Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • "Stadtreparatur" kann ich nachvollziehen, zweifellos. Es ist ja leider eine Feststellung der letzten Jahrzehnte sog. "moderner" Architektur dass diese keine vergleichbare Aufenthaltsqualität und urbane Anmutung hervorbringen konnte wie der Städtebau während den großen urbanen Expansionen im 18. und 19. Jahrhundert.


    Wobei man sich schon fragen muss was daran noch "modern" sein soll wenn viele 2010 fertiggestellte Gebäude genauso gut vor 40 Jahren, Anno 1970, geplant worden sein könnten. Über Sichtbeton und den rechten Winkel scheint die Architektur nicht mehr hinaus zu kommen, absolute Stagnation.


    Nur wenn ich dann von "Hauptstadt" lese, von "Repräsentation" und alle möglichen Seitenhiebe auf alles nicht-berlinerische in dieser Republik (die sog. "Provinz") dann bekommt das für mich ein Gschmäckle wodurch dieses Projekt für mich zunehmend ungenießbar wird. Wenn das nur Einzelmeinungen sind bin ich ja beruhigt. Im Übrigen, um mir zum Schluß noch leichtes Abschweifen in's Politische zu erlauben, spielt die Bundeshauptstadt in Zukunft keine Rolle mehr. "Global denken, regional handeln", das ist das Leitmotto des 21. Jahrhunderts.


    Die regionalen Zentren gewinnen eher immer mehr an Bedeutung (müssen nicht unbedingt deckungsgleich mit den offiziellen Landeshauptstädten sein, siehe Hessen wo Frankfurt und nicht die Landeshauptstadt Wiesbaden das sozioökonomische Zentrum ist). Und darüber die supranationalen Institutionen. Die "Zwischenebene" des Nationalstaates, zumal im kleinteiligen Europa, verliert hingegen schon lange an faktischer Bedeutung. Berlin zur "Hauptstadt" ausbauen zu wollen hat für mich als 24 Jährigen daher auch etwas eigenartig rückwärtsgewandtes. Ich bin Augsburger und Europäer.


    PS: Ob die Fassade wirklich privat finanziert werden wird bleibt abzuwarten! Und schon gar nicht ergibt die häufig gehörte Forderung, der Steuerzahler solle hier "vorschießen", für mich irgend einen Sinn. Die Realität wird doch so ausschauen dass niemand mehr etwas für eine Fassade spenden wird die ohnehin schon vom Staat bezahlt wird und somit "gesichert" ist, ob es sich dabei formal nur um einen "Vorschuss" handelt dürfte dabei keine Rolle spielen.

  • Bei deinem letzten Absatz stimm ich dir zu.
    Das wird definitiv problematisch für die auch fleissigsten Spendensammler, wenn die Fassade bereits (vor)finanziert ist. Deshalb sprech ich mich auch gegen eine derartige Vorschießung aus, sofern das nicht zwingend notwendig ist um die Bauarbeiten am Baukörper überhaupt durchzuführen.


  • Ich verstehe einfach das Anspruchsdenken in Berlin nicht. Irgendwie glauben dort noch viele es wäre Hauptstadt Preußens oder der DDR und die Provinzen haben gefälligst für die Hauptstadt zu zahlen. Berlin ist in erster Linie eines von 16 Bundesländern, das seine Angelegenheiten selbst zu erledigen hat. Der Bund sollte sich da weitgehend zurückhalten!


    Nein, Berlin ist nicht die Hauptstadt Preußens oder der DDR, sondern der Bundesrepublik Deutschland. Und als solche wird diese Stadt auch in der Welt wahrgenommen. So sehen es natürlich auch die zuständigen Stellen des Bundes. Dass Berlin auch zufällig ein Bundesland ist, ist aus dieser Perspektive hingegen vollkommen unerheblich.
    Und um noch mal auf die These zurückzukommen, dass irgendwelche 'regionalen Zentren' immer mehr an Bedeutung gewinnen. Das Gegenteil ist natürlich der Fall. Eine der Lehren aus der Zeit der Bonner Republik ist eben ganz offenkundig, dass ein ausufernder Provinzialismus in der heutigen Zeit nicht wirklich förderlich ist.

  • Das Verfassungsgericht hat dem (Anspruch) bekantlich enge Grenzen gesetzt.
    Das sitzt zum Glück in Karlsruhe. Vielleicht wäre das Urteil anders ausgefallen, wenn es in Berlin sitzen würde.


    Deutschland ist halt ein dezentraler Bundesstaat und kein zentalistischer Staat. Man kann ja gern versuchen diese Ordnung zu verändern. Ich fürchte nur, dass wird nicht klappen.
    Und wenn ich ehrlich bin, ich würde mir auch wünschen, dass das auch in der Welt so wahrgenommen wird.

  • Ich bin froh dass es - wenn auch oft behauptet - kein "typisch deutsch" gibt; keine "deutsche Mentalität", keine "deutsche Architektur", keine zentralistische politische Struktur - egal ob in Bonn oder Berlin. Die Hauptstadt des Bundes ist der Sitz der Regierung, des Parlamentes und der Ministerialbürokratie - nicht mehr, nicht weniger. Mit "Provinzialismus" hat das nichts zu tun. Was das zudem mit einem Schloss zu tun haben soll ist mir unklar.

    7 Mal editiert, zuletzt von Augsburger ()


  • Und wenn ich ehrlich bin, ich würde mir auch wünschen, dass das auch in der Welt so wahrgenommen wird.


    Es ist für diese Diskussion aber nicht von Relevanz wie 'Deutschland' in der Welt wahrgenommen wird. Das war auch überhaupt nicht die Frage. Es ging immer noch darum als was Berlin in der Welt gesehen wird.
    Und die Antwort darauf lautet immer noch: als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dies zu akzeptieren scheint dem ein oder anderen immer noch recht schwer zu fallen. Auch dies natürlich keine wirklich neue Erscheinung.

  • Als was werden Rom, Washington, Canberra usw. in der Welt gesehen?
    Als Hauptstadt ihrer Staaten.
    Und was folgt daraus? Nichts!
    Ich sehe diese Städte auch nicht anders als Berlin. Es sind die Regierungs-, Parlaments- und Verwaltungssitze ihrer Länder. Ich erwarte dort keine Prunk-bauten.
    Solche Bauwerke erwarte ich eher in anderen Hauptstädten. Solche von Staaten die alles andere als meine Traum eines solchen sind.
    Dort werden solche Bauwerke gern als Demonstration der eigenen Stärke in Szene gesetzt!
    Das passt nicht in eine Staat wie unseren und in Deutschland, mit seiner über Jahrhunderten gepflegten regionalen Ausprägung, ganz besonders nicht.
    Berlin als Zentrum eines faktischen deutschen Zentralstaats war nur ein wenige Jahrzehnte währendes Intermezzo.
    Von daher haben Sie recht, es ist keine wirklich neue Erscheinung, es hat wenn Sie so wollen, eine Jahrtausende alte Tradition in Deutschland!

  • Also Canberra und Washington sind ja nun wirklich denkbar schlechte Beispiele. Das sind zwei Planhauptstaedte, die nur so vor Machtdemonstration und Prunk protzen. Dagegen nimmt sich Berlin - hinsichtlich der Repraesentationsfunktion - eher kleinstaedtisch aus.


    In Canberra und Washington sind nicht nur die Stadtstrukturen total auf den Regierungssitz ausgestellt, sondern auch die Architektur der Grossteil der Stadtteile auf Repraesentanz und Machtdemonstration ausgelegt.


    Wie gesagt, denkbar schlechte Beispiele.

  • Kennen Sie die beiden Städte?
    Die einzigen Gebäude die man von diese Städten kennt sind Regierungsgebäude, Museen und Denkmäler. Symbole der Macht ja, Machtdemonstrationen und Prunk eher nicht.
    Das finden Sie da schon eher in Städten wie Berlin oder Rom.


  • Das finden Sie da schon eher in Städten wie Berlin oder Rom.


    Ja, so etwas nennt man Geschichte. In Berlin Dank gewisser Ereignisse im vergangenen Jahrhundert größtenteils ausgemerzt. Aber an dieser Tradition muss man ja nicht unbedingt festhalten...

  • Ja, so etwas nennt man Geschichte.


    Richtig. Und dazu gehört eben auch, dass auch Gebäude verloren gehen.
    Mal durch Naturkatastrophen, mal durch Unglücke oder wie beim Stadtschloss aus ideologischer Verblendung.


    Würde an dem Platz noch die Ruine stehen, würde ich den Wiederaufbau befürworten, sogar wenn es teurer wäre als die Neubaupläne.
    Aber so. Nein.
    Und das schlimmste, das macht Schule.
    In Hannover will man auch ein Schloss "wiederaufbauen"!

  • Hannover könnten sie am besten gleich komplett wiederaufbauen...
    kurzer Scherz am Rande dieser ausschweifenden Diskussion

  • Worüber diskutieren wir denn hier?
    Und was soll ein Bauthread zu dem Thema, wenn das garnicht gemacht werden soll?

  • ^
    Richtig. Und dazu gehört eben auch, dass auch Gebäude verloren gehen.


    Richtig. Und dazu kann eben auch dazu gehören, dass ein Gebäude manchmal wieder aufgebaut/rekonstruiert wird. So what?


  • Und was soll ein Bauthread zu dem Thema, wenn das garnicht gemacht werden soll?


    Vielleicht solltest du dich zunächst einmal damit auseinandersetzen, was hier tatsächlich gebaut werden soll?

  • Meinst Du jetzt Humbolt-Forum und die Art der Nutzung?
    Das ist mit schon bekannt. Ich verfolge ja hier und anderswo die Diskussionen!

  • Kennen Sie die beiden Städte?


    Erst einmal koennen wir doch auch gerne beim "Du" bleiben, oder?


    Zur Sache:
    Canberra kenne ich nicht persoenlich. War zwar in Australien, aber die Stadt liegt einfach zu fern ab vom Schuss.
    Washington D.C. habe ich allerdings schon mehrfach besucht - von mir aus ja auch nicht so weit weg. Wer mir sagen moechte, dass die National Mall mit saemtlichen angrenzenden Museen, Denkmaelern, Regierungsinstitutionen etc. pp. nicht eine pure Prunkpromenade ist, der hat die Stadt wohl selber noch nicht gesehen. Alleine wie das Washington Monument platziert ist, zeigt wie stark die USA eine in Stein gefestigte Machtdemonstration erschaffen haben. Wenn man dann durch die Strassen laeuft, sieht man, dass gar NGOs wie bsplw. das Rote Kreuz sich dort Palaeste errichtet haben (lassen?), die in Berlin einfach so nicht vorkommen. Sollten Sie doch vorkommen, irgendwo versteckt im Wald, aber nicht direkt um 'de Ecke vom Kanzleramt. Gegen die National Mall nimmt sich selbst UdL ganz schoen arm aus...

  • Bei mir ist es genau umgekehrt, ich kenne Canberra persönlich, nicht aber Washington.


    Es dürfte in Deutschland kaum Leute geben, die Canberra auf einen Bild erkennen würden, kein Gebäude das sie dieser Stadt zuordnen können. Obwohl es auf dort ein weißes Haus gibt, das zwar repräsentativ ist, aber genauso bescheiden in der Erscheinung ist, wie sein US-Pendant. Kein Vergleich mit den Amtssitzen in Frankreich oder GB!


    Prunk bauten sind für mich eher Schlösser, Sakral bauten (z.B. der Deutsche Dom in Berlin) oder das was Speer aus Berlin machen wollte.