Leipziger Kaffeeklatsch

  • ^ Chicago? Hier im Forum wird schon die Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten an den Stadtrand herbeigeredet und die Eisenbahnstraße wird medial als schlimmste Straße Deutschlands in Szene gesetzt, bloß weil zwei Milljöh-Anhängern in die Beine geschossen wurde und zwei Rapper mit dem (zu unrecht) schlechten Ruf des Viertels Kapital schlagen möchten. Jetzt kommst du mit Chicago, wo es kaum noch eine Mittelschicht gibt und dort ganze Stadtviertel so groß wie Leipzig in Armut, Drogen, Mord und Totschlag versinken.


    Es gibt überhaupt keinen Grund in Leipzig eine wie auch immer benachteiligte Stadt zu sehen. Geschichte ist nun mal passiert und dafür entwickelt sich die Messestadt m.E. verdammt gut. Beim aktuellen Focus-Money-Landkreisranking heißt es, dass die Einwohnerzahl in 2012 nirgendwo so stark gestiegen ist wie in Leipzig. Und 2013 dürfte der Anstieg noch etwas deutlicher ausgefallen sein. Die Arbeitslosigkeit ist seit 2005 um etwa 60 Prozent gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs im gleichen Zeitraum um ca. 20 Prozent gestiegen. Generell gilt für den Osten, dass er sich besser entwickelt als von den meisten geglaubt. Schau mal ins Ruhrgebiet, der einstigen Wohlstandswiege der alten BRD. Dort hält der Strukturwandel bereits seit 40 Jahren an und es geht weiter bergab.


    Leipzig wäre zudem ohne den Abzug der Amerikaner Zonenrandgebiet des Westens geblieben. Ob sich unter diesen Umständen die Wirtschaft nach dem Krieg so positiv entwickelt hätte, wage ich zu bezweifeln. Statt einer Mischung aus Vorkriegsleipzig und Chicago sähe die Stadt heute wohl eher aus wie West-Berlin, also Gohlis wie Charlottenburg, Volkmarsdorf wie Neukölln und Grünau wie die Gropiusstadt.

  • Ist ja richtig, lieber Cowboy.


    :rede:Trotz allem könnte die Entwicklung des Nachwende - Leipzig von unserem geliebten Vorkriegsleipzig explizit abweichen. Denn viele der "Zugereisten" wollen nicht deshalb nach Leipzig, weil es so eine geschichtsträchtige mitteleuropäische Stadt mit genug erhaltener Gründerzeitarchitektur ist, sondern, weil in LE immer was los ist und in Großstädten immer gefeiert wird. Natürlich trägt die Zuwanderung dazu bei, dass LE wieder eine richtig lebendige Stadt wird. Aber ist das "neue Leipzig" ein würdiger Nachfolger seines "Vorkriegspendant"? Architektonisch nicht immer. Es wurde auch viel Schrott seit der Wende gebaut (Höfe am Brühl), auf der "Alten Messe" dazu noch Schandflecke wie das Astoria, das direkt neben dem Hbhf seit Jahren brach steht und jeden Besucher abschreckt.


    Ein Jammer.:applause:

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  • Lieber LE Patriot,
    willst du uns hier veralbern, oder was? Hätte, wäre, könnte......?
    Wäre der 2.WK nicht passiert, hätte sich die ganze Republik, ganz Europa anders entwickelt, nicht nur Leipzig. So gestaltet sich halt Geschichte.


    Ich verstehe nicht, was du uns eigentlich sagen willst.:nono:

    Einmal editiert, zuletzt von DieVa ()

  • Ich möchte ein bisschen mit anderen Mitgliedern über die Architektur Leipzigs sprechen.
    Der wirtschaftliche Status einer Stadt ist eng mit deren Architektur verflochten(siehe Frankfurt am Main). Und während man in Leipzig noch immer mit Strukturproblemen zu kämpfen hat und die Fernverbindungsfrequentierungen des Leipziger Mini - Flughafens zu wünschen übrig lassen, errichtet man in Frankfurt am Main den Neubau der Europäischen Zentralbank. Dabei war Leipzig als Finanzstandort vormals viel bedeutender als das eigentlich altväterliche Frankfurt am Main.

  • @LEPatriot
    Worin bestand denn der Glanz der Vorkriegszeit? In welcher Weise trägt Du HEUTE dazu bei, Leipzig zu seiner alten Bedeutung zurückzuführen? Bist Du Bauherr, Unternehmer, Händler, Investor, bürgerlich aktiv? Solche Leute brauchen wir in der Stadt und ich hoffe, Dein Beitrag als denkender, freier Bürger existiert und ist hinreichend profund...!?


    Im übrigen ist Dein Blick verklärt. Leipzig war auch zu großen Teilen ein verrußtes Loch und die Industrieanlagen, die heute als Lofts im Westen der Stadt glänzen, verteilten ihren sottigen Ruß über die gesamte Stadt. Einer Stadt, in der 750.000 Menschen zur Mehrheit nicht im Historismusglanz des Musik- und Waldstrassenviertels lebten, sondern in engen Mietskasernen. Ein Aufgang, 10 Mietparteien, 50 Menschen. Klo und Ausguß auf der Treppe. Auf derlei Glanz kann ich gerne verzichten. Leipzig befindet sich momentan in der friedlichsten, ausgeglichensten und wohlständigsten Zeit seiner Geschichte. Man bedenke, dass von der Vergangenheit nur die nostalgisch-positiven Seiten bleiben.

  • Für mich ist eins fakt: Frankfurt am Main hat sich die nationale Rolle als Verkehrsknotenpunkt, als Finanzplatz und teils als Messe - und Verlagszentrum von Vorkriegsleipzig unter den Nagel gerissen. Frankfurt am Main hat sich in diesen Attributen gefestigt und hat somit endgültig die Nase vorn. Dass Leipzig Frankfurt am Main eines Tages nochmals überholen könnte (wie schon einmal), kann ich mir aus heutiger Sicht sehr schwer vorstellen.

  • Dass Leipzig Frankfurt am Main eines Tages nochmals überholen könnte (wie schon einmal), kann ich mir aus heutiger Sicht sehr schwer vorstellen.


    Muss es das denn? Warum dieser Minderwertigkeitskomplex? Leipzig ist gut und wichtig, so wie es ist und hat neidische Vergleiche gar nicht nötig, noch irgendwem was nachzueifern. Im übrigen hat sich das in Frankfurt keiner "unter den Nagel gerissen", die haben selbst Unmenschliches vollbracht um aus Dreck und Trümmern zu kommen. Ich finde diese Bemerkung in neidischer Weise abfällig.


    Was willst Du uns denn nun sagen? Schmeiss Dich auf den Boden und beweine den Verlust vergangener Größe. Was war, ist mir persönlich vollkommen gleichgültig, denn es hat keinerlei Einfluss auf die Qualität meines Dahinlebens und man sollte sich doch Zukünftigem zuwenden. Der Blick zurück ist nicht besonders ökonomisch einträglich. Wie sieht Dein Beitrag aus, um die angebliche Größe wiederherzustellen? Bitte sage uns nicht, dass wir die 100 Buchverlage aus der Vorkriegszeit wiedergründen, die im Graphischen Viertel ansässig waren. Das sind alles ausgetretene Pfade und abgestandenes Zeug aus dem letzten Jahrhundert. Wenn Du was wirklich innovatives bieten kannst, was ökonomisch relevant und in die Zukunft weist, dann werde ich ganz still sein...

  • Man kann stolz auf Leipzig sein. Doch neben der ehemaligen Kokurrentin Frankfurt am Main wirkt das heutige Leipzig überhaupt nicht mehr fame.


    Leipzig ist nunmal eine relativ unbedeutende ostdeutsche Großstadt geworden, der Inbegriff von Konsolidierung, Bedeutungsverlust und Stagnation. Schade drum.


  • Leipzig ist nunmal eine relativ unbedeutende ostdeutsche Großstadt geworden, der Inbegriff von Konsolidierung, Bedeutungsverlust und Stagnation. Schade drum.


    Das ist deine persönliche Meinung. Brauchst du ein reiches, großes Leipzig als Verlängerung Deines nicht vorhandenen Ossi-Selbstbewußtseins? Entschuldige, aber deine Beiträge sind revisionistische Jammerei, das ist eigentlich überflüssig, da sie gar nicht um Stadtentwicklung kreisen...

  • Dann ist es eben Jammerei. Leipzig ist nunmal meine Heimatstadt und ich finde dieses Thema durchaus sehr interessant. Allerdings muss ich noch hinzufügen, dass sich manche Dinge auch nicht mehr ändern lassen. Die Stadt Leipzig legt sehr hohe Werte auf die historischen Attribute unserer Heimatstadt, auch wenn nicht alles gleich ein Lucky Strike für Leipzig ist.

  • Versteh mich nicht falsch, die Leipziger Wirtschaftsgeschichte ist hochinteressant! Jedoch war der Bruch zwischen 1933 und 1989 so vollständig, das es aus meiner Sicht nicht lohnt, auf alten Erfolgen aufzubauen. Das geht vielleicht bei historisch kürzeren Phasen der Schwäche oder wirtschaftlichen Hemmung, aber in Leipzigs Falle nicht. Darüber hinaus kann man heute global nicht mehr mit Buchverlagen und großen Bahnhöfen reüssieren.


    Es gilt nichts weniger, als eine zukunftsweisende, innovative Wirtschaft für ein wachsendes, erfolgreiches und wohlhabendes Leipzig zu entwickeln. Was schwebt Dir in dieser Richtung vor?

  • Leipzig ist und bleibt für mich die schönste Stadt überhaupt, es tut aber auch mal gut, wenn einem mal jemand zuhört und es wenigstens ein bisschen zu verstehen versucht. Auch wenn es jetzt nicht unbedingt weiterhilft ist es schön, mal darüber zu schreiben. Leipzig ist auf dem bestem Wege. Das derzeit absolute Highlight ist das "Leipziger Flatiron", auch Trias genannt. Es wird schon viel getan und ich bin auch sehr stolz auf LE.

  • Stolz kann man auch sein. Es sollte aber doch kein trotziger Stolz auf unwiederbringliche vergangene Größe sein. Sondern eher Bürgerstolz, in nicht mal 25 Jahren aus einem versifften Rußloch mit angeschlossener Kriegsbrache eine wachsende Stadt zu machen, in der Wohnungen am Clarapark für über 1 Mio. EUR gehandelt werden. Das Trias (der Name ist blöd) ist sicherlich einer der spektakuläreren Neubauten der letzten Jahre. Aber auch hier hat niemand investiert weil die Stadt das verdient hätte, sondern weil der Büromarkt in Leipzig das Investment verträgt. Auch die Architektur wäre bedeutend schlichter ausgefallen, wenn wir bspw. in Frankfurt wären, denn dort bekommt man Flächen vermietet, die hierzulange einfach nur leerstehen würden.

  • Na, das stimmt schon. Andererseits muss ich ganz ehrlich sagen, brauche ich auch den ganzen Messekram und Börsen - Mumpitz in Leipzig auch nicht. Oder sagen wir besser: ich wöllte es garnicht hier haben, denn dann hätten wir auch den ihre Wucher - Mieten. Leipzig ist auch ohne die grossen Messen und Verlagszentralen vergangener Tage eine super Stadt. Und wo kann man sonst so günstig leben?

  • Moment, jetzt wiederspricht es sich aber sehr stark. Du weinst dem Vorkriegsglanz hinterher und willst gleichzeitig keinen Messekram und Börsenmumpitz? Bei dir ist es wahrscheinlich nur oberflächliche Nostalgie...


    Na welche anderen Dinge außer der Messe sollte denn den früheren Reichtum erzeugt haben? Da war nichts da. Die Industrie, deren Aufbau ungeheures Kapital verschlang wurde zunächst maßgeblich von Leipziger Händlern finanziert. Von wem denn auch sonst? Ein Bankensystem gab es noch nicht. Im übrigen hatte Leipzig sehr wohl eine Börse. Dort seht jetzt das IntercityHotel. Das Blöde an Wirtschaft ist, dass sich deren Gesetze nie ändern. Reichtum hat schon immer die Preise getrieben, das war 1514 und 1914 so und 2014 ebenso.
    Wuchermieten sind für mich im übrigen ein positives Zeichen, das es hohe Nachfrage nach Wohnraum gibt, Leipzig attraktiver wird.

  • Die Rauchwarenbranche bescherte Leipzig um 1910 40 Prozent des Steueraufkommens, zu diesem Zeitpunkt gab es allein 400 Pelzhandelsfirmen in der Messestadt. Das stieg dann in der Weimarer Republik noch mal an, man sprach von rund 1100 Firmen, die irgendetwas mit der Rauchwarenwirtschaft zu tun hatten. Dazu noch die polygraphische Industrie (graphisches Viertel), die ebenfalls für volle Kassen Leipzigs sorgte.

    Einmal editiert, zuletzt von LE Patriot ()

  • Der Reichtum Leipzigs früherer Tage war das Ergebnis von Fleiß und Tüchtigkeit über lange, lange Zeit.
    Jammre nicht, LE_Patriot, leiste Deinen Betrag. Sei Gründer, schaffe Wohlstand für Dich und damit auch Deiner Stadt.
    Der Verlust des Reichtums und früherer Bedeutung relativiert sich, wenn man die ehemalige Bürgerschaft von Königsberg und anderen "Totalverlusten" befragte.
    Den Bürgern der Stadt Frankfurt/Main können wir doch nicht vorwerfen, dass sie das Glück hatten, anders als Leipzig nicht als Experimentierfeld für den (ehemals) real existierenden Sozialismus dienen zu müssen. Wären die Amis 1945 in Leipzig geblieben, und hätten nicht den Russen Platz gemacht, hätte Leipzig doch auch nicht Rücksicht auf die Situation Frankfurts genommen.

  • Eine kleine Pressemitteilung der TU Chemnitz zum Zusammenhang zwischen Stilempfinden und dem Immobilienwert finde ich gerade vor dem Hintergrund so mancher Diskussion hier ganz interessant: Link.

  • Rauchwarenbranche
    polygraphische Industrie


    Und beides hätte es ohne die Messen (Stichworte: Bedeutung für den Ost-West-Handel/ Buchhandel) so nicht gegeben. Damit hatte Leipzig einen bedeutenden Standortvorteil und eine lange Tradition bei beiden Branchen.


    Heute spielen Messen natürlich nicht mehr die selbe Rolle im Warenverkehr, aber für die wirtschaftliche Vernetzung als auch für das Marketing bleiben sie ein Faktor, weswegen auch jede größere Stadt heute meint, ein Messegelände haben zu müssen, womit sie sich dann gegenseitig kannibalisieren. Außerdem gibt es heute Fachmessen, statt der früheren allumfassenden Jahrmarktsmessen.
    Insoweit ist auch absehbar, dass "die Leipziger Messen" ihre Bedeutung vor 1990 wohl nicht wieder erreichen werden bzw. wenn, dann nur im Sog eines von anderen Faktoren getragenen wirtschaftlichen Aufschwungs.