Interview mit Aletta von Massenbach
Im Branchenmagazin Aero.de findet sich ein ausführliches und mE lesenswertes Interview mit der Flughafenchefin. Ich werde das jetzt nicht alles wieder geben aber doch mal einige für mich spannende Punkte zusammen fassen (ich gebe ihre Aussagen direkt wie Tatsachen wieder, das liest sich besser):
1) Zum aktuellen Trend beim Flug- und Passagieraufkommen und zur Konnektivität:
- Den größten Verlust gegenüber 2019 gibt es eindeutig im innerdeutschen Verkehr.
- Im Europaverkehr ist man jetzt wieder bei etwa 80% der alten Werte und hat auch wieder eine recht gute Konnektivität, darunter auch die zu den relevanten Drehkreuzen.
- Auch die Konnektivität zu außereuropäischen Drehkreuzen entwickelt sich gut. Es gibt in diesem Bereich aber auch noch einige Bedarfe und Potentiale, die bisher ungenutzt bleiben.
- Insgesamt liegen wir für 2024 aktuell bei +13% gegenüber dem Vorjahr. Geplant sind nach wie vor 24,8 Mio Passagiere (oder rund 8% Wachstum gegenüber 23 Mio in 2023, was gut zu erreichen sein sollte). Für 2025 wird mit knapp 28 Mio geplant. Insgesamt zeichnet sich ein solides Wachstum ab.
2) Potential für neue Fernstrecken:
- Der BER fertigt Analysen an, welche Passagiere bisher von Berlin via anderen Luftkreuzen an bestimmte Langstreckenziele fliegen und teilt dies dann passenden Airlines proaktiv mit.
- Nach Westen ist es aktuell noch eine Frage des Marktes (i.e. die Flugzeuge sind aktuell noch knapp und nordamerikanische Airlines haben gerade in bestimmten Phasen des Jahres lukrativere Ziele). Mittelfristig könnte es aber gemäß Bedarf/Nachfrage durchaus noch mehr Verbindungen an die Ostküste der USA aber auch nach Kalifornien oder der Kanadas Ostküste geben, teilweise vermutlich mindestens vorerst aber saisonal. In Mittel- und Südamerika gäbe es auch noch interessante Verbindungen, diese sind aber meist preissensibel und somit schwer umsetzbar.
- In Richtung Osten gibt es einen ganz klaren Bedarf, jedoch oft noch hinderliche Abkommen (nicht nur für den Nahen Osten). Ansonsten gibt es auch hier passende aber preissensible Ziele wie Bangkok, während gerade Indien immer interessanter wird und insbesondere Delhi sehr hohe Relevanz hätte.
- Der A321 LR/XLR ist sehr interessant für den BER. Hiermit wären u.a. Verbindungen nach Boston, Montreal oder Delhi gut umsetzbar.
- Zum Winter werden Jeddah und Dubai hinzukommen und Qatar wird auf 18 Flüge pro Woche aufgestockt. Ansonsten will sie den Fluggesellschaften keine Ankündigungen vorwegnehmen (heißt dann aber wohl, hier kommt demnächst noch was).
3) Die ökonomische Perspektive:
- Der BER brauchte nach den diversen Schulden aus der Bauphase und den Ausfällen durch Corona insgesamt 2,4 Mia um selbstständig zu werden (i.e. sich völlig ohne weitere staatliche Zuschüsse zu finanzieren). 1,7 Mia davon wurden schon genehmigt, die restlichen 700 Mio stehen noch aus. Das Ziel ist, bis 2026 endgültig den Sprung in die Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen.
- Im non-aviation-Sektor entwickelt sich das Geschäft sehr gut und trägt immer stärker zum Gesamtumsatz bei.
4) Das Erlebnis für den einzelnen Fluggast:
- Der Service und das sonstige Angebot wurden immer weiter verbessert. So wurde z.B. kürzlich der
Food Court komplettiert und es soll künftig noch eine Bar als zusätzliche Ruheinsel geben.
- Ein entscheidender Punkt ist, dass viele Daten erhoben und analysiert werden. Der BER hat inzwischen praktisch einen digitalen Zwilling und mit den Daten wird auch intensiv gearbeitet.
- Zuletzt wurde bekanntlich die Sicherheitskontrollen übernommen und somit stark optimiert (durch noch mehr moderne Technik soll es dort weitere Verbesserungen geben). Insgesamt können so in der gleichen Zeit doppelt bis dreimal so viele Passagiere durch die Kontrollen gelangen.
- Bei der Gepäckausgabe hat man im Gesamtdurchschnitt ordentliche Werte erreicht, sporadisch gibt es aber negative Ausreißer, die zu entsprechender Unzufriedenheit führen. Die Verantwortung tragen die verschiedenen Fluggesellschaften und deren beauftragte Bodendienstleister. Der BER erfasst aber auch hier alle Daten und informiert die Airlines/Dienstleister proaktiv über potentielle Probleme. Zudem hat man nun eine eigene Eingreiftruppe aufgebaut, die bei Engpässen mit aushelfen kann.
Fazit: Es wirkt mE nach wie vor so, als wenn der Flughafen auf allen Ebenen professionell optimiert wird und man das Optimale herausholt. In einigen neueren Umfragen schnitt der BER ja auch schon deutlich besser ab als sein Ruf ist.