Subjektiver Bericht der heutigen Ausstellungseröffnung im Stadtbüro (Fotos folgen nach meinem nächsten Besuch)
Nach meinem Eindruck wurde im Publikum wie von offizieller Seite nur der Siegerentwurf diskutiert. Die anderen Preisträger waren kein Thema. Aber natürlich habe ich nur einen Teil der Gespräche mitbekommen, das Stadtbüro war sehr gut gefüllt (ca. 100-200 Menschen).
Highlights:
- Es gibt eine 3D-Brille, mit deren Hilfe man sich durch den Siegerentwurf bewegen kann. Dienstags und Donnerstags ist der Stand betreut. Das virtuelle Modell ist relativ realistisch gestaltet, man kann sogar verschiedene Tageszeiten auswählen. Es handelt sich um ein Vorzeigeprojekt im Rahmen der „Connected Urban Twins“-Partnerschaft von Leipzig, München und Hamburg.
- Alle 66 Einreichungen sind im Stadtbüro auf einem großen Bildschirm präsentiert und können dort gezielt angeschaut werden. Zusätzlich sind alle Arbeiten auf Schautafeln im Nebengebäude Markgrafenstraße 5 zu sehen, dort war ich heute nicht. Mindestens einen sehr spannenden Entwurf mit Neuinterpretation von St. Matthäi bei gleichzeitigem Teilerhalt des DDR-Bestands habe ich in der Kürze der Zeit erspäht.
- Die Siegerentwürfe sind ausführlicher präsentiert als im Internet, d. h. mit mehr Erläuterungen, Zeichnungen sowie mit Modellen.
Erläuterung von Baubürgermeister Dienberg, weshalb Riehle Koeth / Monsigny Landschaftsarchitekten den ersten Preis errungen haben:
- Zentraler Baustein (Forum) hat in Volumen und Disposition überzeugt
- Wohlproportionierte Plätze und Höfe
- Einfügung der Wohnbauten an die Bestandsbauten
- Sensible Lesung des historischen Grundrisses, ohne ihn zu reproduzieren (das wäre aus den Fachwerkstätten so als Aufgabe formuliert worden)
Ausgewählte Erläuterungen von Maximilian Köth:
Ihnen wären eine gute Orientierung, historische Wegebeziehungen und Blickachsen wichtig gewesen. Ihr Ziel war die Anbindung an die Innenstadt und die Betrachtung größerer städtebaulicher Zusammenhänge. Sie wollten den DDR-Bestand nicht überthematisieren und im Entwerfen flexibel bleiben. Diese Nicht-Fixierung auf Abriss oder Erhalt habe es ihnen erlaubt, ihren Entwurf nach den Hinweisen von Jury und Bürgern stärker zu überarbeiten als die Mitbewerber dies getan hätten. Der Wettbewerb sei außergewöhnlich und hätte dazu geführt, dass Ideen und nicht Büros prämiert wurden. Für den verbleibenden DDR-Riegel schlagen sie vor, ihn nicht komplett zu überformen, auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen, aber auch Zeitschichten erlebbar zu machen.
Forderungen von Dienberg:
- Die Nutzungen seien noch nicht scharf definiert. Man arbeite daran. Er hätte es aber besser gefunden, dies vor dem Wettbewerb zu klären. Er habe eine lange Liste von Leuten, welche auf dem Forum unterkommen möchten. (In meiner Auflistung oben fehlte z. B. das Jugendparlament, das derzeit im Stasi-Riegel tagt). Nun warte er auf die Zuarbeit seiner Kollegen und auf Stadtratsbeschlüsse, die in Vorbereitung seien.
- Der Bund habe signalisiert, die anstehenden Bauvorhaben zu unterstützen. Das ist naturgemäß vage, da man noch gar nicht genau weiß, welche Nutzungen man wo unterbringen möchte. Der Neubau für das BStU ist gesetzt, es geht also eher um andere öffentliche Nutzungen, welche das Forum ergänzen.
- „Wir müssen die Richtlinien für Wettbewerbsverfahren (RPW) öffnen, gerade für solche Projekte. Da müssen manche über ihren Schatten springen.“
Meine Fragen wurden wie folgt beantwortet:
Mit welchen Bauvorhaben wird begonnen?
Thomas Dienberg: Wahrscheinlich mit der Wohnbebauung. Die LWB wird Bauherr sein und hat schon vorgeschlagen, dies mit Typenbauten aus irgendeinem Entwurfs-Pool zu bewerkstelligen (typisch LWB). Er, Dienberg (Vorsitzender des LWB-Aufsichtsrats), habe klargemacht, dass es so nicht geht und Wettbewerbe veranstaltet werden müssen.
Mit welchen Zeithorizonten kann man rechnen?
Dienberg: Das wäre ein Blick in die Glaskugel. Gegenüber der Presse hatte er von ersten Realisierungen 2030 gesprochen.
Wird es Bürgerbeteiligung bei den anstehenden Architekturwettbewerben geben?
Dienberg: Nach so einem aufwändigen Prozess müsse man das Niveau der Bürgerbeteiligung hoch halten. Man überlege noch, auf welchem Wege. Zum Beispiel zum Thema, für welche Arten von Wohnen, für welche Zielgruppen die LWB dort bauen solle. Auf Nachfrage: Ja, auch eine Beteiligung im Vorfeld wie bei der Freiraumgestaltung des Leuschnerplatzes sei denkbar, um die Auslobung vorzubereiten. Ja, auch um ästhetische Fragen könne es dabei gehen. Mein Nachhaken, der Widerstand der Architektenschaft gegen Bürgerbeteiligung sei bei einem Architekturwettbewerb sicher (noch) härter als bei einem Städtebauverfahren, ließ er vielsagend unbeantwortet.
Sollte man den verworfenen Gebäudeteil der Volkspolizei rasch abreißen, bevor sich Abrisskosten verteuern? Kommt dieser Teil für Zwischennutzungen infrage?
Dienberg: Er wolle sich da nicht treiben lassen. Ja, ein rascher Abriss komme infrage, da Volkspolizei und Stasi zwei auch baulich getrennte Gebäude seien. Dies habe den Vorteil, dass dann schon der Bauplatz für das „Jugendgästehaus“ frei werde. Allerdings wisse man ja noch nicht einmal, was genau man dort unterbringen wolle. Aus dieser Sicht dränge ein Abriss nicht. Eine Zwischennutzung käme für den Vopo-Teil nicht infrage, nur für den jetzt schon genutzten Stasi-Teil. Dafür bereite der Stadtrat Beschlüsse vor.
Sind die Form des Forum-Neubaus und die Dachformen der Wohnbauten noch veränderbar?
Maximilian Köth: Die genaue Kubatur des Forums und ebenso seine Dachform würden erst im Architekturwettbewerb fixiert, da dies abhängig von den Nutzungen sei, die ja noch nicht eindeutig festgelegt seien. Vorgeben könne man aber einen „gestalteten Dachabschluss“. Bei den Wohnbauten würden hingegen Sattel- und Mansarddächer im Masterplan fixiert. Die von einigen als gering empfundene Höhe des Kubus wurde vom Publikum mit Herrn Köth diskutiert und er hat aufmerksam zugehört. Sogar den von mir favorisierten Dachreiter/Glockenturm schien er nicht abwegig zu finden.
In welchem Gebäudeteil ist das Hummitzsch-Büro (die erhaltene Inneneinrichtung vom Büro des Leipziger SED-Chefs)?
Tobias Hollitzer: Dieses befindet sich etwa mittig in dem Riegel, welcher erhalten bleiben soll.
Werden auch die Stasi-Akten aus Chemnitz in Leipzig landen?
Hollitzer: Ja. Davon, dass die Chemnitzer gerade erst einen Neubau für ihre Stasi-Akten bekommen haben, wusste er aber nichts.
Ein amüsantes Wortgefecht gab es zwischen Tobis Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Runde Ecke und Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums. Das ging ungefähr so… Hartinger: Die Stasi habe das Gelände nur wenige Jahre in Beschlag genommen und die Hälfte der diskutierten Bauten waren zudem nur Volkspolizei-Büros. Alles Mögliche sei dort geplant gewesen, sogar das Gewandhaus. Die Stadt dürfe kein Museum sein und man brauche dort einen lebendigen Stadtraum. Der Sieger-Entwurf verspreche das und er würde mit Herrn Hollitzer dort gern einen Wein trinken gehen, wenn es soweit sei. Hollitzer: Es sei wichtig, den Teil, der im Entwurf verbleibe, auch in seinem äußeren Erscheinungsbild zu erhalten. Dann wäre der Siegerentwurf akzeptabel. Würde man aber die Fassade ändern, sei auch das Hummitzsch-Büro weg (Unsinn). Die Kunst am Stasi-Bau sei von europäischem Rang. Die Aktenvernichter, die derzeit in den Flachbauten stehen, müssten in das neue Forum integriert werden. Besucher würden nur deshalb zum Matthäikirchhof kommen, um sich mit der DDR-Geschichte zu beschäftigen. Denen müsse man etwas präsentieren können. Der grüne Ring sei an dieser Stelle unbelebt und auch nach Umsetzung des Siegerentwurfs werde sich kein Mensch in den entstehenden Straßen und Plätzen aufhalten. Andere Orte, die an deutsche Diktaturen erinnerten, würde man auch nicht einfach beseitigen. Auf meinen Einwand, dass sich diese selten mitten in der Innenstadt befinden: Das sei egal. Auf meinen Einwand, dass jetzt alles im Originalzustand von 1989 zu sehen sei, und keineswegs die Besuchermassen auf das Areal strömen würden, um dies zu bestaunen: keine Antwort.
Es wirkt reichlich befremdlich auf mich, dass wohl nie jemand die Stasi-Bauten mit all ihrem Inventar so geliebt hat wie die Hollitzers. Aber dieser Eifer schadet deren Sache wohl eher.
Sowohl heute als auch gestern bei der Kulturstiftung habe ich keine stichhaltigen Einwände gegen den Siegerentwurf vernommen. Mal werden die Plätze als zu groß, das Forum als zu niedrig empfunden. Auch die Öffnung zum Ringgrün wurde kritisiert. Aber dramatische Kritikpunkte oder Leute, die ganz unglücklich mit dem Entwurf waren, sind mir nicht begegnet.
Herr Riehle war mir unheimlich sympathisch. Zwar wieder ein wenig spröde im Auftreten, aber sehr, sehr sachlich. Architekten-untypisch wirkte er überhaupt nicht überheblich auf mich, hat viel zugehört, sich sehr zurückgenommen und versucht, alle Positionen nachzuvollziehen. Seinen Ansatz, die Auslobung ernst zu nehmen (anders als andere Büros, wie er auch feststellte) und das Areal im Kontext der Innenstadt zu denken, verteidigt er aber selbstbewusst. Über den Zuspruch zum Entwurf hat er sich sichtlich, aber still gefreut. Ich sehe die Erarbeitung des „Masterplans“ (als Vorarbeit für den B-Plan?) bei ihm und seinem Büro in guten Händen.