Stadterneuerung im Bestand - Leipzigs gerettete Gründerzeit

  • Stadterneuerung im Bestand - Leipzigs gerettete Gründerzeit

    Ich möchte hier eine neue Galerie aufzumachen, die – so wie es im Leipziger Bauerbe-Thread Usus ist – die zum Teil spektakulären Sanierungen und Teilrekonstruktionen erlebbar macht: mit jeweils einem Bild des oftmals ruinösen Vorzustandes, mit zugemauerten Fensteröffnungen, verschlissenen Notdächern, abgeplatztem oder mutwillig entferntem Stuck, großflächigen Grafitti etc., und einem, das die frische Pracht der wiederhergestellten Fassaden mit ihrem reichen Bauschmuck, die rekonstruierten Dächer mit ihren Giebeln, Gauben, Zwerchhäusern und Türmchen zeigt. In dieser Weise sind in den vergangenen Jahren auch in mehreren Büchern mit Titeln wie „Leipzig – Stadt des Wandels“ die umfassenden Veränderungen im Stadtbild festgehalten worden. Der Übersicht halber möchte ich nur darum bitten, möglichst im Format „vorher – nachher“ zu bleiben. Wenn die oft denkmalgerecht sanierten Foyer- und Treppenhausbereiche fotografiert wurden, sollen sie uns natürlich nicht vorenthalten bleiben. Auch eine historische Ansicht, soweit vorhanden, kann das Bild komplettieren. Ich werde nach einigen einleitenden Worten mit meinem eigenen Bildmaterial beginnen.


    Zunächst aber einige Hintergründe. Leipzigs Stadtbild befand sich zum Zeitpunkt der Wende in einer besonderen Situation. Zum ersten hatte die Stadt eine enorme bauliche Hinterlassenschaft aus der Epoche, die oft (nicht ganz zutreffend) als Gründerzeit bezeichnet wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Leipzig im 19. Jahrhundert geradezu explosiv anwuchs, von kaum 30.000 Einwohnern um 1800 auf fast 590.000 Einwohner um 1910 (später stieg die Bevölkerung bis zum 2. Weltkrieg noch auf über 700.000). Zu diesem Zeitpunkt war man dicht hinter München auf dem vierten Platz der bevölkerungsreichsten Städte, bezogen auf den heutigen Gebietsstand der Bundesrepublik; und als erster deutscher Verlagsstandort, größte deutsche Messestadt, Industriestadt von europäischem Rang, Sitz des höchsten deutschen Gerichts und einer damals international sehr renommierten Universität, schließlich auch als eine der reichsten deutschen Städte, erheblich bedeutender als heute (ein Umstand, der sicherlich zu der vielzitierten Leipziger Tendenz zum Größenwahn beiträgt). Die Wälder, Äcker und Wiesen im Umland, viele davon durch aufwändige Flussregulierungen den Elster- und Pleißeauen abgetrotzt, wurden im Geschmack der Zeit, dabei jedoch stets großzügig und repräsentativ bebaut. Neben reinen – bürgerlichen wie proletarischen - Wohnvierteln entstanden gemischte Gebiete mit kleinerem Gewerbe in den Blockhöfen, daneben ausgreifende Industrieareale mit eigenem Gleisnetz und Villenviertel entlang der Auen, strukturiert durch Alleen und Plätze, durchzogen von Kanälen und aufgelockert von großen Parks und Grünstreifen, Kleingärten und Friedhöfen. Das, was gemeinhin als Gründerzeit summiert wird, ist tatsächlich die in sich sehr differenzierte Baukultur einer ganzen Generation, von den nüchternen spätklassizistischen Gebäuden um 1860, den Neostilen mit vereinzelten romantischen neugotischen, häufiger aber auf Repräsentation bedachten Neorenaissance- und –barockbauten, gelegentlichen eklektizistischen Experimenten, bis hin zu den teils typisierten, teils sehr individuell und originell gestalteten Reform- und Jugendstilhäusern. Ein ganz eigenes Kapitel öffnen die zahllosen Industriegebäude, die manchmal die Anmutung von Burgen oder Kathedralen haben. Auch die städtebaulichen Zusammenhänge variieren zwischen überbauten Dorfkernen und planmäßig gerasterten Straßenzügen, engen gewundenen Gassen und ehemaligen Dorfstraßen und Boulevards mit weitreichenden Sichtachsen.
    Anders als in den meisten vergleichbar großen Städten, die durch viel stärkere Zerstörungen im Luftkrieg und/oder durch radikale Umgestaltung in den 60er und 70er Jahren (Stichwort „Autogerechte Stadt“) ihre Erscheinung völlig verändert haben, war hier die grundsätzliche Textur der kaiserzeitlichen Anlage noch fast überall zu erkennen. Natürlich war diese Bausubstanz in denkbar schlechtem Zustand. Die meisten Gebäude waren seit Beginn des 2. Weltkriegs, also seit einem halben Jahrhundert nicht ausreichend unterhalten worden, viele Wohnungen waren faktisch unbewohnbar („verworfen“), ganze Häuser dauerhaft eingerüstet. Die Reportage „Ist Leipzig noch zu retten?“, die zunächst nicht ausgestrahlt werden durfte, zeigte schließlich im November 1989 die ungeschminkte Realität. Die Frage hätten die meisten damals sicherlich mit „nein“ beantwortet.
    Allerdings hatten finanzielle und technische Schwierigkeiten in der DDR nicht nur die Sanierung, sondern den andernorts vielfach umgesetzten flächenhaften Abriss mit anschließender Neubebauung im Zeitgeschmack verhindert. Die Großsiedlungen in Plattenbauweise waren glücklicherweise zunächst am Stadtrand entstanden. Aber die Einschläge kamen näher, wie in Volkmarsdorf, Reudnitz und Connewitz begann bereits der Flächenabbruch (aufgrund mangelnden Geräts zum Teil mit Panzerwagen) und WBS 70 füllte die freiwerdenden Räume. Ohne jeden Zweifel wäre diesem brachialen „Stadtumbau“, hätte die DDR einige Jahre länger bestanden, ein Großteil des Bauerbes geopfert worden. Ohne Zweifel war der drohende Verlust der eigenen Stadt für viele Bürger auch ein Grund, um gegen Bevormundung und ständigen Mangel auf die Straße zu gehen.
    1990 begann dann unter dem Schlagwort „Erneuerung im Bestand“ eine Sanierungswelle ungeahnter Quantität und Qualität, die immer noch anhält. Über 12.000 Baudenkmale aus der „Gründerzeit“ sind in Leipzig verzeichnet. Mehr als 80 % der Wohngebäude aus der Zeit von 1840 bis zum ersten Weltkrieg, das sind immerhin über 100.000 Wohnungen in mehr als 15.000 Einzelgebäuden (Ein- und Zweifamilienhäuser allerdings mitgezählt) sind mittlerweile gerettet, ein Großteil davon wurde entsprechend den Maßgaben des Denkmalschutzes behandelt. Dabei sind die Wiederherstellung des Fassadenschmuckes aus Stuck, Werk- oder Naturstein, die differenzierten Dachlandschaften, aufgearbeitete oder originalgetreu nachgestaltete Fenster, Türen und Tore praktisch Standard. Auch im Inneren wurden Treppenhäuser wieder hergerichtet, Parkett und Stuck aufgearbeitet. Nicht selten wurden nachträgliche Verschlimmbesserungen beseitigt, verlorene Geschosse wieder aufgemauert, ganze Gebäudeteile rekonstruiert. Gleichzeitig wurde den Wohnansprüchen der Gegenwart Genüge getan - Innenbäder, Zentral- oder Fernwärmeheizungen, Balkone, Tiefgaragen, Aufzüge, der ganze Wohnkomfort des 21. Jahrhunderts wird geboten. Gerade die meist gelungene Synthese aus den Nutzungsansprüchen und den Forderungen des Denkmalschutzes sind, denke ich, bemerkenswert und bieten eine hervorragende Wohnqualität, gegen die auch Neubauten meist nicht ankommen.
    Die verbliebenen Ruinen, die in der Regel entmietet sind und vor sich hin bröckeln, sehe ich wie viele Leipziger mit wachsender Unruhe. Auch bei der hohen handwerklichen Qualität ist die Lebensdauer vieler Gebäude nunmehr erschöpft. Jahr für Jahr gibt es Abgänge durch Notabbrüche oder dadurch, dass Gebäude einfach in sich zusammenfallen. Leider spielt auch Vandalismus und Brandstiftung eine Rolle. Gleichzeitig wird immer noch saniert, weniger und bedächtiger, gleichzeitig oft mit besonders hoher Qualität. Eine Reihe ortsansässiger Firmen hat sich ganz auf dieses Segment spezialisiert und sich eine hohe Expertise erarbeitet. Nachfolgend zeige ich zunächst eine Karte, die die abgeschlossenen und laufenden Sanierungen des Jahres 2009 zeigt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit (es sind mehr oder weniger die Projekte, die im Forum reflektiert wurden). Dunkelblau sind denkmalgerechte Sanierungen, violett vereinfachte Sanierungen, hellblau zum Stichtag (1. Januar) noch laufende Baumaßnahmen, orange sind die Gründerzeitgebäude, die im selben Zeitraum abgebrochen werden mussten. Kleine Punkte stehen für Wohn(und teilweise Geschäfts-)häuser, große für öffentliche Bauten, zum Beispiel Schulen.



    Karte von mir.

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  • Um zu zeigen, worauf ich hinauswill, zeige ich erstmal exemplarisch ein paar Sanierungen des letzten Jahres im Leipziger Westen. Gerade hier ist der Anteil erhaltener Gründerzeitgebäude besonders hoch, bezogen auf die Anzahl der Wohnungen in Plagwitz 58 %, in Schleußig 67 %, in Lindenau 73 % und in Altlindenau sogar 77 %. Es handelt sich hier meist um relativ einfache, beidseits im Blockrand eingebaute Arbeiterwohnhäuser, die um 1890 entstanden sind.


    Merseburger Straße 36 und 38, Plagwitz, die vorn angeschnittene Nummer 34 ist inzwischen auch eingerüstet


    Merseburger Straße 2, Plagwitz


    Kolbestraße 3, Plagwitz


    Karl-Heine-Straße 69, Plagwitz


    Käthe-Kollwitz-Straße 99, Bach(straßen)viertel, die Perspektive ist im zweiten Bild etwas verschoben.


    Waldstraße 12, Waldstraßenviertel, dieses Gebäude ist älter als die vorigen, entstanden etwa um 1870.


    Gustav-Adolf-Straße 56, Waldstraßenviertel, ein späterer Vertreter, Bauzeit vermutlich kurz vor dem ersten Weltkrieg.


    Alle Fotos von mir.

  • Gefällt mir sehr gut wie in Leipzig die alten Gründerzeitler renoviert werden. Ich glaub in manchen westdeutschen Städte hätte man derartige runtergehauste Wohnungen schon längst abgerissen. :nono:


    Da lob ich mir doch das schöne Leipzig. :)

  • Danke für diesen Thread. Leider konnte ich bei meiner Letztjährigen Sachsen-Tour Leipzig nicht auch noch mit einplanen. Die Bilder zeigen aber das Leipzig auch mal für einen Städtetrip eine echte Alternative ist. Muss nicht immer Berlin und Dresden sein... :daumen:


    Nächster Absatz bezieht sich z.T. auf diesen Beitrag, der in den Mix-Strang verschoben wurde. Cowboy.


    Besonders der Bildervergleich vom Foto von 1992 und die schönen Bilder von dir Stahlbauer ist schon Wahnsinn. Soll noch eine über die Wiedervereinigung meckern...
    Das einzige gute am Verfall der Gebäude ist wirklich, dass man sie jetzt wieder herrichten kann. Gut so machner Gründerzeitler wird auch in Leipzig einfach so abgerissen...Aber in den Alten Bundesländern findet man sowas leider viel zu selten...


    :)

  • Toll!
    Die Dokumentation zeigt, dass man in Leipzig oft nicht nur das Minimum realisiert sondern sich auch nicht scheut die Fassaden gegenüber dem Vorkriegszustand durch zusätzlichen Schmuck sogar noch zu verbessern, wie Waldstraße 12 zeigt.
    Pagmamahal möcht ich im Übrigen auch zustimmen.

  • Rückblick

    Um noch mal die Ausgangslage von 1989 anschaulich zu machen, bevor es richtig losgeht, zeige ich jetzt noch ein paar Ecken, wo sich in den letzten 20 Jahren fast nichts getan hat. Denkt euch einfach die Autos und die Grafitti weg, dafür hier und da ein sporadischer Trabant oder Wartburg, Kopfsteinpflaster, zahlreiche Antennen auf den Dächern (und vielleicht irgendwo eine ältere Dame in Kittelschürze), schon seid ihr im Leipzig der Wendezeit. So sah es mehr oder weniger flächendeckend aus!









    Diese Bilder sind in den letzten zwei bis drei Jahren entstanden. Die ersten beiden Fotos sind von leipziger, der Rest von mir.

  • Waldstraßenviertel Teil I

    Das Waldstraßenviertel - benannt nach einer der beiden Haupterschließungsstraßen - hat es aufgrund seiner hochwertigen und fast vollständig erhaltenen Gründerzeitarchitektur zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Zumindest suggerieren das die etlichen Busse, die auf der Stadtrundfahrtsroute einen Schlenker hier durch machen. Zu der interessanten Geschichte des Viertels will ich mich nicht weiter ergehen, das könnt ihr hier und ausführlicher dort nachlesen. Neben der Größe und dem guten Erhaltungszustand ist eine Besonderheit, dass sich die Entwicklung der Baukultur von etwa 1860 bis in die Zwischenkriegszeit hier gut ablesen lässt. Solange dauerte es nämlich, bis das Areal, ausgehend von der Waldstraße im Westen und der Innenstadt im Osten, komplett bebaut war. Somit ergibt sich die Möglichkeit einer architektonischen Zeitreise. Laut statistischer Erfassung gibt es 413 Wohngebäude, die vor 1918 erbaut wurden (vergleichsweise nur 14 aus DDR-Tagen und 19 Nachwende), fast alle stehen unter Denkmalschutz, bis auf ein gutes Dutzend sind inzwischen alle vorbildlich saniert.
    Dieser Thread zeigt exemplarisch eine Sanierung. Zur groben Übersicht zum Viertel hier ein paar Karten. Weiter geht es jetzt hier mit den Bildvergleichen:


    Dieser spätklassizistische Komplex (Jahnallee 2, zuvor 34/Leibnizstraße 1) wurde 2006/07 für 2,3 Mio. Euro saniert, den Anstoß gab eine öffentliche Förderung von 200.000 Euro aus dem Bund-Länder-Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Jahnallee 10/12 (früher Ranstädter Steinweg 42/44), um 1910, Architekt Emil Franz Hänsel.


    Bilder: Leipziger/Cowboy


    Benachbart, wie anhand der Bilder zu erkennen, ist die Tschaikowskistraße 1, um 1895.


    Bilder: Leipziger/DaseBLN


    Tschaikowskistraße 7, selbes Alter. Man beachte die Fresken unter dem Mezzaningeschoss.


    Bilder: Stiffler/DaseBLN


    Waldstraße 56, erbaut 1890, für diese Sanierung gab es 2008 eine Anerkennung im Rahmen des Hieronymus-Lotter-Preises der Kulturstiftung Leipzig.


    Bilder: Stiffler/Leipziger

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  • Waldstraßenviertel Teil II

    Viele Sanierungen stauten sich bis in die letzten Jahre, vor allem in der Gustav-Adolf-Straße, die seit DDR-Zeiten als Einbahnstraße den Durchgangsverkehr Richtung Westen führte. Von der Rückführung durch die Jahnallee/Ranstädter Steinweg haben merkwürdigerweise beide Straßen profitiert, in der wieder als ruhige Anliegerstraße mit beidseitigem Baumbestand gestalteten Gustav-Adolf-Straße wurde binnen kürzester Zeit fast alles saniert, die Jahnallee profiliert sich hingegen als quirlige Magistrale mit breitem Einzelhandelsangebot. Weiter mit den Bildvergleichen:


    Die neugotisch angehauchte Leibnizstraße 11, um 1870, hier bogen zuvor die Verkehrslawinen links ab.


    Bilder: Cowboy/ich


    Direkt gegenüber diese spätklassizistische Villa, Gustav-Adolf-Straße 19, mit täuschend echt aufgemalter Sandsteinimitation.


    Bilder: Cowboy/ich


    Gustav-Adolf-Straße 19a, um 1900, Architekt: Gustav Pflaume. Dieses Haus wäre tatsächlich fast wegen baulicher Mängel abgerissen worden!


    Bilder: Leipziger/ich


    Gustav-Adolf-Straße 26 und 28, Rekonstruktion der Zwerchgiebel.


    Bilder: DaseBLN/Leipziger


    Gustav-Adolf-Straße 44, wahrscheinlich kurz vor 1880 erbaut.


    Bilder: ich/DaseBLN


    Auch die weiter oben gezeigten Gustav-Adolf-Straße 56 und Waldstraße 12 lagen an der Rennstrecke.


    Hier noch eine andere Ecke des Viertels, das Eckhaus Jacobstraße 2, liegt malerisch am wieder geöffneten Elstermühlgraben.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Schließlich diese Jugendstilvilla in der Leibnizstraße 27, erbaut um 1905. Verschiedentlich habe ich gelesen, dass der Architekt Raymund Brachmann gewesen sein soll, mit Sicherheit weiß ich das aber nur für die benachbarte Villa (Leibnizstraße 25).


    Bilder: Leipziger/DaseBLN

    5 Mal editiert, zuletzt von Lipsius () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Die Bilder zeigen aber das Leipzig auch mal für einen Städtetrip eine echte Alternative ist. Muss nicht immer Berlin und Dresden sein... :daumen:


    Leipzig ist keine Alternative für irgend etwas, sondern ein Muss (ein must-see) in sich selbst, schlichtweg eine der schönsten deutschen Großstädte!


    ...Aber in den Alten Bundesländern findet man sowas leider viel zu selten...
    :)


    ^^Zustimmung


    Lipsius:
    Ein wunderbarer thread, danke für deinen Aufwand!

  • ^Ich habe zu danken: den umtriebigen Fotografen, deren Bilder ich hier mit ihrer freundlichen Genehmigung zeigen kann, namentlich Cowboy, Leipziger und DaseBLN. Dankeschön!

  • Innere Westvorstadt

    Weiter geht's mit der Inneren Westvorstadt, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Stadterweiterung auf dem Areal der berühmten Leipziger Barockgärten entstand - deren Anlage ist teilweise, wie bei Apels Garten, noch in der Straßenführung ablesbar. Ein Teil des Gebietes wird inoffiziell und wohl auch aus Marketinggründen als Schauspielviertel bezeichnet, denn hier liegen die Spielstätten Centraltheater (ehemals Schauspielhaus) und Skala (ehemals Neue Szene) sowie die Theatersektion der Hochschule für Musik und Theater und mehrere Kleinkunstbühnen. Die Gottschedstraße ist als Kneipenmeile vor allem bei Besuchern der Stadt beliebt. Der südliche Teil wurde durch den verheerenden Luftangriff in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 weitgehend zerstört, dabei ging auch die katholische Kirche verloren. Das Areal wurde später mit Plattenbauten aufgefüllt. Im nördlichen Teil hat sich der Gründerzeitcharakter stellenweise erhalten. Weiter mit Bildvergleichen:


    Gottschedstraße 23, erbaut 1882, im hier angeschnittenen Nebenhaus (Nr. 25) wurde 1893 "Spitzbart" Walter Ulbricht geboren und auch Gustav Stresemann wohnte hier als Student.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Friedrich-Ebert-Straße 64


    Bilder: Leipziger


    Käthe-Kollwitz-Straße 14


    Bilder: ich


    Nikischplatz 3, um 1903, hier wurde die Dachlandschaft ausnahmesweise mal vereinfacht.


    Bilder: Leipziger

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  • Bachstraßenviertel Teil I

    Das Bachstraßenviertel (Äußere Westvorstadt) gilt wie das Waldstraßenviertel als eines der gutbürgerlichen Wohnquartiere Leipzigs. Es wird vor allem durch die zahlreichen kunsthistorisch bedeutsamen Villen und die Präsenz der Thomaner geprägt. Die haben hier nicht nur Schule und Alumnat (Internat), sondern bekommen mit dem Forum Thomanum nach und nach fast ein eigenes Viertel, Kindergarten, Grundschule, Probenzentrum und internationale Jugendmusikakademie inbegriffen.


    Teil des Forum Thomanum ist die "Villa Thomana", erbaut 1883 von Max Pommer. Die Sanierung bekam 2008 den zweiten Preis des Hieronymus-Lotter-Wettbewerbs für Denkmalpflege.


    Bilder: Leipziger/RMA


    Villa Moschelesstraße 11, erbaut 1887/88


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Die Villa Baedeker in der Käthe-Kollwitz-Straße 64.


    Bilder: Leipziger/RMA


    Käthe-Kollwitz-Straße 75, erbaut um 1870.


    Bilder: Leipziger

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  • Bachstraßenviertel Teil II

    Die Käthe-Kollwitz-Straße hieß früher Plagwitzer Straße und ist die Haupterschließungsstraße des Viertels. Gerade hier ist eine sehr interessante Abfolge von Gebäuden unterschiedlichster Typologie vorhanden. Zwei wurden im vorigen Beitrag gezeigt. Hier wurde nun in den letzten Jahren die Front eines ganzen Blockes (sechs Vorderhäuser, vermutlich späte 1870er, Hausnummern 91-101) denkmalgerecht saniert und rekonstruiert.


    Blick in Straße, vorher

    Bild: Baukasten


    Nummer 91, zuvor komplett nackt (entstuckt).


    Bilder: Leipziger/ich


    Nummer 95, hier habe ich leider kein Vorher-Bild ohne Gerüst (in der Übersicht oben viertes Haus von rechts).


    Bilder: ich


    Nummer 97.


    Bilder: Leipziger/ich


    Nummer 99.


    Bilder: Leipziger/ich


    Bilder hiervon sind in etwas anderem Winkel auch oben im zweiten Beitrag zu sehen.


    Schließlich Nummer 101.


    Bilder: Baukasten/Cowboy

    2 Mal editiert, zuletzt von Lipsius () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Schleußig

    Weiter soll es mit den eingemeindeten Stadtteilen im Westen gehen. Schleußig ist ein überwiegendes Wohnviertel, vereinzelt sind kleinere Industrieanlagen eingestreut. Das kleine Vorwerk wurde 1891 nach Leipzig eingemeindet, schon in den Dekaden davor war es vor allem durch Karl Heine erschlossen und urbanisiert worden. Umgeben von viel Grün (Clara-Zetkin-Park, "Nonne", Küchenholz, Beipert, Ratsholz) und als Insel umschlossen von der Weißen Elster und dem Elterflutbett ist es ein beliebter Wohnort mit der statistisch jüngsten und reproduktionsfreudigsten Bevölkerung in Leipzig, Jahr für Jahr gibt es einen satten Geburtenüberschuss. Weiter mit Bildvergleichen:


    Könneritzstraße 44


    Bilder: Leipziger/Cowboy


    Könneritzstraße 46, kaum wiederzuerkennen, oder?


    Bilder: Leipziger/DaveLE


    Könneritzstraße Ecke Alfred-Frank-Straße


    Bilder: Leipziger/Cowboy

    Einmal editiert, zuletzt von Lipsius () aus folgendem Grund: Bild ausgetauscht

  • Plagwitz

    Bei Plagwitz denkt man an Lofts in ausgedehnten Industriekomplexen im Backstein-Look, an Designbüros und Galerien (auch wenn sich die Baumwollspinnerei administrativ schon in Neulindenau befindet), an den allgegenwärtigen Karl-Heine-Kanal, stillgelegte Industriegleise, zahlreiche Refugien für (Sub-)Kultur, aber auch durchaus gutbürgerliche Ecken. Einst das Industriegebiet im Leipziger Westen, findet hier ein durchaus bemerkenswerter und in mehr als Ansätzen erfolgreicher Strukturwandel statt. Das recht gute Image spiegelt sich auch in hochwertigen Sanierungen denkmalgeschützter Bausubstanz wider, während andernorts in Plagwitz Wächterhäuser kulturelle Experimente ermöglichen.


    Industriestraße 51, um 1890


    Bilder: Leipziger


    Alte Straße 9 und 11, um 1890


    Bilder: Leipziger


    Karl-Heine-Straße 13, ähnliche Bauzeit


    Bilder: Leipziger


    Weißenfelser Straße 68


    Bilder: LEgende/Leipziger


    Weitere Bildvergleiche oben im zweiten Beitrag.

  • Lindenau

    Das "Dorf" Lindenau wurde 1891, damals schon völlig gründerzeitlich überformt, industrialisiert und über 25.000 Einwohner stark, nach Leipzig eingemeindet. Heute administrativ in die Ortsteile Lindenau, Altlindenau und Neulindenau eingeteilt, gilt es einerseits als Problemstadtteil mit hoher Rate an Arbeitslosen und Transferleistungsempfängern, andererseits wird das städtebauliche Potential durch den sehr geschlossenen gründerzeitlichen Bestand positiv beurteilt. Neue Impulse werden in naher Zukunft mit Sicherheit durch die Anbindung des Lindenauer Hafens entstehen. Bemerkenswert ist schon jetzt die für einen ehemaligen Arbeiterbezirk hohe Dichte an kulturellen Stätten (Theater der Jungen Welt, Musikalische Komödie, Schaubühne Lindenfels, Felsenkeller etc.)


    Auf der Nordseite der Karl-Heine-Straße, von der hier schon die Rede war, steht dieses Eckhaus, bei dem die in den 30ern in gelungener Weise veränderte Fassadenstilistik beibehalten wurde (Ecke Hähnelstraße).


    Bilder: Leipziger/Cowboy


    Karl-Heine-Straße 76 touchiert den gleichnamigen Kanal.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Lützner Straße/Jordanstraße, in Eigenregie durch den Eigentümer saniert.


    Bilder: Leipziger/DaseBLN


    Gebäudezug an der Jahnallee (Nr. 65-71).


    Bilder: Leipziger/DaseBLN


    Villa Berg gleich nebenan.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Unspektakulärer Arbeiter-Wohnbau um 1900, Enderstraße/Henriettenstraße.


    Bilder: Leipziger


    Das letzte Bild gehört eigentlich gar nicht in diese Galerie, da definitiv Vorgründerzeit, hier wurde ein bestimmt 180 Jahre altes Biedermeierwohnhaus aus dem alten Ortskern gerettet (Birkenstraße).


    Bilder: Cowboy

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  • Wer die hier gezeigten Gebäude besichtigen will, kann ab sofort einen von Wolfgang Hocquél erstellten Plan der Leipziger Bauten des Historismus und Jugendstils aus dem Passage-Verlag benutzen.

  • Nordvorstadt

    Die im Krieg stark mitgenommene nördliche Vorstadt wurde zu DDR-Zeiten leider teilweise flächig abgetragen, so ist zum Beispiel vom "Gerberviertel" nichts außer dem gleichlautenden Namen der Straße geblieben. Lediglich am Rand des Waldstraßenviertels ist entlang der Pfaffendorfer Straße ein Stück Gründerzeitstadt erhalten geblieben; um den Nordplatz schließlich, an der Grenze zu Gohlis, sind zahlreiche Bürgervillen und imposante Mietshäuser zu bestaunen, die aber schon lange saniert sind. Landmarke im Viertel ist der allseits bekannte Leipziger Zoo.


    Pfaffendorfer Straße 1, Bauzeit um 1870, das Gebäude war zu Vorwendezeiten für sein Fischrestaurant "Gastmahl des Meeres" bekannt. Links im Bild ist die ehemalige II. höhere Bürgerschule von 1838, die seit 1923 das Naturkundemuseum beheimatet, angeschnitten.


    Bilder: Stiffler/DaseBLN


    Villa "am Zoo" Pfaffendorfer Straße Ecke Emil-Fuchs-Straße. Im ersten Bild im Hintergrund die Kongresshalle am Zoo.


    Bilder: Leipziger/Cowboy


    Pfaffendorfer Straße 48, mit detailierter Wiederbestuckung.


    Bilder: Stiffler/Cowboy

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  • Wie gut, dass Ende 2005 das Gebäudesicherungsprogramm der Stadt Leipzig ins Leben gerufen wurde, sonst wären noch heute einige der in dieser Galerie zu sehenden Häuser nicht saniert. Das Gebäudesicherungsprogramm ist eine gemeinsam mit dem Stadtforum Leipzig erstellte Liste von besonders stadtbildprägenden Altbauten, die mittels Fördergelder vor weiterem Verfall und drohendem Abriss gerettet werden sollen. Inzwischen umfasst diese Liste ca. 60 Altbauten, und - was ich nicht zu träumen wagte - die meisten konnten allein durch diese sog. Prioritätenliste inzwischen an private Investoren veräußert werden. Einige dieser Gebäude werden hier von Lipsius sicher noch vorgestellt. Von daher möchte ich nicht vorgreifen, sondern noch einmal die Pfaffendorfer Str. 1 aus näherer Perspektive zeigen.


    Pfaffendorfer 1, Zustand 2007

    Bild: Stiffler



    Pfaffendorfer Str. 1, Zustand Ende 2008. Inzwischen sind alle Wohnungen, insgesamt sind es über 20, in dem einst über mehrere Jahre leerstehenden Gebäude vermietet (wo wir übrigens auch wieder beim Thema Re-Urbanisierung angelangt sind).

    Bild: leipziger

  • Danke für die Ergänzung, Cowboy. Genau so ist es, die grundsätzliche Bereitschaft zur Sicherung städtebaulich unverzichtbarer Gebäude, für die damals keine akuten Sanierungsvorhaben in Sicht waren, durch Einsatz öffentlicher Mittel, wurde ganz wesentlich durch die Leipziger Bürgerschaft erstritten, artikuliert durch das genannte Stadtforum, einen Zusammenschluss von Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen. Von den auf der vorigen und dieser Seite gezeigten sind die Gebäude Waldstraße 56, Jahnallee 2 (34), Leibnizstraße 11, Gustav-Adolf-Straße 19a, Jacobstraße 2 und Jahnallee 65-71 über dieses Programm gelaufen. Die Pfaffendorfer Straße 1 war übrigens nicht darunter. Die Listen sind hier, hier und hier einsehbar, leider nicht gerade topaktuell.