^ Ästhetisch finde ich die Glasgeländer durchaus elegant und ansprechend. Sie erinnern mich an das Museum für Architekturzeichnung von Tschoban. Aber bei allem anderen gebe ich Dir vollkommen recht (keine Privatheit, unpraktisch, unnötige Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten).
Der Verlust an Privatheit ist insofern auffällig, als der Balkon als intimer Bereich im Freien ohnehin eine gewisse Paradoxie in sich birgt: Man will draußen sein und doch ganz bei oder unter sich. Ein israelischer Freund meinte zu mir, er würde die Balkone sehr mit Deutschland verbinden - im Freien sein wollen, aber privat. Da die Betonung der Privatheut historisch betrachtet eng mit dem Protestantismus verbunden ist, könnte man den Balkon als steingewordener Freiluftprotestantismus bezeichnen. Im Unterschied dazu steht eine mediterrane und katholische Kultur, wo es zwar auch Balkone gibt, man sich aber doch eher auf öffentlichen Plätzen trifft.
Der transparente Balkon treibt demnach die Paradoxie auf die Spitze: intimer Bereich im Freien, aber ohne Intimität. Man will bei oder unter sich sein, aber doch transparent und sichtbar. So wäre der transparente Balkon Ausdruck des Gestaltwandels der Privatheit, wie wir ihn ja auch sonst wahrnehmen können.