Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße

  • ^ Man sollte schon dazusagen, dass es sich um einen (Gast)Beitrag eines Historikers und Stadtforschers handelt, der zudem Stiftungsvorstand und Gründer/Sprecher der Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin ist.


    Das schmälert den Inhalt und seine Meinung nicht, die hier aber (verständlicherweise) etwas subjektiver ist und nicht unbedingt die Meinung "der Presse"oder die der Berliner Zeitung widerspiegelt.


    Sein Mitgefühl mit all denen, die in diesem Haus "wohnen müssen", ist sicher übertrieben. Den Bewohnern werden eher der Mietpreis, die zentrale Lage und der Schnitt der Wohnungen wichtig sein als das Äußere. Und es wird ja niemand gezwungen, dort zu wohnen.


    Aber ansonsten ist sein Urteil verständlich und nachvollziehbar, wenn auch etwas polemisch dick aufgetragen.

  • ....wer sich zu diesem Thema informieren will - oder debattieren - will, dem sei das "Mittefestival" nahegelegt: Mittefestival Parochial-Kirche. ("Thematisiert werden die Areale Molkenmarkt, Bauakademie, Grauer Kloster, Mühlendamm, Gertraudenbrücke und Klosterviertel. Das Festival wird von der Stiftung Mitte Berlin veranstaltet, welche nach Wegen sucht, die Mitte der Stadt lebenswerter zu gestalten".)

  • Das ist ein Meinungsbild und keine allgemeine 'Berliner Zeitung' Aussage. Der Journalist ist kein unbekannter, sondern Benedikt Goebel, bekannter Historiker und schärfster Kritiker der "Berliner Mitte". Dieser Artikel ist pure Stimmungsmache und kein sachlicher Beitrag, auch wenn ich dem sogar etwas zustimmen kann, gerade am absolut historischen Ort, der Gründung der Doppelstadt Berlin und Cölln.

  • Als "pure Stimmungsmache" würde ich es bezeichnen, wenn ich dem Neubau auch nur ansatzweise einen architektonischen oder gestalterischen Wert beimessen könnte. Das ist hier aber nicht der Fall. Dass dieses Gebäude, welches im Nachbarforum Berliner Architektur & Urbanistik als "Lüscherkasten" verspottet wird, auch noch mitten in die historische Altstadt bzw. an dem Geburtsort Berlins verpflanzt wurde, kann man schon als Zumutung für den gesunden ästhetischen Menschenverstand empfinden.

  • Städtebau ist immer auch politisch. Meines Erachtens repräsentieren diese beiden Gebäude die städtebauliche Strategie und Philosophie der alten Senats und der alten Senatsbaudirektorin ziemlich gut:


    - Erhalt / Ausbau / Weiterbau der "sozialistischen Stadt" - wie sie modellhaft im Viereck zwischen Otto-Braun-Strasse, Strasse der Pariser Kommune, Mollstrasse und Holzmarktstrasse entstanden ist.


    - Profilierung über optimierte Grundrisse (eines der Lieblingsthemen von Frau Lüscher), andere Innenbezüge sowie städtebauliche Grossformen (Anordnung von Gebäuden zueinander) - aber nicht über die Fassade (denn sowas ist bürgerlich und treibt die Gentrifizierung)


    - Erhalt der Innenstadt für günstiges Wohnen - daher Vermeiden von Elementen, die diese für Gentrifzierer unnötig attraktiv macht (dazu zählen eben wiederum auch Fassaden, die diese Zielgruppe ansprechen. Vermeintlich aber auch "Luxus"-Hochhäuser).

    Dafür gibt es in Berlin - man kann mögen oder nicht - eine recht breite Basis unter den relevanten Meinungsmachern und politischen wie behördlichen Entscheidungsträgern. Ob es Frau Kahlfeldt & Co gelingt, das zu durchbrechen halte ich für fraglich.

  • Was hat den Lüscher damit zu tun? - Lompscher und Bewohner haben den 1. Preis verhindert und nicht Lüscher, womit hier wir wieder bei der Stimmungsmache wären.

  • Hier nochmal das Schmuckstück:




    Dieses Beispiel zeigt Wohnungen im Besitz einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die 1875 in Spindlersfeld gebaut wurden. Ein gewisser qualitativer Unterschied würde ich sagen.


  • Hier nochmal Ansichten des archäologischen Zentrums von Vorne.


    Die Nachbarn sind mit erfasst, um den Vergleich zu ermöglichen.


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    Der Wohnungsbau dahinter aus DDR Zeiten ist, so wie er saniert wurde, um Längen besser als der öde WBM-Kasten. Mit den angenehmeren Farben, den größeren Fensterflächen und dem Staffelgeschoss macht er einfachste Maßnahmen vor, mit denen das Schlimmste hätte verhindert werden müssen.


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  • Was hat den Lüscher damit zu tun? - Lompscher und Bewohner haben den 1. Preis verhindert und nicht Lüscher, womit hier wir wieder bei der Stimmungsmache wären.

    Moment, so einfach kann man sich das nicht machen. Das entstandene Wohnhaus der WBM ist mit dem Wirken von Frau Lüscher verbunden wie wenige andere in der Stadt. Sie war von 2007 bis 2021 Senatsbaudirektorin und hat die Architektur der Stadt seither maßgeblich mitgeprägt. Vergessen Sie bitte auch nicht, dass Frau Lüscher im Gespann mit Frau Lompscher das Thema Wohnungsbau der landeseigenen aufs Tablet hob und sich immer lautstark über die Themen „Baukultur“ und „Bauqualitäten“ definierte, zudem ist sie was die historische Mitte betrifft in jedes Gremium und jede Entscheidung eingebunden gewesen.


    Es ist wohl das Denkmal der Ära Lüscher das hier entstanden ist. Sicher lag ihr erster Fehler darin, dass sie für dieses Grundstück einen Entwurf mit einem weiteren Hochhaus favorisierte, obwohl das im Planwerk ihres Vorgängers nie vorgesehen war, was natürlich Sprengstoff und Munition für die angrenzenden Bewohner barg. Frau Lompscher hat sich an diesem Grundstück auch die Finger verbrannt, denn einseitig verwarf sie das Hochhaus, was Planungszeit kostete und den schnellen Neubau von günstigem Wohnraum (für den Frau Lompscher stand oder stehen wollte) konterkarierte.


    Um das Trio Infernale zu vervollständigen kam noch ein sehr blasser und baukulturell äußerst durchschnittlicher Baustadtrat Grothe aus Mitte hinzu. Dieser setzte nach dem gekippten Hochhaus den Drittplatzierten (Blauraum) durch. Warum man nicht den ersten Preis ohne Hochhaus überarbeiten ließ oder den Preisträger des zweiten Platzes nahm bleibt im Dunkeln. Um das Kuddelmuddel aber nochmals zu steigern entstand nicht der Entwurf vom Wettbewerb von Blauraum (Dritter Preis) sondern eine komplette (banalisierende) Überarbeitung.


    An der Stelle kommen zwei weitere Protagonisten, die das verbrochen haben ins Spiel: Die WBM und die Firma MILA. Dass die WBM mit Architektur wenig anfangen kann ist bekannt. Warum man in der Breiten Straße und am Molkenmarkt so viele Wettbewerbe abhält liegt wohl am bekannten Defizit, auf der anderen Seite erklär sich an der Stelle wieder nicht, warum man für das Grundstück Fischerinsel nicht einen neuen Architektur-Wettbewerb (da jetzt ja klar war, dass kein HH kommt) durchsetzte? Soweit jetzt zu erfahren ist hat die ausführende Firma MILA den (überarbeiteten) Entwurf von Blauraum in fast schon deutscher Gründlichkeit ins Extrem vereinfacht. Aber auch die aktuelle Bürgermeisterin Giffey kommt zum Richtfest, auch ihr scheint die mangelnde Architektur nicht weiter aufzufallen.


    Jetzt bitte bedenken sie doch mal an wie vielen Stellen Frau Lüscher hätte eingreifen können, nein in Anbetracht des Ortes sogar müssen. Wie schreibt die WBM: „An der Wiege Berlins“. Und nicht immer die Mär vom bezahlbaren Wohnraum verbreiten. Es handelt sich um bezuschussten Wohnraum, die andere Hälfte wird für bis zu 16 EUR qm angeboten samt Concierge Service.


    Ich fasse meine Fragen nochmals zusammen, vielleicht kann sie mir einer beantworten:

    • Wie kann es sein, dass eine Senatsbaudirektorin das Desaster zwar ins Rollen bringt, jedoch zu keinem Zeitpunkt (vier Jahre seit Wettbewerb) eingreift bzw. anscheinend die Entwicklung an diesem zentralen Ort (Wettbewerb war 2015!) an ihr vorbei geht?
    • Wie kann es sein, dass ein Architekturbüro wie Blauraum, das überzeugende Projekte errichtete, so wenig Feingefühl für dieses Stück an dem zentralen Ort hatte?
    • Wie kann es sein, dass die WBM architektonisch an diesem (ich wiederhole mich) Ort, 500 Meter vom Schlossplatz entfernt und nun von allen Achsen zu bestaunen so versagt?
    • Wie kann es sein, dass die Firma MILA den Entwurf nochmals banalisieren durfte? Wer gab dies in Auftrag? Gab es Abstimmungen mit dem Bezirk – Herrn Grothe?

    Nein, auch ich finde den Artikel von Herrn Göbel in der Berliner Zeitung für falsch. Bauten wie den Nalbach-Block gegenüber oder das Parkhaus von Kny und Weber hinter den Rathauspassagen sind im Vergleich zu dem was „an der Wiege Berlin“ (WBM) gerade entsteht wahre Baukunst.


    Abschweifend ein Link zu Baunetz, was denn auf der Fischerinsel in Kiew alles möglich sein könnte:

    https://www.baunetz.de/meldung…BUR-_in_Kiew_8021077.html

  • ^ Das haut mich jetzt wirklich um!
    Die ukrainischen Stadtplaner machen uns etwas vor, von dem wir lernen sollten.
    Das was auf der Kiewer Fischerinsel gebaut wurde, ist erheblich kreativer aus unser Kiez. :thumbup::)

  • Wer sich für den "Weiterbau" der ehemaligen Altstadt interessiert, dem kann ich das Mitte-Festival empfehlen. Ich war vorgestern und gestern Abend da - nachfolgend ein paar aus meiner Sicht interessante Aspekte. Heute Abend ist ein Panel mit Kahlfeldt, Momper. Programm siehe hier.

    Zum gestrigen Abend: "Droht die Festschreibung der Suburbanisierung von Molkenmarkt, Mühlendamm und Gertraudenbrücke für weitere Jahrzehnte?":


    Aus einem Vortrag von Dr Stefan Lehmkühler von Changing Cities eV zur Gertraudenbrücke:

    - Die Verkehrsplanung prognostiziert mittelfristig 48.000 Fahrzeuge/Tag. Diese Planung müsse zwingend umgesetzt werden - das sonst geklagt werden könne. Aus dieser Vorgabe folge, dass 4 Fahrspuren gebaut werden müssen. Plus 2 ÖPNV-Spuren. Plus Rad und Fussgänger - alles jeweils mit gesetzlich vorgegebenen Mindestbreiten. Folge: Ein Brückenmonster ist schwer zu vermeiden....

    - Eine Verlegung der Streckenverlaufs nach Norden (und damit auf die alte Gertraudenbrücke) wie im Planwerk Innenstadt und Innere Stadt vorgesehen - sei aus Behördensicht zu riskant. Daraus könne sich das Recht auf Lärmklagen ableiten. Dann handle es sich nicht mehr um Ersatzneubauten. Daraus ergäben sich viel komplexere Genehmigungsverfahren und viel mehr Einspruchsmöglichkeiten (es bleibt daher, wenn es nach den Behörden geht, bei der Autobahn - ohne Erkennbarkeit der alten Platzfolge aus Spittelmarkt, Petriplatz....)

    - Derzeit fahren mehr als 70.000 Fahrzeuge pro Tag über den Strassenzug - ungefähr soviel auf an manchen Tagen auch auf dem Südring der Stadtautobahn. De facto habe Berlin eine Autobahn quer durch die Altstadt.


    Aus der nachfolgenden Podiumsdiskussion - ua mit Architekt Höfer:
    - Ein Problem sei, dass Verkehr und Bauen jetzt in zwei Senatsverwaltungen angesiedelt sei. Und dann noch bei 2 verschiedenen Parteien (Grüne: Verkehr, SPD: Bauen). Das mache einen Planen im Sinne eine städtebaulichen Gesamtkonzept sehr schwierig. Folge: So etwas integriertes wie das Planwerk Innenstadt wäre heute kaum noch denkbar - weil sich niemand mehr für das Gesamtprodukt aus Verkehr und Bauen zuständig fühlt. Das Planwerk Innenstadt/Innere Stadt interessiere daher heute auch niemand mehr.

    - Der grüne Narrativ "Klimawandel braucht möglichst Grünflächen in Städten" kann die Wiedergewinnung der Altstadt anders als noch vor 10 Jahren geplant aushebeln.

    - Anders als in anderen Städten fehlt in Berlin eine bürgerliche Schicht für einen ausreichend starken Narrativ zur Vermittlung der Bedeutung einer historisch verankerten europäischen Stadt.

    - Was den umstrittenen WBM Bau angeht - sinngemäss: Alle schauen sich jetzt an. Man frage sich: Wie konnte das passieren. Keiner wills gewesen sein. Sicherlich würden die Architekten "weinen", die WBM fühle sich auch nicht schuld - wegen der finanziellen und sonstigen Rahmenvorgaben etc etc. Das Grundproblem sei die irrwitzige Idee in der Innenstadt sozialen Wohnungsbau für 6,50 machen zu wollen - das sei sogar dann unmöglich, wenn man wie diesem Fall die WBM das Grundstück für einen 1 Euro geschenkt bekommt.

    - Interessante Überlegung: Man hätte viel mehr (Sozial-)Wohnungen bauen können, wenn man das Grundstück an einen privaten Entwickler per Erbbaurecht gegeben hätte - und mit den Einnahmen Sozialwohnungen finanziert hätte. Die Aversion gegen private Bauherren sei jedoch so gross, dass man lieber auf Wohnbauvolumen verzichte (und auf architektonischen Anspruch).

    4 Mal editiert, zuletzt von Oranien ()

  • Eine Verlegung der Streckenverlaufs nach Norden (und damit auf die alte Gertraudenbrücke) wie im Planwerk Innenstadt und Innere Stadt vorgesehen - sei aus Behördensicht zu riskant. ...

    Endlich spricht mal aus, weshalb es hier ein solches "geeier" gibt. Weshalb man hier nicht vor Jahren begonnen hat, die Ideen aus den 90ern (mit Umbau der alten Brücke) weiter planerisch zu untersetzen, bleibt ein Geheimnis das spannend zu erfahren wäre...


    Zitat des Vorposts gekürzt.


    d.

  • Also aus Angst vor einem Planfeststellungsverfahren belässt man es einfach bei dieser Stadtautobahn. Das ist in meinen Augen ein Armutszeugnis der Regierung! Und wozu hat man dann jahrelang mit enormem Ressourcheneinsatz das Planwerk Innenstadt überhaupt erstellt?? Das Verschwenken eines Teils des Straßenzugs zurück auf die alten Gertraudenbrücke und der Neubau einer schmalen Nebenbrücke sollten doch eigentlich das Ziel aller Bemühungen sein, oder nicht?

  • Wird jetzt in jedem Strang der Vorkriegszustand zum non plus ultra und alles was mal geplant oder projektiert wurde zum bereits fest beschlossenen Projekt?


    Es ist ein bißchen wie bei Wikipedia: irgendwann weiss man nicht mehr so genau was stimmt, die historische Tatsache oder der Film darüber? :keineahn:

  • - Der grüne Narrativ "Klimawandel braucht möglichst Grünflächen in Städten" kann die Wiedergewinnung der Altstadt anders als noch vor 10 Jahren geplant aushebeln.


    - Anders als in anderen Städten fehlt in Berlin eine bürgerliche Schicht für einen ausreichend starken Narrativ zur Vermittlung der Bedeutung einer historisch verankerten europäischen Stadt.

    Solche Aussagen grenzen schon an Realitätsverweigerung. Klimaschutz und klimagerechtes Bauen sind keine politischen Narrative sondern essentielle Maßgaben für Planung und Architektur, wenn wir Innenstädte auch in Zukunft lebenswert und effizient halten wollen. Wenn man den Schuss in 2022 immer noch nicht gehört hat, wird's langsam kritisch.


    Und die "bürgerliche Schicht" Berlins hat en gros keine ähnlich emotionale Sehnsucht nach der Altstadt, wie es mach andere gerne hätten. Das heißt aber nicht, dass sie nicht existieren würde. Ganz im Gegenteil, ein Großteil der Wählerschaft der Grünen und SPD setzt sich aus dieser Schicht zusammen und da sind Themen wie Klimaschutz, bezahlbarer Wohnraum, und soziale Gerechtigkeit nunmal höher priorisiert (und insbesondere die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist mittlerweile auch zu einem erheblichen Teil der CDU- und FDP-Wähler durchgedrungen, wage ich mal zu behaupten).


    Ich denke, wir sind uns weitestgehend einig, dass das WBM-Wohnhaus aus architektonischer Perspektive ein Negativbeispiel ist, mit dem man nicht zufrieden sein kann und aus dem man lernen sollte. Für mich ist es aber Verschwendung wertvoller Zeit, wenn man in solchen Diskussionsrunden von einem Extrem in nächste springt, den Klimaschutz zum Feind erklärt und direkt wieder von der Rückgewinnung der Altstadt fantasiert. Wir haben 2022. Baurecht, Bautechnik, Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur, Nutzungsanforderungen und so ziemlich alle andere Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert. Mehr als grobstrukturelle Anknüpfungen an FRÜHERTM wird es nicht geben.


    Auf der anderen Seite zeigt das WBA-Haus auch, dass gewisse Maßgaben nicht überall funktionieren. Beispielsweise das Paradigma, günstigen Wohnraum an jedem Ort der Stadt durchzudrücken, ist kritikwürdig und sollte an zentralen, repräsentativen Orten nicht rigoros über den Anspruch eines ästhetischen Stadtraumes gestellt werden. Das Beispiel aus Kiew macht schon wehmütig und es deprimiert, dass man es in Berlin mal wieder nicht auf die Kette bekommen hat.

  • JimmyMcGill : Offenbar ein völliges Missverständnis bzw eine Fehlinterpretation.

    Etwas ausführlicher dargestellt: Es geht nicht darum, ob Städte klimarecht umgebaut werden sollen. Es geht darum, was dafür das Leitbild ist.

    1. ist die Lösung, in Innenstädten möglichst viel unbebaut zu lassen - als "Grünflächen" und "Frischluftschneisen"

    2. ist die Lösung, Innenstädte möglichst hoch zu verdichten.

    Der grüne Berliner Narrativ ist der Erstere - und damit der vollkommen falsche. Denn:

    1. Städte, die seit Jahrhunderten mit hohen Temperaturen klarkommen, sind ausnahmslos hocherdichtet. Von Süditalien bis Südspanien. Von Casablanca bis Cairo. Wenn man in diesen Städten erzählen wollen würde, zugunsten des Umgangs mit hoher Sonneneinstrahlung 2/3 der Gebäude abzureisen um Rasen zu pflanzen würde man mindestens Stirnrunzeln ernten.

    2. Die Bevölkerungsdichte in Berlin ist die Hälfte von München und ein Siebtel von Paris. Wenn man den Berliner Narrativ zur Grundlage für den Umgang mit Klimawandel machen würde, wäre die Klimakatastrophe perfekt. Man stelle sich vor, dass Hongkong, SaoPaulo oder Tokio mit diesem Narrativ auf den Klimawandel reagieren wollen würden. Dann wäre 1/3 der Erde mit "Stadt" (oder dem, was man mit dem sonderbaren Berliner Narrativ unter Stadt versteht) zugepflastert. Das wäre eine ökologische Katastrophe. Man kann - zugunsten der Entwicklung von Klimaresilienz von Städten - nur hoffen, dass den Berliner Narrativ niemand aufgreift.

  • Nachdem diese Scheuslichkeiten fertiggestellt sind, schmerzt der Verlust des Ahornblattes umso mehr.

    Ich bin sehr für die Wiederherstellung dichter Stadträume, aber hier ist das Ergebnis einfach nur erschütternd.

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  • Städte, die seit Jahrhunderten mit hohen Temperaturen klarkommen, sind ausnahmslos hocherdichtet

    Dieses Argument bezieht seine Legitimation ja nicht aus den modernen Teilen Cairos und Casablancas, sonder aus historischen Altstädten in denen angepasste Bewohner im kleinen Maßstab ein völlig anderes Leben geführt haben, als wir es heute führen. Die Architektur wurde auf clevere Art und Weise den lokalen ariden bis wüstenartigen Bedingungen angepasst, die trotz Klimawandel wenig mit den Unseren gemein haben. An sich hoch interessant, aber als Orientierung für die Stadtplanung einer 3,5 Millionen-Stadt in unseren Breiten nicht wirklich geeignet.


    In den moderneren Teilen von bspw. Cairo oder Casablanca herrschen eher westliche Stadtstrukturen mit breiten Straßen, renditenoptimierten Wohnhäusern und ausgeprägter Versiegelung vor, in denen man sich das "Klarkommen" energieintensiv mit Klimaanlagen erkaufen muss. Die Bevölkerung dieser Städte ist zudem über Generationen an die Hitze angepasst, was nicht nur die persönliche Gesundheit , sondern auch des gesellschaftliche Leben insgesamt betrifft. Hier wieder: als Vorbild nicht wirklich geeignet.


    Das Thema kann man noch erheblich vertiefen (bei uns kommt z.B. auch noch die deutlich höhere Gefahr von Überflutungen durch Starkregen hinzu), aber klar ist, dass die Gleichung hochverdichtet=klimafreundlich so nicht zu machen ist. Ganz besonders, wenn man von Großstädten spricht.


    Nachverdichtung hingegen lehne ich überhaupt nicht ab und es wäre mir auch neu, wenn die Grünen das per se tun würden (siehe Molkenmarkt). Aber es gibt wie immer ein gesundes Maß. Grünflächen erfüllen eine Reihe wichtiger Funktionen und sind nunmal nicht komplett wegzudenken. Fairerweise muss man sagen, dass wir ein Berlin vergleichsweise gut aufgestellt sind und der Ruf nach Grünflächen und Luftschneisen nicht immer sachliche Hintergründe hat, sondern auch als Hebel zur Verhinderung genutzt wird.

  • Herrgott nochmal dieses ewige Aufwärmen und Bejammern des Abrisses des Ahornblatts - für mich eher ein Feigenblatt der DDR Architektur - ist schon sehr anstrengend.


    Es war bestimmt ein Fehler, aber erstens haben sich auch die Anwohner der Fischerinsel damals einen Kehricht darum geschert, wie ich in einer Reportage darüber erfahren habe und zweitens könnte ich im Gegenzug Dutzende von Gebäuden bejammern, die man leider nicht abgerissen hat und deren Gegenwart wir ertragen müssen.