Ich finde schon pikant hier gar Rom anzuführen, was die Römer nicht machen ist die Rekonstruktion früherer Größe. Das Forum Romanum wird als Ruine belassen, ebenso wie das Kolosseum. Diese sind eben nicht nur städtebauliches Schmuckwerk sondern sichtbares Geschichtszeugnis. Darauf kann sich, mit Verlaub, ein Neubau aus italienischem Bauhaus und preußischem Barock - errichtet im 21. Jahrhundert - nun wirklich nicht berufen.
Und die Amerikaner/Angelsachsen haben ein komplett anderes Verhältnis zu Geschichte und Architektur. Da gibt es keine hitzigen Debatten über Authenzität und da wird auch nicht mit größtem finanziellen Aufwand ein beliebiges Stadium des Verfalles konserviert sondern das Capitol und White House schaut heute noch so aus wie bei deren Erbauung, abgenutztes wird ausgetauscht. Abgesehen von baulichen Veränderungen die man nach Belieben vorgenommen hat, weil man es hübsch fand. Ohne lang über Denkmalschutz etc. nachzudenken.
Mir persönlich ist das sehr sympathisch und ich finde an einem Stein der vor 200 Jahren gesetzt wurde auch nichts "authentischer" als ein Stein der vor 2 Stunden gesetzt wurde. Aber das ist einfach nicht der hiesige Umgang mit Architektur und daher kann man das wohl kaum als Vergleich anbringen. Darüber hinaus wagt es kein Amerikaner von "Provinz" zu sprechen und Washington als Bundeshauptstadt ist überaus unpopulär - seit 1776. Amerikaner halten viel von Autonomie und möglichst ortsnaher Politik, Föderalismus. Der washingtoner Prunk ist nicht Ausdruck eines starken Zentralstaates, der die USA auch formal nicht ist, denn ein State Capitol ist kaum minder prächtig. Viel mehr ist Washington die steingewordene Macht eines modernen Weltimperiums. Und da muss auch der größte preußische Patriot zugeben, das ist halt die Bundesrepublik nicht.