Leipzig: Ärzte-Kompetenzzentrum am Simsonplatz (realisiert)

  • RMA


    Das geplante Ärztezentrum nimmt den historischen Bezug des Vorgängerbaus auf und negiert auch keineswegs die bauliche Umgebung. Die Traufhöhe sowie die Firsthöhe des Daches stimmen mit denen der Nachbarbauten haargenau überein. Die Fenster werden eine vertikale Struktur erhalten, die horizontale Gliederung orientiert sich an den - horizontal gegliederten - Gesimsen der umgebenden Altbauten. Die hohe Qualität der Fassade berücksichtigt, auch wenn sie nicht aus Sandstein bestehen wird, ebenso die gehobene städtische Lage. Die außergewöhnliche Architektur u.a. mit den Vor- und Rücksprüngen in der Fassade verleiht dem Gebäude zudem eine Eigenständigkeit, welche mit einem postmodernen Neubau, wie er in Deutschland landauf, landab errichtet wird, nie erreicht worden wäre.


    Der mit der Planung beauftragte Architekt spricht auch nicht von "interessanter Kontrast" oder "Bruch", sondern von neuen Maßstäben und moderner Interpretation. Und wer bei diesen Begriffen immer noch "böses Modernistensprech" wittert, sollte sich vielleicht fragen, inwiefern er nicht selbst ideologisch vereinnahmt ist.



    cxfahrer


    Erst erinnert dich das Ärzte-Zentrum an einen Sparkassen-Neubau aus den 60ern, jetzt heißt's immerhin schon mal: "für ein freistehendes Gebäude wäre dies Fassadenthema ganz ok. So als Verwatungsgebäude einer kleinen Fabrik zB. im Gewerbepark". Ich glaube, du willst dich nicht wirklich mit dem Entwurf auseinandersetzen. Für derartige Vergleiche haben wir hier übrigens einen ganz speziellen Thread.

  • der "bruch" als ein leipziger merkmal ist hier wahrscheinlich eher als erneuerung gemeint. vor allem zur zeit der unglaublichen schnellen urbanisierung der "gruenderzeit", hat sich das stadtbild rasch veraendert. trotzdem haben es einige bauwerke ueberlebt und einen kontrast hergestellt den man in deutschland selten sieht. somit stellt sich die frage was denn nun eigentlich das original ist - die bebauung aus der jahrhundertwende weil sie bestimmend ist oder die der jahrhunderte zuvor? und wenn wir schon dabei sind - was hat die italienische spaetrenaissance des BVG eigentlich in leipzig verloren? der klau und neu-interpretation ist fast so alt wie die stadt.


    das gebaeude wird den staedtebaulichen aspekt des quartiers nicht beeinflussen. es wird weder in der hoehe noch in der groesse bestimmend wirken, keine konkurrenz zum BVG oder des eckgebauedes bilden. somit ist die staedtebauliche komponente eigentlich erfuellt. man koennte vielleicht das fassadenmaterial anprangern aber dann muss man auch wieder die frage stellen was denn nun leipziger original ist.


    ob es LD zu einer wirklichen alternative gebracht haette mag ich zu bezweifeln.

  • ...
    Erst erinnert dich das Ärzte-Zentrum an einen Sparkassen-Neubau aus den 60ern, jetzt heißt's immerhin schon mal: "für ein freistehendes Gebäude wäre dies Fassadenthema ganz ok. So als Verwatungsgebäude einer kleinen Fabrik zB. im Gewerbepark". Ich glaube, du willst dich nicht wirklich mit dem Entwurf auseinandersetzen. Für derartige Vergleiche haben wir hier übrigens einen ganz speziellen Thread.


    Sparkassenarchitektur ist ein feststehender Begriff und den halte ich weiterhin für zutreffend, ich suche jetzt nicht mühsam Fotos raus, scanne sie und muss dann nachher über horziontale Linien als Bezugselement für konisch zulaufende Spiegelglasbänder diskutieren.


    Ich habe meine Argumente gegen die Fassade eingebracht:
    - zu protzig an dieser Stelle
    - zu horizontal an dieser Stelle
    - auf Kosten der Nachbararchitekturen
    Muss ich mich deiner Ansicht nach auf Worte wie "aussergewöhnlich", "hohe Qualität" oder "Eigenständigkeit" deinerseits einlassen, damit ich mich mit dem Entwuirf "auseinandergesetzt" habe?


    Zitat von hedges

    das gebaeude wird den staedtebaulichen aspekt des quartiers nicht beeinflussen. es wird weder in der hoehe noch in der groesse bestimmend wirken, keine konkurrenz zum BVG oder des eckgebauedes bilden. somit ist die staedtebauliche komponente eigentlich erfuellt. man koennte vielleicht das fassadenmaterial anprangern aber dann muss man auch wieder die frage stellen was denn nun leipziger original ist.


    ob es LD zu einer wirklichen alternative gebracht haette mag ich zu bezweifeln.


    Keine Ahnung, vielleicht ne Keksrolle ;) .


    Die aufgeführten Kriterien für eine städtebauliche Anpassung finde ich etwas wenig. Das ist die §34 Einfügung in die Umgebung, mehr nicht. Damit kann man aus Leipzig Köln machen. Oder Hildesheim.


    Es gibt doch jede Menge interessanter moderner Ecklösungen, da ist doch garnichts dagegen einzuwenden. Leider kann man hier ja nur diskutieren OHNE Papierskizzen zu malen...

  • Cowboy: Wo hat sich cxfahrer nicht mit dem Gebäude auseinandergesetzt? Er hat doch seine Bedenken, welche ich übrigens teile, ausführlich dargelegt. Ihn nun in diese Ecke zu stellen find ich nicht so fair.


    Die vertikale Gliederung der Fenster ist übrigens fast überhaupt nicht zu erkennen. Die horizontalen Fensterbänder sind nicht gerade, sondern schräg, auch das ist in dieser Umgebung einzigartig. Und auch die Unterbrechung der Vertikalen an der Ecke finden nirgendwo eine Entsprechung. Der Bau setzt sich also, abgesehen von der Einhaltung der Traufhöhe, definitiv von seinem Umfeld ab. Wenn das Gebiet uneinheitlich und individuell gestaltet wäre, ginge das IMO auch in Ordnung, oder wenn der Bau ein Solitär wäre.


    Die Begründung mit dem typischen "Leipziger Bruch" kann man genausogut als Freibrief deuten, sich nicht mit dem Umfeld auseinandersetzen zu müssen, wobei dieser Bruch auch ungleich radikaler ist. Der Bau zieht den Blick unweigerlich auf sich, sogar wenn man versucht ihn zu ignorieren und sich auf die andere Seite des Bildes konzentriert. Die Erläuterungen des Architekten können dabei noch so ausführlich sein, was zählt ist ja nunmal der erste Eindruck, der zugegebenermassen bei jedem anders ausfällt.

  • Vom "typisch Leipziger Bruch", was auch immer das sein soll, kann ja auch keine Rede sein. Und daran, dass ein Bau die Blicke unweigerlich auf sich zieht, finde ich per se nichts schlechtes (siehe BVG, KPMG-Haus). Die Umgebung ist auch alles andere als einheitlich bebaut (siehe 1. und 3. Bild in #1).


    Vielleicht einmal anders gefragt: Warum sollte der gleiche Investor, der den gründerzeitlichen Altbau aus freien Stücken saniert und dessen historisches Dach mit dem Turm rekonstruiert hat (wie oft kommt soviel Idealismus eigentlich in einer deutschen Großstadt vor?), daneben einen Neubau hinsetzen, der diese Sanierungsleistung auf Teufel komm raus schmälert?

  • Nach dem ersten Bild zu urteilen ist m.A.n. der entstehende Neubau ganz klar auf Dominanz gegenüber seinen Nachbarn ausgelegt. Die Betonung der Ecksituation wirkt durch die sich zur Mitte hin "vergrößernden" Fensterflächen etwas zu offensiv in den Raum hinein. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Enden der Fensterbänder kleiner sind als die Fenster der angrenzenden Bauten und statt dessen der fensterlose Raum dazwischen umso größer ausfällt. Auch wird durch die horizontalen "Bänder" die regelmäßige Kleinteiligkeit der Fensterflächen der anderen Bauten negiert. Letztendlich muss man aber abwarten wie die Oberfläche des Neubaus in der Realität wirkt. Hier könnte der dominante Eindruck durchaus noch abgemildert und das Umfeld positiv beeinflusst werden.

  • ...Da im Inneren anscheinend viel mit Farbe (grün) gearbeitet werden soll bin ich auf die Transluzens bei Nacht gespannt. In der letzten Visualisierung wird dies ja schon ein bißchen angedeutet.

  • Cowboy: Gestattest du mir trotzdem, die Architektur des Neubaus eigenständig und unabhängig von der Sanierung des Gründerzeitlers zu bewerten? Nur zu dem Neubau wurde sich hier geäussert. Dass dem Investor für die Rekonstruktion des Eckgebäudes grösster Respekt zu zollen ist, dem wird hier sicherlich niemand widersprechen. Nur meiner Meinung nach schmälert der Neubau diese Sanierungsleistung eben doch, weil er den Eckbau (finde ich) verloren und an den Rand gedrängt zurücklässt anstatt mit ihm ein Ensemble einzugehen.

  • hier wird uerball von einer anpassung geredet. die vertikale, das gegenueber zum BVG, der provokativen auseinandersetzung mit den alten gebauden im ganzen quartier, das material, ausbuchtungen, evtl. gruene innebeleuchtung.


    nochmal die frage and die begeisterten rekonstruktioniesten - was ist denn das leipziger original? was waere eine angemessene fassaden struktur die sich hier einpasst?


    gerade linien und fensterbaenke? wo ist der unterschied zur fremdartigkeit des backsteins und sandsteins. diese materialien kommen aus ganz anderen gegenden wurden aber benutzt da es eine moderne der damaligen zeit war.


    bevor von anpassung gesprochen wird sollte mal geklaert werden was als angepasst angesehen wird.

  • @ #28:


    aber es ist doch der altbau, der in der mitte der südlichen stirnseite des simsonplazes steht. um ihn hervorzuheben wurde das dachtürmchen rekonstruiert und beim neubau auf turmartiges (wie es sich rma wiederum gewünscht hätte) verzichtet.


    wenn eines tages auch die südostecke des platzes wieder bebaut sein wird - was ja wohl ebenfalls in zeitgenössischer formensprache geschehen dürfte - wird der altbau noch stärker zur geltung gelangen. erst recht, wenn auch der noch ausstehende lückenschluss einerseits qualitätvoll ausfällt und sich andererseits in der farblichen gestaltung zurücknimmt. ähnlich, wie es beim ärztezentrum gerade geschieht. der rote klinkerbau in der mitte wird sicher nicht wie an den rand gedrängt wirken.

  • Wie wärs denn mit Rochlitzer Porphyr?^^
    Ich halte die Idee des Architekten für grundsätzlich gut, allerdings wirkt dir Fassade auf mich zu wuchtig. Wenn an der Fassade und den Staffelgeschossen noch ein wenig mehr mit Liebe zum Detail gearbeitet würde, könnte das was werden.

  • Dem Bau wird vorgeworfen, sich in den Vordergrund zu drängen, er sei zu dominant und aufgeregt und passe sich nicht ein. Dabei sind es doch die Gebäude der Gründerzeit, die sich mit Bombast in den Vordergrund drängen - und dabei eine durchaus gute Figur machen. Türmchen, Erker, Neorenaissanceportale - sieht so Zurückhaltung aus? Keineswegs. Aus diesem Grund wird, wie dj tinitus korrekt schrieb, die Harkortstraße 6 durch ihre auffälligen Gestaltungselemente stets den Neubau dominieren. In den leicht verspiegelten Glaselementen des Neubaus wird sich das ehemalige Reichsgericht spiegeln. Wer dominiert hier wen?


    Nichtsdestotrotz ist eine Eckbetonung an dieser Stelle notwenig. Vielen hier würde ein simpler Neubau im 90er-Stil (siehe nebenan) besser gefallen, nur wäre dies der hier so oft beschworenen städtebaulichen Bedeutung der Ecke keineswegs angemessen. Die gebrochene Kante betont die Ecke, ohne den Altbau links übertrumpfen zu wollen. M.E. eine sehr gute Lösung. Wo sind denn die "modernen Ecklösungen", von denen cxfahrer spricht? Zu 90% sieht man da doch heutzutage absoluten Mist, siehe die vielzitierte Keksrolle oder das postmoderne Stahl-Glas-Häubchen.


    Ich möchte einmal den Vergleich zu Russland heranziehen. In Kasan wird viel im gernzitierten "klassischen Stil" gebaut, städtebaulich meist verträglich, auch wenn dann mal ein Pseudo-Fachwerkhaus bei rauskommt. Folge dieses Bauens für die Altbauten ist, dass die alte Bausubstanz ohne viel Federlesen abgetragen wird - schliesslich kann man ja auch heute so "hübsch" bauen. Im Detail wird dann natürlich nicht annähernd die gleiche Qualität erreicht, denn die Kriterien Energieeffizienz, Renditemaximierung durch verringerte Geschoßhöhe etc. gelten auch (wenn nicht sogar erst recht) bei historisierenden Neubauten. Ein ähnliches Phänomen war ja zur Gründerzeit zu beobachten: im Bewusstsein des Bombasts der historistischen Baustile gingen etliche Gebäude auch in Leipzig verloren, seien es Stadttore, das Geburtshaus Wagners, Auerbachs Hof, diverse Barockgebäude... selbst über einen Abriss des alten Rathauses wurde nach Fertigstellung des Neuen auf dem Gelände der (natürlich) abgerissenen Pleißenburg nachgedacht. Da sind wird dann auch ganz schnell bei grundsätzlichen Fragen der Denkmalpflege und ich bin hier eher auf Seiten des Denkmalschutzes: Substanzerhalt vor Reko. Genau so wurde hier verfahren: statt ein Gebäude halbherzig zu sanieren und ein zweites aus Stahlbeton mit vorgeblendetem Mauerwerk zu rekonstruieren, wurde das alte Gebäude bis ins Detail wiederhergestellt und eine hochwertige (darüber sind sich hier ja fast alle einig) Neubaulösung gewählt. Das soll natürlich nicht heißen, dass nicht auch mal historisierend gebaut oder rekonstruiert werden darf. Nur sollte man es nicht als die einzig mögliche Lösung ansehen.


    Um mal kurz auf zwei Punkte von cxfahrer einzugehen:


    1. die Platzgestaltung ist räumlich bis auf Fr. Wandelts blaue Leuchten (und die waren SEHR umstritten) kaum wahrnehmbar.


    Die Leuchten waren vielleicht bei den Richtern des Bundesverwaltungsgerichts umstritten. Deswegen sorgten diese auch für einen Ersatz durch weiße Leuchtstoffröhren. Erst der massive Protest der Leipziger hat dazu geführt, dass diese Maßnahme wieder zurück genommen wurde.


    Wenn man nur mit dem Auto am Platz entlangfährt, mag deine Aussage korrekt sein, wer den Platz zu Fuß überquert, wird aber in jedem Falle mit den modernen Maßnahmen (Fritz-von-Harck-Anlage, Mendelssohn-Ufer) konfrontiert. An Proteste etc. nach Fertigstellung kann ich mich nicht erinnern, dafür werden die Anlagen durchaus gut angenommen.


    2. es wurde quälend lange jedes Detail der Platzgestaltung durch alle Gremien gekaut, jeder städtebauliche Bezug abgeklopft...hat das Herr Fasshauer etwa auch durchmachen müssen? Ich glaube seit LD fort ist, muss man das hier nicht mehr.


    Glauben ist nicht Wissen. Und die absolutistischen Zeiten sind auch längst vorbei. Der Entwurf existiert bereits seit vergangenem Jahr und wurde im Mai diesen Jahres durch den Gestaltungsbeirat der Stadt Leipzig zur Umsetzung empfohlen.

    6 Mal editiert, zuletzt von DaseBLN () aus folgendem Grund: Orthographie

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    Dem Bau wird vorgeworfen, sich in den Vordergrund zu drängen, er sei zu dominant und aufgeregt und passe sich nicht ein. Dabei sind es doch die Gebäude der Gründerzeit, die sich mit Bombast in den Vordergrund drängen - und dabei eine durchaus gute Figur machen. Türmchen, Erker, Neorenaissanceportale - sieht so Zurückhaltung aus? Keineswegs. Aus diesem Grund wird, wie dj tinitus korrekt schrieb, die Harkortstraße 6 durch ihre auffälligen Gestaltungselemente stets den Neubau dominieren. In den leicht verspiegelten Glaselementen des Neubaus wird sich das ehemalige Reichsgericht spiegeln. Wer dominiert hier wen?


    Darum geht es aber nicht. Es geht hier darum, was die bauliche Umgebung vorgibt. Ein neobarocke Mietskaserne mit einer Tonne Stuck wäre unpassend in einer 70er-Jahre-Plattensiedlung, keine Frage. Hier besteht aber die ganze Umgebung aus ersterem – deswegen die Frage nach der Angemessenheit und der Angepasstheit von etwas, was in einem solchen Umfeld gebaut wird.


    Zur Frage, wie ein – meines persönlichen Erachtens – gelungener Lückenschluss in einem gründerzeitlichen Viertel aussieht, sei dieses Beispiel aus der Dresdner Neustadt zitiert:



    (Klicken zum Vergrößern)


    Diesen Bau kann man wohl kaum als historisierend bezeichnen, höchstens postmodern. Trotzdem passt er perfekt in das gründerzeitliche Umfeld.


    Deinen Ausführungen zu den Geschehnissen in Russland, was ich ebenfalls schon länger besorgt verfolge (dazu gab es hier ja im Forum auch eindrückliche Bilderserien), kann ich eigentlich nur beipflichten. Zum Glück sind solche Auswüchse in Deutschland jedoch schon durch den viel strikteren Denkmalschutz nahezu unmöglich. Insofern verstehe ich nicht ganz, was das alles mit der konkreten Situation zu tun haben soll. Die Abläufe in Leipzig sind ja wohl eher das krasse Gegenteil davon, was dort passiert.


    Übrigens hat keiner hier nach Reko des Gründerzeitlers geschrien, der dort an der Ecke stand (was ja implizit schon unterstellt wird). Ganz im Gegenteil, moderne Architektur kann hier m.E. sogar dazu beitragen, ein organisches Stadtbild zu schaffen, an dem die natürliche Entwicklung der Stadt abzulesen ist, da die Kriegsschäden so gering bzw. wenig flächenhaft sind wie in kaum einer anderen Stadt Deutschlands. Für ein organisches Stadtbild braucht es meines Erachtens jedoch eine gewisse Unterordnung, und nicht die Dominanz des Solitärs. Und einzig das wird hier angezweifelt.

    Einmal editiert, zuletzt von RMA () aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler behoben

  • ^ Dein Foto gibt ein gutes Beispiel dafür ab, dass ein solches Gebäude (noch dazu im Stil der 90er) am Simsonplatz sprichwörtlich fehl am Platze gewesen wäre. Natürlich ist dein Beispiel auch ein historisierender Eckbau, städtebaulich gesehen (genau wie das Ärzte-Zentrum) vorbildlich gelöst, architektonisch aber ein anbiedernder (um nicht zu sagen anmaßender) Gründerzeitler. Eine solche Lösung wäre hier sicher weit weniger kontrovers diskutiert worden, jedoch bezweifel ich ganz stark, dass sie den sanierten Eckbau Harkortstraße 6 mehr Respekt gezollt hätte. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Eine solche auf "alt" getrimmte Lösung wäre eher eine Schmach für den vorbildlich sanierten Eckbau gewesen.


    Von daher gibt es in meinen Augen, das habe ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben, für den Lückenschluss am Simsonplatz nur zwei Lösungen: Entweder eine 1:1-Reko des Vorgängerbaus (wie auf dem historischen Bild in #1 zu sehen) oder einen Neubau in den Ausmaßen des historischen Vorgängerbaus, jedoch mit komplett neuer Fassade.



    Zitat von leipziger

    Schaut euch Köln an, dort sind viele Gebäude seiner Zeit (in der Phase des Wiederaufbaus in den 50er-70er Jahren) etwas besonderes gewesen. (...) Die ganzen aufgeregten Bauten entwerten sich gegenseitig, weil die ruhigen Komponenten fehlen. Auf diese Weise entsteht kein ausgewogenes Stadtbild.


    Eben, deshalb würde das Ärzte-Zentrum auch nie in einer Nachkriegswüstenei oder, wie cxfahrer andeutete, als Solitär irgendwo im Gewerbepark zur städtebaulichen Aufwertung beitragen können. Ein solches Gebäude funktioniert m.E. nur als Lückenbau in einer baulich gehobenen Lage.

  • RMA: Mal ganz ehrlich: die einzige Qualität des gezeigten Gebäudes ist doch, dass es keine eigenständigen Qualitäten hat. Es ist halt ganz einfach halbgar und will irgendwie keinem wehtun. Sicherlich gibt es schlechtere Gebäude, aber für die Ecke fände ich so etwas ähnlich wie Cowboy eindeutig zu mau. Anderswo wäre man über so etwas sicherlich froh gewesen (bspw. Gustav-Adolf / Ecke Waldstraße, auch ein Medizinzentrum). Das meinte ich in meinem vorherigen Beitrag mit dem simplen Neubau. Ich denke, der Platz erfährt durch das projektierte hochwertige Gebäude durchaus eine Aufwertung, ähnlich wie die Ecke Münzgasse mit dem gezeigten KPMG-Gebäude, die ohne ebendieses wohl kaum zu einer der meistfotografierten Straßenecken Leipzigs avanciert wäre.


    Die Analogie zu Russland sehe ich darin, dass, wenn man sich bei Neubauten zu stark am vorhandenen orientiert, irgendwann unweigerlich das Alte in Frage gestellt wird. Das liegt in der Natur der Sache. Das Gegenteil dessen ist ja eben das, was von Außen betrachtet in Leipzig als paradox empfunden wird: einerseits der Kampf ums Vorhandene, die liebevolle Sanierung im Detail, andererseits aber auch der Wunsch, Neues zu schaffen. Das zeigt sich zum Einen bei Bürgern, die wegen einer Parkpalette im Hauptbahnhof demonstrieren gehen, aber beispielsweise für die Rekonstruktion der Paulinerkirche nur schwer zu mobilisieren waren, zum anderen bei Firmen wie der KSW, die einerseits teilrekonstruiert und etwas Modernes danebenstellt oder der Stadtbau AG, deren Altbausanierungen (Handelshof, Postscheckamt) vorbildlich, die Neubauten aber keineswegs historisierend sind.

    Einmal editiert, zuletzt von DaseBLN ()

  • Cowboy: Sowas wird also tatsächlich schon als historisierend bezeichnet... Wenn ein solcher, für meine Begriffe "moderner" Bau schon nicht mehr erlaubt ist, dann hat man als Architekt ja tatsächlich nicht mehr viel Spielraum was die Gestaltung angeht. Ist denn sämtliche Formensprache von vor 1920 nun nicht mehr "ehrlich" sondern kitschig oder falsch? Das soll mir mal bitte einer erklären. Ich finde das riecht genauso nach Idealismus, wie die Aussage, dass moderne Architektur grundsätzlich hässlich sei. Es werden hier doch lediglich gründerzeitliche Grundmerkmale übernommen, wobei der Bau erkennbar modern ist. Ich finde in solchen Gegenden ist grundsätzlich die Ensemblewirkung sehr wichtig und da bleibt einfach nur begrenzt Spielraum was aussergewöhnliche, extravagante Architektur angeht.


    @Dase #33: Gründerzeitbauten sind zwar oft dominant, gleichzeitig sind sie in ihrer Gliederung relativ homogen (z.B. Einzelfenster mit ähnlichen Abmessungen) und passen daher zueinander. Der neuere Bau rechts des Entwurfs ist zwar nicht gerade hochwertig und auch nicht mein Geschmack, aber er fügt sich aufgrund der gleichen Fensterformate wunderbar ein. Es ist doch sicherlich auch möglich, einen interessanten Entwurf zu schaffen, der Grundmerkmale des Umfelds respektiert.

  • ^ Hier geht es nich um Verbote sondern um Ästhetik - welche Qualitäten kannst du denn dem Gebäude abgewinnen? "Gleiche Fensterformate" ist für mich eine Eigenschaft und kein Qualitätsmerkmal, sowas haben Plattenbauten nämlich auch. Hier spricht niemand einer älteren Formensprache die Ehrlichkeit ab - was denkst du, warum hier die Sanierung der Harkort 6 so hoch gepriesen wird?


    Man muss es doch einmal realistisch sehen: eine Alternative zum Neubau hätte zu 90% dann wie das von RMA gezeigte Beispiel ausgesehen. Sorry, aber selbst mit viel gutem Willen kann ich nicht erkennen, wie dieses Gebäude dem Platz besser bekommen hätte. Es hätte die Harkort 6 eher konterkariert.

  • ^ Dann sieh dir doch mal vollständig erhaltene Gründerzeitviertel an. Du stimmst mir doch wohl zu, dass diese einen enormen Charme haben, der von einzelnen erhaltenen Gründerzeitlern, die von (unangepassten) modernen Gebäuden durchsetzt sind, nicht ansatzweise erreicht wird, was vor allem an den extremen Brüchen liegt, die diese Gebäude darstellen, sie zerschneiden die Substanz regelrecht. Das tut IMO auch dieser Entwurf. Ein angepasster Bau, der auf Kontinuität innerhalb der Häuserzeile setzt, tut das nicht. Der Vorteil dieses Bauwerkes wäre demnach nicht, dass er interessante oder ungewöhnliche Architektur bietet, sondern schlicht und ergreifend der Fakt, dass er keinen Bruch darstellt und sich harmonisch einfügt. Wenn er sich dabei zurückhält, keine Türmchen oder sonstiges hat, lenkt er die Aufmerksamkeit gleichzeitig auf den Gründerzeitler und komplementiert ihn dabei "sanft". Wäre das nicht auch ästhetisch?

  • @ RMA + Johnny


    das gebaeude im bild nimmt die formensprache der gruenderzeit auf. ecktuermchen mit kupfer zierde, rote biberschwanz ziegel auf dem satteldach, und eine art stucklinie auf halber hoehe > ueber geschmack laesst sich natuerlich streiten. der bau passt zwar, hat aber markante fehler die man schon auf diesem foto erkennt. fensterlinien und balkone auf einer anderen hoehe als die des ganzen blocks, gedrungene laden zeilen die auch nicht mit dem der anderen gebauede uebereinstimmen, glas "sonnenschutz", eine stuckeiste die wirklich aus dem nichts kommt und keinerlei anschluss an die randgebaeude hat und eine AC direkt an der front. das einzige merkmal mit dem sich das haus in den block eingliedert, ist die geschlossene traufhoehe bei allen vier gebauden. das wird bei dem neuen gebaeude am simsonplatz auch der fall sein.


    das neue haus, und da hat DaseBLN recht, ist im gesamt konzept oder kontext zu mit dem eckgebaeude zu sehen. dies wird die dominante bleiben. die medizinische nutzung wird im vordergrund stehen und die fassadengestaltung bestimmen. keine falsche formensprache die darauf ziehlt es nett aussehen zu lassen. die unterschiedlche gliederung der fassae hat eine berechtigung da es eine eigene form darstellt ohne ander aufzugreifen. wo welche auch? um sich einzufuegen muesste es dem eckgebaeude oder dem gebaeude aus den 90ern gleich getan werden.


    ich habe keine ahnung warum man so oft eine kopie oder rekonstruktion einer neu-interpretation vorzieht.


    gute architektur wird nicht durch tuermchen und falsche stuckleisten erbracht sondern durch eine intelligente ausseinandersetzung mit der baulichen situation. die industrialisierung der jahrhundertwende hat den meisten europaeischen staedten ein gesicht gegeben ist aber kein grund daran zu scheitern den naechsten schritt zu gehen. wie Dase BLN angemerkt hat, war diese architektur ein zusammenspiel der architekturgeschichte. die gemuetlichkeit die viele staedte durch die architektur der 20er > 60er/70er verloren haben wird auch durch einfallslose repliken nicht wiederkehren.


    eine stadt muss sich veraendern in einer perspektive in der sich staedte in der gruenderzeit gewandelt haben. die auffassung wird sowieso pro - gruenderzeit bleiben und somit keinen flaechenabriss favorisieren. fuer mich gibt es keine berechtigung fuer einen frankfurter roemer oder einen dresdner neumakt ohne dass ich mich gegen erhalt alter bausubstanz auspreche. beides muss nicht miteinander konkurieren um zu funktionieren.