter an der Ostseite der Großen Burgstraße. Die eingerüstete, etwas versifft wirkende Nr. 11 steht schon länger leer und ist doch so bedeutend: Keller noch erste Hälfte 14. Jahrhundert, der Hochbau aus der Zeit um 1600, im Inneren des Vorderhauses wertvolle barocke Raumausstattungen des 18. Jahrhunderts, der hier nicht zu sehende Flügel dahinter teils noch im Originalzustand des 16. Jahrhunderts, die über all das hinwegtäuschende Fassade erst aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Auf dass sich bald jemand erbarmen möge.
Blick von hier nach Süden, die zu sehenden Gebäude stehen aus was für Gründen auch immer größtenteils nicht unter Denkmalschutz, grandios ist die Ansicht dennoch.
Wenn wir uns umdrehen, fällt unser Blick auf das monumentale ehemalige Gerichtsgebäude (Nr. 4), 1893–96 nach Entwürfen des Architekten Adolf Schwiening auf dem Gelände des ehemaligen Burgklosters bzw. der Schmiede des Marstalls errichtet. Ein ganz herausragendes und qualitätvolles, wenn auch vielleicht etwas überdimensioniertes Beispiel für die Einfühlsamkeit des damaligen Städtebaus, zumal es auch im Inneren seine Ausstattung bewahrt hat.
Ein paar Schritte weiter der nächste Blick nach Osten, hier die Kleine Gröpelgrube mit äußerlich fast durchgängig aus der Renaissance stammenden Bauten der Südseite...
...und der Nordseite, die jedoch im Kern wie so oft viel älter sind.
Von hier nochmal die Westseite der Großen Burgstraße, unter vielen bemerkenswert vor allem die zwei Häuser neben dem historistischen Klinkerbau. Das rechte, Nr. 24, aus dem 17. Jahrhundert mit einem sehr stattlichen fünfteiligen Giebel der Backsteinrenaissance, das linke, Nr. 26, im Kern noch Ende 15. Jahrhundert, mit einem spätgotischen Giebel von 1571, dieser mehrfach überformt.
Von der Materialität her nicht weniger exotisch als die Bauten des Historismus, aber weit schlichter, drängt sich auf den letzten Metern der Ostseite dann auch die Architektur der 1950er Jahre ins Bild. Bei dem einigen Grusel, den es in Lübeck gibt und v.a. erst kürzlich gebaut wurde, kann man diese Häuser durchaus als gelungen bezeichnen. Zu erwähnen noch die etwas heruntergekommene, klassizistische Nr. 53 links davon, diese besitzt noch ihre sämtlichen aus der Bauzeit stammenden, also auch schon fast 200 Jahre alten Fenster – gut zu erkennen am Reflektionsverhalten.
Einmal umgedreht sind wir nun am Koberg angekommen, der schon 1287 unter diesem Namen nachweisbar ist und einen nahezu quadratischen Platz vor der Jakobikirche bildet. In aller Kürze: eine dreischiffige Backsteinhallenkirche aus der Zeit um 1300, die einen Vorgängerbau des noch frühen 13. Jahrhunderts ersetzte, blieb als eine von wenigen Kirchen 1942 unbeschädigt und hat somit noch sämtliche Originalausstattung, hervorzuheben zwei sehr bedeutenden Orgeln. Der 112 Meter hohe Kirchturm wurde noch im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts weitgehend fertig, erhielt seinen charakteristischen Abschluss mit den „Kugeln“ nach dem entfernten Vorbild der Petrikirche aber erst Mitte des 17. Jahrhunderts.
Das Pastorenhaus an der Ecke zur Königstraße (Jacobikirchhof 5–6) im Vordergrund ist ein neobarocker Historismusbau aus dem Jahre 1908 auf gotischen Fundamenten des Vorgängerbaus.
Die Nordseite des Kobergs – bemerkenswert vor allem das stattliche Eckhaus zur Großen Burgstraße (Nr. 12). Sein hohes Alter weist ein vermauerter romanischer Hintergiebel aus, wohl noch zum einem Vorgängerbau des auf 1315 datierten Kernbaus gehörig, die heutige Fassade von 1775–79.
Links dem wenig originellen „Bullaugenhaus“ mit der Nr. 18 weiteres schönes Beispiel für eine klassizistische Putzfassade vor einem Kernbau der frühen Neuzeit, rechts mit der Nr. 16 eine Neuschöpfung des Historismus von 1897 sowie der Nr. 13–15 ein ausnahmsweise mal traufständiges, wenn auch stark verändertes Haus der Renaissance der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Auch auf der Westseite des Kobergs strahlen uns klassizistische Putzfassaden förmlich an, die hier ein nahezu geschlossenes Ensemble bilden. Ausnahme die Nr. 1 ganz rechts, die einen vollständigen Neubau im Stil der italienischen Renaissance darstellt, 1888–89 nach Entwurf von Julius Grube. Links anschließend das sogenannte Hoghe Hus, Nr. 2, hinter dessen Fassade sich, wie gut am hervorragenden Dach erkennbar, ein uralter Bau aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verbirgt. Rückwärtig noch der ursprüngliche gotische Giebel erhalten, im Inneren u.a. bemalte Balkendecken, Diele mit barockem Treppenaufgang und zahlreiche Stuckdekorationen.
Auch die folgenden Bauten (Nr. 3–6) stammen fast sämtlich hinter den Fassaden der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Die Ostseite des Kobergs nimmt fast vollständig das Heiligen-Geist-Hospital ein. Dieser Hospitalbau ist nicht nur einer der ältesten der Stadt, sondern der ganzen Welt: 1227 an anderer Stelle gegründet entstand der jetzige Bau als Stiftung reicher Kaufleute nach dem Stadtbrand von 1276. Schon gegen 1286 war er in der weitgehend heute noch zu sehenden, backsteingotischen Form vollendet. Vorne am Koberg befindet sich eine einfache Hallenkirche, die Ende des 15. Jahrhunderts mit Sterngewölben versehen wurde, dahinter die Krankenhalle. Mitte des 14. Jahrhunderts kam noch ein Kreuzgang dazu.
Die letzte große Veränderung erfolgte erst im frühen 19. Jahrhundert, als man die noch mittelalterliche Ordnung der in Viererreihen im Langhaus aufgestellten Betten beseitigte und durch die jetzt noch vorhandenen hölzernen Hospitalitenkammern ersetzte. Erst 1964 ging die ursprüngliche, fast über sieben Jahrhunderte ausgeübte Funktion vollständig verloren und nach Umbauten in den 1970er Jahren in ein Altenheim über. Die Ausstattung mit u.a. Wandgemälden aus dem frühen 14. Jahrhundert, dem fantastischen Lettner aus dem 15. Jahrhundert und zahlreichen Altären noch aus dem Mittelalter zählt zum Schönsten, was Einrichtungen dieser Art in Deutschland noch zu bieten haben.
Westlich der Jakobikirche führt die Breite Straße vom Koberg nach Süden bis zum Rathaus, die durch die Kriegseinwirkungen etwa 40 Prozent ihrer Substanz eingebüßt, aber immer noch grandiose Gebäude aufzuweisen hat. Es seien die Häuser Nr. 6 und 8 der Industrie- und Handelskammer, die hinter ihren neogotischen Fassaden eine ganze Sammlung von Raumkunstwerken ehemaliger anderer Bürgerhäuser (Fredhagenzimmer von 1573–85 aus dem Haus Schüsselbuden 16, fast komplette Diele der 1590er Jahre aus dem Haus Schüsselbuden 24 usw.) beherbergen, sowie...
...schon an letzter Stelle, da mir weitere Fotos von dieser Ecke fehlen, mit der Nr. 2 das Haus der Schiffergesellschaft genannt. Erbaut 1535 im Stil der Backsteinrenaissance, 1538 von der Schiffergesellschaft gekauft, der Vorbau mit der Wohnung des Dienstboten und dem Kellereingang entstammt dagegen dem 18. Jahrhundert.
Von den vielen Details bemerkenswert u.a. das Portal von 1768, die von kannelierten Pilastern gerahmte Darstellung eines auf Kupfer gemalten Dreimasters aus dem 17. Jahrhundert darüber sowie die fast kaum noch zu sehenden Beischläge, hier von 1745 aus gotländischem Kalkstein mit Bootsmotiven. Letztere sorgten ursprünglich für ein heute nicht mehr vorstellbar differenziertes Straßenbild, verschwanden aber im Zuge der Verbreiterung der Straßen im 19. Jahrhundert fast gänzlich aus den norddeutschen Städten.
Rechts des Hauses der Schiffergesellschaft spannen sich drei Strebebögen über die vollständig erhaltene, nach Westen zur Trave hinabführende Engelsgrube, zu der wir später wieder zurückkommen.
Vom Koberg zurück laufen wir jetzt zur östlichen Parallelstraße der Breiten Straße, der Königstraße. Und ja, königlich ist der Anblick dieser pastellosen Fassaden des Barock und Klassizismus im Morgenlicht, im Süden nur überragt durch die Katharinenkirche wahrhaftig.
Bevor es weitergeht, noch einmal von hier der Detailblick auf den Turmhelm der Jakobikirche...
...doch kommen wir zum ersten Highlight. Der genannten Gesellschaft gehört die Nr. 5 erst seit 1891, die es auch mit der stilisierten Weltkugel versah. Wohl 1804 ist nach Entwurf von Christian Frederik Hansen die frühklassizistische Fassade vor ein Haus des 15. Jahrhunderts gesetzt worden, noch ein klein wenig älter ein Flügelbau im Hof mit Rokokoausstattung.
Das links angeschnittene Drägerhaus (Nr. 9) und das hier dominierende Behnhaus (Nr. 11) gehören heute zusammen und bilden die Räumlichkeiten für das Lübecker Museum der Kunst des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne. Dieses, gegründet 1921, bestand zunächst nur im Behnhaus, benannt nach seinem letzten Bewohner, dem Lübecker Bürgermeister Heinrich Theodor Behn. 1783 wohl nach Plänen eines französischen Architekten als Umbau eines aus dem 14. Jahrhundert stammenden Vorgängerbaus errichtet, erhielt es um 1800 durch den dänischen Architekten Joseph Christian Lillie die heute noch zu sehende Gestalt und Inneneinrichtung. Es gilt als Hauptwerk des frühen Klassizismus in der Stadt, die Diele ist die größte erhaltene Lübecks.
Auch das Drägerhaus geht auf einen Kernbau des 15. Jahrhunderts zurück, heute findet sich hier ein höchst bedeutender Rokokosaal im Erdgeschoss hinter einer Fassade von 1845; es kam als Stiftung seiner letzten Bewohner, der Mäzene Heinrich und Lisa Dräger, in den 1970er Jahren zum Museum im Nachbarhaus hinzu. Hinter beiden Gebäuden befinden sich wunderschöne, ausgedehnte und für den Museumsbesucher zugängliche Gärten.
Direkt daneben mit der Nr. 13 weitere großartige Fassade des Spätklassizismus von 1865 vor einem Haus des 14. Jahrhunderts.
Von ähnlicher Güte ist dieses Gebäude mit der Anschrift Nr. 17, das sich 1853–54 der Kaufmann und großherzogliche mecklenburgisch-strelitzsche Konsul Peter Hinrich Rodde erbauen ließ.
Ersatzweise für viele Bauten, die wir aus Platzgründen überspringen müssen, dieser Blick von der Ecke Glockengießerstraße nach Norden in die Königstraße. Einzigartig das Eckhaus Nr. 1 mit einem halben barocken Schweifgiebel, letztes erhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen Eckbebauung in Lübeck, im Kern noch 13. Jahrhundert, beachtenswert auch die sehr alte Ziegeleindeckung auf dem Haus dahinter.
Von der gleichen Stelle aus ein Gesamtbild der Königstraße nach Süden, die im Krieg nur im Mittelstück geringfügig und dann eher noch durch unmaßstäbliche Großbauten danach in ihrem Erscheinungsbild beeinträchtigt wurde.
Herausgegriffen hier als Einzelexemplar die Nr. 15, im Kern 13. Jahrhundert, der Giebel um 1300 mit Ergänzungen des späten 16. Jahrhunderts und somit einer der ältesten der Stadt, typisch für die Zeit die abwechselnde Verwendung von glasierten und unglasierten Ziegeln, Erdgeschoss im Zopfstil überformt.
Schräg gegenüber das Westwerk der Katharinenkirche an der Ecke Glockengießerstraße. Bis zur Reformation Franziskaner-Klosterkirche ersetzte der heutige Bau wohl im Verlaufe der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine schon um 1225 erbaute erste Kirche. Es handelt sich um eine dreischiffige, neunjochige Basilika mit polygonalem Chorschluss und zweischiffigem Querhaus von gleicher Breite wie das Langhaus selbst, wie bei der Bettelordensarchitektur üblich fehlt ein Turm zugunsten eines Dachreiters.
Nach der Reformation hat die Kirche verschiedenste Nutzungen, u.a. als Filialkirche der Marienkirche, ab 1841 entwickelte sie sich v.a. durch die Bemühungen von Carl Julius Milde und der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit zu dem, was sie heute ist, einer Museumskirche. Neben zahlreichen Wandmalereien, Altären und Epitaphien ist v.a. die Glockensammlung und der Lettner hervorzuheben.
Nun geht es in die Glockengießerstraße, eines der vielen großartigen, völlig ungestörten Straßenensembles der Stadt, hier der Blick nach Osten entlang der Südfassaden. Im Vordergrund mit der Nr. 2 die ehemalige Dienstwohnung des Werkmeisters der Katharinenkirche, im Kern 15. Jahrhundert, Fassade vor dem gotischen Traufenhaus um 1750, Tür, Fenster und sogar Verglasung sind ebenso original erhalten...
...wie das meiste, was man hier auf der Nordseite erblickt.
Als einer von vielen mit der Nr. 23–27 auf der Nordseite der Kopfbau eines klassischen Stiftungshofes, 1637–39 als Testamentsverfügung des Ratsherren Johann Füchting nach Plänen von Andreas Jeger als Hofwohnanlage für Witwen errichtet, heute Nutzung als Altenwohnheim.
Das Vorderhaus und viele Hofbauten sichtbar weitgehend erneuert, noch erhalten das Vorsteherhaus mit aus dem 17. Jahrhundert stammenden, original bleiverglasten (!) Kreuzstock-Blockzargenfenster des ersten Obergeschosses, im Inneren stellt das so genannte Vorsteherzimmer von 1653 mit u.a. farbigem Fliesenboden, Lüneburger Fayence-Ofen, Vertäfelung, kompletter Inneneinrichtung und Stifterporträts eine der wertvollsten Inneneinrichtungen dieser Zeit in der Stadt dar.
Detail des aufwändigen Portals zum Innenhof aus Sandstein, da dieser nach Lübeck importiert werden musste ein Ausweis ungeheuren Reichtums, erst recht in diesen Dimensionen. Zudem eines der wenigen Werke des Frühbarock in der Stadt, das bereits den Knorpelstil verarbeitet, den man wahrscheinlich in niederländischen Gefilden rezipiert hatte, es zeigt u.a. eine Messing-Inschriftentafel von 1645, eine Kartusche mit der Allegorie der Caritas sowie das Wappen des Stifters Füchting.
Der nächste Stiftungshof, die Nr. 45–53, 1609–12 unter dem Kaufmann und Ratsherren Johann Glandorp für Kaufmannswitwen eingerichtet. Das Vorderhaus im Stil der Renaissance stammt noch aus der Bauzeit, bemerkenswert auch hier die Inschriftentafel mit Wappen des Stifters in Sandstein, das Innere im 19. Jahrhundert und zuletzt in den 1970er Jahren verändert, damals die Buden mit dem benachbarten Glandorps Gang zusammengelegt und hier 30 Sozialwohnungen eingerichtet.