es ist doch traurig, dass sich die deutsche Hauptstadt, die eigentlich das Aushängeschild seines Landes sein soll[..]
Genau das [Aushängeschild] möchte ein beachtlicher Teil der Berliner (von denen ein beachtlicher Teil heute in politischen Ämtern ist) aber nicht sein, weil man Erbe der Diskrepanz ist, in einer vergleichsweise armen, leeren und sanierungsbedürftigen Stadt aufgewachsen zu sein, die man aber trotzdem in höchst-sympathischer Erinnerung hat. Eine Stadt, die keine vollen S-Bahnen kannte, wo man die Brachen-, Brüche- Orte und Un-Orte der Stadt noch erkundet hat, weil es kein Internet und keine Smartphones gab und weil das Leben noch in den Gassen stattfand und nicht in den digitalen Gazetten. Diese Generation erlebt das sukzessive Schließen der Berliner Brachen und Parzellen durch zunehmend gestreamlinte "corporate architecture" als Entfremdung, sie assoziiert die "Hauptstadt" daher auch nicht mit repräsentativen Funktionen (gesteht ihr diese max. im Botschafts&Regierungsviertel zu), sondern beäugt kommerzielle Neubauten grundsätzlich kritisch, bzw. unter dem Generalverdacht, dass diese auf Kosten der Berliner Identität und zu Gunsten einer defizitären Mietpreisentwicklung an ihren Interessen vorbei projektiert würden. Besonders Hochhäuser, obwohl aufgrund ihrer Bauart vergleichsweise wenig Stadtraum "raubend", haben sie als Katalysatoren dieser Entwicklung ausgemacht.
Diese Generation wird nun sukzessive ersetzt durch eine, die zunehmend unbeeinflusst vom Charme des "alten Berlins" und zunehmend beeinflusst von der Ästhetik korporativer Designsprachen sind und die sich weit besser für ein Kreuz-Priming von Status&Unterhaltung eignen, sowie kommerzieller Inszenierung grundsätzlich unkritischer gegenüber stehen. Für sie ist ein [Aushängeschild] ein ausdrücklich positiver Begriff, weil sich der vermeintliche "Pracht-Status" Berlins unter ihre individuelle Leistungsstatistik als global vernetzter Weltbürger subsummiert und dort mit Hochburgen der Opulenz aus anderen Wirtschaftsräumen konkurriert.