Leipzig: Matthäi-Viertel (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft)

  • Subjektiver Bericht der heutigen Ausstellungseröffnung im Stadtbüro (Fotos folgen nach meinem nächsten Besuch)


    Nach meinem Eindruck wurde im Publikum wie von offizieller Seite nur der Siegerentwurf diskutiert. Die anderen Preisträger waren kein Thema. Aber natürlich habe ich nur einen Teil der Gespräche mitbekommen, das Stadtbüro war sehr gut gefüllt (ca. 100-200 Menschen).



    Highlights:

    • Es gibt eine 3D-Brille, mit deren Hilfe man sich durch den Siegerentwurf bewegen kann. Dienstags und Donnerstags ist der Stand betreut. Das virtuelle Modell ist relativ realistisch gestaltet, man kann sogar verschiedene Tageszeiten auswählen. Es handelt sich um ein Vorzeigeprojekt im Rahmen der „Connected Urban Twins“-Partnerschaft von Leipzig, München und Hamburg.
    • Alle 66 Einreichungen sind im Stadtbüro auf einem großen Bildschirm präsentiert und können dort gezielt angeschaut werden. Zusätzlich sind alle Arbeiten auf Schautafeln im Nebengebäude Markgrafenstraße 5 zu sehen, dort war ich heute nicht. Mindestens einen sehr spannenden Entwurf mit Neuinterpretation von St. Matthäi bei gleichzeitigem Teilerhalt des DDR-Bestands habe ich in der Kürze der Zeit erspäht.
    • Die Siegerentwürfe sind ausführlicher präsentiert als im Internet, d. h. mit mehr Erläuterungen, Zeichnungen sowie mit Modellen.


    Erläuterung von Baubürgermeister Dienberg, weshalb Riehle Koeth / Monsigny Landschaftsarchitekten den ersten Preis errungen haben:

    • Zentraler Baustein (Forum) hat in Volumen und Disposition überzeugt
    • Wohlproportionierte Plätze und Höfe
    • Einfügung der Wohnbauten an die Bestandsbauten
    • Sensible Lesung des historischen Grundrisses, ohne ihn zu reproduzieren (das wäre aus den Fachwerkstätten so als Aufgabe formuliert worden)


    Ausgewählte Erläuterungen von Maximilian Köth:


    Ihnen wären eine gute Orientierung, historische Wegebeziehungen und Blickachsen wichtig gewesen. Ihr Ziel war die Anbindung an die Innenstadt und die Betrachtung größerer städtebaulicher Zusammenhänge. Sie wollten den DDR-Bestand nicht überthematisieren und im Entwerfen flexibel bleiben. Diese Nicht-Fixierung auf Abriss oder Erhalt habe es ihnen erlaubt, ihren Entwurf nach den Hinweisen von Jury und Bürgern stärker zu überarbeiten als die Mitbewerber dies getan hätten. Der Wettbewerb sei außergewöhnlich und hätte dazu geführt, dass Ideen und nicht Büros prämiert wurden. Für den verbleibenden DDR-Riegel schlagen sie vor, ihn nicht komplett zu überformen, auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen, aber auch Zeitschichten erlebbar zu machen.



    Forderungen von Dienberg:


    • Die Nutzungen seien noch nicht scharf definiert. Man arbeite daran. Er hätte es aber besser gefunden, dies vor dem Wettbewerb zu klären. Er habe eine lange Liste von Leuten, welche auf dem Forum unterkommen möchten. (In meiner Auflistung oben fehlte z. B. das Jugendparlament, das derzeit im Stasi-Riegel tagt). Nun warte er auf die Zuarbeit seiner Kollegen und auf Stadtratsbeschlüsse, die in Vorbereitung seien.
    • Der Bund habe signalisiert, die anstehenden Bauvorhaben zu unterstützen. Das ist naturgemäß vage, da man noch gar nicht genau weiß, welche Nutzungen man wo unterbringen möchte. Der Neubau für das BStU ist gesetzt, es geht also eher um andere öffentliche Nutzungen, welche das Forum ergänzen.
    • „Wir müssen die Richtlinien für Wettbewerbsverfahren (RPW) öffnen, gerade für solche Projekte. Da müssen manche über ihren Schatten springen.“


    Meine Fragen wurden wie folgt beantwortet:


    Mit welchen Bauvorhaben wird begonnen?


    Thomas Dienberg: Wahrscheinlich mit der Wohnbebauung. Die LWB wird Bauherr sein und hat schon vorgeschlagen, dies mit Typenbauten aus irgendeinem Entwurfs-Pool zu bewerkstelligen (typisch LWB). Er, Dienberg (Vorsitzender des LWB-Aufsichtsrats), habe klargemacht, dass es so nicht geht und Wettbewerbe veranstaltet werden müssen.



    Mit welchen Zeithorizonten kann man rechnen?


    Dienberg: Das wäre ein Blick in die Glaskugel. Gegenüber der Presse hatte er von ersten Realisierungen 2030 gesprochen.



    Wird es Bürgerbeteiligung bei den anstehenden Architekturwettbewerben geben?


    Dienberg: Nach so einem aufwändigen Prozess müsse man das Niveau der Bürgerbeteiligung hoch halten. Man überlege noch, auf welchem Wege. Zum Beispiel zum Thema, für welche Arten von Wohnen, für welche Zielgruppen die LWB dort bauen solle. Auf Nachfrage: Ja, auch eine Beteiligung im Vorfeld wie bei der Freiraumgestaltung des Leuschnerplatzes sei denkbar, um die Auslobung vorzubereiten. Ja, auch um ästhetische Fragen könne es dabei gehen. Mein Nachhaken, der Widerstand der Architektenschaft gegen Bürgerbeteiligung sei bei einem Architekturwettbewerb sicher (noch) härter als bei einem Städtebauverfahren, ließ er vielsagend unbeantwortet.



    Sollte man den verworfenen Gebäudeteil der Volkspolizei rasch abreißen, bevor sich Abrisskosten verteuern? Kommt dieser Teil für Zwischennutzungen infrage?


    Dienberg: Er wolle sich da nicht treiben lassen. Ja, ein rascher Abriss komme infrage, da Volkspolizei und Stasi zwei auch baulich getrennte Gebäude seien. Dies habe den Vorteil, dass dann schon der Bauplatz für das „Jugendgästehaus“ frei werde. Allerdings wisse man ja noch nicht einmal, was genau man dort unterbringen wolle. Aus dieser Sicht dränge ein Abriss nicht. Eine Zwischennutzung käme für den Vopo-Teil nicht infrage, nur für den jetzt schon genutzten Stasi-Teil. Dafür bereite der Stadtrat Beschlüsse vor.



    Sind die Form des Forum-Neubaus und die Dachformen der Wohnbauten noch veränderbar?


    Maximilian Köth: Die genaue Kubatur des Forums und ebenso seine Dachform würden erst im Architekturwettbewerb fixiert, da dies abhängig von den Nutzungen sei, die ja noch nicht eindeutig festgelegt seien. Vorgeben könne man aber einen „gestalteten Dachabschluss“. Bei den Wohnbauten würden hingegen Sattel- und Mansarddächer im Masterplan fixiert. Die von einigen als gering empfundene Höhe des Kubus wurde vom Publikum mit Herrn Köth diskutiert und er hat aufmerksam zugehört. Sogar den von mir favorisierten Dachreiter/Glockenturm schien er nicht abwegig zu finden.



    In welchem Gebäudeteil ist das Hummitzsch-Büro (die erhaltene Inneneinrichtung vom Büro des Leipziger SED-Chefs)?


    Tobias Hollitzer: Dieses befindet sich etwa mittig in dem Riegel, welcher erhalten bleiben soll.



    Werden auch die Stasi-Akten aus Chemnitz in Leipzig landen?


    Hollitzer: Ja. Davon, dass die Chemnitzer gerade erst einen Neubau für ihre Stasi-Akten bekommen haben, wusste er aber nichts.



    Ein amüsantes Wortgefecht gab es zwischen Tobis Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Runde Ecke und Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums. Das ging ungefähr so… Hartinger: Die Stasi habe das Gelände nur wenige Jahre in Beschlag genommen und die Hälfte der diskutierten Bauten waren zudem nur Volkspolizei-Büros. Alles Mögliche sei dort geplant gewesen, sogar das Gewandhaus. Die Stadt dürfe kein Museum sein und man brauche dort einen lebendigen Stadtraum. Der Sieger-Entwurf verspreche das und er würde mit Herrn Hollitzer dort gern einen Wein trinken gehen, wenn es soweit sei. Hollitzer: Es sei wichtig, den Teil, der im Entwurf verbleibe, auch in seinem äußeren Erscheinungsbild zu erhalten. Dann wäre der Siegerentwurf akzeptabel. Würde man aber die Fassade ändern, sei auch das Hummitzsch-Büro weg (Unsinn). Die Kunst am Stasi-Bau sei von europäischem Rang. Die Aktenvernichter, die derzeit in den Flachbauten stehen, müssten in das neue Forum integriert werden. Besucher würden nur deshalb zum Matthäikirchhof kommen, um sich mit der DDR-Geschichte zu beschäftigen. Denen müsse man etwas präsentieren können. Der grüne Ring sei an dieser Stelle unbelebt und auch nach Umsetzung des Siegerentwurfs werde sich kein Mensch in den entstehenden Straßen und Plätzen aufhalten. Andere Orte, die an deutsche Diktaturen erinnerten, würde man auch nicht einfach beseitigen. Auf meinen Einwand, dass sich diese selten mitten in der Innenstadt befinden: Das sei egal. Auf meinen Einwand, dass jetzt alles im Originalzustand von 1989 zu sehen sei, und keineswegs die Besuchermassen auf das Areal strömen würden, um dies zu bestaunen: keine Antwort.


    Es wirkt reichlich befremdlich auf mich, dass wohl nie jemand die Stasi-Bauten mit all ihrem Inventar so geliebt hat wie die Hollitzers. Aber dieser Eifer schadet deren Sache wohl eher.


    Sowohl heute als auch gestern bei der Kulturstiftung habe ich keine stichhaltigen Einwände gegen den Siegerentwurf vernommen. Mal werden die Plätze als zu groß, das Forum als zu niedrig empfunden. Auch die Öffnung zum Ringgrün wurde kritisiert. Aber dramatische Kritikpunkte oder Leute, die ganz unglücklich mit dem Entwurf waren, sind mir nicht begegnet.


    Herr Riehle war mir unheimlich sympathisch. Zwar wieder ein wenig spröde im Auftreten, aber sehr, sehr sachlich. Architekten-untypisch wirkte er überhaupt nicht überheblich auf mich, hat viel zugehört, sich sehr zurückgenommen und versucht, alle Positionen nachzuvollziehen. Seinen Ansatz, die Auslobung ernst zu nehmen (anders als andere Büros, wie er auch feststellte) und das Areal im Kontext der Innenstadt zu denken, verteidigt er aber selbstbewusst. Über den Zuspruch zum Entwurf hat er sich sichtlich, aber still gefreut. Ich sehe die Erarbeitung des „Masterplans“ (als Vorarbeit für den B-Plan?) bei ihm und seinem Büro in guten Händen.

  • Und auch wenn er damals vielleicht ein Kleinod war, fiel er einigen doch damals schon als aus der Zeit gefallen in einer sonst auf Großstadtflair ausgerichteten Stadt auf.

    Korrekt. Dies gipfelte darin, dass im Zuge des „Pro Patria-Projektes“ (1897) nahezu die gesamte Bebauung des Ranstädter Viertels abgerissen und der „Barfußberg“ komplett eingeebnet werden sollte um Platz für große Wohn- und Geschäftshäuser an wenigen geraden Straßen von 20 Metern Breite zu ermöglichen. Weit über einhundert Bauten wären diesem Flächenabriss zum Opfer gefallen (darunter auch die Kirche). Das Vorhaben scheiterte letztendlich am Veto des Stadtrates.


    Bonuscontent: Dass es im Laufe der Zeit immer mal wieder Planungen am Areal gab, die durchaus auch in die Höhe gingen, verdeutlicht diese Auswahl aus dem Buch „Das ungebaute Leipzig“ von A. Bartetzky (Lehmstedt Verlag):

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    • Mindestens einen sehr spannenden Entwurf mit Neuinterpretation von St. Matthäi bei gleichzeitigem Teilerhalt des DDR-Bestands habe ich in der Kürze der Zeit erspäht


    Meintest Du zufällig diesen Entwurf?

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    Bei der schnellen Durchschau der Entwürfe war er einer der wenigen, der mir ins Auge fiel.

  • LEonline: Genau diesen Entwurf meinte ich! Schon auf den ersten Blick hätte er ein Weiterkommen in die 2. Phase eher verdient als etliche der letztlich prämierten Beiträge.


    Korrekt. Dies gipfelte darin, dass im Zuge des „Pro Patria-Projektes“ (1897) nahezu die gesamte Bebauung des Ranstädter Viertels abgerissen und der „Barfußberg“ komplett eingeebnet werden sollte


    Wikipedia fasst es sehr schön zusammen:


    "Interventionen gegen das Projekt gab es aus dem Leipziger Rat oder der Bürgerschaft zunächst kaum – erst als am 15. Mai 1897 das in Berlin erscheinende Centralblatt der Bauverwaltung das Vorhaben verurteilte, wuchs die innerstädtische Kritik.


    'An Stelle ihres malrischsten, interessantesten alten Viertels würde die Stadt Leipzig mit einer Anlage von abschreckender Häßlichkeit beschenkt werden. Sechs öde, langweilig-geradlinige, nahezu gleichbreite Straßen zerstückeln in dem Plane das Gelände. [...] Alle die werthvollen Vorzüge des alten Stadttheils [...] würde[n] dahingeopfert werden einem fragwürdigen, lediglich auf materiellen Gewinn abzielenden Unternehmen.'


    Der Stadtrat stimmte dem Projekt daraufhin nicht zu. Das bedeutete aber nicht, dass die Entscheidungsträger der Stadt die kulturelle Bedeutung ihrer alten Bauten vollends erkannten, wie sich an baukulturellen Verlusten in anderen Teilen der Stadt wie der alten Thomasschule, dem Römischen Haus oder dem Geburtshaus Richard Wagners zeigte."

  • Das Modell des Siegerentwurfs. Ich bleibe bei meinem Hauptkritikpunkt, dass das Forum zu niedrig konzipiert ist.

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    Eigene Bilder

  • Danke für die Bilder und Beobachtungen.



    Für mich wirkt das Forum auch zu niedrig. Es geht in der dichten Innenstadtbebauung unter. Außerdem ist der Matthäikirchhof zu klein um eine Fläche zur Inszenierung zu bieten. Aber ist die Bauhöhe des Forums schon festgeschrieben? Ich hatte das anders interpretiert.



    Korrekt. Dies gipfelte darin, dass im Zuge des „Pro Patria-Projektes“ (1897) nahezu die gesamte Bebauung des Ranstädter Viertels abgerissen und der „Barfußberg“ komplett eingeebnet werden sollte um Platz für große Wohn- und Geschäftshäuser an wenigen geraden Straßen von 20 Metern Breite zu ermöglichen. Weit über einhundert Bauten wären diesem Flächenabriss zum Opfer gefallen (darunter auch die Kirche). Das Vorhaben scheiterte letztendlich am Veto des Stadtrates.

    [...]


    Als Randnotiz: es gibt keine andere deutsche Stadt welche im Zuge von kommerziellen Einrichtungen wie Handelshäusern etc. so viele Kirchen abgerissen hat wie Leipzig. Allein in der Innenstadt wohl um die sieben Kirchen. Und da sind Kriegsverlust und die Paulinerkirche nicht inbegriffen. Das erste erhaltene und nicht nach Plan abgerissene Gebäude war dann das Alte Rathaus. Ansonsten ging's in der Stadt um's Big-Business, fast schon im angelsächsischen Stil.




    Der Plan ein zentrales Stasi-Unterlagen-Archiv in Leipzig zu haben, wurde vor allem von der Chemnitzer Seite erheblich angegangen und man dachte der dortige Neubau würde die Einrichtung im Erzgebirge manifestieren. Das ist, zum Glück, gescheitert.


    Die Argumentation von Hollitzer wirkt genau so fremd wie der Bauklotz der sowie die Stasi selbst.

  • man dachte der dortige Neubau würde die Einrichtung im Erzgebirge manifestieren. Das ist, zum Glück, gescheitert.

    Kann man das so irgendwo genauer nachlesen? Immerhin war nicht Chemnitz der Bauherr, sondern der Bund.


    Das Bundesarchiv schreibt, was sich auch mit dem maßgeblichen Bundestagsbeschluss deckt, folgendes:


    "An den Standorten, die nach der Umsetzung der organisatorischen Veränderung keine Akten mehr haben, also in Chemnitz, Dresden, Gera, Magdeburg, Neubrandenburg, Schwerin und Suhl, werden Information, Beratung und Akteneinsicht weiterhin möglich sein."


    Aber warum baut die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dann einen neuen Archivbau für sieben Kilometer Stasi-Akten und 50 Mitarbeiter in Chemnitz?


    Denkbar wäre, dass die Archivräume im Anschluss an das Sächsische Staatsarchiv übergehen. Aber finden konnte ich dazu nichts und es würde sich ja auch die Frage stellen, ob das Staatsarchiv den zusätzlichen Platz wirklich braucht und ob der Freistaat das Gebäude dem Bund dann abkauft. Ich weiß nicht, ich finde das etwas dubios.


    Aber vielleicht wäre es gar nicht so verkehrt, falls die Chemnitzer Akten nicht nach Leipzig kämen. Das würde etwas mehr Platz für andere, spannendere Nutzungen auf dem Forum lassen. ;)

  • Nochmal zur Höhe des Forums: Für mich ist die Fußgänger-Perspektive im unmittelbaren Umfeld entscheidend. Dahinter steht die Fernsicht auf das Areal zurück. Ich empfinde es als angenehm, wenn das Forum bei der Höhe eine mittlere, vermittelnde Position einnimmt.


    Heute hatte das Stadtbüro ja leider nur bis 15 Uhr geöffnet, aber nächste Woche versuche ich mal Fotos der virtuellen 3D-Ansichten zu machen.


    Maßgeblich werden am Ende die dort untergebrachten Nutzungen sein. Je mehr man dort unterbringen will, desto höher wird das Gebäude.


    Ich hoffe noch auf bauliche Referenzen an die Kirche. Ein Ausstellungsbesucher schlug ein Satteldach auf der Hälfte des Forums-Kubus vor, also in Verlängerung des 50er-Jahre-Saalbaus und als Höhendominante. Das würde die Fernsicht prägen und trotzdem von den Plätzen und Straßen aus nicht so erschlagend wirken.


    Es bleibt spannend.

  • Der Plan ein zentrales Stasi-Unterlagen-Archiv in Leipzig zu haben, wurde vor allem von der Chemnitzer Seite erheblich angegangen und man dachte der dortige Neubau würde die Einrichtung im Erzgebirge manifestieren. Das ist, zum Glück, gescheitert.

    Chemnitz liegt nicht im Erzgebirge! Im sanierten Chemnitzer Gebäude ist die Stasi-Unterlagenbehörde übrigens nur Mieter, was die Verlegung in etlichen Jahren nachvollziehbarer macht. Eine produktivere Nachnutzung des dank der Mieteinnahmen hergerichteten Gebäudes dürfte sich an dem Standort schon finden lassen.

  • Als Randnotiz: es gibt keine andere deutsche Stadt welche im Zuge von kommerziellen Einrichtungen wie Handelshäusern etc. so viele Kirchen abgerissen hat wie Leipzig. Allein in der Innenstadt wohl um die sieben Kirchen. Und da sind Kriegsverlust und die Paulinerkirche nicht inbegriffen.

    Welche sieben Kirchen sollen denn das sein?


    Ich hoffe noch auf bauliche Referenzen an die Kirche. Ein Ausstellungsbesucher schlug ein Satteldach auf der Hälfte des Forums-Kubus vor, also in Verlängerung des 50er-Jahre-Saalbaus und als Höhendominante.

    Also in etwa so wie bei diesem Entwurf:

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  • Nochmal zur Höhe des Forums: Für mich ist die Fußgänger-Perspektive im unmittelbaren Umfeld entscheidend. Dahinter steht die Fernsicht auf das Areal zurück.

    Mal abgesehen von den Pros und Cons wäre es zumindest passend zur Morphologie des Rings bei dem kleinere Hochpunkte neben den großen landmarks stehen (Uniriese-Europahaus/Hochhaus Leuschner Platz, Neues Rathaus-St. Trinitatis/Trias). Beim Wintergartenhochhaus hat man leider die Chance verpasst das Hotel neben dem Hbf als höheren Baukörper auszubilden. Ein höheres Forum (50-60m) zusammen mit dem zukünftigen GoerdelerringHH (100m) würde sich da gut einfügen.

  • Stasi-Unterlagenbehörde übrigens nur Mieter

    Das habe ich auch gelesen, aber nicht viel daraus geschlossen. Bauherr ist eine Bundesbehörde und Mieter auch eine Bundesbehörde. Dass eine Nachnutzung z. B. durch ein Landesarchiv denkbar ist, klar, aber es macht mich skeptisch, dass man nichts darüber liest. Es wäre ja naheliegend, die Nachnutzung frühzeitig zu planen und zu kommunizieren, wenn man zwei Jahre lang an einem Gebäude für Unterlagen baut, welche mittelfristig ganz woanders aufbewahrt werden sollen. Zumal die Auswahl eng wird, falls das Landesarchiv kein Interesse haben sollte. Schließlich ist ein Archiv schon eine sehr spezifische Bauform.


    Ob ein Hochhäuschen auf dem Matthäikirchhof in Kombination mit dem ewig zukünftigen Hochhaus am Goerdeler eine funktionierende Komposition ergeben würde, nunja.


    Das "Cluster" am Augustusplatz, wenn man das so nennen will (Kroch, Europahaus, Uni-Riese), finde ich wenig überzeugend wegen der zu geringen räumlichen Nähe bei gleichzeitig zu starken Höhenunterschieden.


    Das geplante Wohnhochhaus am Roßplatz würde irgendwie Bezug nehmen zu den Stalin-Bauten, hätte aber kein direktes Gegenüber.


    St. Tetris ist zwar viel niedriger als der Rathausturm, dafür aber direkt benachbart. Gleiches gilt für Trias. Dieser kleine "Cluster" funktioniert also, strahlt aber auch ein bisschen Lächerlichkeit aus. Der viel größere und triumphale Rathausturm deklassiert die beiden Kleinen.


    Westin und Löhrs haben zwar auch unterschiedliche Volumina und Höhen, stehen aber auch nah beieinander und teilen zudem eine ähnliche Architektursprache. Diese Kombination finde ich in Leipzig noch am gelungendsten. Ergänzt durch die Covivio-Türme würde ein harmonischer Cluster entstehen, in dem die Einzelteile einander bereichern.


    Fazit: Mir scheint räumliche Nähe wichtig, besonders, wenn ein Zusammenspiel unterschiedlich hoher Dominanten gewünscht ist. Was ja nicht heißt, dass eine solitäre Dominante am Matthäikirchhof schlecht sein muss. Ich habe mich ja auch dafür ausgesprochen, sofern dies filigran passiert und nicht das ganze Areal erdrückt. Nicht zuletzt sind Hochhäuser teuer. Wenn nur aus ästhetischen Gründen Höhe gewünscht ist, reicht ein Glocken-/Aussichtsturm oder Dachreiter. Auch ein Spargel kann durchaus Eindruck machen. ;)

  • Ein Satteldach auf der von Westen gesehenen Hälfte wäre meiner Ansicht nach zum einen eine Reminiszenz an die Matthäikirche, eine sinnvolle Höhendominante mit spannenden Blickbeziehungen von verschiedenen Seiten. Ebenfalls würde die Nutzfläche durch zusätzliche Etagen vergrößert werden.

    Den Vorschlag habe ich auch weitergegeben und das Büro wird sich den verschiedenen Anregungen hoffentlich annehmen. Ein ebenfalls von einem Besucher vorgeschlagener Dachreiter wäre natürlich eine würdige Krönung. Wenn der Bau ebenso Futuristisch wie das Paulinum wird, dann wäre das vielleicht ein spannendes Pendant im Stadtbild.

  • Ziegel

    Ich habe nicht von Clustern gesprochen, die es in Leipzig so auch nicht gibt sondern ging vom Konzept der „Stadtkrone“ aus (hohe „Spitzen“ als Betonung der Eckbereiche im Wechsel mit niedrigeren) für die der Ring nach seiner Entwicklung im 20. Jhd. in hohem Maße geeignet ist um diesbezüglich weiter ausgeformt zu werden. (Insbesondere an Stellen, die bereits früher Hochpunkte aufwiesen (Matthäi) und solche, für die es eine hundertjährige Standort-Planung (Goerdeler) gibt). Erwähnenswerte Pulkbildungen werden wir hier wahrscheinlich auch in Zukunft nicht sehen.

  • Das Ringcity- bzw. Stadtkronen-Konzept sah vor, den inneren Ring mit einer durchgehend höheren Bebauung zu fassen. Einzelne Hochhäuser waren als Spitzen dieser Krone vorgesehen. Das Hochhaus am Goerdeler war übrigens von Ritter auf dem heutigen Platz vor dem Naturkundemuseum angedacht.


    Diese Maßstäblichkeit der Ringkrone ist heute aus zwei Gründen nicht mehr gegeben. Erstens fehlt der Reif (die einfassende höhere Bebauung), zweitens fallen einige Zacken wie Uniriese und Wintergartenhochhaus und voraussichtlich auch ein künftiges Hochhaus am Goerdeler höhenmäßig extrem aus dem Rahmen und erzielen damit eine eher solitäre statt komplementäre Wirkung. Nur die Stalin-Bauten am Roßplatz verdeutlichen das ursprüngliche Konzept.


    Das spricht nicht gegen Hochhäuser am Ring, aber von der ursprünglichen Idee ist man damit um einiges entfernt. Auch ein Hochhaus am Matthäikirchhof würde deshalb eher als Solitär wahrgenommen werden. Deshalb meine ich, kann man mit allgemeiner Fernwirkung argumentieren oder mit der symbolischen Referenz an die einstige Kirche oder auch damit, dass das Forum sich nicht vor dem Stasi-Bau ducken sollte. Aber eher nicht damit, dass der Ringkrone noch Zacken fehlen, weil es diese Krone als Gesamtensemble eigentlich gar nicht gibt.

  • Nein, diese Krone als Gesamtensemble nach Ritter existiert tatsächlich nicht - diese hatte ich auch explizit nicht gemeint sondern von der allgemeinen "Entwicklung des Rings im 20. Jhd." gesprochen! Das Ritter´sche-Konzept ist ja nur einer der Urgedanken, der die weitere Planung durch die Jahrzehnte mehr oder weniger stark beeinflusste mit dem Ergebnis, dass bis heute an einigen Stellen 40-60 Meter- mit 100-Meter-Strukturen in Ringnähe platziert wurden. Die Macher vom Trias haben sich auf dieses Konzept bezogen und am WLP plant man ebenfalls danach. Ob nun Ritter 140 Meter vorgesehen hätte oder nur 80 ist vollkommen irrelevant denn die Teile sind Kinder ihrer Zeit und stehen nun mal jetzt dort wo sie stehen. Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht was es daran herumzudeuteln gibt, dass man es durchaus sinnig finden kann, dass in der "leeren" Nordwestecke nach den Kriterien, die an anderer Stelle Realität sind (100 Meter zu 40-60 Meter) eine "Komplettierung" der "Stadtkrone" (ein allgemeiner Begriff und unerheblich wie es sich in der Höhenstaffelung darstellt - Leipzig hat nun mal eben genau diese) vollzogen wird.

  • Ich stelle eben die Frage, ob die "Kriterien, die an anderer Stelle Realität sind", an diesen Stellen ein gelungenes Ergebnis erzielt haben. Deshalb bin ich diese Stellen der Reihe nach durchgegangen und habe sie unterschiedlich bewertet.


    Und vor allem scheint es mir so, dass die verschiedenen Hochhausstandorte eben kein zusammenhängendes Ganzes ergeben. Man hat immer nur jeweils zwei Hochhäuser in einer Blickbeziehung. Wären alle Hochhäuser noch durch einen gemeinsamen "Reif" verbunden, könnte man erst von einer Krone sprechen.


    Die einzelnen Standorte müssen also aus sich selbst heraus funktionieren und das tun sie unterschiedlich gut. Das gilt dann auch für den Mathhäikirchhof. Hier muss sich ein Hochhaus in Bezug auf den spezifischen Ort eignen und nicht in Bezug auf ein abstraktes städtebauliches Konzept, das schon längst obsolet ist.


    Eine Art Europa-Hochhaus fände ich hier zum Beispiel komplett ungeeignet (so vorgeschlagen bei der studentischen Ausstellung in der Alten Nikolaischule oder bei den antiken Vorschlägen, die du aus Bartetzkys Buch abfotografiert hast). Für dieses geschichtsträchtige Areal käme ein Hochpunkt für mich nur als eindeutige Referenz an die Kirche infrage, um die dort erhoffte Atmosphäre nicht zu stören. Ein etwas flacherer Bau hätte aber auch seinen Reiz, und zwar deshalb, weil das Forum bereits von recht hohen Bauten umstanden sein wird. Wir werden sehen, ob überzeugende Vorschläge im Masterplan und folgenden Architekturwettbewerb gemacht werden. In erster Linie geht es dabei um Nutzungen und auch um Kosten.


    Es gibt jedenfalls viele Aspekte, die bei der Höhenfestlegung wichtiger sind als die Idee einer wie auch immer gearteten Stadtkrone.

  • Es verlangt doch niemand einen hohen Baukörper nur um des hohen Baukörpers Willen ungeachtet seiner Wirkung auf die nähere Umgebung. Dass das Teil stadtraum- bzw. stadtbildverträglich sein muss ist doch unbenommen. Als anschauliches Beispiel mal dieser Wettbewerbsbeitrag:

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    Quelle: F+H Architekten


    Dieser ist zwar emporstrebend aber darüber hinaus vollkommen "unmaßstäblich" und dazu noch richtig schlecht eingepasst. Vor die Wahl gestellt wäre ich persönlich dann auch für die Variante des Wettbewerbssiegers. Allerdings sollte es auch in dieser Planungsphase keine Denkverbote geben. Meiner Meinung nach ist man der Historie des Standortes und des gesamten Rings verpflichtet, dass man nicht grundsätzlich ausschließt eine Höhenentwicklung beim Forum zumindest durchzudeklinieren ob diese nicht doch möglich ist.

  • Meiner Meinung nach ist man der Historie des Standortes und des gesamten Rings verpflichtet, dass man nicht grundsätzlich ausschließt eine Höhenentwicklung beim Forum zumindest durchzudeklinieren ob diese nicht doch möglich ist.

    Ich glaube, es gab nicht allzu viele Entwürfe, die dort ein neues Hochhaus vorgesehen haben. Ausgeschlossen war es durch die Auslobung nicht. Die geforderten Nutzungen sprechen aber nicht unbedingt für ein Hochhaus. Als Denkverbot würde das nicht bezeichnen.


    Dichter Architektur waren die Einzigen, die es mit gleich zwei - gemäßigten - Hochpunkten in die 2. Phase geschafft haben, welche sich durch ihr Schrägdach auch gut eingepasst hätten. Gewonnen hat nun aber ein anderer, besserer Entwurf. Die Ausdehnung dessen Forums finde ich nach allen Seiten, wie erläutert, gut proportioniert. Eine Betonung des Daches in Bezug zur Klingertreppe oder in Verlängerung des Saalbaus wird ja vielleicht noch vorgeschlagen.


    Aber ganz ehrlich: wie wahrscheinlich ist es, dass ein Wettbewerb uns mit einem verträglichen Hochpunkt erfreuen wird, bestenfalls sogar mit Bezug zur zerstörten Kirche? Am Sieger Riehle/Koeth schätze ich gerade, dass er die noch vorhandenen umstehenden Altbauten wirken und glänzen lässt. Eine auftrumpfende Geste im Häuserkonzert brauche ich da nicht und auch symbolisch finde ich ein Aktenarchiv und Demokratieforum, das sich gelassen und vermittelnd einfügt, angenehmer.


    Atmosphärisch hoffe ich jedenfalls, dass etwas entsteht, das in hundert Jahren als Altstadt bezeichnet wird. Die Ringkrone ist mir dagegen wurscht. Kleinere und größere Hochpunkte werden überall in der Stadt gebaut. Da sehe ich keinen Mangel, wenn beim Matthäikirchhof kein Hochhaus (alles ab 22 Metern) steht.

  • Ich glaube, es gab nicht allzu viele Entwürfe, die dort ein neues Hochhaus vorgesehen haben. Ausgeschlossen war es durch die Auslobung nicht. Die geforderten Nutzungen sprechen aber nicht unbedingt für ein Hochhaus.

    Bitte mir keine Worte in den Mund legen, die ich so nie gesagt habe – ich habe nirgends von einem Hochhaus gesprochen. Archivgenutzte höhere Baukörper, die weitere Nutzungen beheimaten und dazu noch gut gestaltet sind gibt es weltweit und sind kein Ding der Unmöglichkeit.


    Vielen Dank für die interessante Diskussion - ich denke fürs erste sind die Meinungen hier ausgetauscht.