Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße

  • Ja ist dir denn überhaupt nicht klar dass daran nicht der gedankenlose Umgang mit Bauerbe und "Modernisierungswahn" schockiert sondern die unfassbare Verrohtheit und Respektlosigkeit die dahinter steht eine Kirche die der Krieg übrig gelassen hat einfach so in die Luft zu jagen und über tausenden Leichen die dort ihre letzte Ruhe gefunden haben eine Ausfallstraße zu errichten? Auch "Atheisten" müssen die Barbarei darin erkennen! Ich kann's immer noch nicht fassen...

  • Ok, alleine wegen des Bauwerks ist es natürlich schade um die St. Petrikirche. Ich sehe aber nicht ein, dass es eine größere "Barberei" ist, eine Kirche zu zerstören, als irgend ein anderes historisch bedeutendes Gebäude. Auch Friedhöfe wurden in allen Jahrhunderten immer wieder überbaut bzw. verlegt. Man kann die Zeit nun mal nicht zurückdrehen und sollte sich deshalb lieber mit dem zukünftigen Umgang mit dem Gelände beschäftigen, als über die angebliche "Barberei" zu jammern. Was wollt ihr denn? Wäre es wirklich sinnvoll die Kirche wieder aufzubauen? Es besteht hier nun mal einfach kein Bedarf nach einer Kirche. Die Gemeinden St.Petri und St.Marien sind schon seit langem zusammengelegt und haben mit der Marienkirche bereits eine funktionstüchtige Kirche und ich bezweiele stark, dass diese an Gottesdiensten so überfüllt sein soll, dass man eine zweite Kirche bräuchte. Ich gebe Dexter vollkommen Recht, dass man bei einer Neuplanung eher Rücksicht auf die heutigen Ansprüche nehmen sollte, als vergangenem nachzutrauern.

  • naja, das mit dem Friedhof solltest du mehr metaphorisch betrachten. Den gab es da schon lange vor 45 nicht mehr... der unmittelbare Kirchhof wurde so bis 1717 genutzt (also weit vor diversen Kirchenneubauten, Straßenzügen etc).

  • Ist das dein Ernst? Hat man da eine Straße über einem Friedhof gebaut? :mad::nono::Nieder:


    Ach...als wenn Du noch nie unbeabsichtigt auf ein Grab gepinkelt haettest. In meinem Heimatort (nichts da mit Kriegszerstoerung oder so) hat man bei der Neupflasterung des Schulhofes meiner Grundschule haufenweise Graeber gefunden.
    Darauf hat ein schlauer Typpes mal im Kirchenarchiv nachgeschlagen und so "ganz zufaellig" heraus gefunden, dass man im spaeten 19. Jahrhundert meine Grundschule auf dem mittelalterlichen Friedhof meiner Heimatstadt, welcher noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts genutzt wurde, gebaut hat.


    Sowas passiert allerorten und ist eigentlich auch total pille-palle. Die Grabruhe betraegt laut den meisten Friedhofsordnungen so oder so nur 30 Jahre. Danach wird die Parzelle, sofern sie nicht weiter bezahlt wird, anderweitig genutzt. Man ist halt nicht auf nem 100-Seelen-Dorf, sondern in einer Stadt...


    Lasse den Beitrag noch einen Moment stehen und werden Ihn dann ins Off verschieben, da er keinen unmittelbaren Themenbezug hat. Jo-King

  • Echt mal...Die Petrikirche ist nicht die einzige Kirche, Berlin nicht die einzige Stadt und die DDR nicht die einzige Epoche, in der Friedhöfe aufgelöst und überbaut wurden. Schließlich hatten wohl alle diese Stadtkirchen nen Friedhof um sich herum, von dem heute meist nichts mehr zu sehen ist. Also jetzt mal nicht so schockiert und fassungslos tun. Schlimmer finde ich den Teilabriss des noch bestehenden Jerusalemkirch Friedhofs am Halleschen Tor zugunsten einer Straße - womit wir wieder beim Thema wären.


    Wie lauten denn nun genau die Bedingungen für die Fördermittel? Statt neg. Karma hätte man mir lieber antworten können/sollen.


    Und wie solls dann ab Charlottenstr. aussehen? Und wie gehts am Potse weiter, wo jetzt bald der Blödevard of Stars auf den Mittelstreifen kommt...Würde man die Leipziger Str. wieder auf alte Breite bringen und die Seitenstr. wieder öffnen, so hätte man mit dem Auto wieder die Möglichkeit, einfacher von der Südseite Richtung Linden zu kommen bzw. wieder Richtung Süden abzubiegen. Das würde die Leipziger bestimmt entlasten. Jaja, man kann sagen, dass dadurch der ruhige Bereich südl. der Leipziger zur Durchgangsstr. wird oder so, aber wie gesagt, das sind mMn die Nebenwirkungen, wenn man in einer Großstadt und dann noch im Zentrum wohnt. Mal abgesehen davon, dass dort doch eh kaum Wohnungen gibt. Und auch eigentlich sonst nichts...

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  • ^
    Die Bedingungen für die Zuwendung aus Finanzhilfen des Bundes auf nationaler Ebene (also die oben angesprochenen "Fördermittel"), die in diesem Fall 60 von 100 Teilen ausmachen würden, sind nachzulesen im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG).


    Dort heißt es im Paragraph 2, Absatz 1:
    "Die Länder können folgende Vorhaben durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen fördern: [...]
    2. Bau oder Ausbau von Verkehrswegen der
    a)Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart, [...] soweit sie dem öffentlichen Personennahverkehr dienen, und auf besonderem Bahnkörper geführt werden."


    Eine Förderung ohne gesonderten Bahnkörper war, wie aus Paragraph 2, Absatz 3, Satz 1 u. 2, hervorgeht, nur bis zum 1. Januar 1996 möglich.
    Ich weiß nicht genau wann die bereits existierenden Gleise ab Charlottenstraße verlegt wurden, kann mir aber vorstellen, dass dies bereits vor 1996 geschah um eben diese Förderung noch zu erhalten.


    In Paragraph 3 werden die Bedingungen für die Förderung genauer erläutert. Dort heisst es:
    "Voraussetzung für die Förderung nach § 2 ist, daß
    1.das Vorhaben
    a)nach Art und Umfang zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich ist und die Ziele der Raumordnung und Landesplanung berücksichtigt,
    b)in einem Generalverkehrsplan oder einem für die Beurteilung gleichwertigen Plan vorgesehen ist,
    c)bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant ist,
    d)Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt und den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entspricht. Bei der Vorhabenplanung sind die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören. Verfügt eine Gebietskörperschaft nicht über Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte sind stattdessen die entsprechenden Verbände im Sinne des § 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes anzuhören.
    2.die übrige Finanzierung des Vorhabens oder eines Bauabschnittes des Vorhabens mit eigener Verkehrsbedeutung gewährleistet ist"


    Siehe: http://bundesrecht.juris.de/gvfg/


    Dass Zuwendung bzw. die Förderung aus EU-Mitteln (die 75 von 100 Teilen ausmachen kann) explizit einen eigenen Bahnkörper verlangt, kann ich so nicht erkennen. Allerdings verlangt beispielsweise die Verordnung Nr. 1080/2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für den Förderzeitraum 2007-2013 im Kapitel 1, Artikel 4, Nr. 8 bestimmte Prioritäten zu verfolgen, nämlich:
    "Investitionen im Verkehrsbereich, einschließlich: [...] integrierte Strategien zur Förderung eines umweltverträglichen Verkehrs, die zur Verbesserung der Qualität der Beförderungsleistungen im Personen- und Güterverkehr und des Zugangs zu diesen, zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern, zur Förderung von Systemen des kombinierten Verkehrs und zur Verringerung der Auswirkungen auf die Umwelt beitragen"
    und außerdem in Artikel 5, Nr. 2:
    "Umwelt und Risikovermeidung, insbesondere: [...] d) Förderung eines umweltverträglichen und nachhaltigen öffentlichen Personenverkehrs, insbesondere in städtischen Gebieten;"


    Siehe (PDF): http://ec.europa.eu/regional_p…eder/ce_1080(2006)_de.pdf


    Zusammen mit der Tatsache dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung Zwang ist, lese ich persönlich die obige Verordnung so, dass man durchaus zu dem Schluss kommen könnte, dass für eine in Frage kommende Förderung einer Strassenbahn durch EU-Mittel ein eigener Bahnkörper Voraussetzung ist. Zwar kann man Art. 4, Nr 8, das "ausgewogenere Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern" und die "Systeme des kombinierten Verkehrs" auch anders deuten, aber mit dem absoluten Fokus auf die Umweltverträglichkeit wie sie in der Verordnung sichtbar ist, wird man in der Abwägung zwischen Versiegelung/Verdichtung und Entsiegelung/Streuung immer letzterem Vorrang geben.


    Ich hoffe das konnte deine Frage beantworten.

  • Alt-Cölln

    Hoffentlich muß die arme St. Gertraud künftig nicht mehr über eine achtspurige Straße schauen...
    Die Friedrichsgracht mit Gertraudenbrücke Richtung Nord.
    Was wäre dieser Abschnitt des Spreekanals nur mit Hausbooten und Cafés...



    (C) von mir

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  • Ich muss schon sagen: Den Schaum, den einige hier beim Tippen zwischen den Fingern hatten, finde ich etwas befremdlich. Etwa Bayer:


    ...die unfassbare Verrohtheit und Respektlosigkeit die dahinter steht eine Kirche die der Krieg übrig gelassen hat einfach so in die Luft zu jagen und über tausenden Leichen die dort ihre letzte Ruhe gefunden haben eine Ausfallstraße zu errichten? Auch "Atheisten" müssen die Barbarei darin erkennen! Ich kann's immer noch nicht fassen...


    Abgesehen davon, dass Kommata das Lesen ungemein erleichtert hätten, finde ich diesen Beitrag weltfremd und anmaßend. Weltfremd, weil der Abriss von Kirchen bzw. die Überbauung von Friedhöfen gang und gebe war, als sich die mittelalterlichen Städte in Metropolen mit hunderttausenden Einwohnern verwandelten. In Berlin werden in den nächsten 80 Jahren an die drei Millionen Menschen sterben - wenn die alle eine auf ewig unantastbare letzte Ruhestätte bekämen, wäre für die Lebenden kein Platz mehr.
    Anmaßend finde ich die Haltung gegenüber jenen, die die Aufregung nicht teilen: Ihnen wird unterstellt, sie rechtfertigten Verrohung und Barbarei. Dabei sind doch Kirchen von Menschen erdacht und erbaut wurden, und natürlich dürfen Menschen sie auch wieder abreißen. Die meisten Kirchengebäude dürfte sogar immer noch die Kirche selbst abgerissen haben (meist, um sie durch neue Kirchen zu ersetzen). Ob man so einen Abriss befürwortet oder ablehnt, kann sich nur an der künstlerischen Qualität oder historischen Bedeutung der Kirche orientieren, die verschwinden soll; nicht an der bloßen Tatsache, dass es sich dabei um einen Sakralbau handelt.


    Ich habe den Eindruck, Auslöser der Empörung ist auch weniger der Kirchenabriss selbst. Schwerer scheint mir die Tatsache zu wiegen, dass er nicht von einem christdemokratischen Stadtrat der Adenauer-BRD angeordnet wurde, um einer Stadtautobahn Platz zu machen, sondern von realsozialistischen Funktionären der Ulbricht-DDR, um antiklerikale Haltung zu demonstrieren. Besonders deutlich wird das bei Konstantin:


    ...die maßstabssprengende Verbreiterung und die Sprengung der Kirche kannst du aber nicht "auf den letzten Jahrhunderten" abladen. Das war und bleibt purer sozialistischer Stadtvandalismus.


    Tatsächlich war der Abriss historischer Bausubstanz zugunsten von Verkehrsachsen keineswegs auf die DDR beschränkt, sondern common sense des Städtebaus der 50er-70er Jahre - auch in Hannover fiel z.B. eine Kirche samt Friedhof einer Schnellstraße zum Opfer. Der Unterschied zwischen Ost und West bestand vor allem darin, dass die Obrigkeit der DDR ihre brutalen Verkehrsprojekte ungestört durchziehen konnte, während sich die in der BRD (zum Glück) mit unwilligen Grundstücksbesitzern, klagenden Anwohnern und renitenten Bürgerinitiativen herumschlagen musste.


    Nun will ich keineswegs die Politik der SED verteidigen, aus einem falschen Marx-Verständnis heraus Kirchen in die Luft zu jagen; auch als Atheist (übrigens ohne Anführungsstriche, lieber Bayer ;)) kann ich es nachvollziehen, dass Gläubigen das Herz blutet, wenn eine Kirche von erklärten Kirchenfeinden zerstört wird. Nicht nachvollziehen kann ich dagegen, wenn dabei vor lauter Wut die Maßstäbe verrutschen. Noch einmal Konstantin:


    Das bedeutet nicht, daß das Kaiserreich, die Weimarer Demokratie und die nationalsozialistische Stadtregierung im Stadtkern nicht ebenso Stadtvandalismus betrieben haben [...]. Allerdings hatte man bis 1946 wenigstens noch Respekt vor Kirchen.


    Die Nazis mögen die Synagogen verbrannt, die Welt überfallen und die Juden vergast haben - aber vor Kirchen hatten sie Respekt. Na, dann ist ja gut... :confused:

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  • Meine Güte ! Da kann man doch nur mit dem Kopf schütteln. Warum muss man um argumentativ jemanden zu widerlegen oder eine Inkonsequenz in der Argumentation darzulegen immer von einem Extrem ins nächste Fallen ?


    Weil sich hier jemand auf ein konkret durch sozialistische Stadtplanung hervorgerufenes Beispiel bezieht wird hier ein Fass aufgemacht und von Adenauer bis Hitler alles derartig extremistisch als Argument angeführt, dass ich es fast vorzuziehen gedenke diesen Thread wieder aus meiner Favoritenliste zu streichen ! Bleibt mal auf dem Teppich und werdet wieder sachlich !

  • Stadtvandalismus

    Ich versuchte doch nur eindrücklich darzustellen, daß die Sprengung der Petrikirche, die der Zweite Weltkrieg wiederaufbaufähig hinterlassen hatte, und die Verbreiterung der Getraudenstrasse auf acht Spuren - über Kirchengelände und Gräber hinweg - purer sozialistischer Stadtvandalismus war.


    Daran ändert es doch nichts, daß sich - ggf. zu gleicher Zeit irgendwo anders auf der Welt, auch vielleicht in Hannover - Politiker ebenfalls stadtvandalistisch verhalten haben. Das macht die Sache doch nicht besser, selbst wenn das in Hannover ein "christdemokratischer Stadtrat der Adenauer-BRD" [Zitat Architektenkind] der Urheber gewesen sein soll. Es ist ja richtig, daß das Leitbild der autogerechten Stadt zu der Zeit in ganz Mitteleuropa populär war. Es wurde aber in einer Diktatur, zumal einer atheistischen, schlicht brutaler umgesetzt.


    Und, liebes Architektenkind, ich glaube nicht, daß "vergaste Juden" [Zitat Architektenkind], etwas mit unserem Thema zu tun haben. Mein Zitat umfaßte ausdrücklich Kaiserreich und Weimar.


    Also: Zurück zur Sache. Aber ich bin gegen Relativierungen mit dem Hinweis andere hätten es doch auch so oder ähnlich gemacht. Vandalismus bleibt Vandalismus. Ob in Berlin oder Hannover.

  • Blutrache am imaginären Sozialismus ?

    Ich glaube Architektenkind ging es nicht darum hier irgendetwas zu relativieren, sondern die Kommentare in den richtigen geschichtlichen, wie gesellschaftlichen Zusammenhang zu bringen. Zudem ist die Aussage „Irgendwo anders auf der Welt“ von Konstantin keine geringere Relativierung. Mit übertriebenen Kraftausdrücken, euer Einsatz in allen Ehren, kann man sich die Petrikirche samt Friedhof auch nicht wieder herbei wünschen. Ich teile die Meinung vieler Vorredner, die dies ebenfalls als übertrieben empfunden haben und frage mich was dieses Skandalgeschrei und angebrachte Wut nur bezwecken soll.


    Ob das wie Konstantin wiederum erläutert „über Kirchengelände und Gräber hinweg“ geschah, ist in Anbetracht der zeitlichen Differenz in der der Friedhof aufgegeben wurde, wie schon mehrfach erwähnt, irrelevant. Und nein, der auch fast acht Spuren breite Schlossplatz, worunter ebenfalls Gräber gefunden wurden und ein Friedhof existierte, wurde nicht von Sozialisten angelegt und die für die Schlosserweiterung ebenfalls abgerissene „Domkirche“ nebendran, wurde nicht von Ulbricht und Konsorten gesprengt. Es hört sich halt nur immer so an als wenn alles Schlechte ein sozialistisches Phänomen wäre.


    Insofern muss es auch einen „puren hohenzollerischen Stadtwandalismus“, mit dem Abriss der westberliner, schinkelschen Jerusamemskirche (Friedrichstadt) einen „puren sozialdemokratischen Stadtwandalismus“, wie auch einen christdemokratischen und nationalsozialistischen gegeben haben.


    Man sollte auch rationale Erwägungen die zum Abriss beigetragen haben könnten beachten, schließlich waren ALLE zerstörten Kirchen im Zentrum Berlins, bis auf St. Hedwig und der Friedrichswerderschen Kirche bis in die 80er Jahre hinein noch Ruinen. Was wiederum nicht nur Kirchen betraf. Man hatte in der atheistischen Gesellschaft des real existierenden Sozialismus einfach keinen Bedarf an sakralen Räumen und erst recht kein Geld für den Wiederaufbau und die Instandhaltung. Für allein 6 dieser Kirchen hat man eine andere Nutzung gefunden. Das mag nun keine Begründung für den Abriss der Petrikirche sein, aber vielleicht eine Grundläge für andere Abrisse.


    Ich glaube in den Punkt sind wir uns alle einig das der Abriss der genannten Kriegsruine ein großer Fehler war, der uns heute vor städtebauliche Fragen verschiedenster Art stellt.

    Leider teilte die Petrikirche dieses Schicksal aber mit dutzenden zerstörten Baudenkmälern in Berlin, in (ehem.) Ost wie West. Orte zum „Wunden lecken“ gibt es in Berlin mehr als genug und hier fände ich, statt der ewigen Fragerei, „wie konnte man nur...“ ein „wie kann man nur…“ nach dieser Diskussion angebrachter.

  • Ich versuchte doch nur eindrücklich darzustellen, daß die Sprengung der Petrikirche, die der Zweite Weltkrieg wiederaufbaufähig hinterlassen hatte, und die Verbreiterung der Getraudenstrasse auf acht Spuren - über Kirchengelände und Gräber hinweg - purer sozialistischer Stadtvandalismus war.


    Daran ändert es doch nichts, daß sich - ggf. zu gleicher Zeit irgendwo anders auf der Welt, auch vielleicht in Hannover - Politiker ebenfalls stadtvandalistisch verhalten haben.


    Architektenkind hat damit nur dargestellt dass dieses Verhalten dem damaligen Zeitgeist entsprach, was doch wohl kaum von der Hand zu weisen ist. Genauso entspricht es unserem derzeitigen Zeitgeist, den Abriss kritisch zu sehen. Und in 50 Jahren werden wir (bzw. unsere Kinder und Enkel) es wieder anders sehen und uns womöglich fragen, warum man 2020 eine praktische 8-spurige Straße abgerissen hat um eine alte Kirche zu rekonstruieren... obwohl der Gemeinde bereits damals die Mitglieder weggelaufen sind.

  • @ Konstantin

    Ich wollte nichts relativieren, sondern in den historischen Kontext rücken.


    Es ist ja richtig, daß das Leitbild der autogerechten Stadt zu der Zeit in ganz Mitteleuropa populär war. Es wurde aber in einer Diktatur, zumal einer atheistischen, schlicht brutaler umgesetzt.


    Genau das hatte ich doch geschrieben. Warum also das "aber"?


    Und, liebes Architektenkind, ich glaube nicht, daß "vergaste Juden" [Zitat Architektenkind], etwas mit unserem Thema zu tun haben. Mein Zitat umfaßte ausdrücklich Kaiserreich und Weimar.


    Weimar und Wilhelm Zwo meinetwegen, und wenn Du es darauf beschränkt hättest - o.k. Aber die Nazis hattest Du halt auch mit drin, und da gehört der Holocaust dann dazu: Bekanntlich sind "bis 1946" [Zitat Konstantin] 160.000 Juden allein aus Berlin ermordet wurden, und vor diesem Hintergrund ist es schlicht lächerlich, wenn man dem NS zugute hält, im Gegensatz zur SED habe er immerhin keine Kirchenruinen abgerissen. Das ist ein Argument nach dem Motto: "Ja, die Nachbarn hatten die Gefriertruhe voller Babyleichen, aber wenigstens war ihr Rasen immer gut gepflegt", und darauf wollte ich hinweisen. In die Nähe von Nazis rücken wollte ich natürlich niemanden hier.


    Nichts für ungut!
    Architektenkind


    P.S.: Um den Rundumschlag perfekt zu machen: Das in Hannover waren, soweit ich weiß, die Sozialdemokraten. :cool:

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  • Und nicht vergessen: für Germania wär schließlich auch die eine oder andere Kirche draufgegangen. Zum Thema Kirchenreko: nur weil Kirche draufsteht, muss ja nicht Kirche drin sein. Sie können z.B. auch als Museum genutzt werden, wie die Friedrichswerdersche. So könnte man in der Bethlehemskirche ein Museum zur Geschichte der Böhmischen Glaubensflüchtlinge in Berlin einrichten, wie es schon eins für die Hugenotten im Franz. Dom gibt. Zwar gibts das "Böhmische Dorf" in Rixdorf, aber um dort hinzuverirren muss man schon wirklich interessiert sein und vor allem davon wissen. Der religiöse Aspekt wäre sogar vorhanden.

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  • Ich glaube in den Punkt sind wir uns alle einig das der Abriss der genannten Kriegsruine ein großer Fehler war, der uns heute vor städtebauliche Fragen verschiedenster Art stellt.


    Die Debatte um den Kirchenabriss geht ohnehin am eigentlichen Problem vorbei - nämlich der totalen Zerstörung der Stadtstruktur in den 60er und 70er Jahren. Wo man im Westen den Wiederaufbau zwar architektonisch hässlich, aber doch größtenteils auf den bestehenden Grundstücken vollzog, hat man im Osten die Geschichte auf Null gesetzt und wider jegliche gewachsene Struktur geplant und gebaut. Dass dabei auch eine Kirche im Weg war, ist in dieser Gegend schon fast vernachlässigbares Detail. Man betrachte nur Fischerinsel, Spittelmarkt und Leipziger Straße.

  • ^
    Es gibt Foristen, die die historischen Stadtstrukturen vor 1950/60 als nicht unbedingt die optimalsten ansehen. M.E. zu Recht. Schon seinerzeit waren die dichten städtischen Strukturen der Großstadt Berlin harscher Kritik ausgesetzt (etwa Hegemann, Bauwelt Fundamente, Bd.3, Das steinerne Berlin, 1930: Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt).


    timmi es schon ziemlich treffend auf den Punkt gebracht. Mit einer kleinen Wortänderung wäre sein abschließender Satz m.M.n. perfekt:

    Leider teilte die Petrikirche dieses Schicksal aber mit dutzenden zerstörten Baudenkmälern in Berlin, in (ehem.) Ost wie West. Orte zum „Wunden lecken“ gibt es in Berlin mehr als genug und hier fände ich, statt der ewigen Fragerei, „wie konnte man nur...“ ein „wie kann man nun…“ nach dieser Diskussion angebrachter.

  • Neubau Petrikirche

    Um einmal diskursiv wieder nach vorne zu kommen: Die evangelische Kirche (Marien-/Petrigemeinde) will den Neubau einer Kirche im Rahmen eines Wettbewerbes ausschreiben. Dann wird's wieder munter im Forum - da wird sicher eine große Bandbreite an Entwürfen kommen. Sozusagen von Kollhoff bis Grüntuch... Offiziell wird's wohl nach Ostern.

  • Sächsische Landesvertretung

    Hat jemand schon einmal ein Foto zu dieser süssen Geschichte gepostet? Die Sachsen kauften nach der Wende ein unter Denkmalschutz stehendes Palais in der Brüderstraße, das in stark heruntergekommenem Zustand war. Bei der Sanierung der Fassade tauchte - O' Graus - ein preußischer Adler auf. Für einen Sachsen nahe am GAU.
    Der Denkmalpfleger schrieb den Erhalt des Tieres vor, so montierten die Sachsen dieses formschöne Regendach, in welches das Sächsische Wappen geschliffen wurde. Für den sachsophilen Besucher wird so der Adler verdeckt...