^so ganz nachvollziehen kann ich deine Argumentation nicht. Weniger Fahrspuren führen eben wie in deinem Beispiel zwangsläufig zu mehr Rückstau, mehr Belastung und damit nicht gerade zu einer Fußgänger-freundlichen Verkehrsführung. Die Straßenbahn als Verkehrsmittel ist hier nicht das Problem, wohl aber die Breite, die sie für sich im Straßenraum beansprucht. Was dort momentan angedacht ist, ist eben KEINE sichtbare Verbesserung, sondern lediglich die Ergänzung des derzeitigen Zustandes mit einem zusätzlichen Verkehrsmittel.
Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße
-
-
-
Die Belastung durch Rückstau tragen aber in erster Linie die Menschen, die ihn selbst verursachen. Deswegen ist (neben der Schaffung von Alternativ-Verkehrsmitteln) auch der Straßenrückbau eine der wenigen Optionen Verkehr zu mindern. Ich bin kein Verkehrsplaner, aber soweit ich weiß hat umgekehrt bisher jeder Straßenbau zu mehr Verkehr geführt - da gibt es sogar Formeln für... Ich verstehe auch nicht, wieso man nicht auf zwei Fahrspuren einengen möchte. Der Rückstau kommt zumindset in Westrichtung sowieso an der Charlottenstraße und die momentane Situation an der Leipziger (die auch immernoch eine große Wohnstraße ist!) finde ich was Lärm angeht unerträglich.
-
Nein, da muss ich entschieden widersprechen. Das ist eben einer der ganz großen Irrtümer grüner Verkehrspolitik. Rückbau führt zuallererst IMMER zu einer Belastung für die Anwohner. Der Verkehr löst sich ja schließlich nicht in Luft auf, sondern bewegt sich nur langsamer, verursacht somit mehr Abgase und ergiest sich bestenfalls auch noch in die umliegenden Wohngebietsstraßen.
Ich gehe in diesem speziellen Fall allerdings durchaus konform mit der Meinung, dass für die Gertraudenstraße eine Verengung sinnvoll und wenig nachteilig wäre. Ganz einfach, weil bereits heute die Verkehrsdichte an dieser Stelle keine derartige Trasse mehr rechtfertigt und das Ganze ohnehin in einem Nadelöhr mündet. Eine Trassenverengung ist aber genau nicht vorgesehen. Lediglich zusätzlich noch die Straßenbahn. -
Im Berliner Westen gibt es besonders in Wohngebieten viele Beispiele, in denen man das Fahren schlichtweg zu einer Marter gemacht hat. Nicht vergleichbar mit der Leipziger, doch Tel, das ist und bleibt leider oft der einzige Weg um die Menschen aus dem Auto zu holen. Und dasas ist dann keine grüne Verkehrspolitik, sondern ganz einfach Verkehrspolitik, die nicht den AUTOverkehr im Fokus hat.
-
Nun denn, auch im Berliner Westen lernt man es schließlich mittlerweile, dass mit überkommenen Modellen aus den 80ern in der Hauptstadt von heute keine Verkehrspolitik mehr gemacht werden kann. Auch dort hat es sich wohl rumgesprochen, dass mit intelligenter Ampelschaltung und ruhig fließendem Verkehr sehr viel verträglichere Ziele erreichen lassen, als mit künstlicher Stauverursachung.
-
Ich muss Million recht geben. Strassenrückbau ist die einzige Möglichkeit den Verkehr in Innenstädten zu reduzieren. Warum sonst Fußgängerzonen überhaupt?
In Paris kann man das gut beobachten: Auf den ganzen Boulevards werden Busspuren eingerichtet, Strassenbahngleise verlegt, Radwege gebaut, so dass manchmal nur noch eine Fahrspur für den "normalen" Verkehr übrig ist.
Resultat: Stau. Auf einer Spur, statt auf dreien.
Der ökonomische Effekt ist übrigens sensationell: weil es länger dauert in die Innenstadt zu fahren, sind die Immobilienpreise in der Innenstadt deutlich gestiegen. Das kann man jetzt gut oder schlecht finden. Die Anwohner (die in eigenen Wohnungen wohnen - nicht die Mieter) jedenfalls hat es gefreut.
-
Na und der künstlich produzierte Dauerstau vor dem Fenster - das erfreut die Anwohner immer ganz besonders!
-
Mit intelligenter Ampelschaltung ist meines Wissens noch nie Verkehr veringert worden. Eher wurden dadurch Taktungen für Fußgänger negativ beeinflusst (das kann man regelmäßig in den Leserbriefen der regionalen Zeitungen lesen). Vielleicht geht es dir aber auch gar nicht um Reduktion, dann würden wir hier aneinander vorbeireden...
-
Vermeintliche Reduktion durch mutwillige Herbeiführung eines inakzeptablen Zustands - nein, darum geht es mir tatsächlich nicht. Eben weil dadurch die Belastungen nur verlagert und lokal sogar verstärkt werden.
Verkehrsprobleme lassen sich nun mal nicht dadurch lösen, dass ich alle Teilnehmer auf ein gleiches niedriges Mobilitätsniveau zwinge, sondern immer nur durch effiziente Alternativen, sowohl in der Wahl des Verkehrsmittels als auch in der Streckenführung. -
Nun, da enden wir beide in einer Sackgasse. Ich bin eben doch der Meinung man müsse die Verkehrsteilnehmer zwingen. Und das nicht, um ein "niedriges Mobilitätsniveau" zu erreichen, sondern das hohe Niveau auf andere Verkehrsmittel umzuverteilen. Ich würde sicher keinem Fuhrunternehmen oder irgendeinem Klepmner verbieten das Auto für die Arbeit zu verwenden. Leider besteht der Stadtverkehr aber zu einem gewissen Teil auch aus Bequemlichkeitsfahrern, denen man den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel argumentativ schwer näherbringen kann...und ich spreche da aus Erfahrung.
Effizienzdenken hindert leider oft die Innovation (dazu auch gerne Jane Jacobs "Economy of Cities", Random House Verlag) und bringt woh in diesem Falle erstmal keine Veränderung der Verkehrsmasse.
Naja, zumindest sind wir uns ja einig, dass alternative Verkehrsmittel benötigt werden. Ansonsten bewegen wir uns wohl auf der Stelle. Ein Hinweis vielleicht noch auf die verschiedenen Mautsysteme in anderen Städten. Die machen im Prinzip nichts anderes als die Menschen durch finanziellen Druck aus dem Auto zu vertreiben. Ich habe letztens einen zugegeben schon älteren Artikel über London gelesen, der acht Monate nach der Einführung der Maut einen Verkehrsrückgang von 40% zu gebührenpflichtigen Zeiten festgestellt hat. Dazu der Link auf Innovations-report.de - vielleicht kann jemand noch mehr Material von außen beisteuern, wäre gut die Diskussion etwas mehr mit Fakten anzureichern. Interessieren würde mich zum Beispiel wo der ganze Verkehr in Seoul hingegangen ist, als man dort den Cheonggyecheon-Fluss ausgegraben und dafür einen Highway abgerissen hat. Dazu finde ich leider recht wenig - jemand eine Idee? -
Natürlich hat Million Recht. Will man Stadt wiedergewinnen muß man den Verkehr reduzieren. Verkehrsreduktion geht nur mit einschneidenden Maßnahmen. "Intelligente" Ampelschaltung oder "Vernunft" haben noch nie zu irgendetwas geführt.
Deshalb ist es notwendig, die Gruner-, Gertrauden- bzw. Leipziger Straße durchgängig mit maximal 2 mal 2 Spuren auszustatten. Die Straßenbahn kann im Grüngleis geführt werden - das muß ja nicht die Breite des Linden-Mittelstreifens haben. An Engstellen geht es vielleicht auch - mit Vorfahrt - auf der Strasse. Über eine Busspur haben wir noch gar nicht geredet (wie später beim gleichen Strassenzug in der Potsdamer Straße).
Die bisherige Senatsplanung läßt dem Berliner Autofahrer die Illusion, er könne auch zunkünftig vom Alex zum Potsdamer Platz mit 70 km/h über den ältesten Platz Berlin (Molkenmarkt), über die Gräber des Petrikirchhofes und durch den Chor der gleichnamigen Kirche heizen.
Nachhaltung aber kann man das Areal nur durch die Ansiedlung von Menschen in Wohnraum voranbringen.
-
^ Sofern es eine Straßenbahnstrecke gibt, wird keine Busspur mehr benötigt. Die Strecke soll die M48 ja ersetzen. Eine auch teilweise gemeinsame Führung von Gleis und Individualverkehr funktioniert auf dieser auch weitehrin recht stark befahrenen Straße nicht und kostet wie schon beschrieben Fördermittel in nicht unerheblicher Höhe (will sagen: diese fallen weg).
-
über die Gräber des PetrikirchhofesIst das dein Ernst? Hat man da eine Straße über einem Friedhof gebaut?
-
million - wir reden immer noch aneinander vorbei. Die Kernfrage ist doch, mit welchen Mitteln man diese Reduktion erreichen will und ob gleichzeitig effiziente Alternativen geschaffen werden. Ein reines Provozieren von Stau und Stress ist auf keinen Fall der richtige Weg, sondern tatsächlich kontraproduktiv.
Es ist doch im Grunde eine sehr einfache Rechnung. Wenn ich bislang mit dem Auto für die Strecke A nach B 15 min benötige, durch Rückbau hingegen 30 min, ist es einzig von den gebotenen Alternativen abhängig, ob ich weiterhin mit dem Auto fahre oder nicht. Wenn ich dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch so lange oder gar länger brauche, ist es eine sinnlose Maßnahme.
Wie bereits gesagt, ich halte eine Verengung von Gruner und Gertraudenstraße auch für sinnvoll - weil ich den Bedarf für mehr nicht sehe und zudem auch Ausweichrouten für eine intelligente Verkehrsführung existieren. Ich sehe aber durchaus ein großes Problem in der avisierten Trassenbreite, die ja eben trotz Fahrspurreduktion beibehalten werden soll. -
Friedhof
Ist das dein Ernst? Hat man da eine Straße über einem Friedhof gebaut?
Ja. Die Petrikirche ist eine der ältesten Berlins gewesen und ragte mit ihrem Char unter die gesamte nördliche Fahrbahn der Getraudenstrasse. Rund um den Chor und die Kirche war der alte Friedhof. Bei den Ausgrabung sind ca. 2.000 (!) Gräber entdeckt worden. Der älteste Holzfund wurde mit der dendrologischen Methode auf ca. 1150 datiert. Von wegen Berlin sei eine "junge Stadt".
Nachdem zu DDR-Zeiten die Kirche gesprengt wurde ist die Straße über dem Kirchengrundriss und über dem Friedhof angelegt worden. Hier eine Skizze, das Copyright liegt beim Landesarchäologen der Stadt Berlin
https://model2.de/light/6177/getraudenstrassepetrikz1x8.jpg
(C) Landesarchäologie
--------------------
Hinweis der Moderation: Die Einbindung der Bilddatei wurde in einen Link geändert. Bitte künftig auf die Richtlinien für das Einbinden von Bildern achten (gilt auch für thumbnails)! Vielen Dank.
Bato -
Diese Barbarei macht mich fassungslos
-
@tel: Die Rechnung mag theoretisch richtig sein, aber in der Praxis sieht es doch nunmal so aus, dass nicht jeder, der mit der Bahn/Bus fahren kann, das auch tut. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man 15 oder 30 Minuten braucht. Die Frage ist eher, muss ich morgens 10 Minuten in der Kälte zur Bahn laufen? Dann auch noch riskieren, dass sie vielleicht Verspätung hat. Eventuell Umsteigen... Oder kann ich ins Auto zwei Minuten um die Ecke und dann gleich bei der Arbeit in die Tiefgarage?
Zugegeben, bei dieser Bequemlichkeit (und die herrscht hier teilweise so, machen wir uns nichts vor) hätte keiner von uns Erfolg, es bliebe nur der Versuch, den wir sowieso beide ansteuern - Alternativen schaffen. Ich klinke mich dann mal aus der Diskussion aus.Ein unsachlicher Vergleich der mir dabei einfällt: Vielleicht ist es am Ende mit dem Auto wie mit Wäschetrocknern. Die Maschine ist komfortabel und schnell - der Wäscheständer nimmt mehr Platz weg, die Wäsche braucht ihre Zeit.... Schade, dass man niemandem zum Lufttrocknen zwingen kann.
-
Konstantin #75:
Nur damit hier kein Missverständnis entsteht. Der Friedhof wurde nicht erst zu DDR-Zeiten überbaut. Das hatten die Jahrhunderte vorher schon erledigt.
-
Stadtvandalismus
@ Stunden:
Das stimmt ja nun so wirklich nicht. Klassischer Fall von "Es war nicht alles so schlimm...". Blick doch bitte mal in die einschlägige Literatur. Jüngst erschienen: Benedikt Goebel, der Umbau von Alt-Berlin zum modernen Stadtzentrum, Berlin (2005) oder Helmut Engel, Berliner Baugeschichte, Berlin (2009).
Zwar ist die Getraudenstrasse südlich der Petrikirche seit 1865 mehrfach erweitert und die Petrikirche (siehe Skizze) nach den Bränden leicht von der Lage her verändert aufgebaut worden, die maßstabssprengende Verbreiterung und die Sprengung der Kirche kannst du aber nicht "auf den letzten Jahrhunderten" abladen. Das war und bleibt purer sozialistischer Stadtvandalismus.
Das bedeutet nicht, daß das Kaiserreich, die Weimarer Demokratie und die nationalsozialistische Stadtregierung im Stadtkern nicht ebenso Stadtvandalismus betrieben haben und unter dem stets gleichen Motto der "Modernisierung" fleißig abgerissen und gesprengt haben. Allerdings hatte man bis 1946 wenigstens noch Respekt vor Kirchen.
-
@ Konstantin
ich möchte aber dann doch mal einwenden, das ich es etwas übertrieben finde hinter jeder Neuerung Stadtvandalismus zu sehen. Sicher war der Umbau nach 45 etwas vermessen und hat die gegend aus unserer heutigen sichtweise extrem abgewertet.
aber deine argumentation in bezug auf den hier geplanten wiederaufbau erweckt den eindruck, als hättest du die gegend am liebsten wieder so wie sie vor all dem vandalismus zwischen Kaisers- und Honeckerszeiten war.
wenn dem so ist ist das völlig okay.
aber dabei sollte doch nicht ausser acht gelassen werden, das das leben der menschen in unserer stadt sich seither doch etwas verändert hat. es gibt vielfältige gründe dafür, dass auch heute noch altbausubstanz vernichtet wird, weil sie einfach nicht mehr den heutigen bedürfnissen entspricht.am ende sollte architektur und stadtplanung ja dann doch dem menschen dienen.
ich persönlich hielte eine rekonstruktion der straßen in alter abmessung und die von dir geforderte kleinteilig für extrem anachronistisch und bezogen auf die ansprüche einer heutigen metropole für untauglich.
D.